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Trevellian und der Tod in Chinatown: Action Krimi
Pete Hackett
Published by BEKKERpublishing, 2021.
Inhaltsverzeichnis
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Trevellian und der Tod in Chinatown
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Trevellian und der Tod in Chinatown
Krimi von Pete Hackett
Der Umfang dieses Buchs entspricht 128 Taschenbuchseiten.
Mortimer Hardin hat ein geniales Programm, mit dem man fast perfektes Falschgeld erzeugen kann. Leider gibt es gleich mehrere Parteien, die sich dafür interessieren und angesichts der immensen Gewinne auch keine Hemmungen haben, dafür über Leichen zu gehen. Ein harter Brocken für FBI-Agent Jesse Trevellian und seine Kollegen.
Copyright
Ein CassiopeiaPress Buch CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von
© Roman by Author /COVER FIRUZ ASKIN
© dieser Ausgabe 2021 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.
Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.
Alle Rechte vorbehalten.
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1
Herb Morgan war in eine Sackgasse gerannt. Die Angst – die Todesangst – hatte ihn blindlings in diese Falle stolpern lassen. Und jetzt drohte ihm der Verstand auszusetzen. Links und rechts wie die Wände in einer Schlucht die hohen Mietskasernen, vor ihm eine etwa 3,5 Meter hohe Mauer aus Backsteinen, glatt und unüberwindlich, um ihn herum Finsternis, Unrat und einige Mülltonnen.
Herb Morgan spürte Seitenstechen. Seine Bronchien pfiffen und rasselten, seine Lungen pumpten. Er lauschte. Sein Herz hämmerte hinauf bis in seine Schläfen, und er wusste nicht, ob es die hastigen Schritte seiner Verfolger waren, die er hörte, oder das Rauschen des Blutes in seinen Ohren, oder ob ihm seine überreizten Sinnen nur etwas vorgaukelten.
Er blickte an den Häuserwänden in die Höhe. Über ihm waren nur vereinzelte Fenster beleuchtet. Es war weit nach Mitternacht, und die meisten Chinesen, die in den heruntergekommenen Wohnungen hausten, schliefen.
Herb sprang an der Mauer in die Höhe. Er legte alle Kraft, die noch in seinen Beinen steckte, in diesen Sprung. Und er erwischte sogar die Kante des Mauersimses. Erschreckt stöhnte er auf. Stechender Schmerz fuhr ihm durch die linke Hand. Man hatte in die Mauerkrone spitze Glasscherben eingegossen, und an einer dieser rasiermesserscharfen Kanten hatte er sich den Handballen aufgeschnitten.
Warm lief das Blut in Herb Morgans Handfläche. Herb presste die verletzte Hand unter seine rechte Achsel. Das er seinen nagelneuen hellen Anzug mit Blut besudelte, war ihm in diesen Sekunden egal.
Er war gefangen. Herb Morgan fühlte sich wie ein in die Enge getriebenes Raubtier. Gehetzt schaute er sich um. Schweiß rann ihm in den Hemdkragen.
Es waren weder die Geräusche seines Körpers, es war auch nicht sein Unterbewusstsein, das ihm einen Streich spielte, es waren tatsächlich leise, schleichende Schritte, die sein Gehör erreichten.
Jemand pirschte heran. Es war ganz deutlich. Da war das Knarren von Schuhen, das Wetzen von Stoff gegen Mauerwerk, und Herb glaubte sogar gepresstes Atmen zu vernehmen.
Herb Morgans Linke rutschte unter der Achsel hervor.
Die Anspannung krümmte seine Gestalt. Er zwang sich zur Ruhe – doch vermochte er die fast unerträgliche Unrast, die ihn erbeben ließ, nicht völlig unter Kontrolle zu bringen.
Mit der Rechten griff Herb Morgan unter sein Jackett. Als sie wieder zum Vorschein kam, umklammerte sie den Griff einer Beretta. Matt schimmerte der Stahl der Waffe in der Dunkelheit, die vom Sternenhimmel, der sich über Chinatown spannte, etwas gemildert wurde.
Herb Morgan schluckte, dann rief er heiser: „Wenn ihr mich umlegt, werdet ihr einen Dreck erfahren! Ich glaube nicht, dass dies im Sinne eures großen Meisters ist.“
Herb lauschte seiner eigenen Stimme hinterher, die sich langsam von ihm entfernte und schließlich von der Nacht geschluckt zu werden schien. Er bohrte seinen Blick in die Finsternis hinein, spürte das Zittern seiner Hand, die die Pistole hielt, und bemühte sich nach wie vor, den Aufruhr seiner Empfindungen unter Kontrolle zu bringen.
