Czytaj książkę: «Mahatma Gandhi»
Peter Sawicki
Mahatma Gandhi
Ein indischer Patriot
Impressum
ISBN: 978-3-86408-121-7 (epub) // 978-3-86408-122-4 (pdf)
Korrektorat: Anne Kirschbaum
Copyright: Vergangenheitsverlag, Berlin / 2012
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eBook-Herstellung und Auslieferung:
readbox publishing, Dortmund
Inhalt
Vorwort
Prolog: Der Beginn des Wendepunkts
1. Gandhis junge Jahre – von der Kolonie in die Hauptstadt des Empire
1.1 Kindheit und Schulzeit
1.2 Studium in London
2. Der Anwalt der Kulis – Gandhi in Südafrika
2.1 Der Advokat der indischen Minderheit
2.2 Entstehung des Satyagraha
3. Die gewaltfreie Revolution – der lange Weg zu Indiens Unabhängigkeit
3.1 Der Sabarmati-Aschram
3.2 Auftakt zur Nichtzusammenarbeit
3.3 Ein sinnbildlicher Staatsstreich
3.4 Pakt mit dem Vizekönig
3.5 Erfolge und politische Fehlentscheidungen
3.6 „Quit India“
4. Der unlösbare Konflikt mit Pakistan – Gandhis letzter Akt
4.1 Ein letzter Sieg
4.2 Am Hass gescheitert
5. Schattenseiten einer großen Seele
Epilog: Gandhis Erbe – in der Heimat ausgeschlagen, vom Ausland gepriesen
Vorwort
„Möchte man als Biograph einem derart großen Mann Gerechtigkeit zukommen lassen, müsste man ihm eigentlich ebenbürtig sein.“ Mit diesen Worten soll sich Jawaharlal Nehru, erster Premierminister des demokratischen Indiens, über Mohandas Karamchand, genannt „Mahatma“ – „die große Seele“, Gandhi geäußert haben.1
Albert Schweitzer wiederum bezeichnete den Inder aufgrund seiner Lehre des gewaltfreien Widerstands als Reinkarnation Buddhas.2 Angesichts dieser Einschätzungen erscheint eine gebührende Würdigung dieses Mannes in Form einer Biographie geradezu unmöglich.
Und dennoch, trotz dieser enormen Glorifizierung – oder möglicherweise eben deshalb – sind nicht erst seit Gandhis gewaltsamem Tod im Jahr 1948 eine Vielzahl von Biographien, Aufsätzen und Beiträgen über ihn erschienen, sowohl von indischen als auch internationalen Autoren. Zu seinen Ehren sind Opern komponiert und ein Oscar-gekrönter Film produziert worden, Literaten und Schriftsteller haben sich immer wieder mit ihm befasst.
In seinem Heimatland ist der Name Mahatma Gandhi bis zum heutigen Tage allgegenwärtig. Sein Geburtstag, der 2. Oktober, ist dort ein gesetzlicher Feiertag. Am 30. Januar hält das gesamte öffentliche Leben still, wenn anlässlich des Todesdatums Gandhis ebenfalls an ihn erinnert wird. Zahlreiche Institute und öffentliche Einrichtungen sind nach ihm benannt worden. In ganz Indien stößt man zudem auf Monumente, die an Gandhi und sein Wirken erinnern, und wenn Staats- und Regierungschefs in das südasiatische Land reisen, ist es traditioneller Brauch, dass sie an Gandhis nationaler Gedenkstätte Raj Ghat in Delhi einen Kranz niederlegen.
Gandhi selbst sagte über sich, dass sein Leben selbst seine Botschaft sei,3 sowohl an die Zeitgenossen als auch an nachfolgende Generationen. Zwar sind viele Aspekte seines Lebens ausschließlich im Kontext seiner Zeit zu beurteilen und auf die heutige Epoche kaum übertragbar, dennoch ist Gandhi keineswegs lediglich eine Figur aus den Geschichtsbüchern: Die Faszination um ihn dauert bis heute an und nährt das Bedürfnis, immer wieder einen Blick auf das Leben des wohl bekanntesten Inders zu werfen, denn auch seinem Ideal der Gewaltlosigkeit fühlen sich Millionen Menschen rund um den Globus verbunden.
