Czytaj książkę: «Das verlorene Seelenheil», strona 7

Czcionka:

„Was ist denn mit dem los?“, fragte Wilhelm ungläubig. „Der Gaul war zwar schon immer verrückt, aber sowas habe ich noch nie gesehen“, starrte er den wie ein dressiertes Zirkuspferd wirkenden Hengst an.

„Vielleicht `ne rossige Stute“, meinte Kommandant Falco stutzig, während Richard Henry Luft zufächelte.

„Geht’s wieder?“, fragte er seinen Neffen und Henry rappelte sich nickend hoch.

„Au“, machte er, sich den Arm haltend, auf den er gefallen war und rieb darüber.

„Schau mal, was dein Pferd macht“, raunte Wilhelm, als Apollo sich nun auch noch aufbäumte und mit den Vorderhufen ausschlug. Es war eine weitere Drohgebärde des Hengstes und die anderen Pferde wichen allesamt vor ihm zurück. „Sieht aus, als wolle er dich beschützen, würde ich sagen, wenn ich den Mistgaul nicht besser kennen würde“, sagte er zynisch, während sie aufstanden.

„Apollo“, rief Henry einigermaßen energisch und der Schimmel stand still. Mit einem lauten Schnauben, nochmals in die Richtung der Soldatengäule, drehte das edle Ross sich um und trottete lammfromm zu seinem Herrn.

Wie gewöhnlich fing Falco das sonst so nervöse Pferd ab und tätschelte ihm den kräftigen Hals. „Ist ja gut, Junge“, beruhigte er es noch zusätzlich, was aber vollkommen unnötig zu sein schien.

„Ich glaube, da wurde wohl noch jemand verhext“, brummte Henry zynisch und die drei sahen ihn überrascht an. „Na, von IHM! Ja, irgendwann muss ich es wohl wieder aussprechen! Amanoue hat Apollo mal was zugeflüstert und ihm damit wohl im wahrsten Sinne ins Gewissen geredet! Seitdem ist er wie ausgewechselt und viel ruhiger!“, fauchte er sie an und alle drei nahmen zweifelnd die Köpfe zurück.

„Ich will jetzt nach Hause“, murmelte Henry nur noch und schwang sich recht mühsam in den Sattel.

Gleich nach ihrer Rückkehr ließ Richard Gregorius kommen und der untersuchte den König gründlich. Dabei fiel sein Blick natürlich auch auf den Armreif, was er allerdings unkommentiert ließ. Gregorius hob lediglich die Augenbrauen, sah den König kurz nachdenklich an und half ihm den Morgenrock überzuziehen. Danach gingen beide zurück ins Vorzimmer und die Herzöge standen umgehend auf. „Der Arm ist nicht gebrochen und auch sonst sind seine Majestät nicht schlimm verletzt, durch den Sturz.“, erklärte der Heiler sogleich beruhigend. „Allerdings hat er Fieber! Ich denke, seine Majestät haben sich erkältet und rate daher zu unbedingter Bettruhe!“

Wilhelm und Richard nickten, während Henry ein empörtes Gesicht zog. „Und was wird aus der Jagd?“

„Henry! Du solltest dich lieber ausruhen“, sagte sein Onkel dazu und Wilhelm verdrehte mal wieder die Augen.

„Scheiß die Jagd an! Deine Gesundheit ist wohl wichtiger!“, meinte er verständnislos. „Oder willst du wieder vom Pferd kippen?“

„Ihr seid vom Pferd gekippt, einfach so? Ich dachte, das Pferd hätte Euch abgeworfen?“, fragte Gregorius überrascht.

Richard und Wilhelm sahen recht betreten aus und beide hoben entschuldigend die Schultern. „Ja! Einfach so!“, gab Henry deshalb endlich zu. „Mir war kurz schwindelig, mehr nicht“, brummte er.

Gregorius musterte ihn nachdenklich. „Nun, Eure Majestät sollten daher erstrecht strenge Bettruhe halten!“, meinte er nachdrücklich besorgt.

„Ach was! Es ist nur ein Schnupfen, mehr nicht! Ich werde den restlichen Tag ruhen und mich ordentlich ausschlafen und morgen geht’s mir sicher wieder besser! Von mir aus braut mir auch noch einen Eurer Wundertränke“, murrte Henry uneinsichtig.