„Ist das ein Trick, du kleine Ratte?“
Herb Morgan zuckte zusammen, als die Stimme erklang. Die Kerle waren näher, als er gedacht hatte.
„Kein Trick!“, rief er schnell. „Ich ...“
„Dann lass die Kanone fallen und heb die Pfoten in die Höhe. Wir haben dich vor den Läufen.“
„Natürlich, sicher. Ich hatte nie im Sinn, auf euch Jungs zu schießen.“
Ein kehliges, hohnvolles Lachen war die Antwort.
Herb wusste selber, wie unglaubwürdig und deplatziert seine Erklärung in dieser Situation war.
Herbs Hand öffnete sich, die Beretta schepperte auf den Boden, langsam wanderten seine Arme gen Himmel.
Aus der Dunkelheit lösten sich zwei Schemen. Eng an den Häuserwänden zu beiden Seiten waren sie herangeglitten, ihre Gestalten waren mit dem schwarzen Hintergrund verschmolzen. Langsam näherten sie sich.
Als sie auf fünf Schritte heran waren, ließ einer von ihnen eine Taschenlampe aufblitzen. Der Lichtkegel traf Herbs Gesicht und ließ ihn geblendet die Augen schließen. Als er sie vorsichtig wieder öffnete, konnte er seine beiden Verfolger leidlich erkennen.
Es waren Chinesen, sie hatten helle, runde Pfannkuchengesichter, keiner von beiden war größer als eins-fünfundsechzig, und keiner von ihnen wog mehr als fünfundsechzig Kilo.
Einzelheiten konnte Herb nicht ausmachen, denn sie standen hinter dem Licht der Stablampe. Die Waffen in ihren Fäusten reflektierten das Licht.
Sie wechselten einige Worte auf chinesisch, dann sagte einer in fast akzentfreiem Englisch:
„Also gehen wir, Mister. Und keine Zicken. Du willst doch nicht im Hudson als Fischfutter landen?“
„Dazu ist das Leben viel zu schön“, versuchte Herb Morgan zu scherzen, wobei ihm nach allem anderen zumute war. Deshalb kamen seine Worte ausgesprochen lahm.
Er lebte, und das war im Moment wichtig. Ihr Chef, der fette Chu Han Chingh, wollte etwas von ihm, an das er nur herankam, so lange er, Herb Morgan, reden konnte. Da Tote nicht reden können, war sein Geheimnis die beste Lebensversicherung. Zumindest so lange, bis Chu Han Chingh der Geduldsfaden riss.
Kopf hoch, Herb! So lange du lebst, hast du eine Chance, durchrieselte es ihn hoffnungsvoll, fast optimistisch.
Er verdrängte einfach den Gedanken an ein vorzeitiges, gewaltsames Ableben.
Die beiden kleinen Chinesen, von denen jeder ein eiskalter Killer war, bugsierten ihn vor sich her den Weg zurück, den er vor wenigen Minuten wie ein olympiareifer Sprinter gekommen war. Seine Beretta steckte unter der Jacke eines der Schlitzaugen im Hosenbund.
Herb Morgan schwitzte mehr denn je. Es war der Angstschweiß, den es ihm aus sämtlichen Poren trieb.
Ihr Ziel war eine Bar in der belebtesten Straße von Chinatown, der Name der Bar prangte in riesigen Neonlettern über der Tür: Royal Dragon.
Von hier aus dirigierte Chu Han Chingh das Geschäft mit dem Verbrechen. Sein Ziel war es, der ungekrönte König von Chinatown zu werden. Das hieß vor allem die Kontrolle über den Rauschgifthandel, das illegale Glücksspiel und die illegale Prostitution in dem Stadtteil an sich zu reißen.
Herb Morgan spürte Beklemmung, als ihn seine beiden Bewacher durch die schummrige Bar schubsten, wo viel zu viel Gewühl war, als dass jemand auf das seltsame Trio geachtet hätte.
Chu Han Chingh residierte in einem hell erleuchteten Hinterzimmer; glatzköpfig, fett, einen brutalen Zug um den wulstigen Mund, Augen so kalt wie glasiertes Porzellan. Herb Morgan schaute in diese Augen und – sah den Tod. Seine Hoffnungen auf ein langes Leben fielen in sich zusammen wie ein Kartenhaus.
