Czytaj książkę: «Liebeskunst», strona 3

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Küsse, Gewalt, männliche Initiative

Wer ist so dumm und mischt nicht Küsse unter die schmeichelnden Worte? Mag sie dir auch keine geben, nimm dir welche, ohne dass sie sie gibt. [665] Vielleicht wird sie zuerst dagegen ankämpfen und »Unverschämter!« sagen; sie wird aber im Kampf besiegt werden wollen. Nur nimm dich in Acht, dass ungeschickt geraubte Küsse den zarten Lippen nicht weh tun und dass sie sich nicht beklagen kann, sie seien grob gewesen. Wer sich Küsse nahm und das Übrige nicht nimmt, [670] verdient auch das, was ihm gegeben wurde, zu verlieren. Wie wenig hatte noch nach den Küssen bis zur vollen Wunscherfüllung gefehlt? Wehe mir, das war keine Scham, sondern Tölpelhaftigkeit. Magst du es auch Gewalt nennen, diese Art der Gewalt ist den Mädchen willkommen; was Freude macht, wollen sie oft geben, ohne es wahrhaben zu wollen. [675] Jede, der durch plötzlichen Liebesraub Gewalt angetan wurde, freut sich, und Unverschämtheit ist hier so viel wie ein Geschenk. Doch eine, die unberührt davonkam, obwohl sie hätte gezwungen werden können, wird traurig sein, mag auch ihr Gesicht Freude vortäuschen. Phoebe54 wurde vergewaltigt, Gewalt wurde ihrer Schwester angetan, [680] und beiden Geraubten war der Räuber lieb. Eine bekannte Geschichte, die aber erzählt zu werden verdient, handelt von der Verbindung zwischen dem Mädchen von Scyrus und dem haemonischen Mann55. Schon hatte die Göttin56, die zu Füßen des Idahügels über zwei andere Göttinnen den verdienten Sieg davontrug, den verhängnisvollen Lohn für das Lob ihrer Schönheit ausbezahlt. [685] Schon war die Schwiegertochter57 vom anderen Ende der Welt zu Priamus gekommen und lebte als griechische Ehefrau in Ilions Mauern. Alle schworen den Eid, den der gekränkte Gemahl vorsprach, denn die Kränkung des einen war Sache der Allgemeinheit. [689] Achills Männlichkeit war (eine Schande, aber er hatte es seiner Mutter auf ihre Bitte hin zugestanden) unter einem langen Frauengewand verheimlicht. Was tust du, Aeacus’ Spross58? Wollarbeiten sind nicht deine Aufgabe. Du wirst in einer anderen Kunst59 der Pallas nach Ruhmestiteln streben. Was hast du mit Körbchen zu tun? Deine Hand ist dazu geschaffen, einen Schild zu tragen. Was hältst du Wolle in der Hand, durch die Hektor fallen soll? [695] Wirf die Spindel weg, die mit fleißig gesponnenem Garn umwunden ist! Diese Hand muss die pelische Lanze60 schütteln. Gerade war die jungfräuliche Königstochter in demselben Gemach; sie erfuhr durch seine Gewalttat, dass er ein Mann war. Er besiegte sie zwar mit Gewalt (so ziemt es sich zu glauben), [700] aber sie wollte doch mit Gewalt besiegt werden. Oft sagte sie: »Bleib!«, als Achill schon enteilte; denn er hatte den Spinnrocken beiseite gelegt und sich die kriegerischen Waffen genommen. Wo ist nun die Gewalt, von der die Rede war? Was hältst du mit schmeichelnder Stimme den Mann auf, der dich schändete, Deïdamia? [705] Nicht wahr: Man schämt sich zwar, bei gewissen Dingen selbst den Anfang zu machen, aber man erduldet sie gern, wenn ein anderer damit beginnt. Ach, allzu viel bildet sich der junge Mann auf seine Schönheit ein, der abwartet, bis das Mädchen ihm zuerst einen Antrag macht. Der Mann tue den ersten Schritt, er spreche bittende Worte, [710] und sie möge die schmeichelnden Bitten liebenswürdig aufnehmen. Willst du sie erlangen, so bitte du sie! Sie will nur gebeten sein. Schaffe den Anlass und mache den Anfang zur Erfüllung deines Wunsches. Iuppiter ging als Bittflehender zu den Heroinen der Vorzeit; kein Mädchen hat von sich aus den großen Iuppiter verführt.

