Czytaj książkę: «Wie angelt man sich einen Prinzen?»

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EINS

ZWEI

DREI

VIER

FÜNF

SECHS

SIEBEN

ACHT

NEUN

ZEHN

ELF

ZWÖLF

DREIZEHN

VIERZEHN

FÜNFZEHN

SECHZEHN

SIEBZEHN

ACHTZEHN

NEUNZEHN

ZWANZIG

EINUNDZWANZIG

ZWEIUNDZWANZIG

DREIUNDZWANZIG

VIERUNDZWANZIG

FÜNFUNDZWANZIG

SECHSUNDZWANZIG

SIEBENUNDZWANZIG

ACHTUNDZWANZIG

NEUNUNDZWANZIG

DREISSIG

EPILOG

THE LIBERTY PRESS

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie;

detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

ISBN 978-3-86506-877-4

© 2016 der deutschsprachigen Ausgabe by Joh. Brendow & Sohn Verlag GmbH, Moers

Originaltitel: How to catch a prince

Erschienen im Mai 2014 bei Zondervan, Grand Rapids, Michigan 49530, USA

Copyright © 2014 by Rachel Hauck

Aus dem Amerikanischen übersetzt von Anja Lerz

Einbandgestaltung: Brendow Verlag, Moers

Titelfoto: fotolia: ri./​Rido

Satz: Brendow Web & Print, Moers

1. digitale Auflage: Zeilenwert GmbH 2016

www.brendow-verlag.de


EINS

Jeden Tag erinnerte sie sich daran, dass sie ein Geheimnis hatte. Bis vor einem halben Jahr hatte sie im Nebel des Todes gelebt. Dann war sie hervorgekrochen und hatte sich nach dem ersten Zipfelchen Leben und Licht ausgestreckt, dem sie in fünf Jahren begegnet war. Es war in Gestalt eines Anrufs gekommen. Einer frischen Brise, einem Angebot.

Aber als der Nebel sich gelichtet hatte, waren die Erinnerungen zum Vorschein gekommen. Solche, die sie schon lange als verloren betrachtet hatte. Jetzt wanderten sie in den leeren Fluren ihres Herzens herum.

Und seit Kurzem reichte schon das leiseste »Kling« oder »Klang«, etwa beim Öffnen der Fahrstuhltüren vor ihrem Büro, um Corina daran zu erinnern, wie sehr sie es liebte, wenn das grandiose, klangvolle Läuten der Glocken der großen Kathedralen durch die frische Morgendämmerung in Cathedral City schallte.

Und es schmerzte sie. Tief in ihrer Seele. Es schmerzte sie eine Sehnsucht, die sie weder erreichen noch entfernen konnte.

Sie atmete lange aus, sackte in ihren Schreibtischstuhl und schloss das Nachrichtenvideo, das sie sich angeschaut hatte. Zwei Mitarbeiter der Beaumont Post betraten mit Fastfood-Tüten in den Händen das Großraumbüro und nickten ihr zu.

Corinas Blick folgte ihnen, als sie den großen, schachtelförmigen Raum durchquerten. Durch die schmutzigen, mit Regentropfen übersäten Fenster fiel das gedämpfte Licht der Nachmittagssonne.

Sie sollte selbst auch Essen gehen. Es war fast zwei. Aber sie wartete darauf, dass ihre Chefin, Gigi Beaumont, aus der Mittagspause zurückkehrte. Corina wollte der Gründerin der Mega-Onlinezeitung, der Beaumont Post, einen Vorschlag machen. Ein gewagtes Unterfangen, selbst für sie, aber sie war sich ihrer Sache sicher.

In der Zwischenzeit gab es Arbeit zu erledigen. Corina arbeitete sich durch ihre Inbox und ordnete die Berichte, die von Mitarbeitern der Post und von freien Korrespondenten aus aller Welt hereinkamen. Gigis Boulevardjournalismusmedienfinger hatten eine große Reichweite.

Corina öffnete eine Story, die letzte Woche fällig gewesen wäre, aber eben erst hereingekommen war, und fing an zu lesen. Aber schon nach dem ersten Satz konnte sie sich nicht mehr konzentrieren.

