Bern ... und seine Geheimnisse

Tekst
0
Recenzje
Przeczytaj fragment
Oznacz jako przeczytane
Bern ... und seine Geheimnisse
Czcionka:Mniejsze АаWiększe Aa

Peter Baumgartner

Bern ... und seine Geheimnisse

Dieses ebook wurde erstellt bei

Inhaltsverzeichnis

Titel

Dingle, County Kerry - Ireland

Fred, Philippes Freund

Paul Simson und der Lord

Covid-19

Sabrina

Der Verdacht

The «Timber schooner» and the “Basking Shark”

Fledermäuse

Sonderbeauftragter des Bundesrates

Quarantäne

Bern-Belp - Cork

Philippe trifft Paul

Dassault Rafale

Das Wiedersehen

Das Ende von Covid-19?

Trautes Heim

Die Ernüchterung

Der Bundesanwalt

Die erste Jam-Session

Fatima

Die Witwe des Verstorbenen

Fred … und weg war er

Erholsame Tage

Happy-Hour

Wo steckt der Bundesanwalt?

Johann Wolfgang von Goethe

Und immer wieder das Lorenzini

Wer Recht hat, muss nicht immer Recht haben.

Impressum neobooks

Dingle, County Kerry - Ireland

PETER BAUMGARTNER

Bern … und seine Geheimnisse


Roman

IMPRESSUM

Alle Rechte vorbehalten, einschliesslich derjenigen des auszugsweisen Abdrucks und der elektronischen Wiedergabe.

© 2021 Peter Baumgartner, Bern/Schweiz

peter.baumgartn@bluewin.ch

ISBN


«Es ist nicht leicht, das Richtige zu tun. Manchmal hat es fatale Folgen, und manchmal ist es vielleicht unmöglich.

Viel schwerer und viel fataler aber ist es, das Falsche richtig tun zu wollen.»


Ulrich Baron in https://www.welt.de/welt_print/kultur/article4864735/Es-ist-nicht-leicht-das-Richtige-zu-tun.html - «Botschaft» von Siegfried Lenz (1926 - 2014)







Den Inhalt dieses Buches verdanke ich meiner Fantasie. – Ähnlichkeiten mit toten oder lebenden Personen oder realen Ereignissen sind nicht beabsichtigt und wären rein zufällig.

Paul Simson sass auf seiner Veranda und er schaute ins Meer. Das Wetter war garstig und zeigte sich von seiner unfreundlichen Seite. Regen wechselte sich mit Sonnenschein ab und dies bei kühlen Temperaturen. Eigentlich war es bereits Frühling und trotzdem deutete nichts darauf hin, dass sich das Meer beruhigen würde.

Da war etwas aus dem Ruder gelaufen und zwar ganz gewaltig. Paul selber sah sich als Wohltäter und nicht als Krimineller. Aber jetzt, nach den Vorkommnissen im letzten Jahr, war sein Ego angeschlagen, und er war sich nicht mehr so sicher, ob er den richtigen Weg eingeschlagen hatte.

Eigentlich wollte er nur Gerechtigkeit und er sah dies im Umverteilen von Vermögen. Warum nicht ab und zu einen Geldtransporter ausrauben, um die Beute anschliessend gemeinnützigen Zwecken zukommen zu lassen? – Robin Hood hätte ihn wahrscheinlich gelobt!

Auch waren ihm die technischen Fortschritte ein Dorn im Auge. Er sah darin Gefahren für die Menschheit, die nur auf radikale Art und Weise gelöst werden konnten. Die Leute gingen – seiner Meinung nach – viel zu sorglos mit Daten um, die ihr Leben bestimmten.

Dem Ganzen musste Abhilfe geschafft werden, und er hatte sich zu diesem Zweck mit Brian Jones zusammengetan. – Selbstverständlich nicht mit dem legendären Leadgitarristen der ‘Rolling Stones’ als eines der Gründungsmitglieder von «The Rolling Stones», welcher 1969 verstarb, sondern mit einem seiner Namensvetter; zusammen wollten sie Grosses bewirken!