Gespielte Zurückhaltung

[715] Wenn du aber spürst, dass aus deinen Bitten hochmütige Sprödigkeit erwächst, so übe Zurückhaltung und ziehe dich etwas zurück. Was flieht, begehren viele, sie verabscheuen, was zudringlich ist; nimm ihr den Überdruss an dir, indem du sie sanfter bedrängst. Nicht immer muss der Werbende offen bekennen, dass er sich Liebe erhofft. [720] Lass Amor sich unter dem Decknamen der Freundschaft einschleichen. Ich habe gesehen, dass ein sprödes Mädchen sich durch diese Art der Einführung täuschen ließ; wer ein Verehrer gewesen war, war unversehens zum Liebhaber geworden.

Das Aussehen des Liebenden

Einem Seemann steht schneeweiße Hautfarbe übel zu Gesicht, er muss vom Meerwasser und den Strahlen des Tagesgestirns gebräunt sein. [725] Schlecht steht sie auch dem Bauern, der immer mit gekrümmter Pflugschar und wuchtiger Hacke unter Iuppiters freiem Himmel den Erdboden aufwühlt. Und wenn du nach dem Ruhm des Kranzes vom Baum der Pallas61 strebst und dabei einen schneeweißen Leib hast, steht dir das schlecht. Aber jeder Liebende sei bleich; diese Farbe passt zu dem Liebenden; [730] so gehört es sich; bedenke, dass sich dies für einen jeden bewährt hat!62 Bleich um der Side willen irrte Orion durch die Wälder; bleich um der unnachgiebigen Naïs willen war Daphnis. Auch Magerkeit verrate, wie es um dein Herz steht, und halte es nicht für eine Schande, eine Kapuze auf dein glänzendes Haar zu legen. [735] Durchwachte Nächte, Sorge und tiefer Liebeskummer zehren am Leib der jungen Männer. Um deinen Wunsch erfüllt zu sehen, musst du bejammernswert sein, so dass jeder, der dich sieht, sagen kann: »Du bist verliebt.«

Warnung vor Freunden

Soll ich klagen oder daran erinnern, dass es keine Schranke zwischen Recht und Unrecht gibt? [740] Freundschaft ist nur ein Name, Treue ein leeres Wort. Weh mir, es ist nicht gefahrlos, die Geliebte vor dem Freund zu loben. Hat er deinem Lob Glauben geschenkt, schleicht er sich selbst auf deinen Platz. »Aber der Actoride63 hat Achills Bett nicht entweiht; was Pirithous64 betraf, war Phaedra keusch; [745] Pylades65 liebte Hermione wie Phoebus die Pallas66 und wie Castor seine Zwillingsschwester Helena.« Hofft einer dasselbe, so mag er auch hoffen, dass Tamarisken Äpfel regnen lassen, und er mag mitten im Fluss Honig suchen. Nur das Böse macht Spaß; jeder denkt nur an sein Vergnügen; [750] und dieses ist auch willkommen, wenn es aus dem Leid eines Anderen entspringt. Wehe! Nicht vor dem Feind muss der Liebende sich fürchten; entkomme denen, die du für treu hältst: Erst dann bist du sicher. Hüte dich vor dem Verwandten, dem Bruder und dem lieben Freund: Diese Schar wird dir begründete Furcht einjagen.

Der Liebende als Verwandlungskünstler

[755] Ich wollte schon zum Schluss kommen, aber ein Mädchenherz ist nicht wie das andere; wisse tausend Herzen auf tausenderlei Art zu nehmen! Einerlei Boden bringt nicht alles hervor: Der eine ist geeignet für Reben, der andere für Oliven; hier gedeiht der Emmer vortrefflich. Es gibt so vielerlei Charaktere wie Gesichter. [760] Wer klug ist, wird sich unzähligen Wesensarten anpassen können und wie Proteus sich bald zu fließendem Wasser verflüchtigen, jetzt ein Löwe, jetzt ein Baum, jetzt ein borstiger Eber sein. Manche Fische fängt man mit der Harpune, andere mit dem Angelhaken, wieder andere werden von geräumigen Netzen am strammen Seil fortgeschleppt. [765] Ebenso wenig wird zu jedem Lebensalter ein und dieselbe Methode passen; eine bejahrte Hirschkuh wird den Hinterhalt schon aus größerer Entfernung erkennen. Wenn du der Ungebildeten gelehrt und der Schamhaften frech erscheinst, wird die Ärmste sofort ihr Selbstvertrauen verlieren. So kommt es, dass eine, die zu scheu war, sich einem Anständigen anzuvertrauen, [770] sich erniedrigt und einem Geringeren an den Hals wirft.