Was war es denn, das ihr zu schaffen machte? Juni. Natürlich. Es war der dritte Juni. Nachdem sie aus dem Nebel herausgekommen war, hatten Daten und Tage auf einmal wieder eine Bedeutung.

Okay. Schön. Dann war eben der dritte Juni. Also, anerkennen, dass der Tag einmal wichtig gewesen war, und weitermachen. Doch mit allem fertigzuwerden, das sie vor über fünf Jahren begraben hatte, war äußerst herausfordernd.

»Corina, hallo …« Melissa O’Brien setzte sich auf die Kante von Corinas Schreibtisch und warf einen Blick auf den Computerbildschirm. »Was fesselt dich denn gerade so? Eine Geschichte von Chip Allen?« Sie verzog den Mund.

»Ja, ähm … sie ist gut.« Corina räusperte sich, setzte sich aufrecht hin und schaltete wieder auf Business-Modus um – trotz ihrer wirbelnden Gedanken und ihres knurrenden Magens. »Er hat da einen super Artikel über Hollywood und Gewalt.«

»Hast du schon mit Gigi gesprochen?«

»Nein, noch nicht.« Corina sah den langen, breiten Mittelgang des Großraumbüros hinunter, der vor Gigis Büro endete. Durch die Glasscheibe neben der geschlossenen Tür sah sie ihre Chefin mit ihrem Handy am Ohr auf- und abgehen. »Ich dachte, sie wäre noch zu Tisch.«

»Nein, sie ist wieder hier. Mit dem Anhängsel, das sie als ihr Telefon bezeichnet. Das wird eines schönen Tages noch ihre kleinen grauen Zellen abtöten.«

Corina lachte leise. »Die trauen sich doch sowieso nicht, ihr wegzusterben.«

Gigi Beaumont, die sich ihren Weg aus der Armut der Blue Ridge Mountains herausgebahnt hatte und eine Pionierin in der weiten Welt des Onlinejournalismus geworden war, war eine Naturgewalt, mit der man zu rechnen hatte. Weder Tod, Krankheit, Chaos, Anwälte, feindliche Übernahmeversuche, schlampige Reporter, faule Redakteure noch ihre Ehemänner Eins bis Fünf hatten sie überwinden können.

»Willst du damit sagen, dass du dich nicht traust?« Melissa ließ ihre Handtasche von ihrer Schulter auf Corinas Schreibtisch gleiten. »Wir brauchen eine Chefredakteurin. Du machst den Job doch im Grunde schon, seit Carly vor vier Monaten gegangen ist. Und du bist immer noch die Neue. Komm, sei mutig

Mutig? Mut war nicht das Problem. Hier ging es um Timing. Alles hing vom Timing ab. »Gigi ist eine Mentorin und eine Freundin. Ich bin ihretwegen hier. Aber wenn sie mich für die Stelle haben will, warum hat sie mich dann nicht gefragt?«

»Das ist eben Gigi.« Melissa zuckte schnaubend mit den Schultern. »Es ist ja schon ein Wunder, dass sie dir überhaupt einen Job angeboten hat. Normalerweise müssen die Leute ja ankommen und betteln.«

»Auch wieder wahr.« Corina stand auf, Bauch rein, Brust raus, und schob ihren Stuhl unter den Schreibtisch.

»Sie ist auf den Beinen, meine Damen und Herren«, zischte Melissa einem imaginären Publikum zu. »Mir scheint, sie geht rein.«

Aber Corina bewegte sich nicht. Als Gigi, seit langem eine Freundin der Del Reys und obendrein Corinas erste Arbeitgeberin nach dem College, sie letztes Jahr nach Thanksgiving mit einem »Komm runter nach Florida und arbeite für mich!« angerufen hatte, hatte Corina angefangen, aus der Lähmung der Trauer aufzuwachen.

Sie war 29 und hatte die letzten fünf Jahre wie in Trauer zugebracht. Am Leben und doch nicht lebendig.