Philippe und Deborah waren einmal mehr zu Besuch bei ihren Freunden, Bernard und Isabelle, in Sainte-Maxime. Philippe hatte sich nach einem Schlag auf seinen Hinterkopf recht gut erholt, und nach längerer Rekonvaleszenzzeit schaute er doch wieder recht zuversichtlich in die Zukunft. Seine Frau Deborah und das befreundete Ehepaar mit Namen Picard halfen ihm dabei. Ebenso stand ihm sein Hund Enrico zur Seite und dieser seinerseits wurde tatkräftig von seinem Freund Dissan, dem treuen Begleiter der Picards, unterstützt. – Gemeinsam gaben sie Philippe Kraft, das Erlebte nicht nur physisch, sondern auch psychisch zu verarbeiten.

Sowohl Philippe als auch Bernard waren altgediente Polizisten im Ruhestand, oder sollte man besser sagen: Im Unruhestand? – Beide fühlten sich auf jeden Fall noch jung genug, um Neues auf die Beine zu stellen und einer allfälligen eintretenden «tristesse» ein Schnippchen zu schlagen. Sie wollten in ihrem Leben noch etwas bewegen und das sollte nicht nur Hand und Fuss haben, sondern das Umfeld gleichermassen in ihren Bann ziehen. Sie wollten mit einem ‘Music Car’ von A nach B ziehen und der Zuhörerschaft mit flotten Klängen Freude bereiten. Sie hatten sich zu diesem Zweck einen ‘Truck’ angeschafft, der schöner nicht sein könnte. Es handelte sich um einen «Type H», jenen legendären Kleintransporter aus der Nachkriegszeit.

Die Farbe des Gefährts war Orange, und Bernard hatte den Wagen in der Zwischenzeit soweit aufgemöbelt, dass er die Zulassungsbewilligung vom Strassenverkehrsamt erhalten hatte. Somit stand eigentlich nichts mehr im Weg, um dem Krachen zum Durchbruch zu verhelfen. Das Einzige, was noch fehlte, war die Soundanlage und diese sollte im Fond des Wagens eingebaut werden.

Natürlich wollten sich Bernard und Philippe hier nicht lumpen lassen. So hatten sie auch schon konkrete Vorstellungen. Sie suchten «Sound in Bestform», womit nur die Marke «Teufel» in Frage kam. Mit 200 Watt Ausgangsleistung (der Standlautsprecher) und einer anständigen Basisstation sollte dem Vergnügen eigentlich nichts mehr entgegenstehen. Auch ein Kühlschrank im ‘Retro Look’ durfte natürlich nicht fehlen: Pinkfarbig und nicht grösser als 1 Meter hoch sollte er sein. – Den Strom für die Anlagen musste ein zusätzlicher Generator liefern, was jedoch kein grösseres Problem darstellen sollte.

Alles in allem sollte der Umbau innert kurzer Zeit möglich sein und dann konnte es losgehen.

Isabelle und Deborah sassen auf der Terrasse des Hauses und genossen zu einem feinen Früchtetee die prächtige Aussicht aufs Meer. Sie unterhielten sich über ihre Kinder und sie wussten diverse Neuigkeiten zu erzählen. So habe sich Danielle, die jüngere Tochter von Isabelle, in London gut eingelebt und der neue Job bei der Firma Orange S.A. gefalle ihr ausserordentlich gut.

Auch Michelle, die ältere Tochter von Isabelle und Bernard, habe zusammen mit ihrem Freund Julien die Surf Schule in Valras-Plage eröffnet, und erste Gäste seien bereits eingetroffen. Das Ganze scheine sich gut anzulassen.

Deborah erzählte von ihren Söhnen und sie wusste zu berichten, dass Rouven nach wie vor emsig bestrebt sei, seinem Studium der Betriebswissenschaften zum Durchbruch zu verhelfen. Dies sei allerdings nicht nur immer einfach und sie drücke ihm die Daumen.

Auch Marvin, der jüngere Sohn von Deborah und Philippe, habe sich in der Zwischenzeit für eine Weiterausbildung eingeschrieben und auch ihm wünsche sie nur das Beste.

Das Haus der Picards konnte einfach nicht schöner sein. Freie Sicht aufs Mittelmeer, mit einem Garten, der alle Wünsche erfüllte – sowohl für Hunde wie für die Menschen.

 

Beide sassen noch eine Zeitlang auf der Terrasse und genossen das Hier und Jetzt. Ihre Männer hatten sich in der Zwischenzeit ihrem «Truck» zugewendet und hatten kaum noch Zeit für ihre Frauen, geschweige denn für die Hunde.