Zwei Figuren, die Herb Morgans Häschern zum Verwechseln ähnlich sahen, lümmelten auf einem Ledersofa herum. Chu Han Chinghs Leibgarde. Alle starrten sie ihn an wie Pythons, in deren Nest sich ein Kaninchen verlaufen hatte.
Einer der Kerle hinter Herb Morgan sprach auf chinesisch zu seinem Chef, über dessen feistes Mongolengesicht huschte ein zufriedenes Grinsen, dann richtete er die tiefliegenden, dunklen Augen auf Herb.
„Dann sprich, mein amerikanischer Freund: Aus welcher Werkstatt stammen die Blüten, die du mir andrehen wolltest?“
Herb Morgan schluckte würgend, die Stimmbänder drohten ihm den Dienst zu versagen, denn er begriff jetzt endgültig und mit aller Schärfe, dass er mit seiner Habgier sein eigenes Todesurteil gefällt hatte. Ob er redete oder ob er schwieg, es war egal. Er war so gut wie tot.
Die bessere Chance aber rechnete er sich aus, wenn er den Mund aufmachte. Also redete er. Sein Hals war trockener als Sandpapier ...
2
Staten Island. Es war Montagmorgen. Die Zeiger der Uhren standen auf halb sieben. Mortimer D. Hardin verabschiedete sich von seiner außerordentlich hübschen Lebensgefährtin Elizabeth Frawley mit einem flüchtigen Kuss.
„Du rufst mich an, Darling, wenn du im Betrieb bist?“, flötete sie.
„Ich werde dir kaum mehr erzählen können als ich jetzt weiß, Liz“, murmelte er.
„Es reicht mir, wenn ich deine Stimme höre“, lachte sie.
Er versprach ihr etwas genervt, sie anzurufen, dann verließ er den Bungalow, der gediegenen Wohlstand – keinen verschwenderischen Reichtum – vermuten ließ.
Sie stand am Fenster der Küche und winkte ihm zu. Er quälte sich ein Grinsen ab und winkte zurück.
Er freute sich auf den Tag, an dem er das alles abschütteln und hinter sich lassen konnte.
Der BMW, ein Modell der etwas gehobeneren Klasse, stand in der Garage. Während sich Mortimer Hardin der Garage näherte, drückte er die Fernbedienung. Mit einem weichen Surren schwang das Tor hoch.
Die zweite Fernbedienung an seinem Schlüsselbund entsperrte die Zentralverriegelung des BMW mit einem leisen, saugenden Geräusch.
Mortimer Hardin, ein Mann um die vierzig, mit graumelierten Schläfen und einer austrainierten Figur, wollte die Fahrertür öffnen, als er den Zettel sah, der unter den Scheibenwischer geklemmt war. Er stutzte, dachte erst an ein Strafmandat wegen Falschparkens, das er am Vortag einfach übersehen hatte, schließlich nahm er das Blatt Papier und las:
Sie machen das Geschäft mit uns, oder gar nicht. Wir melden uns.
Im Anflug eines jähen Zorns wollte er den Zettel zerknüllen und wegschmeißen, aber dann kam der siedende Schreck, und er bekam einen starren Blick, der sich an einem unbestimmten Punkt an der Garagenwand festzusaugen schien.
In Hardins Zügen arbeitete es. Schließlich murmelte er eine Verwünschung. Er steckte die Nachricht in die Jackentasche, setzte sich in den Wagen, startete und stieß rückwärts aus der Garage. Wenig später verließ er die ruhige Straße in der Nähe des Clove Lakes Park und fädelte sich in den fließenden Verkehr ein. Er fuhr über die Verrazano Narrows Bridge nach Brooklyn.
Der Wortlaut der Nachricht hatte sich in sein Denken gefressen wie ätzende Säure. Er achtete kaum auf den Verkehr, nahm einem anderen Autofahrer die Vorfahrt, und hätte dieser andere nicht den Stempel bis zum Bodenblech durchgetreten, wären beide Autos wahrscheinlich nur noch den Schrottpreis wert gewesen.
Der andere Fahrer hupte wie verrückt und brüllte eine Reihe von Beschimpfungen, die Mortimer Hardin jedoch nicht hörte. Er fuhr weiter, als ginge ihn das alles nichts an.
Seine Firma befand sich in der Henry Street. „Hardins World Design“ – so hatte er seinen Betrieb getauft.