»Also?«

»Ich gehe jetzt.«

»Sieht nicht so aus, als ob du dich bewegst.«

Corina ging im Schritt eines Laufstegmodels auf Gigis Büro zu. »Du siehst doch, dass ich gehe, oder?« Ihre Absätze klangen dumpf auf dem Teppichboden.

»Ja, ja, ich sehe dich.« Die Melodie von Melissas Lachen machte Corina Mut.

Immerhin war sie eine Del Rey, die Tochter einer vermögenden Familie, eine Magnolie aus Stahl, eine ehemalige Miss Georgia, eine College-Absolventin (summa cum laude!), eine Texterin … und eine Zwillingsschwester.

Sie legte sich die Hand aufs Herz, verlangsamte ihre Schritte und atmete tief durch, während sie sich an ihren Bruder erinnerte. Carlos‘ Tod in Afghanistan hatte sie mehr gekostet, als sie sich je hätte vorstellen können.

Als sie an Gigis Tür ankam, sammelte Corina ihre verwirrten Gedanken – vergiss die Vergangenheit – und formulierte noch einmal ihr Anliegen. Gigi, ich erledige die Arbeit einer Chefredakteurin … gib mir die Position auch formell … Wertschätzung im Team …

Corina schaute durch das Fensterglas, klopfte und lächelte, als Gigi sie hereinwinkte. Der Medienmogul war immer noch am Telefon, tigerte auf und ab und sprach lautstark und lebhaft mit seinem Gegenüber.

»Fantastisch, Darling. Ich kann es nicht erwarten. Es wird dir gefallen. Für Familien ist es hier ganz großartig. Ja, wir sind direkt am Atlantik. Und am Indian River. An der berühmten U.S. 1.« Gigi wies Corina mit einer Geste an, sich auf das Sofa aus schokoladenfarbigem Veloursleder zu setzen. »Klar kann er hier Surfen lernen … Ja, aber natürlich. Und obendrein haben wir hier an der Ostküste unsere eigene Ehrenhalle für Surfer … Ganz genau. Hör mal, ich habe hier jemanden im Büro. Wir sehen uns dann nächste Woche! Bis dann!« Gigi beendete das Gespräch, wiegte das Handy in ihrem Schoß und zeigte ihr schneeweißes Lächeln, während sie ihren stets präsenten Kaugummi zerbiss. »Meine zauberhafte Corina Del Rey, was verschafft mir das Vergnügen?« Gigis glänzendes blondes Haar umfloss in sanften Locken ihr Gesicht.

»Ich wollte mit dir über –«

»Ich habe nachgedacht.« Gigi sprang auf, steckte das Telefon in ihre Rocktasche, drehte eine Runde im Raum und schnippte mit den Fingern. Die Flusslandschaft hinter ihr lag in der Sonne, und die Sonnenstrahlen fädelten Diamanten aus Licht in die friedliche Wasseroberfläche. »Wir brauchen einen spektakulären Artikel über einen Prominenten. Du weiß schon, etwas, das unsere Startseiten aufpeppt.« Die Post hatte als eine Reihe von Blogs ihren Anfang genommen, die Gigi zusammengestellt hatte. Insider in Washington, Hollywood-Experten, Klatschkolumnisten und der gelegentliche Ausguck in die Königshäuser lieferten die Inhalte. Sie hatte Leute vor Ort in New York, L.A., Dallas, Miami, Atlanta, Toronto, London, Madrid, Cathedral City … bis ans Ende der Welt.

»Wir haben das Stück über die Gewalt in Hollywood, das Chip Allen geschrieben hat.«

»Stinklangweilig, Corina. Gewalt in Hollywoodfilmen interessiert niemanden, und wenn es sie interessiert, dann sind die Leute sowieso schon Allens Meinung. Ich habe ihm mitgeteilt, dass wir nicht sicher sagen können, ob wir den Artikel bringen.« Dafür, dass es ein »internationales« Medium war, war Gigi ein ziemlich praktischer Typ, der sich einbrachte. Sie betrachtete die ganze Welt als ihren Hinterhof und war der Ansicht, dass das Weitergeben von Nachrichten so einfach war wie ein Plausch mit dem Nachbarn über den Gartenzaun. »Wir brauchen etwas Wow-mäßiges.« Gigi wirbelte ihre Hände lebhaft durch die Luft.