Enrico und Dissan missfiel dies deutlich und so erkundigten sie sich nach ihren Herrchen. Nach kurzem Suchen fanden sie die beiden in der nahen gelegenen Garage und sie erkannten auch den ‘Truck’. Beide beschnüffelten ihn und befanden: der sieht aber komisch aus und erst noch so runzelig!

Die Farbe stich ihnen in die Nase und auch das verwendete Putzmittel war nicht ihre Sache. Sie kamen darin überein, dass sie in einem solchen Gefährt nicht mitfahren wollten.

Isabelle kam nochmals auf ihre Tochter Danielle zu sprechen und verkündete, dass sie und Bernard vorhätten, Danielle übernächste Woche besuchen zu gehen. Sie betonte nochmals, wie schön es doch wäre, wenn sie, Deborah und Philippe, sie dabei begleiten würden. – Deborah wollte das sogleich mit Philippe besprechen.

Bernard und Philippe gesellten sich in der Zwischenzeit zu ihren Frauen an den Tisch und gönnten sich ein kleines Bier. Kurz darauf liess Deborah die Katze aus dem Sack und sagte: «Du Schatz, was hältst du davon, wenn wir übernächste Woche Isabelle und Bernard nach London begleiten würden und dort mit Danielle zusammenkämen? Ich würde liebend gern einmal nach London fahren und diese Grossstadt kennenlernen. Ich war schliesslich noch nie dort und alle schwärmen von dieser Stadt.»

«Ja, dann kann ich dem ja kaum widersprechen», so die sibyllinische Antwort von Philippe. – «Selbstverständlich sind wir dabei, wenn es für alle stimmt.»

Philippe und Bernard wollten noch ihre ‘Bestellung’ aufgeben und informierten Deborah und Isabelle kurz – Betonung auf kurz – über ihr Vorhaben. Die beiden Frauen nickten dem Ansinnen mit einem leichten Stirnrunzeln zu … und die Herren verschwanden hinter dem Computer. Mit wenigen Griffen war das Ganze erledigt, und es galt zu hoffen, dass der überwiesene Geldbetrag seinen Weg finden würde. Die Ware sollte so in zwei/drei Wochen eintreffen, womit der Umbau noch rechtzeitig auf die Hochsaison hin stattfinden könnte.

Die Details für die Reise wollten die vier noch miteinander absprechen. Allerdings galt es nur den Flug auszuwählen; für die Unterkunft würde Danielle besorgt sein. Auch für Dissan war bereits vorgesorgt, hatte sich doch François, der ebenfalls in Pension stehende Juge d’instruction bereit erklärt, zu ihm zu schauen. – Im Gegenzug stand eine Partie ‘Pétanque’ auf dem Plan. Schliesslich ging es darum, dass François seine Schmach vom letzten Mal ausbügeln konnte.

Sodann war es für Philippe und Deborah bereits wieder an der Zeit Abschied zu nehmen. Gut, dieses Mal war es nicht allzu schlimm, würden sie sich doch schon bald wieder in London treffen. Den genauen Treffpunkt würden sie – wie gesagt – noch ausmachen.

Auf der Heimfahrt, welche erstaunlich flüssig vonstattenging und die in der Wohlfühlgeschwindigkeit von Enrico – zumeist mit zumindest 120 km/h – zurückgelegt werden konnte, erwähnte Philippe, dass sie die Gunst der Stunde allenfalls nutzen könnten, um Sabrina, ihrer ehemaligen Kollegin aus der Schweiz, einen Besuch abzustatten.

Sabrina wohnte seit gut 30 Jahren in Irland und dort in einem kleinen Dorf (oder vielleicht eher einem Weiler) mit dem Namen Ventry. Ventry liegt im County Kerry (also im Bezirk Kerry) und als solches in der Region Ballymore West, ganz im Westen Irlands. Die Gegend gilt als rau, aber unvergleichlich schön mit seinen Eigenheiten. Die Strasse zum Haus von Sabrina führt über den «Wild Atlantic Way» und sie hat damit absolut den richtigen Namen.


Das Haus selber is located 4 miles (6.4 km) from Dingle Town and 1 mile (1.6 km) from Ventry Village, wie der Homepage von Sabrina zu entnehmen ist. – Die Aussicht von der Terrasse des Hauses ist schlichtweg traumhaft.