Mortimer Hardin beschäftigte acht Angestellte. Die Büros seiner Firma befanden sich im 3. Stock eines älteren Gebäudes, im Erdgeschoss war ein McDonalds-Imbiss, das Stockwerk dazwischen war leer.
Hardin fuhr in den Hof auf seinen reservierten Parkplatz. Wenig später war er oben. Anny March, seine Sekretärin, fragte ihn mit einem bezaubernden Lächeln um die roten, sinnlichen Lippen, ob er frischen Kaffee möchte. Er winkte nur ab. Hinter ihm schloss sich die Tür seines Büros. Anny hatte den Mund geöffnet, um noch etwas zu sagen, schaute aber nur ausgesprochen befremdet hinter ihm her.
Schließlich raffte sie sich auf und folgte ihm. Er stand mitten im Büro und schien irgendwie unschlüssig zu sein.
Anny war 24 und verteufelt hübsch. Schwarzhaarig, blauäugig, gewachsen wie ein Starmodell. Sie war mehr als hübsch. Anny war eine schöne Frau. Und sie war ehrgeizig. Ihr Leben als Sekretärin vor einem Computer zu vergeuden war nicht ihr Ziel. Sie wollte höher hinaus – viel höher.
„Was ist los, Mortimer?“
Er trat vor sie hin. „Es gibt ein Problem, Anny.“ Mortimer legte der Frau beide Hände auf die Schultern. „Aber ich denke, ich werde das Kind schon schaukeln.“
Sie fixierte ihn zweifelnd. „Hängt es mit dem Programm zusammen?“
„Ja. Irgend jemand scheint Wind davon bekommen zu haben. Anny, ich muss jetzt einige Dinge auf die Reihe kriegen. Wir reden später. Okay?“
Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und hauchte ihm einen Kuss auf den Mund. „Ich habe dich vermisst heute Nacht. Wann willst du Liz endlich reinen Wein einschenken und ...“
„Nur die Ruhe, Anny. Wenn ich diese Nummer durchgezogen habe, dann mache ich reinen Tisch. Und dann brauchst du hier auch nicht mehr die kleine Angestellte zu spielen, denn dann wirst du meine First Lady sein. Doch jetzt lass mich bitte allein. Ich muss mit Stelario sprechen.“
Nach einem zweiten Kuss verließ Anny das Büro.
Hardin griff sich sofort das Telefon. Er rief Elizabeth an, ungeduldig wechselte er mit ihr einige belanglose Sätze, dann sagte er: „Tut mir leid, Darling, ich muss aufhören. Hatte ganz vergessen, dass ich gleich einen Termin mit einem guten Kunden vereinbart habe. Er ist schon vorgefahren. Ich ruf dich wieder an. Okay?“
Sie schmollte, dann erklärte sie, dass sie ihn trotzdem liebe, obwohl er sich nie Zeit für sie nehme, dass er sie immer mehr vernachlässige, dann legte sie auf.
Nicht mehr lange, Darling, schoss es Mortimer Hardin durch den Kopf. Dann wirst du nicht nur von mir vernachlässigt, dann wirst du von mir in die Wüste geschickt.
Diese morgendlichen Rückrufe, kaum dass er das Haus verlassen hatte, nervten. Dieses Gequatsche von Liebe und ständiger Vernachlässigung und – und – und ...
Es war schlicht und einfach lästig.
Er hatte nichts mehr für sie übrig. Es war langweilig geworden mit ihr.
Mortimer Hardin atmete tief durch. Er legte den Hörer kurz auf, um die Leitung zu unterbrechen, dann nahm er ihn erneut und tippte mit fahrigen Fingern eine Nummer.
„Ja!“ Mehr war nicht zu hören am anderen Ende der Leitung.
„Ich muss sofort Luigi sprechen.“
„Wer ist – ich?“
Hardin wollte schon aufbrausen, das Adrenalin stand ihm bis zur Unterlippe, er zwang sich aber zur Ruhe. Mit gepresster Stimme nannte er seinen Namen. Dann hatte er Luigi Stelario an der Strippe.
„Was ist los?“, fragte der Italoamerikaner.