Wilhelm bedachte seinen Bruder mit einem skeptischen Blick. „Wie konnte es überhaupt dazu kommen? Ich meine, den ganzen Winter über, warst du gesund und ausgerechnet jetzt erkältest du dich!“

„Was weiß ich! Denkst du, das habe ich mir ausgesucht?“, warf Henry ihm verständnislos vor und wie um von Gregorius eine Antwort darüber zu erwarten, blickten beide Brüder zu dem.

„Mir kommt dies keineswegs ungewöhnlich vor“, meinte der Heiler auch gleich. „Eure Majestät haben in den letzten Monaten viel durchgemacht, wenn auch nicht körperlich. Auch seelische Überanstrengung kann einen Körper auslaugen und entkräften. Dazu habt Ihr auch noch stark abgenommen, was Euren Körper noch zusätzlich schwächte. Da reicht oft schon eine leichte Auskühlung und man zieht sich eine handfeste Erkältung zu! Ich rate Eurer Majestät dringlich, meine Anweisungen zu befolgen! Also, ab ins Bett und warmhalten! Viel Ruhe und viel trinken, leichte aber ausgewogene Kost, damit meine ich Gemüse und Hühnerbrühe und keinen Schweinebraten“, sagte er, Henry schief ansehend und der zog ihm eine schnippische Grimasse, woraufhin der Heiler unwillkürlich schmunzelte. „Und, ich werde Eurer Majestät auf alle Fälle, wie sagtet Ihr, einen meiner Wundertränke bringen!“

„Und ich werde nicht von Eurer Seite weichen!“, entschied Laurin plötzlich und trat aus dem Hintergrund hervor.

„Ist denn Kai noch nicht aufgetaucht?“, fragte Richard wenig begeistert über den Vorschlag des Jungen und der schüttelte mit zusammengepressten Lippen den Kopf.

„Siehst du ihn hier irgendwo?“, murrte Henry seinen Onkel an.

„Ich habe ja nach ihm gesucht, aber auch die Dienerschaft weiß nichts über seinen Verbleib“, sagte Laurin recht schnippisch darauf, weil er es auf sich bezog. „Was kann ich dafür, dass der sich aus dem Staub gemacht hat!“

„Deshalb bin ich ja letzte Nacht auch rüber gegangen, ins, äh“, regte Henry sich weiter auf, hielt dann aber mit einem Blick auf Laurin kurz inne. „Ich musste halt nochmal und meine Nachtschüssel war voll“, grummelte er ärgerlich weiter.

„Ihr wart drüben?“, hakte Gregorius nach und der König sah ihn warnend an. Der Heiler nickte verstehend und runzelte die Stirn. „Da war es sicher sehr kalt, hm?“

„Wo, drüben?“, fragte Laurin, ahnungslos zwischen beiden hin und hersehend.

„Nirgends! Das geht dich nichts an!“, fuhr Henry den Kleinen ungewöhnlich barsch an. „Ja, es war sogar eiskalt“, wandte er sich Gregorius wieder zu und der nickte seufzend, während Laurin beleidigt die Arme verschränkte. „Ich will kein weiteres Wort mehr von Euch darüber hören und von dir schon gar nicht! Hättest du deine Aufgaben erfüllt und dich nicht so quergestellt, wäre Kai sicher nicht abgehauen! Und ich hätte nachts nicht nochmal rausgemusst!“, schimpfte er in die Runde.

„Ich sagte doch, dass ich mich bessern möchte“, erwiderte der Frechdachs trotzdem, sich zickig windend.

Richard schüttelte nur den Kopf, Wilhelm verdrehte mit einem Blick gen Himmel die Augen und Gregorius hob erstaunt die Augenbrauen. „Naja, besser als gar nichts“, murmelte er und deutete eine Verbeugung an. „Eure Majestät, ich werde jetzt erstmal einen Kräuteraufguss für Euch bereiten und eine Hühnerbrühe in Auftrag geben. Ich bitte Euch, legt Euch ins Bett!“, sagte er nochmals und ging rasch hinaus.

„Ja, ja“, brummte Henry mürrisch und schlurfte zurück ins Schlafgemach. „Laurin!“

„Sofort, Eure Majestät“, rief sein Page säuselnd und eilte ihm nach.

„Ich werd` nicht mehr“, murmelte Richard völlig entnervt und Wilhelm tätschelte ihm aufmunternd die Schulter.

„Macht Euch keinen Kopf wegen diesem kleinen Wicht, Onkelchen! Ich denke Henry hat ihn mittlerweile ganz gut im Griff und naja, wie Gregorius schon sagte, besser als nichts! Besser einen schlechten Diener, als gar keinen, solange Kai nicht wieder auftaucht“, meinte er.