»Warum brauchen wir etwas ‚Wow-mäßiges‘?«

Gigi hörte auf, zwischen den Fenstern und der Sitzecke hin- und herzugehen und fixierte Corina mit ruhigem Blick. »Du weißt, warum ich dich eingestellt habe?«

»Weil ich eine gute Schreiberin bin. Professionell, organisiert. Ich arbeite hart.« Das war die offizielle Version. Aber in Wirklichkeit? Hatte sie keine Ahnung, warum Gigi sie eingestellt hatte. Die letzten fünf Jahre in Corinas Lebenslauf enthielten nämlich eine dicke fette Lücke. Was hatte sie schon getan? Sie war ein professionelles Klageweib geworden. Sie hatte Dad auf Reisen begleitet, wenn er sie darum gebeten hatte. Und lebte ansonsten zu Hause in den Schatten dessen, was einst eine Familie gewesen war.

Aber ja, sie war eine gute Redakteurin und eine tüchtige Arbeiterin. Und Gigi wusste das.

Dass sie eine Erbin – seine Erbin – war, bedeutete Corinas wohlhabendem, aber hart arbeitenden Vater nichts. Er stellte sicher, dass sie und Carlos sich nie alleine auf den Namen und das Vermögen der Familie verließen, um ihren Weg im Leben zu finden. Ihre Freunde auf der Highschool hatten verächtlich geschaut, als Corina im Haus mithelfen und einen Sommerjob annehmen musste, um sich Geld für ein Auto zusammenzusparen. »Aber dein Vater ist doch ein Multimillionär!«

Tja, sagt das mal Donald Del Rey.

»Gut in dem, was du tust?« Gigis skeptische Miene, während sie sich setzte, ließ Zweifel in Corina aufsteigen. »Nun, das bist du natürlich. Und übrigens, super, wie du in die Bresche gesprungen bist, nachdem Carly gegangen ist. Das Büro liebt dich. Wer hätte gedacht, dass du solch ein Händchen für Details hast?«

»Ich.«

»Na, aber natürlich.«

»Deswegen finde ich auch, dass du –«

»Corina, ich habe dich eingestellt, damit du Leben in die Bude bringst.«

»Wie bitte?«

»Süße, du bist früher mit Paris Hilton um die Häuser gezogen, und ich wette, wenn ich dir dein Handy klaue, finde ich ein paar Kardashians in deinem Telefonbuch.«

»Hallo, weißt du vielleicht nicht mehr, wie mein Leben die letzten fünf Jahre ausgesehen hat?«

»Ja doch. Ich weiß schon … all die Trauer.« Gigi legte die Hand auf Corinas Knie. »Es tut mir so leid wegen Carlos. Er war ein wunderbarer junger Mann. Zu schön, um wahr zu sein, und doppelt so nett.« Die Frau in den Fünfzigern zog zwischen den Zähnen Luft ein. »Er erinnert mich an meinen dritten … nein, vierten … ja, an meinen vierten Ehemann. Desi.« Sie schloss die Augen und wurde abwesend. »Ich hätte mich nicht von ihm scheiden lassen sollen.«

»Darüber könnten wir doch was auf der Startseite bringen«, sagte Corina.

Gigi kehrte ruckartig aus ihrem Tagtraum zurück. »Sehr witzig, du Naseweis. Nein, was wir brauchen, ist etwas Exklusives.«

»Exklusiv in welcher Hinsicht?«

»Etwas, über das sonst keiner berichtet. Sprich deine Promi-Freunde an, sieh zu, dass du in irgendeine Insider-Geschichte hineinkommst. Denk dir was aus. Vielleicht könntest du dich ja mal mit Bill Clintons Tochter treffen. Oder mit einer von den Bush-Zwillingen.«

»Gigi«, sagte Corina und stand auf. »Wenn du eine Story über die Tochter eines ehemaligen Präsidenten bringen willst, musst du dir jemand anderen dafür suchen. Ich bin hergekommen, um dich um die Stelle der Chefredakteurin zu bitten. Wenn du dich ernsthaft mit mir unterhalten willst, sag Bescheid.« Sie ging auf die Tür zu. Promi-Freunde, Präsidententöchter, Freunde von der Highschool? Sie hatte seit Carlos‘ Beerdigung praktisch mit keinem von denen zu tun gehabt.