Sabrina verdiente sich ein Zubrot mit B&B (Bed and Breakfast), jedoch machte dies bald jeder Zweite im Ort, womit die Einnahmemöglichkeiten eher bescheiden waren. Und trotzdem mochte sie diesen Ort nicht verlassen, hingen doch all ihre Erinnerungen und Erlebnisse damit zusammen.

Kennengelernt hatten sich Philippe und Sabrina während ihrer Schulzeit. Sie waren oft Bank- oder Pultnachbarn und mit dem unerlaubten Schwatzen während des Unterrichts wurden sie sich immer sympathischer. Der Kontakt hielt über lange Zeit, wurde dann aber aufgrund der örtlichen Distanz immer schwieriger.

«Das wäre toll», so die begeisterte Antwort von Deborah. Beide, Deborah und Sabrina, hatten sich ebenfalls immer gut verstanden und sie verbrachten gar einmal ihre Ferien zusammen. Und trotzdem konnte auch bei ihnen der Kontakt aufgrund der örtlichen Distanz nicht aufrechterhalten werden.

«Meinst du, das wäre machbar?», so die Frage von Deborah. «Ich glaube schon, und mit EasyJet und Ryanair sollte dies sogar bei unserem Budget machbar sein.»

«Ich werde mich auf jeden Fall – sobald wir zuhause sind – schlau machen und dann können wir uns definitiv festlegen. Selbstverständlich werde ich versuchen, vorgängig mit Sabrina Kontakt aufzunehmen und sie fragen, ob es ihr recht wäre und ihr passen würde, wenn wir kurz bei ihr reinschauten. Vielleicht könnten wir sogar bei ihr nächtigen, selbstverständlich gegen Entgelt. – Die Mailadresse von Sabrina habe ich. Sie lässt sich ebenfalls ihrer Homepage entnehmen.»

Fred, Philippes Freund

Noch im Verlauf des frühen Nachmittags trafen Philippe, Deborah und Enrico in ihrem trauten Heim ein. Alles schien beim Alten zu sein. Selbst die stürmische Phase, welche die Gegend überstehen musste, schien dem Haus und dem Garten nichts angetan zu haben. Auf jeden Fall stand sogar die alte Birke noch; um sie hatte Philippe sich Sorgen gemacht.

Enrico beschnüffelte als Erstes seinen Garten und hielt Nachschau, ob nicht eine unliebsame Katze sich in seiner Abwesenheit hier häuslich niedergelassen hatte. Gott sei Dank war dem nicht so, womit die Welt für Enrico in Ordnung war.

Philippe bemühte sich zum Briefkasten, um diesen zu leeren. Es ist unglaublich, in welcher kurzen Zeit sich so viel «Mist» ansammelt, dachte er, welcher alsdann im Altpapier landet.

Trotzdem kam er nicht umhin, den Papierstoss kurz zu sichten, um unliebsame Rechnungen von anderem Unrat zu trennen. Ab und zu fand sich trotzdem noch etwas Brauchbares darunter. Und siehe da: ein hübsch aufgemachter Briefumschlag – allerdings adressiert an Deborah – weckte sein Interesse. Leider war kein Absender vermerkt, womit ihn schon die Neugierde packte, wer denn Deborah einen solchen einladenden Brief zukommen liess.

Er beeilte sich, Deborah den Brief auszuhändigen, jedoch stand diese bereits unter der Dusche. Den Brief aufzumachen, hielt er sich nicht dafür, jedoch konnte er es kaum erwarten, bis Deborah dies tun würde. Sie würde ihm sicher verraten, wer der Absender oder die Absenderin war.

Nach unendlich langen Minuten erscheint Deborah doch noch in der Küche, und Philippe macht sie auf den Brief aufmerksam. Diese reagierte allerdings nicht wie von Philippe erwartet, womit sein Interesse noch mehr stieg. Wie kann man nur so lange warten, um einen Brief aufzumachen, ging ihm durch den Kopf, und er versuchte Deborah ein wenig zu forcieren. Diese nahm das Ganze aber sehr gelassen und gönnte sich vorweg einen feinen Tee.

Ok, dachte Philippe, dann gehe ich halt ein wenig in den Garten. Er holte sich ein kleines Bier aus dem Kühlschrank und machte es sich in der Hollywoodschaukel bequem. Enrico gesellte sich zu ihm, und auf diese Weise erholten sie sich von der Heimfahrt.