„Ja, falls er je wieder, auftaucht“, brummte Richard seufzend und beide verließen das königliche Gemach.

***

Tatsächlich saß Kai in einer heruntergekommenen Spelunke und ertränkte seinen Frust seit zwei Tagen mit dem billigen Gesöff des Wirtes. Er hatte sich auch eine Dirne gegönnt, oder hatte es zumindest versucht, doch in seinem Rausch waren alle seine Bemühungen diese zu beglücken erfolglos geblieben und so hatte er die restliche Nacht schnarchend in dem gemieteten Zimmer verbracht.

Die Dirne hatte nur die Augen verdreht, hatte ihm die Geldbörse ausgeräumt und war gegangen, was für Kai ein recht bitteres Erwachen bedeutete. Mit brummendem Schädel stand er auf, zog sich an und als er dabei seinen leeren Geldbeutel fand, fluchte er gehörig über seine eigene Blödheit. Natürlich kam auch die Hure dabei nicht zu kurz und er verfluchte das Miststück ebenfalls lautstark.

Zum Glück hatte er das Zimmer im Voraus bezahlt und so konnte er sich jetzt wenigstens unbehelligt davonstehlen. Gerade als er die Kammer verließ, sah er wie eine ihm nur zu gut bekannte Gestalt in einem der anderen Räume am Ende des Ganges verschwand und stutzte. Was machte Amanoue denn hier?

Ohne zu zögern ging er dem hinterher, trat ohne anzuklopfen ein und Amanoue drehte sich überrascht zu ihm herum. „Was machst du hier?“, fragten beide gleichzeitig.

„Eben! Was, machst du, hier?!“, wiederholte Kai deshalb und Amanoue wand sich unschlüssig hin und her.

Wie immer, wenn er um eine Antwort verlegen war, lutschte er kurz an seiner Unterlippe. „Isch wohne jedsd hier“, kam es schließlich zurück und Kai sah ihn verdutzt an.

„Häh? Hier? In diesem Drecksloch?“

„Ja, in diese Drecksloch! Aber das gleische könnte isch disch fragen! Was machst du eigendlisch hier?“, erwiderte Amanoue schnippisch. „Immerhin muss isch ja irgendwohin, bis isch mir genügend susammengespart habe für eine Reise!“

„Eine Reise?“, fragte Kai noch belämmerter. „Wohin?“

„Nach Hause? Was weiß isch! Aber hierbleiben kann isch ja wohl schleschd! `enry ist anscheinend endgültig über misch hinweg und Brac `at gesagt, dass es misch den Kopf kosten könnte, wenn isch noch länger bleibe“, antwortete Amanoue mürrisch.

„Scheiße Mann“, raunte Kai und Amanoue seufzte schwer.

„Geht er mit ihm ins Bett?“, fragte er geknickt.

„Wer?“

„Na, ER! `enry! Mit diese Junge!“, zischte Amanoue ihn an.

Kai zuckte die Achseln, was recht unbeteiligt wirkte. „Keine Ahnung, ist mir auch scheißegal!“, brummte er zurück.

„Mir aber nischd“, murmelte Amanoue und setzte sich auf das kümmerliche Bett.

„Mir ehrlich gesagt, auch nicht. Deshalb bin ich ja abgehauen“, gab Kai nun doch zu und jetzt sah Amanoue ihn verdutzt an. „Dieser Giftzwerg hat Henry total um den Finger gewickelt und nimmt sich Sachen raus, dass kannst du dir gar nicht vorstellen! Und, er macht keinen einzigen Handschlag! Ich muss mich um alles kümmern und aufräumen, als wäre ich der niedrigere Diener, von uns. Da hatte ich halt irgendwann die Schnauze voll! Soll ER doch jetzt zusehen, wer seinen Dreck wegräumt“, erklärte Kai ihm wütend aber auch sichtlich gekränkt.

Amanoue schnaufte nur schwer durch und ließ den Kopf wieder hängen, was Kai noch mehr zu ärgern schien. „Danke auch, für deine Anteilnahme! Schließlich bist du ja selbst schuld an deiner Misere! Ich aber nicht und wenn du diesen Bockmist nicht gemacht hättest, wäre es sicher nie so weit gekommen“, warf er ihm deshalb vor und Amanoues Kopf ruckte wieder hoch.

„Viele Dank, dafür! Meinst du escht, isch weiß das nischd selbst? Jede Tag verfluche isch misch selbst dafür, das kannst du mir glauben!“, blaffte er zurück.