Aber sie nahm es ihnen nicht übel. An dem Tag, als er starb, hatte sich alles geändert. Und dann war mit seiner bitteren Endgültigkeit der Nachmittag gekommen, an dem sie ihrem Vater geholfen hatte, die ersten Schaufeln Erde auf den Sarg ihres Bruders zu werfen. Als Mama weinend in den Armen des Reverend zusammenbrach. Und die liebende, eng zusammenhaltende Familie Del Rey auseinanderfiel. Sie hatte ihren Bruder verloren, eine Konstante in jeder ihrer zärtlichen Kindheitserinnerungen. Und dann hatte sie ihre Eltern »verloren«, die Traditionen der Del Reys, die Nähe und das Lachen.

»Chefredakteurin?« Sie lachte. »Süße, um noch einmal auf meine Frage zurückzukommen, warum ich dich eingestellt habe. Damit du den Reichen und Berühmten hinterhersteigst, dem schlüpfrigen Promi-Tratsch. Damit du um die Welt reist und die armseligen kleinen Leben unserer Leser ein bisschen heller machst mit den Einsichten in die Welt des einen Prozents ganz, ganz oben. Komm schon, du hast doch bestimmt eine Spur, die uns auf eine heiße Story bringt.«

»Nein, und wenn ich eine hätte, würde ich meine Freunde wohl kaum verraten, indem ich sie an dich ausplaudere.«

»Ts, ts.« Gigi schüttelte den Kopf. »Hast du denn gar nichts gelernt, als du damals bei mir gearbeitet hast?«

»Doch, und eben darum schlage ich mich ja für die Stelle vor.« Sie hatte so viel Zeit damit vergeudet, sich zu Hause zu verkriechen und zu versuchen, sich selbst und ihren Eltern wegen Carlos‘ Tod Trost zu spenden. Und dabei immer darauf zu warten, dass das Leben wieder neu anfangen würde. Jetzt, wo sie frei war, wollte sie endlich Bewegung in die Sache bringen.

Obwohl sich Daddy ordentlich Sorgen darüber machte, dass sie nun ganz auf sich gestellt sein wollte. Dabei hatte er sich in der Vergangenheit nie Sorgen in der Richtung gemacht. Corina vermutete, dass es mit dem Verlust seines Sohnes zusammenhing.

»Eine Millionenerbin ohne Sicherheitsdienst? Lass mich jemanden für dich einstellen!«

Aber sie hatte sich geweigert, sie wollte einfach nur sein. Wollte wissen, wie ihr Schicksal aussah und wohin die Reise gehen sollte. Sie fühlte sich nach wie vor arm und schwach, kaputt – weit entfernt von allem, das man so mit einer Millionärstochter verband.

Am Ende hatte sie Daddys Bitte nachgegeben, sich wenigstens ein Apartment in einem sicheren Gebäude zu kaufen. Am Fluss hatte sie eine schöne Wohnung mit gewaltigen Sicherheitsvorkehrungen gefunden.

»Ich habe die Position heute besetzt.« Mit einem Arm auf der Sofalehne lehnte Gigi sich zurück. »Ich habe gerade mit Mark Johnson telefoniert.«

»Mark Johnson?« Corina hielt auf dem Weg zur Bürotür an. »Der Mark Johnson, mit dem ich nach dem College zusammengearbeitet habe? Der Mann, dem wir anderen jeden Tag die Kastanien aus dem Feuer holen mussten, weil er jede Nacht durchgefeiert und die meisten seiner Abgabetermine verpasst hat? Der Mark Johnson?«

»Ja, genau, der Mark Johnson.« Gigis Lachen verhöhnte Corinas Besorgnis. »Der war vielleicht nicht der allerbeste Angestellte, als er jünger war –«

»Und jetzt ist er so viel älter, was? Wie lange ist das her, sieben Jahre?«

»Auf jeden Fall ist er älter und versierter. Er ist verheiratet, hat ein Kind und hat sich einen sehr beachtlichen Lebenslauf zusammengezimmert.«

Corina hörte die subtile Botschaft zwischen den Zeilen. Das hast du nicht geschafft. Nein, weil sie versuchte, die Bruchstücke ihres Lebens zu kitten und sich an ihrer bröckelnden Familie festzuhalten.