Überleitung

Ein Teil unseres Vorhabens ist noch übrig, ein anderer zu Ende. Hier sei der Anker geworfen, hier halte er unser Schiff fest.

Zweites Buch
Einleitung

Ruft: »Io Paean!« und nochmals »Io Paean!« Die gewünschte Beute ist mir ins Netz gegangen. Froh schenkt der Liebende meinem Gedicht die grüne Siegespalme; er zieht es dem Hesiod67 und dem alten Homer vor. [5] In dieser Stimmung hat der Priamussohn68 als Fremdling zusammen mit der geraubten Gattin69 aus dem waffentragenden Amyclae70 die weißen Segel dem Wind anvertraut. Ebenso stolz war der Mann, der dich auf siegreichem Wagen entführte, Hippodamia71, die du auf fremdländischen Rädern fuhrst. [9] Was eilst du, junger Mann? Dein fichtenes Schiff treibt auf offener See, und weit ist der Hafen entfernt, den ich ansteure. Es genügt nicht, dass das Mädchen dir durch mein Dichten zuteil wurde: Durch meine Kunst ist sie gefangen, durch meine Kunst muss sie festgehalten werden. Das Erworbene zu bewahren ist keine geringere Leistung als die Eroberung. Dort spielt der Zufall mit, dies aber wird die Aufgabe der Kunst sein. [15] Amor und Cytherea72, steht mir bei, jetzt mehr denn je; du auch, Erato73, denn du trägst den Namen der Liebe. Ich rüste mich zu großen Dingen: zu sagen, durch welche Künste sich Amor zum Bleiben bewegen lässt, ein Knabe, der in der weiten Welt so gern umherschweift. Er ist leicht und hat zwei Flügel, mit denen er davonfliegen kann; [20] schwer ist’s, ihnen Maß und Ziel zu setzen.