Und siehe da! Nach nur kurzer Zeit kam Deborah und sie überreichte Philippe den Brief mit den Worten: «So etwas Nettes habe ich schon lange nicht mehr gelesen.»

Dem Brief war Folgendes zu entnehmen:

Liebe Deborah

Es ist mir ein tiefes Anliegen, dir auf diesem Weg ganz herzlich Danke zu sagen, für alles, was du in der Zwischenzeit für mich getan hast.

Du hast mir neue Kraft fürs Leben geschenkt, und ich sehe heute vieles mit neuen Augen.

Ich habe erkannt, was wichtig und unwichtig ist für mich und das verdanke ich dir. – Ich bin dir dafür unendlich dankbar.

Liebe Grüsse, Susann

Philippe musste Deborah absolut recht geben: einen solch schönen Brief hatte er noch selten bis nie bekommen; echt, gefühlvoll und absolut liebenswürdig.

Susann ist die Ex-Frau von Fred. Fred oder Freddy (niemand nannte in Alfred) selber ist ein guter Bekannter von Philippe und in der Zwischenzeit auch von Deborah. Fred hatte Philippe schon oft geholfen und im Gegenzug scheinen Deborah und Philippe «Amor» gespielt zu haben, sind sich Fred und Susann doch wieder sehr nahegekommen. Auch Max, ihr gemeinsamer Sohn, blickte dem Ganzen mit Interesse entgegen, und es würde ihn sehr freuen, wenn er andern seine Eltern wieder als «seine Familie» vorstellen könnte.

Deborah wollte sich so bald wie möglich bei Susann für ihr nettes Schreiben bedanken und sich mit ihr für einen «Gedankenaustausch» treffen.

Auch Philippe hatte das Bedürfnis, wieder einmal mit Fred zusammen zu kommen. Er wollte ihn ebenfalls so bald wie möglich kontaktieren und ihn zu einem Schwatz einladen.

In der Zwischenzeit zeigte sich aber doch die Müdigkeit bei beiden ob der langen Fahrt, und nach einem kurzen Spaziergang mit Enrico wollte Philippe sich schon bald zu Bett begeben. Und obschon Deborah die ganze Stecke gefahren war, wollte sie es sich nicht nehmen lassen, Susann anzurufen und ihr ganz herzlich für ihren Brief zu danken. – Selbstverständlich dauerte das Telefonat nicht nur einige Minuten … sondern etwas länger.

Philippe verabschiedete sich mit einem Handkuss durch die Luft.

Am nächsten Morgen sah die Welt schon wieder anders aus. Das Wetter war nach wie vor strahlend schön, und Philippe fühlte sich gut erholt und war voller Tatendrang. – Als Erstes wollte er mit Fred Kontakt aufnehmen.

«Tschau Freddy, wie geht es dir? Was gibt’s Neues? Hast du wieder irgendwelche Insiderinformationen, die mich ins Unglück stürzen?» So die amüsierte Frage von Philippe. – «Nein, alles im grünen Bereich. Wollen wir uns auf ein Bierchen im Lorenzini treffen? Wie wäre es zum Beispiel mit heute Abend so gegen 1700 Uhr?» «Super, ich werde dort sein!»

Noch während Philippe auf der Veranda sass und einen Kaffee trank, gesellte sich Deborah zu ihm und sie teilte ihm mit, dass sie sich für heute Abend mit Susann verabredet habe. Sie wollten in der Stadt Bern eine Kleinigkeit essen gehen und sich über dies und das unterhalten. «Stimmt das so für dich, mein Schatz?» - «Selbstverständlich; ich habe mich für heute Abend ebenfalls verabredet, und Fred und ich werden uns im Lorenzini treffen.» «Ah, dann trifft sich das ja bestens.»

Den Tag hindurch wollte sich Philippe seinem Garten zuwenden. Der Rasen musste gemäht werden und dem Unkraut wollte er den Garaus machen. Alsdann standen Einkäufe auf dem Programm, und schliesslich wollte er für das Kochen des Mittagessens besorgt sein. – Ein einfaches Gericht sollte heute genügen.