„Irgend jemand muss etwas von unserem Deal mitgekriegt haben. Hinter meinem Scheibenwischer fand ich eine Nachricht ...“ Hardin zitierte, was auf dem Blatt Papier stand. Dann endete er: „Weiß der Teufel, wer uns ins Handwerk pfuschen will. Jedenfalls scheint es eine undichte Stelle zu geben.“
Stelario schwieg kurze Zeit. Dann meinte er: „Diese undichte Stelle kann nur in deinem Umfeld sein. Wer von deinen Leuten weiß von der Sache?“
Hardin musste nicht lange nachdenken. „Herb Morgan und Dave Vanderbildt.“
„Knöpfe dir die beiden mal vor. Und wenn einer von denen geplaudert hat, dann ...“ Stelario, der Boss eines Syndikats in der Lower East Side, sprach nicht zu Ende, was dann sein würde. Aber die unausgesprochene Drohung beinhaltete mehr als alle Worte.
Mortimer Hardin wusste, dass hinter dem dann ein Todesurteil stand.
Stelario fuhr fort: „Wer immer dir den Fetzen Papier zugespielt hat, Mortimer, er wird sich die Finger verbrennen. Wir machen das Geschäft – du und ich. Wir treffen uns, wie ausgemacht, genau heute in sechs Tagen. Du bringst die Ware mit, und ich zahle dich aus. Und wenn alles so läuft, wie ich mir das vorstelle, dann wird sich unsere Geschäftsbeziehung vertiefen und ganz gewiss noch eine Weile andauern. Alles klar?“
„Ich – ich weiß nicht ...“
„Du willst doch jetzt nicht abspringen?“, kam es drohend durch die Leitung. „Ich könnte es mir nicht leisten ...“
„Nein, Luigi. Gewiss nicht.“ Mortimer sprach es hastig und voll gemischter Gefühle. Er hatte unvermittelt das Empfinden, in einer Sackgasse zu stecken, aus der es kein Entrinnen gab.
„Dann ist‘s ja gut. Also in sechs Tagen.“
Stelario legte auf. Hardin hielt noch eine Weile den Hörer in der Hand. Er kniff die Lippen zusammen und versuchte eine gerade Linie in sein Denken zu bringen. Stelario hatte nicht den geringsten Zweifel aufkommen lassen, dass er den Ton angab und dass er einen Rückzieher nicht duldete. Stelario zum Feind zu haben war gleichbedeutend mit tot zu sein.
In Mortimer Hardins Eingeweiden begann es zu rumoren.
Als er ebenfalls auflegte, wurde die Tür geöffnet. Im nächsten Moment schob Anny March ihren Kopf durch den Spalt. „Was ich vorhin vergaß, Mort: Herb Morgan ist heute nicht zur Arbeit erschienen. Er hat auch nicht angerufen und sich entschuldigt.“
Mortimer Hardin zuckte zusammen, als hätte ihn jemand mit einem glühenden Eisen berührt.
„Er – er ... Morgan ist nicht zur Arbeit erschienen?“, stammelte er nahezu fassungslos, und er spürte, wie sich Puls und Herzschlag beschleunigten. Er schluckte mühsam. „Hast du bei ihm angerufen, Anny?“
„Ja. Er hebt nicht ab.“
Mortimer Hardins Blick schien sich nach innen zu kehren. „Ist schon gut, Anny. Vanderbildt soll zu mir kommen. Sofort.“
Annys Kopf verschwand, die Tür wurde zugezogen. Derart aufgelöst hatte Anny March ihren Chef und Geliebten noch nie gesehen.
Nach der Hiobsbotschaft ahnte er Fürchterliches. Er hatte Mühe, die Fassung zu bewahren. Er fühlte sich unvermittelt wie ein Seiltänzer bei einem gefährlichen Drahtseilakt ohne Netz und doppelten Boden.
Vanderbildt erschien. Ohne den Gruß des Mannes zu erwidern stieß Mortimer Hardin erregt hervor: „Hast du zu irgend jemand von der Sache gesprochen, Dave?“
Dave Vanderbildt, ein großer, schlaksiger Bursche von etwa 35 Jahren, schüttelte den Kopf. „Hältst du mich für doof?“, fragte er respektlos.
Hardin schluckte es. Sie waren nur nach außen hin Chef und Angestellter. Im Innenverhältnis waren sie Komplizen.
„Was ist mit Herb?“ Hardin spuckte die vier Worte regelrecht hinaus.