Prolog: Der Beginn des Wendepunkts
Der Tag brach gerade erst an, als sich am 12. März 1930 am Rande Ahmedabads im Nordwesten Britisch-Indiens eine Menschenmenge vor einem vorwiegend aus Bambusholz errichteten Bungalow einfand. Die 78 Männer warteten einige Augenblicke, bis schließlich der Mann aus dem schlichten Haus heraustrat, dessentwillen sie sich dort zusammengeschart hatten. Von ihm erwarteten die Anwesenden – und mit ihnen Millionen weiterer Inder – nicht weniger, als dass er seinem Volk den Weg zur Unabhängigkeit von der britischen Kolonialmacht ebnen möge.
Genau dazu wollte Mohandas Karamchand Gandhi nun einen grundlegenden Beitrag leisten. Mit den an seinem Domizil versammelten Menschen brach er gegen 6.30 Uhr auf, um einen der ungewöhnlichsten politischen Feldzüge zu führen, den die Welt bis dahin erlebt hatte.
Dabei erweckte Gandhi äußerlich kaum den Anschein eines politischen Freiheitskämpfers. Er war 60 Jahre alt, dürr, kahlköpfig, bebrillt und zahnlos. Gekleidet war er in ein weißes, selbstgesponnenes Lendentuch, als Gehstütze benutzte er mitunter einen dicken Holzstock. Gandhis politische Gegenspieler auf Seiten des Empires zeigten sich zu dieser Zeit wenig beeindruckt von ihm und seinem Einsatz für die Freiheit Indiens. Für Lord Irwin, Generalgouverneur und Vizekönig der Kolonie, kam Gandhi mit seinem Wirken nur „albern“ daher, Winston Churchill sollte ihn wenig später gar als „halbnackten Fakir“ diffamieren.4
Doch Gandhi, von seinen Anhängern Mahatma, die „Große Seele“, genannt, war in der Lage, zahlreiche Menschen auf seine Seite zu ziehen. Die 78 Männer, die an jenem Märzmorgen vor seinem Bungalow erschienen, waren nur ein Bruchteil derer, die auf ihn und seine Kampagne vertrauten. Den Marsch, den er anführte, hatte Gandhi als ein wesentliches Symbol für das Unabhängigkeitsstreben des indischen Volkes geplant. Er sollte darlegen, mit welcher Ungerechtigkeit Großbritannien über den südasiatischen Subkontinent regierte, und dass die Kolonialisierung Indiens seit jeher weitgehend den Kolonialherren, kaum aber dem kolonisierten Volk zugutegekommen war.
Als Zielort des Marsches bestimmte Gandhi das Dorf Dandi im heutigen Bundesstaat Gujarat im Westen des Subkontinents. Die Ortschaft war ungefähr 390 Kilometer von Gandhis Haus entfernt und direkt am Arabischen Meer gelegen. Vor allem jedoch verfügten die dortigen Küsten über besonders reichhaltige Salzvorkommen. Das weiße Gold sollte bewusst als Instrument zur Erlangung der Selbstständigkeit Indiens eingesetzt werden.
Gandhi war der Meinung, dass es die Ausbeutung der Inder am besten widerspiegelte, denn er hielt Salz zusammen mit Luft und Wasser für die bedeutsamsten Lebensnotwendigkeiten eines Menschen. Trotzdem war es Indern in der Kolonie verboten, eigenes Salz zu sammeln, geschweige denn damit Handel zu treiben. Sie waren darauf angewiesen, es in britischen Lagerhäusern zu teils horrenden Preisen zu erwerben, denn die Kolonialmacht konnte durch ihr Monopol die Steuersätze für Salz beliebig in die Höhe treiben. Vor allem die Ärmsten litten unter dieser Preisspirale.
Am Ende des 24-tägigen Marsches las Gandhi am Strand von Dandi gemeinsam mit seiner Gefolgschaft Salz auf und opponierte somit gegen die Steuer.
Von diesem symbolischen Akt erhoffte er sich, sein Volk weitflächig zu gewaltlosen Protesten animieren und Großbritannien schließlich zum Einlenken bewegen zu können. Die britischen Behörden hatte Gandhi zuvor in einem höflichen Schreiben von seinem Vorhaben in Kenntnis gesetzt, ebenso wie zahlreiche nationale wie ausländische Medien. Der „Salzmarsch“ sollte der Welt die Entschlossenheit der Kampagne aufzeigen – und den festgefahrenen Unabhängigkeitsbestrebungen der Inder neuen Auftrieb verleihen.5
Gandhi hatte Erfolg: Schon bald sah man in der Sonne Indiens vielerorts Schüsseln mit Meerwasser stehen, aus dem durch Verdunstung Salz gewonnen wurde.