Mit einigem Erstaunen stellte Philippe im Supermarkt schon bald fest, wie sich die Reihen bei Produkten der Grundversorgung gelichtet hatten. Ganz offensichtlich wurden ob der aktuellen Situation «Hamsterkäufe» getätigt, welche Reis und Teigwaren richtiggehend zu Mangelwaren werden liessen. – Philippe dachte über seinen eignen Notvorrat nach und er musste erkennen, dass es damit nicht zum Besten bestellt war. Also füllte er noch eine Tasche mit dem Notwenigsten und er wollte seinen Eindruck mit Deborah besprechen.

Auch Deborah war aufgrund der Tagesmeldungen verunsichert, und beide fragten sich, ob es aufgrund der Entwicklung schlau wäre, nach London zu reisen. Sie wollten sich das Ganze noch einmal durch den Kopf gehen lassen.

 

Gleiche Gedanken hatten offensichtlich auch Bernard und Isabelle und sie teilten ihre Befürchtungen Philippe und Deborah telefonisch mit. – Aufgrund der getätigten Lagebeurteilung kamen alle vier darin überein, dass sie vorerst einmal zuwarten wollten, und Isabelle würde ihren Entscheid Danielle mitteilen.

Das Lorenzini mauserte sich langsam zum Stammlokal von Philippe und Fred. Man konnte hier gemütlich ein Bier trinken und dies unter der Woche auch noch bei einem vernünftigen Lärmpegel. Das Restaurant liegt in der Altstadt von Bern und ist mit dem ÖV innert nützlicher Zeit erreichbar.

«Ciao Fred, schön dich wieder zu sehen. Dürfen wir uns noch die Hand geben oder ist dies ob der aktuellen Situation nicht mehr angezeigt?» «Keine Ahnung», so die Antwort von Fred, und er setzte sich zu Philippe an den Tisch. «Ja, das Ganze kommt mir doch sehr «spanisch» vor und die Geschwindigkeit, mit der sich die Krankheit ausbreitet, wirft schon Fragen auf.»

Bei beiden wurden Erinnerungen wach, die sie vor nicht allzu langer Zeit bereits einmal beschäftigt hatten.

«Offensichtlich treffen sich Deborah und Susann heute auch», so die Feststellung von Fred. «Ich finde es schön, wie gut sich die beiden verstehen und den Kontakt auch über den Malkurs hinaus aufrechterhalten.» - «Ja, das finde ich auch. – Im Übrigen hat Susann Deborah einen sehr lieben Brief geschrieben über den sie sich sehr gefreut hat.» «Ja, ich weiss und ich habe sie sogar darin bekräftigt dies zu tun», so die Feststellung von Fred.

«Ja, jetzt aber nochmals zurück zur aktuellen Situation, Fred. Was hältst du von diesem Virus?» - «Keine Ahnung – alles oder nichts oder etwas dazwischen», so die lapidare Antwort von Fred. «Fest steht, dass das Ganze Probleme bereitet und zwar nicht zu knapp.»

«Ja, das sehe ich auch so und mir sind die eindringlichen Worte von Smith und Pulvermacher wieder in den Sinn gekommen. Vielleicht hatten sie irgendwie doch recht.»

Smith und Pulvermacher waren Mitarbeitende der Auslandgeheimdienste ihrer jeweiligen Länder; Smith arbeitete für die CIA, Pulvermacher für den BND. Beide waren in Ungnade gefallen und von ihren Aussendienstjobs abgezogen worden, da sie ihren Vorgesetzten zufolge über eine allzu blühende Fantasie verfügten und diese auch kundtaten. Das Ganze mochte im Ansatz stimmen, war aber zu wenig durchgedacht und vor allem zu wenig abgeklärt, womit es zumeist bei Spekulationen blieb. Daneben gab es noch einen Jacques Dupont mit Codenamen «819» vom DGSE, der auch nicht nur mit Vertrauenswürdigkeit überzeugen konnte.

Alle drei waren der Unterwelt bekannt und konnten von dieser nicht gerühmt werden: Alles aufgeblasene Säcke, wo nichts dahintersteckt, so das Urteil von Louis (der Kanaille) aus Toulon.