Kai atmete betreten durch. „Ist jetzt auch egal, daran werden wir wohl eh nichts mehr ändern können“, raunte er. „Und wie willst du das Geld für deine Heimreise zusammen bekommen?“, fragte er schließlich.

Amanoue hob die linke Schulter und blickte zur Seite. „Na wie wohl“, sagte er leise und sehr zynisch.

Kai fiel regelrecht in sich zusammen. „Nee, oder? Du meinst doch nicht etwa? Manou, nein!“

„Wie soll ich sonst an Geld kommen, hm?“, fuhr der ihn an. „Isch habe nischds! Und isch könnte mir inswischen in meine Arsch beißen, dass isch so blöd war und nischd wenigstens meine asconische Sachen mitgenommen `abe! Die Edelsteine könnte isch jedsd wirklisch gut gebrauchen und wäre damit wahrscheinlisch schon längst weg!“

„Tja, da warst du wirklich blöd und dein Stolz oder warum auch immer du nichts mitgenommen hast, war echt unangebracht. Brac hat`s dir ja noch geraten, wenigstens den Armreif mitzunehmen.“

„Hörst du jedsd endlisch auf, mir Vorhaltungen su machen?! Ja, wie du vorhin schon sagtest, daran kann isch jedsd nischds mehr ändern! Und wenigstens habe isch noch diese Körper und diese Gesicht!“, fauchte Amanoue zurück.

„Ich fasse es nicht“, murmelte Kai und hielt sich kopfschüttelnd die Stirn. „Du willst dich also echt wieder verkaufen! Hier!“

„Ja, hier! Wo sonst?“, antwortete Amanoue schnippisch, ließ aber gleichzeitig den Kopf sinken. „Isch habe mit die Gastwirt gesprochen und der hat nischds dagegen, für eine fette Anteil, natürlisch“, meinte er spöttisch. „Hier nehmen auch andere Dirnen seine Simmer in Anspruch.“

„Ja, Frauen! Was denkst du, was passiert, wenn du auffliegst, hm? Auf Sodomie steht die Todesstrafe!“, fuhr Kai ihn verständnislos an, doch Amanoue zuckte nur gleichgültig die Achseln.

„Na und? Wenn misch `enry erwischt, bin isch meine Kopf auch los, diese Risiko muss isch eben in Kauf nehmen und sobald isch kann, bin isch weg“, meinte er trotzig.

„Manou, Manou“, seufzte Kai und biss sich verlegen auf die Unterlippe. „Und wenn ich dir das Geld gebe? Ich habe mir was zurückgelegt…“

„Nein danke!“, lehnte Amanoue sofort entschieden ab und zeigte zur Tür. „Auf Wiedersehen, Kai!“

„Du Hornochse! Ich hätte dir das Geld ohne jede Gegenleistung gegeben!“, knallte der ihm noch wütend hin und stampfte umgehend hinaus.

Amanoue hatte noch am gleichen Abend seinen ersten Kunden. Der Mann sah gar nicht einmal so schlecht aus und war ein recht angesehener Kunstmaler der Stadt. Er behandelte Amanoue gut und so kam auch der wenigstens ein klein wenig auf seine Kosten…

***

Kai kehrte zurück aufs Schloss und marschierte gerade über den Hof, als Bernard ihm unverhofft entgegenkam. „Wo kommst du denn her?“, fragte der blonde Savoyer grinsend und zeigte mit dem Daumen über seine Schulter zurück. „Wir haben uns schon gefragt, wo du steckst!“

„Was geht’s dich an!“, fauchte Kai ihn wie eine wütende Katze an.

„Mon Dieu! Was habe ich dir getan?! Ich meinte ja nur“, nahm Bernard sich entschuldigend zurück und Kai verzog betreten sein Gesicht.

„Tut mir leid, hab`s nicht so gemeint“, erwiderte er betroffen. „War irgendwas?“

„Naja, seine Majestät ist gestern vom Pferd gefallen, sonst nichts weiter“, antwortete Bernard als wäre es nichts Besonderes.

„Ist er schlimm verletzt?“, fragte Kai sofort voller Sorge und der Gardist winkte ab.

„Non! Ich glaube nur ein paar blaue Flecke, mehr nicht! Allerdings liegt er seitdem im Bett und war auch nicht bei der Sonntagsmesse. Aber mehr weiß ich auch nicht und woher soll ich auch mehr erfahren? Ist doch die reinste Geheimniskrämerei hier geworden, seit Manou nicht mehr bei ihm lebt“, meinte er achselzuckend. „Und wo der steckt, weiß auch keiner.“

Kai zog erneut ein sehr betroffenes Gesicht. „Ich habe ihn in der Stadt getroffen, in einem mehr als fragwürdigen Gasthaus“, sagte er leise.