Gegen eine Flucht seines Gastes hatte Minos alle Vorkehrungen getroffen; er aber fand den kühnen Weg auf dem Gefieder. Sobald Daedalus den von der Mutter in Frevel empfangenen Menschen, der zur Hälfte ein Stier, den Stier, der zur Hälfte ein Mensch war, eingesperrt hatte74, sprach er: [25] »Möge die Verbannung ein Ende haben, Minos, du Allergerechtester, möge die väterliche Erde meine Asche aufnehmen, und da ich, von feindseligem Schicksal getrieben, nicht im Vaterland leben konnte, gib mir die Möglichkeit, dort zu sterben. Schenke dem Knaben die Heimkehr, wenn dir der Dank des Greises nichts bedeutet; [30] willst du den Knaben nicht schonen, schone den Greis.« Sprach’s, aber mochte er auch dies und noch viel mehr sagen, Minos ließ ihn nicht ziehen. Sobald er dies eingesehen hatte, sprach er: »Jetzt, jetzt hast du, Daedalus, einen Stoff, an dem du deine Erfindergabe bewähren kannst. [35] Minos besitzt Land und Meer – weder Erde noch Wasser steht unserer Flucht offen. Es bleibt der Weg über den Himmel, durch Himmelshöhen werden wir zu gehen versuchen; hoher Iuppiter, vergib mir mein Unterfangen! Ich mache mich nicht anheischig, die Sternenwohnungen anzutasten; [40] um dem Tyrannen zu entgehen, gibt es nur diesen Weg. Ergibt sich ein Weg durch den Styx, so werden wir die stygischen Fluten durchschwimmen. Ich muss die Rechte meiner Menschennatur neu bestimmen.« Oft setzt Not den Erfindergeist in Bewegung: Wer hätte je gedacht, ein Mensch könne den Luftweg durcheilen? [45] Federn, das Ruderwerk der Vögel, ordnet er der Reihe nach und verknüpft das leichte Gebilde mit linnenen Fesseln; das unterste Ende wird mit Wachs zusammengehalten, das am Feuer aufgelöst wurde, und schon war das neuartige Kunstwerk vollendet. Strahlend spielte der Knabe mit Wachs und Federn, [50] ohne zu wissen, dass diese Ausrüstung für seine Schultern bestimmt war. Zu ihm sprach der Vater: »Auf diesen Kielen müssen wir das Vaterland erreichen, mit diesem Mittel dem Minos entfliehen. Nur die Luft konnte Minos nicht versperren, alles Übrige hat er verschlossen. Durchstoße die Luft mit Hilfe meiner Erfindung, denn nur das darfst du. [55] Aber du wirst nicht die tegeaeische Jungfrau75 und den Begleiter des Bootes, den schwerttragenden Orion, anschauen dürfen: Folge mir auf den Federn, die ich dir gebe; ich werde vorausfliegen; sei nur darauf bedacht, mir zu folgen, unter meiner Führung wirst du sicher sein. [59] Denn wenn wir in der Nachbarschaft der Sonne durch die ätherischen Lüfte76 fliegen, wird das Wachs die Hitze nicht aushalten, und wenn wir andererseits tief unten nah an den Fluten die Flügel schwingen, so wird das bewegliche Gefieder vom Meerwasser feucht werden. Halte dich auf deinem Flug in der Mitte; und fürchte, mein Sohn, auch die Winde, und richte die Segel danach, in welcher Richtung der Luftstrom dich trägt.« [65] Während er ihn ermahnt, passt er dem Knaben das Wunderwerk an und zeigt, wie es sich bewegen lässt, gleich einer Vogelmutter, die ihre noch schwachen Jungen belehrt. Dann befestigt er die Flügel, die er für sich hergestellt hat, an seinen Schultern und hält seinen Körper vorsichtig auf der neuen Bahn im Gleichgewicht. Im Augenblick vor dem Abflug gab er dem kleinen Sohn einen Kuss, [70] und die väterlichen Wangen blieben nicht ohne Tränen. Es gab einen Hügel, kleiner als ein Berg, aber höher als das ebene Feld; von hier aus stürzten sich die beiden in die unheilvolle Flucht. Daedalus regt seine Flügel, schaut zurück auf die des Sohnes und zügelt unentwegt seinen Lauf77. [75] Schon macht Icarus die neuartige Fortbewegung Freude, er hat keine Angst mehr, denn sein Können lässt ihn kühner fliegen. Jemand erblickte sie, während er mit schwankender Rute Fische fing, und mitten im Fischen fiel ihm das Gerät aus der Hand. Schon war Samos zur Linken, Naxos lag längst im Rücken [80] und Paros und Delos, das der clarische Gott78 liebt; rechts lag Lebinthos, das von Wäldern beschattete Calymne, und Astypalaea, umgürtet von Fischgründen – als der Knabe in jugendlichem Leichtsinn allzu mutwillig einen höheren Weg einschlug und den Vater verließ. [85] Die Fesseln lockern sich; da der Sonnengott näher ist, wird das Wachs flüssig, und die rudernden Arme bekommen nicht mehr den flüchtigen Wind zu fassen. Erschrocken blickte er von der Höhe des Himmels hinab auf die Meeresfläche. Lähmendes Entsetzen ergriff ihn, und Nacht senkte sich über seine Augen. Das Wachs war geschmolzen; er schüttelt die bloßen Arme, [90] zappelt und hat nichts, worauf er sich stützen kann. Er fällt, und im Fallen ruft er: »Vater, Vater, ich stürze.« Ihm schlossen die grünen Wasser den Mund, während er noch sprach. Aber der unglückliche Vater, kein Vater mehr, ruft: »Icarus«; »Icarus«, ruft er, »wo bist du, und unter welchem Himmelsstrich fliegst du? [95] Icarus!«, rief er noch – da erblickte er die Federn im Wasser. Sein Gebein deckt Erde; das Meer trägt seinen Namen. Minos vermochte es nicht, die Flügel eines Menschen zu zügeln; ich aber schicke mich an, einen geflügelten Gott festzuhalten!