1. Gandhis junge Jahre – von der Kolonie in die Hauptstadt des Empire
1.1 Kindheit und Schulzeit
Nachdem der Sepoy-Aufstand weite Teile Britisch-Indiens in den Grundfesten erschüttert hatte, brachen Ende der 1860er Jahre wieder ruhigere Zeiten in der Kolonie an. Bei den Geschehnissen, die 1857 ihren Anfang nahmen, hatten indische Söldner, die Sepoys, eine Rebellion gegen die Briten angezettelt. Etwa zwei Jahre sollten vergehen, ehe sich die Lage nach blutigen Kämpfen wieder beruhigte. In der Konsequenz entzog die britische Krone der East India Company alle Herrschaftsbefugnisse über Indien und übernahm selbst die Regentschaft über den Subkontinent. Indien wurde zur Kronkolonie und somit formell Teil des Empires.6
In der Folgezeit kehrte kolonieweit Stabilität ein. In diese ruhige Phase wurde Mohandas Karamchand Gandhi am 2. Oktober 1869 hineingeboren. Sein Geburtstort Porbandar, im Gebiet des späteren Bundesstaates Gujarat am Westzipfel Indiens, war Teil eines der mehr als 500 winzigen Fürstenstaaten in Britisch-Indien. Gandhis Vater Karamchand fungierte zu diesem Zeitpunkt als Premierminister des Ministaates, der formell Queen Victoria und ihrem Weltreich unterlag. Da dieser Teil der Kronkolonie jedoch über keine nennenswerten Bodenschätze oder andere wertvolle Stoffe verfügte, genossen die dortigen Fürstentümer nach innen hin eine weitreichende Autonomie.
Mit Politik konnte sich der junge Gandhi jedoch zunächst nicht anfreunden. Sein Vater empfing regelmäßig diplomatische Gäste, organisierte Sitzungen und besuchte Kongresse, doch dieser Arbeit konnte Gandhi nichts Positives abgewinnen. Zum lebensprägenden Vorbild entwickelte sich Karamchand Gandhi für seinen Sohn erst, als er einige Jahre später einen Richterposten am Fürstengericht in Rajkot übernahm. Seine Aufgabe bestand darin, als eine Art Schiedsrichter in Rechtsstreitigkeiten zwischen den Fürstentümern in der Region Kathiawar im Westteil Gujarats zu vermitteln. Dabei konnte Karamchand Gandhi zwar auf keine allzu umfassende Schulbildung zurückgreifen, sich jedoch immer wieder auf seine politische Erfahrung verlassen. Vor allem war es sein Gerechtigkeitssinn, der ihm Erfolg und Ansehen in seinem neuen Beruf bescherte – und der seinen Sohn nachhaltig beeindrucken sollte.
Während ihn sein Vater in beruflicher und persönlicher Hinsicht maßgeblich beeinflusste, erfuhr Gandhi vonseiten seiner Mutter eine spirituelle Prägung, die ihn sein Leben lang begleiten sollte. Putali Bai Gandhi war eine gläubige Hindu und brachte dem Sohn die volkstümlichen Lehren des Vaishnavismus sowie des Jainismus bei. Im Kontext dessen gab sie sich der regelmäßigen Andacht und der fortwährenden Frömmigkeit hin. Immer wieder legte sie religiöse Gelübde ab und fastete. Die Selbstdisziplin, die sie dabei unter Beweis stellte, rief bei Gandhi tiefe Bewunderung hervor. So zeichnete die Religiosität der Mutter schon früh den spirituellen Faktor in Gandhis Leben vor.7
Die Schulzeit war für den Jungen zunächst wenig erfolgreich. Er war ängstlich, schüchtern und litt des Öfteren an Selbstzweifeln. Auf dem Schulweg sprach er so gut wie nie mit jemandem, aus Angst, sein Gegenüber könnte ihn auslachen. Kritik seitens seiner Lehrer nahm er mitunter derart persönlich, dass er vor der ganzen Klasse in Tränen ausbrach. Abends traute er sich alleine nicht aus dem Haus, Dunkelheit war ihm während der gesamten Kindheit ein Gräuel. Darüber hinaus tat sich Mohandas Gandhi lange Zeit mit dem Erlernen des Englischen sehr schwer. Ab dem Alter von zwölf Jahren stand für ihn die Sprache der Kolonialherren regelmäßig auf dem Stundenplan, die später zu seiner Unterrichtssprache wurde. Gandhi sah im Englischen jedoch ein Element der kolonialen Unterdrückung, das dem indischen Volk aufgezwungen worden sei. Da er zu Gujarati zudem eine tiefe Leidenschaft empfand, weigerte sich Gandhi als Jugendlicher lange Jahre, konsequent Englisch zu lernen. Gleichaltrige, die Englisch miteinander sprachen, verachtete er und sah darin einen kulturellen Verfall.8