Bernard schien kein Wort verstanden zu haben oder auch einfach nur den Sinn. „Was macht er in der Stadt? In einem Gasthaus? Er bekommt doch hier zu essen?“

„In SO, einem doch nicht, sondern in einem anderen, du Rindvieh“, versuchte Kai es noch einmal und Bernard runzelte die Stirn.

„Ich verstehe nicht?“, sagte er, die Schultern hebend.

„Mann, bist du blöd! Einem Puff!“, knallte Kai ihm hin und dem Savoyer fiel die Kinnlade herab.

Doch dann begann er zu lachen. „Er kann`s einfach nicht lassen, hm? Die Finger, von den Weibern, meine ich! Dafür brauchte er also das Geld!“

„Du schnallst es echt nicht“, murmelte Kai fassungslos. „Nicht so, anders! Mann! Er geht dort auf den Strich!“

Bernard erstickte fast an seinem Lachen und glotzte ihn an, während Kai tief durchatmete. „Tu mir einen Gefallen und erzähl`s nicht weiter rum, ja?“, verlangte der Soldat mit einem Male sehr ernst. „Auch den Jungs nicht, die müssen das nicht erfahren! Du weißt, wie Matto manchmal sein kann und über Benny brauchen wir nicht reden“, sagte er befürchtend.

„Ist mir doch gleich! Was geht’s mich an“, brummte Kai nur und ließ ihn stehen.

Bernard sah ihm verdutzt nach, setzte seinen Weg in die Unterkunft weiter fort und war für den Rest des Abends ungewöhnlich schweigsam.

***

Kai klopfte an der Tür und Laurin öffnete diese mit einem erstaunten Blick auf ihn. „Ach“, sagte er mit einem unverschämt arroganten Tonfall, wodurch Kai augenblicklich wieder in Rage geriet.

„Ja, ach!“, erwiderte er ebenso und trat einfach an dem Wicht vorbei.

„He!“, rief der auch gleich empört und stieß die Türe wieder zu. „Wie kannst du es wagen, hier einfach so reinzuplatzen?!“

Kai ging gar nicht darauf ein und schritt eiskalt weiter. Im Durchgang zum Schlafgemach blieb er stehen und verbeugte sich tief. „Eure Majestät!“

Henry schien im ersten Moment verblüfft, doch dann spitzte er mürrisch die Lippen. „Auch mal wieder da! Und?“, raunte er beleidigt und Kai richtete sich auf.

„Wie Ihr seht, ja! Ich habe mir erlaubt, zwei Tage Urlaub zu nehmen, na und?“, antwortete er kalt.

„Urlaub! Ohne meine Erlaubnis, allerdings!“, fuhr der König ihn an, was den Diener jedoch nicht zu beeindrucken schien.

„Ich brauchte Zeit zum Nachdenken“, erwiderte er schlicht und Henry hätte beinahe gelacht.

„Und, zu welchem Ergebnis bist du gekommen?“, fragte er übertrieben interessiert nach und Kai verschränkte die Arme.

„Dass ich so nicht länger in Euren Diensten bleiben möchte!“, antwortete er kühl und direkt. „Ich brauche zumindest Unterstützung“, fuhr er ein wenig einlenkender fort, als er Henrys brüskiertes Gesicht sah. „Wenn schon Euer Page nicht seinen Aufgaben nachgeht, dann stellt noch einen weiteren Diener für den ein, zu meiner Entlastung! Mehr verlange ich gar nicht und ich werde augenblicklich meine Pflichten wieder übernehmen, als Euer Leibdiener! Andernfalls“, meinte er achselzuckend und Henry sah ihn an, als würde er die Welt nicht mehr verstehen.

„Andernfalls? Was soll das heißen?! Drohst du mir etwa?“, fuhr er empört aus seinem Bett hoch.

„Das würde ich mir nie erlauben, Eure Majestät!“, wiegelte Kai gespielt beruhigend ab, was das Fass zum Überlaufen brachte. Der König schnappte dermaßen nach Luft, dass Laurin sofort zu ihm eilte.

„Eure Majestät, nicht aufregen, gaaanz ruhig“, sagte der so übertrieben besänftigend, dass es schon peinlich wirkte.