»Er hat in London, New York, L.A. gearbeitet und ist derzeit Chefredakteur bei Martin Looper Media.« Gigi hob die Augenbrauen. »Unserem Hauptkonkurrenten.«

»Gigi, du hast mich angerufen. Hast mich gebeten, für dich zu arbeiten. Also lass mich das auch tun. Ich kann das. Ich telefoniere wöchentlich mit New York und London. Ich habe mit unseren Bloggern, freien Korrespondenten und Fotografen geskypt, bin ständig mit ihnen über Facetime und Google Plus in Kontakt. Ich kenne die Leute hier im Büro.«

»Willst du wissen, warum ich dich angerufen habe?«

Gut, der Anruf war ziemlich überraschend gekommen. Corina dachte, dass Gott vielleicht ihre Gebete, er möge »irgendetwas tun« erhört habe. Wie konnte sie ihre Eltern lieben und unterstützen und trotzdem ihr Leben weiterleben? Sie fühlte sich, als würde sie ertrinken, ihren ganz eigenen sonderbaren Tod im Schatten ihres Bruders sterben. Und das hätte Carlos nie gewollt.

»Weil deine Mama sagte, du würdest sie wahnsinnig machen.«

»Wie bitte? Ich würde sie wahnsinnig machen?«

»Sagte, du würdest nie aus dem Haus gehen.«

»Ich?!« Mama! Frustrierende, unbelehrbare Mama. Corina ballte die Hände zu Fäusten und grub sich die Fingernägel in die Handflächen. »Sie ist es doch, die nicht rausgeht.«

»Na, immerhin bist du jetzt hier. Ich fand, es war eine gute Idee, die sie da hatte. Du machst weiter. Freut mich. Aber Chefredakteurin? Süße, bitte.« Gigi stand auf, streckte sich und ging zu ihrem Schreibtisch hinüber. Offenbar war ihre Aufmerksamkeitsspanne für das Gespräch erschöpft. »Ich will, dass du die große Story findest.« Sie bedachte Corina mit einem neckischen Lächeln. »Die größte Geschichte deines Lebens.«

»Ja?« Corina hielt die Bürotür auf. »Und das wäre dann wohl welche?«

Zurück an ihrem Schreibtisch, setzte sich Corina seufzend und schüttelte den Kopf in Richtung Melissa, die die Stirn runzelte und Gigis Tür die Zunge herausstreckte.

Die Geschichte ihres Lebens? Corina hatte eine Story, und was für eine. Die ihres eigenen Lebens. Eine echte Sensation, von der sie aber nie jemandem erzählt hatte. Das war ihr Geheimnis.

Und seines.

An Tagen, an denen der Nebel immer noch ihr Herz und ihre Gedanken umhüllte, stellte sie sich vor, es könnte alles nur ein Traum gewesen sein. Dann hörte sie ein Läuten oder das Klingeln der Fahrstuhltür und wusste wieder, dass alles wirklich war.

Aber das war eine Geschichte, die sie nie würde erzählen können. Nie. Weil es ein unglaubliches Geheimnis war. Obwohl sie beim besten Willen nicht wusste, warum sie ausgerechnet ihm gegenüber loyal war.

Mit einem Seufzen beugte sich Corina vor und besah sich Chip Allens trockenen Hollywood-Bericht.

Warum bewahrte sie denn nun ihr Geheimnis? Ein einziger kleiner Gedanke feuerte prompt eine Antwort zurück. Weil sie ihn möglicherweise irgendwie immer noch ein kleines bisschen liebte.

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