Wie bekommt die Liebe Dauer?
Bildung statt Magie

Der betrügt sich selbst, der zu thessalischen Hexenkünsten seine Zuflucht nimmt [100] und verwendet, was er von der Stirn des zarten Fohlens abrupft79. Medeas Kräuter und der marsische Singsang80, verbunden mit magischen Klängen, werden nicht bewirken, dass die Liebe lebe: Das Mädchen vom Phasis81 hätte den Sohn Aesons82 und Circe hätte den Odysseus festhalten können, wenn Liebe durch Zaubersprüche bewahrt werden könnte. [105] Gibt man Mädchen bleichmachende Liebestränke ein, so dürfte das nichts nützen. Liebestränke schaden der Seele und bewirken Wahnsinn. Fern bleibe aller Frevel! Um geliebt zu werden, musst du liebenswürdig sein; das werden dir Gesicht und Schönheit allein nicht geben. Magst du auch Nireus83 sein, den der alte Homer liebte, [110] oder der zarte Hylas, den Najaden verbrecherisch raubten – um die Geliebte festzuhalten und nicht verwundert feststellen zu müssen, dass du verlassen bist, füge zu den körperlichen Vorzügen Geistesgaben hinzu! Schönheit ist ein hinfälliges Gut, und je mehr Jahre hinzukommen, desto geringer wird sie, und ihre eigene Lebensdauer verzehrt sie. [115] Veilchen und geöffnete Lilien blühen nicht immer, und verlassen ragt der Dorn, nachdem er die Rose verlor; und dir, du Schöner, werden schon bald graue Haare wachsen, schon bald werden Runzeln kommen, um dir den Leib zu durchfurchen. Setze darum schon jetzt deinen Geist in Bewegung, damit er von Dauer sei, und füge ihn zu deiner Schönheit hinzu. [120] Er allein bleibt bis zur Bestattung bestehen. Und du sollst dich ernsthaft darum kümmern, deinen Geist in den freien Künsten auszubilden und gut Latein und Griechisch zu lernen. Odysseus war nicht schön, aber beredt – und doch ließ er Meeresgöttinnen Liebesqualen leiden. [125] O wie oft schmerzte es Calypso, dass er zum Aufbruch drängte, und wie oft sagte sie, das Meer sei gerade jetzt zum Rudern ungeeignet. Sie fragte immer wieder nach Troias Fall; er pflegte oft dasselbe in anderer Form zu erzählen. [129] Sie waren an der Küste stehen geblieben; auch dort verlangt die schöne Calypso vom blutigen Tod des odrysischen Feldherrn84 zu hören. Er zeichnet mit einer leichten Gerte (denn die hielt er gerade in der Hand) das Befestigungswerk, nach dem sie fragt, in den festen Sand des Strandes. »Das ist Troia«, sagt er und skizziert Mauern im Sand. »Das soll für dich der Simoïs sein; da denke dir mein Lager. [135] Da war das Feld«, und er zeichnet ein Feld, »das wir mit Dolons Mordblut85 besprengten, während er wach geblieben war und die haemonischen Rosse rauben wollte. Dort waren die Zelte des sithonischen Rhesus; auf diesem Weg kehrte ich bei Nacht zurück, nachdem ich die Pferde erbeutet hatte.« [139] Und noch mehr wollte er zeichnen, als plötzlich die Flut Troia und das Lager des Rhesus mitsamt dem Feldherrn hinwegspülte. Darauf die Göttin: »Siehst du, welch große Namen die Wellen vernichtet haben? Und du glaubst, dass sie sich dir auf deiner Reise zuverlässig zeigen werden?« Also wohlan, vertraue nur zögernd der trügerischen Schönheit, wer du auch sein magst, und besitze etwas, das mehr ist als der Leib.