„Eure Majestät, ich wollte damit nur sagen, dass ich nicht länger bereit bin, unter diesen für mich untragbaren Umständen weiterhin in Euren Diensten zu bleiben. Mehr nicht! Aber wenn Ihr dies“, Kai deutete auf Laurin, „dem vorzieht, dann werde ich gehen, so leid es mir auch tut“, erklärte er ruhig und ehrlich bedauernd.

„Werft ihn raus!“, riet der Giftzwerg dem König sogleich energisch und Kai lächelte kopfschüttelnd.

„Eure Majestät, mit Eurer Erlaubnis ziehe ich mich freiwillig zurück, bevor Ihr mich wieder einmal aus dem Schloss prügeln lassen wollt“, sagte er nur und verbeugte sich erneut sehr ehrerbietend. „Wenn Ihr Euch entschieden habt, lasst nach mir schicken“, meinte er noch und spazierte hinaus.

Der König war einfach nur fassungslos. Er stand auf, stieß Laurin dabei unsanft zur Seite und begann wütenden Schrittes den Raum zu durchqueren. „So eine Unverschämtheit! Langsam habe ich seine Frechheiten wirklich satt!“, brüllte er los und marschierte nach vorn.

Das Blöde daran war, dass er Kai brauchte. Jetzt mehr denn je, das war ihm allerdings ebenfalls klar und machte ihn noch wütender. Einen neuen Leibdiener einzustellen, bedeutete auch, einen neuen Mitwisser zu haben und sich damit noch verletzlicher zu machen. Ob er Benny fragen sollte? Nein, dessen Eifersucht würde nur zu noch mehr Ärger führen und dafür hatte er nun wirklich keine Nerven mehr. Allein wenn er nur an die vergangenen Dramen zwischen dem und Amanoue zurückdachte, wurde ihm schon schlecht und er konnte Laurin nicht einfach wieder zu seinem Vater zurückschicken. Mit welcher Begründung auch? Verzeiht, aber mein neuer Leibdiener vergeht vor Eifersucht auf Euren Sohn, daher kann ich ihn leider nicht länger bei mir behalten! Das wäre ja lächerlich! Oh ja, es war lächerlich, diese ganze Situation, in der er sich inzwischen befand, war eine einzige Farce! Nein, so konnte es echt nicht weitergehen, er war ja nur noch eine Witzfigur!

Naja, und eigentlich wollte er Laurin auch gar nicht mehr missen. Verdammt, er mochte den Kleinen, musste er sich ebenfalls eingestehen. Nicht so, aber eben einfach nur seine Nähe. Wie er ihn mit seiner Unbeschwertheit zum Lachen brachte, seine kleinen Frechheiten, eben. Manchmal erinnerte er ihn damit sogar ein klein wenig an, IHN…

Er verscheuchte schnell die Gedanken an Amanoue und setzte sich. „Wein!“, befahl er herrisch und Laurin beeilte sich ihm einzuschenken.

„Eure Majestät“, sagte der so leise, dass es schon einem Flüstern glich, reichte ihm den Pokal und setzte sich zu seinen Füßen auf den Boden.

Henry lächelte auf ihn hinab, zwar etwas bitter, aber dies war wieder einer dieser Momente, in denen sein Herz für diesen Knaben aufging. Unwillkürlich streichelte er ihm über das rötliche Haar und über die blassen Wangen. „Danke.“

„Aber wofür denn?“, flötete Laurin mit den Wimpern klimpernd zu ihm hoch.

„Einfach so. Es ist schön, dass du da bist“, antwortete Henry beinahe liebevoll, was ein schüchternes Lächeln auf Laurins Lippen zauberte.

„Ich bin gerne hier, bei Euch“, säuselte er zurück und nahm Henrys linke Hand ganz sachte in seine. Als er sie an seinen Mund führen wollte, glitt der Ärmel des Morgenmantels ein klein wenig zurück und gab den Armreif preis, den der König seitdem an seinem Handgelenk trug. „Was für ein schönes Schmuckstück!“, entfuhr es dem Jungen beeindruckt und er schob den Ärmel noch ein Stückchen höher.

Henry entzog ihm unwohl die Hand und bedeckte den goldenen Reif wieder, was Laurin fragend aufblicken ließ. „Warum versteckt Ihr ihn?“

Henry holte langsam und tief Luft und sein Gesicht nahm einen bittersüßen Ausdruck an. „Es ist eine schmerzliche Erinnerung, an jemanden“, antwortete er leise und sein Page runzelte die Stirn.

„Warum tragt Ihr ihn dann?“, fragte er stutzend und des Königs Blick ging an ihm vorbei.