Louis Canal, wie er mit richtigem Namen heisst, ist eine bekannte «Grösse» in Südfrankreich, und er hatte Philippe schon die eine oder andere hilfreiche Information zukommen lassen. Auf sein Urteil konnte man sich bislang verlassen, und er verfügte über ein erstaunliches Beziehungsnetz, welches Philippe immer wieder verblüffte. Selbst im Gefängnis konnte er sich ‘à jour’ halten, was für seine Quellen und seinen Einflussbereich sprach.

Freddy musste Philippe irgendwie recht geben, und es war ihm nicht wohl beim Gedanken, dass an der Sache doch etwas dran sein könnte. Er kam ins Grübeln und formulierte furchterregende Überlegungen:

Was wäre, wenn im Labor von Bern nicht Streptokokken, sondern Viren gezüchtet worden wären? Oder, was wäre, wenn dem nicht in Bern so geschehen wäre, sondern anderswo? Und, was wäre, wenn diese Viren in falsche Hände gekommen wären? Oder noch schlimmer, wenn die Viren gezielt gezüchtet und sodann (ebenfalls gezielt) gestreut worden wären? Was wäre, wenn gar Staaten dies getan hätten, oder wenn man sie gar auf dem Schwarzmarkt erhältlich machen könnte? – Fragen über Fragen, welche alle Spekulationen offenliessen und einem nur erschaudern liessen.

Philippe wurde es richtig mulmig in der Magengegend und er brauchte ein zweites Bier.

«Ja, irgendwie ist es schon komisch.» - Die Informationen von Smith, Pulvermacher und Dupont stimmten ja schon irgendwie – zumindest im Ansatz – und Folge dessen konnten auch solche Überlegungen nicht völlig ausser Acht gelassen werden, wenngleich sie «nüchtern» betrachtet als Irrsinn bezeichnet werden mussten.

Tatsache aber war jedenfalls, dass mit Stand heute – und Philippe zückte sein Smart Phone – die Situation sich wie folgt präsentierte:

Italien hatte 6'820, Spanien 3'434 und China 3'163 Tote zu beklagen. Die Gesamtzahl der Toten weltweit belief sich auf 19'675; die Zahl der infizierten Personen auf 111'895 (Stand: 25.3.2020).

https://gisanddata.maps.arcgis.com/apps/opsdashboard/index.html#/bda7594740fd40299423467b48e9ecf6

Philippe erschrak ob den Zahlen und sogar Fred fand keine passenden Worte, um dem Schrecken gerecht zu werden. Beide verstummten eine Weile, und es dauerte einiges an Zeit, bis sie das Gespräch wieder aufnehmen konnten.

Beide kamen weiter ins Grübeln und hinterfragten die anderen Informationen, welche sie bislang von den «Geheimdienstlern» oder anderswoher erhalten hatten. – «Cyberwar» war das Stichwort!

Sie fragten sich, was wäre, wenn das Ganze mit den Viren nur ein Ablenkungsmanöver wäre, um die Weltherrschaft im Digitalbereich an sich zu reissen. – Dies und weitere Gedanken beschäftigten die beiden. Ihren Informationen zufolge soll ja eine Gruppierung unter dem Decknamen «Blue Danube» am Wirken sein und diese schien, den Informationen und Erfahrungen von Philippe zufolge, vor nichts zurück zu schrecken. – Fürchterlich der Gedanke, aber doch nicht ganz aus der Luft gegriffen.

Auf jeden Fall würde ein solches «Ablenkungsmanöver» der Organisation in die Hände spielen, wird die Wirtschaft durch den «Virenbefall» weltweit doch so geschwächt, dass ‘Blue Danube’ dadurch ein deutlich leichteres Spiel hätte.

Philippe und Fred mochten den Gedanken gar nicht weiterspinnen, schauderte ihnen doch vor den Konsequenzen und der unsäglichen Tragik ob solchem Tun. – Nein, so schlimm und grausam konnte niemand sei, ging es ihnen durch den Kopf … oder etwa doch?

Beide waren verunsichert.

Bedrückt und unzufrieden verliessen sie das Lorenzini, und sie wünschten sich gegenseitig noch einen schöneren Abend. – Sie hofften, sich schon bald wieder zu sehen.

Was die beiden damals noch nicht wussten, war die Tatsache, dass sämtliche Gaststätten und andere Betriebe – mit Ausnahme der Lebensmittelversorger – am darauffolgenden Tag ihre Läden schliessen mussten und die Bewegungsfreiheit im sozialen Umfeld fortan deutlich