„Keine Ahnung.“ Vanderbildts Stirn legte sich in Falten. „Was soll mit ihm sein? Was ist los, verdammt? Du bist aufgeregter als eine Jungfrau vor dem ersten Mal. Mach den Mund auf und lass dir nicht die Würmer einzeln aus der Nase ziehen.“
Mortimer Hardin klärte seinen Komplizen mit dürren Worten auf. Vanderbildt nagte an der Unterlippe. „Schätze, da hat Herb Scheiß gebaut“, murmelte er dann. „Ich war ja gleich nicht dafür, dass wir diesen Windhund ...“
Hardin unterbrach Vanderbildt. „Er ist ein Experte auf dem Gebiet des Computer-Design. Darum brauchten wir ihn.“
Vanderbildt kam nicht mehr zu einer Erwiderung. Denn Anny March riss die Tür auf. Sie war leichenblass. Schreck weitete ihre dunklen Augen, ihre Lippen bebten. „Mr. Hardin, hier – mein Gott, es ist zu schrecklich ...“
Wenn Dritte anwesend waren, war er Mr. Hardin, und sie war Miss Anny oder einfach nur Anny. Kein Mensch in der Firma hatte eine Ahnung, dass sie ein Verhältnis hatten, nicht einmal Vanderbildt, im Verein mit dem und Herb Morgan er, Mortimer Hardin, den „großen Deal“, wie er sich auszudrücken pflegte, durchziehen wollte.
Sie hielt die New York Times in der Hand, ein Zittern durchlief ihre Gestalt.
„Was ist schrecklich, verdammt, reden Sie schon“, schnappte Hardin, war aber schon bei Anny und riss ihr die Zeitung aus der Hand. Er überflog die Seite, konnte aber auf Anhieb nicht entdecken, was Anny so sehr entsetzte, dass ihr die Stimmbänder versagten.
Anny fing sich. Tränen standen in ihren Augen. Sie tippte mit dem Zeigefinger auf eine kleine Meldung, die nur allzu leicht zu übersehen war. „Hier, Mor ...“ Sie verschluckte den Rest des Namens, als sie sich rechtzeitig besann, dass sie eine Rolle spielte. „Hier, Sir, ich – ich kann es noch gar nicht fassen. Der arme Herb ...“
Vanderbildt schaute misstrauisch von ihr zu Hardin, auf seiner Stirn hatten sich über der Nasenwurzel zwei steile Falten gebildet.
Hardin spürte, wie ihm die Knie weich wurden. Eine Bruchteile von Sekunden andauernde Blutleere im Gehirn ließ ihn auf der Stelle taumeln. Sein Gesicht entfärbte sich und bekam die Farbe des Papiers, auf dem schwarz auf weiß stand, dass Herb Morgan erwürgt und sein Leichnam in den Hudson River geworfen worden war.
Er musste sich setzen. Vanderbildt nahm ihm die Zeitung aus der Hand. Dave Vanderbildts Wangen begannen zu vibrieren. Ein Schatten lief über sein Gesicht. Schließlich gab er mit belegter Stimme zu verstehen: „Es ist gut, Anny. Lassen Sie uns allein.“ Er fingerte in seiner Jackentasche herum, holte eine Packung Marlboro heraus und zündete sich einen Glimmstängel an. Dann wartete er, bis Anny draußen war, die sich nur zögerlich zurückgezogen hatte, und schließlich quoll es aus ihm heraus: „Hast du jetzt noch einen Zweifel, Mort? Herb wollte uns hereinlegen und hat sich an irgendeinen Mafia-Clan gewandt, um das Geschäft alleine zu machen. Allerdings machte er die Rechnung ohne den Wirt, wie es aussieht.“
Mortimer Hardin schüttelte den Kopf. Zu mehr war er im Augenblick nicht fähig.
Vanderbildt trat vor ihn hin, beugte sich tief zu ihm hinunter. „Eine Frage am Rande, Mort“, dehnte er. „Anny wollte dich vorhin mit deinem Vornamen anreden. Ist da etwas?“
Ihre Blicke kreuzten sich. „Unsinn“, murmelte Mortimer Hardin. „Die Gute ist total verstört, völlig konfus. Ist ja auch kein Wunder, oder? Auch ich bin ziemlich verwirrt. Da kann schon mal ...“
„Wir können uns keinen Schwachpunkt leisten, Mortimer“, floss es schwer über Vanderbildts Lippen. „Und das weißt du auch.“
„Immerhin hatte ich ja die Idee“, brauste Hardin auf. „Ich war es auch, der die Verbindung zu Stelario geknüpft hat. Du und Herb – ihr seid die Asse am Computer. Planung und Organisation aber obliegen mir. Glaubst du im Ernst, dass ich einen Fehler mache?“