„Ich weiß es nicht“, erwiderte er, hilflos die Schultern hebend. „Vielleicht, weil es mir mal sehr viel bedeutete?“, meinte Henry und strich ihm lächelnd über die Wange.

„Seid Ihr deshalb immer so traurig?“, fragte Laurin vorsichtig und prompt wurden Henrys Augen feucht.

Er nickte bedächtig und blinzelte die Tränen fort. „Warst du schonmal verliebt? Ich meine, keine Schwärmerei, sondern die ganz große Liebe“, fragte er sanft und Laurin zuckte leicht die Achseln. „Nein, dafür bist du wohl noch zu jung“, schlussfolgerte Henry daraus und wieder blickte er zur Seite. „Weißt du, ich war schon oft verliebt, aber es waren eben nur kurze Liebeleien, die wahre Liebe erfuhr ich nur ein einziges Mal und diese Liebe brach mir das Herz. Deshalb trage ich dieses Armband, damit es mich immer daran erinnert, was für ein Narr ich war“, murmelte er vor sich hin, schnaufte tief durch und sah ihn lächelnd an. „Tja, vielleicht bin ich inzwischen doch nur noch ein alter einsamer Mann, zumindest im Vergleich zu dir und vielleicht findest auch du irgendwann deine große Liebe und denkst dann an mich zurück?“, sagte er und Laurins Stirn legte sich erneut in Falten.

„Vielleicht sollten sich Eure Majestät besser wieder hinlegen, ich denke, Ihr habt wieder Fieber“, meinte er treusorgend, da er Henrys wirre Worte darauf bezog und der musste darüber schmunzeln.

„Denkst du?“, fragte er amüsiert und der Kleine schnaufte durch, als hätte er schon sonst was durchgemacht.

„Naja, Ihr sollt Euch doch schonen und“, Laurin senkte verschämt den Blick, „Ihr seid nicht alt. Vielleicht einsam“, meinte er achselzuckend, „aber daran könnt nur Ihr allein etwas ändern. Es betrübt mich zutiefst, Eure Majestät so traurig zu sehen und ich würde alles dafür tun, wenn ich Euer Leid wenigstens ein wenig lindern könnte. Bitte, vergebt mir“, hauchte er und sah ihm tief in die Augen. Ganz langsam richtete er seinen Oberkörper etwas weiter auf, beugte sich zu Henry hin und küsste ihn zart. Es war nur ein flüchtiger Kuss, sanft wie ein Windhauch und doch ließ es den König am ganzen Leib erzittern.

„Nicht“, flüsterte er und stand rasch auf.

„Warum nicht? Ich will es doch!“, erwiderte Laurin uneinsichtig und voller kindlichem Trotz.

Henry seufzte schwer. „Du bist doch noch fast ein Kind! Laurin, bitte, tu das nicht! Nütze nicht die Schwäche meines einsamen Herzens aus! Ich weiß nicht, ob ich dir auf Dauer widerstehen könnte, also bitte, geh“, bat er inständig, drehte sich um und ging rasch in sein Schlafzimmer.

Auf Laurins Lippen entstand ein kleines, aber sehr siegessicheres Lächeln. Mehr brauchte er gar nicht zu erfahren und, er hatte Zeit…

Henry setzte sich geschafft aufs Bett und stützte seinen Kopf in beide Hände. Was hätte er beinahe getan?

Oh ja, er war einsam! Aber das war noch nicht alles, was ihn zermürbte. Denn da war ja auch noch dieses andere Bedürfnis, welches sich mehr und mehr bemerkbar machte und gestillt werden wollte. Auch wenn er es immer wieder verdrängte, sein kleiner Freund da unten hatte noch nie so lange stillhalten müssen und meldete sich wegen dieser Vernachlässigung immer häufiger, um endlich Erlösung zu bekommen. Auch jetzt, ausgerechnet jetzt! Dieser flüchtige Kuss hatte schon genügt, um ihn hart werden zu lassen, verdammt!

Naja, wenigstens hatte er noch zwei gesunde Hände und damit musste sich sein kleiner König erstmal zufriedengeben! Seufzend erhob er sich und warf einen Blick nach vorn. Laurin war tatsächlich gegangen und so schlurfte er zurück zum Bett.

Doch dann hielt er wieder abrupt inne. Nein, nicht hier! Denn wenn Laurin morgen das Bett machen würde, würde er unweigerlich auch die Spuren der letzten Nacht entdecken und wie peinlich wäre das dann wieder! Und es würde dem kleinen Biest auch noch in die Taschen spielen! Der König hat sich nach meinem Angebot einen `Runtergeholt´, na Klasse!