Erst gegen Ende seiner Schulzeit begann Mohandas Gandhi, diese rigide Haltung langsam abzulegen. So kam es, dass er nach seinem Schulabschluss doch noch über angemessene Englischkenntnisse verfügte, um ein Studium in Großbritannien aufzunehmen. Dort wollte er seinem wenige Jahre zuvor verstorbenen Vater nacheifern und Jura studieren. Für den knapp 19-jährigen Sprössling eines traditionellen indischen Elternhauses war es ein ungewöhnlicher Schritt, für die Hochschulbildung die Heimat zu verlassen. Die Familie war sich jedoch sicher, dass es in Zukunft vor allem für Inder kaum mehr möglich sein würde, ohne einen in England erworbenen Universitätsabschluss beruflich Fuß zu fassen.
Bevor Gandhi im Herbst 1888 nach London aufbrach, bestand seine Mutter noch darauf, dass er vor einem Mönch ein Gelübde ablegte. Er versprach, in Großbritannien auf Fleisch, Alkohol und vor allem auf Frauen zu verzichten, denn er musste seine junge Ehefrau Kasturba, mit der er als 13-Jähriger verheiratet worden war, sowie seinen 6 Monate alten Sohn Harilal in der Heimat zurücklassen. Obwohl er für das Studium sein geliebtes Indien vorübergehend verlassen musste, identifizierte er sich schnell mit dem Vorhaben und konnte es schließlich kaum erwarten, in der Kapitale des britischen Weltreiches anzukommen.9
Gandhi 1876
1.2 Studium in London
Da er sich seiner Familie gegenüber verpflichtet fühlte, widmete sich Gandhi engagiert seinem Studium und strebte er mit viel Fleiß und Ehrgeiz einen zügigen Abschluss an. Während seine Kommilitonen an den Wochenenden lieber um die Häuser zogen, paukte Gandhi häufig bis tief in die Nacht die britischen Gesetzes- und Strafparagraphen und arbeitete an seinem Latinum. Nach drei Jahren schloss er sein Studium ab, zwar ohne zu brillieren, aber gewissenhaft und ordentlich.
So war es auch nicht das Studium an sich, sondern in erster Linie die neuen Lebensumstände und Möglichkeiten in der Hauptstadt des Weltimperiums, die dem jungen Erwachsenen aus der indischen Kronkolonie den Horizont erweiterten. Im Vorfeld seines Aufenthalts in England hatte Gandhi vieles über den British Way of Life gelesen und bemühte sich von Beginn an, sich die Etiketten eines spätviktorianischen britischen Gentleman anzueignen. So oft wie möglich trug er elegante Anzügen, unterwegs rief er sich gelegentlich eine Kutsche, anstatt zu Fuß zu gehen. Nachmittags nahm er Tanzstunden, ging zum Geigenunterricht und lernte Französisch.10
Primär ging es Gandhi in London aber darum, seine Englischkenntnisse zu vertiefen. Täglich studierte er aufmerksam die britische Presse. Der dortige Journalismus galt in jener Zeit als der bedeutendste in Europa. Er bestach vor allem durch nüchterne und kritische Analysen, die Pressefreiheit galt als eines der höchsten gesellschaftlichen Güter der Briten. Gandhis Studienzeit in London fiel dabei in die Periode der beginnenden sozialen Gegensätze auf der Insel, bedingt durch den Bedeutungsverlust der Landwirtschaft und die Beschleunigung des industriellen Fortschritts. So berichteten die Tageszeitungen immer häufiger über soziale Probleme und neuartige Massenbewegungen, über einen Wandel der Gesellschaft und aufsehenerregende Streiks.
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