Nachgiebiges Verhalten des Liebhabers

[145] Vor allem geschickte Nachgiebigkeit gewinnt die Herzen; raues Wesen erzeugt Hass und grausamen Krieg. Wir verabscheuen den Habicht, weil er stets zum Kampf gerüstet ist, und die Wölfe, die gewohnt sind, auf ängstliches Vieh loszugehen; aber der Schwalbe stellt man nicht nach, weil sie sanftmütig ist, [150] und der chaonische Vogel86 hat Türme, die er bewohnen darf. Bleibt uns fern, Streit und Gezänk erbitterter Zungen! Die zärtliche Liebe muss man mit sanften Worten nähren. Durch Streit mögen verheiratete Frauen ihre Männer und Ehemänner ihre Frauen vertreiben und sich einbilden, sie würden dauernd gegeneinander prozessieren: [155] Das ziemt sich für Ehefrauen; Streit ist die Mitgift der Gattin; die Freundin höre stets erwünschte Töne! Nicht auf Befehl des Gesetzes seid ihr in ein Bett gekommen; bei euch spielt Amor die Rolle des Gesetzes. [159] Bring herzerweichende Schmeicheleien mit und Worte, die das Ohr erfreuen, damit die Geliebte über dein Erscheinen froh ist. Ich komme nicht zu reichen Leuten als Lehrmeister der Liebe: Wer etwas zu geben hat, bedarf meiner Kunst keineswegs. Wer, sooft es ihm beliebt, »Da, nimm« sagt, hat das Genie gepachtet. Ich lasse ihm den Vortritt, er erregt mehr Wohlgefallen als meine Erfindungen. [165] Ich bin Prophet für die Armen, weil ich selbst arm und verliebt war. Da ich keine Geschenke geben konnte, gab ich leere Worte. Der Arme liebe mit Umsicht, er scheue sich, Schmähungen auszustoßen, er ertrage vieles, was Reichen unerträglich ist. Ich kann mich entsinnen, dass ich im Zorn das Haar der Geliebten in Unordnung brachte – [170] wie viele Tage hat mir dieser Zorn geraubt! Ich glaube es nicht, und ich merkte es auch nicht, dass ich ihr Gewand zerrissen hatte, aber sie selbst hatte es behauptet, und auf meine Kosten wurde ein neues gekauft. Ihr aber, wenn ihr Verstand habt, meidet die Fehler eures Meisters und nehmt euch vor meinem selbst verschuldeten Verlust in Acht. [175] Krieg führe mit den Parthern, mit der gepflegten Freundin halte Frieden, treibe Scherz und alles, was zum Lieben anstiftet. Ist sie zu dir, dem Liebhaber, nicht freundlich und liebenswürdig genug, ertrag es und harre aus; später wird sie sanft sein. Mit Nachgiebigkeit kann man den Zweig am Baume krumm biegen: [180] Du zerbrichst ihn, wenn du deine Kraft an ihm erprobst. Mit Nachgiebigkeit durchschwimmt man Wasser, und du kannst Flüsse wohl nicht überwinden, wenn du gegen den reißenden Strom schwimmst. Nachgiebigkeit zähmt Tiger und numidische Löwen; nur allmählich lässt sich der Stier vor den ländlichen Pflug spannen. [185] Gab es etwas Spröderes als die nonacrinische Atalante87? Aber diese Stolze ergab sich schließlich doch dem Manne, der sie sich verdient hatte. Oft soll Milanion über sein Unglück und die Grausamkeit des Mädchens im Schatten der Bäume geweint haben. Oft trug er, wie sie es befahl, die tückischen Netze auf dem Nacken, [190] oft durchbohrte er finster blickende Eber mit unbarmherziger Lanze. Er bekam auch den gespannten Bogen des Hylaeus durch eine Wunde zu spüren; doch noch besser als diesen Bogen kannte er den anderen: denjenigen Amors. Ich befehle dir nicht, in voller Jagdausrüstung die maenalischen Waldberge zu besteigen, auf deinem Nacken Netze zu schleppen [195] oder deine Brust Pfeilschüssen darzubieten. Die Gebote meiner umsichtigen Kunst werden sanft sein. Gib ihr nach, wenn sie sich sträubt: Durch Nachgeben wirst du den Sieg davontragen. Dass du mir nur ja die Rolle spielst, die sie dir zuweist! Missbilligt sie etwas, so missbillige es; alles, was sie gutheißt, heiße gut; [200] was sie behaupten wird, behaupte; bestreite, was sie bestreitet! Lächelt sie, lächle zurück; weint sie, vergiss nicht zu weinen! Sie soll deinem Mienenspiel ihr Gesetz auferlegen. Spielt sie und wirft Elfenbeinwürfel mit eingeritzten Zahlen, so würfle schlecht und gib ihr, wozu dich der schlechte Wurf verpflichtet; [205] wirfst du Knöchel, so darf die Besiegte nicht bestraft werden. Lass die schadenbringenden ›Hunde‹88 oft auf deiner Seite sein. Oder wenn im Söldnerspiel der Stein89 seine Züge macht, lass ja deine Streitmacht vom gläsernen Feind geschlagen werden. Halte eigenhändig den Sonnenschirm mit seinen Rippen aufgespannt, [210] schaffe du im Gedränge für sie freie Bahn. Trage keine Bedenken, unter dem gedrechselten Bett die Fußbank hervorzurücken, und ziehe ihrem zarten Fuß den Schuh an oder aus. Oft musst du, wenn es dich selbst auch noch so schaudert, an deiner frierenden Brust ihre Hand wärmen. [215] Und halte es nicht für schimpflich (mag es noch so schimpflich sein, es wird ihr gefallen), ihr mit deiner aristokratischen Hand den Spiegel zu halten. Nachdem Hercules’ Stiefmutter Juno es müde war, ihm Ungeheuer in den Weg zu stellen, verdiente er sich den Himmel, den er zuvor selbst getragen hatte. Derselbe Held soll mitten unter ionischen Mädchen90 ein Körbchen gehalten [220] und rohe Wolle gesponnen haben. Wenn sogar der tirynthische Heros91 dem Befehl seiner Geliebten gehorchte, wieso hast du dann noch Bedenken, zu ertragen, was er ertragen hat?

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