Damit würde er völlig unglaubwürdig mit seiner Ablehnung rüberkommen und Laurin würde dies sicher nur noch mehr anstacheln, ihn verführen zu wollen…

Er könnte wieder nach drüben gehen, da wäre er ungestört und das Bett hatte so wunderbar nach IHM geduftet…

Nur ein wenig träumen, sich daran erinnern, wie sie sich dort immer geliebt hatten… Seufzend schnappte er sich den nächstbesten Kerzenleuchter und machte sich auf den Weg.

Dieses Mal würde er sich aber nicht den Arsch abfrieren und so machte er als erstes ein ordentliches Feuer im Kamin. Danach zündete er noch etliche Kerzen an und dabei fiel sein Blick auf den Zobelfellumhang, der auf einer der Kleidertruhen lag. Nicht einmal den, hatte Amanoue mitgenommen, ob er überhaupt etwas von seinen Geschenken mitgenommen hatte? Ohne weiter zu zögern, ging er zu den Truhen und öffnete eine nach der anderen.

Tatsächlich, alles noch da. Die edlen Tuniken, die kostbaren Stiefel, der hübsche Sommerumhang, die Hemden und Hosen, der Schmuck, alles hatte er zurückgelassen. Warum nur?

Na klar, weil er eben nichts von ihm haben wollte und schon gar nichts behalten, was ihn an seine `Gefangenschaft´ hier erinnern könnte! Und an ihn…

Ärgerlich knallte er den Deckel zu und wandte sich der letzten Truhe zu. Es war die asconische und Henry war sich sicher, dass zumindest diese leer wäre, doch als er sie öffnete, blickte er erstaunt auf den unberührten Inhalt. Auch noch alles da, soweit er es erkennen konnte. Warum?

Henry kramte ein wenig darin herum, holte den Stapel Kleider heraus, darunter lagen die weichen, weißen Stiefel, selbst die edelsteinbesetzten Gürtel waren noch da und die Schatulle. Er nahm sie heraus und voller Überraschung stellte er fest, dass Amanoue auch hiervon nichts mitgenommen hatte. Der kostbare asconische Schmuck, die Perlen, alles noch da! Aber was war das? Henry nahm ein zusammengefaltetes Tüchlein heraus und legte die Schatulle weg. Vorsichtig faltete er den seidenen Stoff auseinander und erstarrte.

Darin befand sich ein Schneeglöckchen und Henry schluchzte beim Anblick des verwelkten Blümchens heftig auf. Warum hatte er es behalten?

Er konnte sich noch sehr gut daran erinnern, an ihren Ausritt, zu zweit auf Apollo und wie er plötzlich dieses Schneeglöckchen am Wegesrand entdeckt und gepflückt hatte und wie sehr sich Amanoue darüber gefreut hatte. `Für mich?´, hatte er so schüchtern gefragt und das kleine Blümchen die ganze Zeit über in seiner zarten Hand gehalten. Und all die Zeit über, seit diesem tragischen Winter in Averna, hatte er es aufbewahrt und gehütet, wie einen kostbaren Schatz. Warum?

Momentmal, in einer der anderen Truhen hatte er auch ein seltsames Bündel entdeckt, einen Sack oder sowas ähnliches und hatte es achtlos beiseitegeschoben. Henry legte das Schneeglöckchen vorsichtig zurück in das Schmuckkästchen und ging zurück. Welche war es doch gleich wieder gewesen? Ah, die da! Er nahm den Sack heraus, der sich als Kissenbezug entpuppte und blickte hinein. Nanu? Schriftrollen? Waren das etwa? Ja, seine Briefe! Alle, die er an Amanoue geschickt hatte und einige der Pergamente waren leicht angekohlt…

Henry schlurfte damit zum Bett und schüttete die Briefe heraus. Er setzte sich und entrollte den erstbesten. Ja, unverkennbar seine Handschrift, aber was war das? Unter seiner eigenen Signatur, befand sich ein weiterer, in Amanoues filigraner Schrift verfasster Satz:

Ich liebe dich, bitte verzeih mir

Henry stieß die Luft aus und zog die Nase hoch. Mit tränenden Augen öffnete er auch die anderen Rollen und unter jedem davon hatte Amanoue diese Botschaft hinterlassen, bis auf den von Henry zuletzt verschickten, denn dieser war rund um seine Nachricht herum beschrieben worden und was er dort las, ließ ihn vollends die Fassung verlieren.

Mein König, mein Herr, mein Henry, ich liebe dich!

17,03 zł