Czytaj książkę: «Elduria - Dragon der Beschützer»

Czcionka:

Elduria

Dragon der Beschützer

Fantasy-Roman

Norbert Wibben

Elduria

Dragon der Beschützer

Elduria, Band 2

Für meine Söhne Nils und Malte,

ich bin stolz auf euch!

In Erinnerung an viele schöne Vorleseabende mit meinen Kindern verpacke ich auch diese Geschichte in den bekannten Dreizeiler:

Ein Huhn und ein Hahn – …

Übersichtskarte

Drachenschule!

Tipps aus der Ferne

Ein Angriff

Unerwartetes Zusammentreffen

Gegenmaßnahmen

Hilfe von Danrya

Drachenblut

Gefahr!

Ins Herz Merions

Eine Verfolgung

Krähenangriff

Ausbildungslager

Ein Zweikampf

Latrinenreinigung

Danryas Suche

Aidan de Elduria

Auf nach Grimgard

Grimgard

Drakonias Inspektion

Auf in den Norden?

Runas Plan

In Elduria

Ein neuer Versuch

Gibt es Hoffnung?

Eingang zur Drachenhöhle

In der Drachenhöhle

Ein Hexenmeister

Drakonias Plan

In den Felsengängen

Creulons Überlegungen

Danryas Plan

Befire

Igoreth

Atropaia

Zaubersprüche

Danksagung

Übersichtskarte


Lage der Triqueta in Merion.

Drachenschule!

Ein Huhn und ein Hahn – die Geschichte fängt an

Ein kräftiger und beständiger Sturm weht an diesem Morgen über die aufgepeitschten Wellen vom Meer im Westen heran. Ein junger Drache steht vor dem Höhleneingang, der in die Drachenschule führt. Er breitet die Lederhäute seiner Flügel aus und prüft, wie stark der Wind ist. Wird ihn die Luft überhaupt tragen können? Die Spannweite der gewaltigen Schwingen ist mehr als doppelt so groß, wie seine Körperlänge von der Schnauze bis zur Schwanzspitze. Er zögert, soll er endlich seinen ersten Flug wagen? Er ist unsicher. Er weiß, ein Drache fliegt schneller als fast alle bekannten Vögel, mit Ausnahme von Wanderfalken. Doch die kennt der zukünftige Beherrscher der Lüfte lediglich aus dem Unterricht. Seine Lehrerin, Frau Moira, hat ihm von der unglaublichen Geschwindigkeit berichtet, die der Greifvogel im Sturzflug erreichen kann. Sie sagte auch, selbst der kühnste Drache aus den vergangenen Jahrhunderten hatte nicht gewagt, sich mit einem Wanderfalken zu messen.

Dragon dreht sich zum Eingang der Schule zurück. Er liebt den Unterricht bei Frau Moira, der einmal in der Woche stattfindet. Sie ist schon sehr betagt und lässt sich von ihm ihr Essen auf den zerklüfteten Berg hinaufbringen. Ihre mit Schuppen bedeckte Haut schimmert in einer Farbe, die irgendwo zwischen Silber und Grau einzuordnen ist. Wenn sie von den Flugkünsten der vor Jahren gestorbenen Drachenkämpfer berichtet, leuchten jedes Mal ihre Augen. Sie beendet den Unterricht danach meist mit folgenden Worten:

»Mein lieber Jungdrache! Wenn du einmal in ihre Fußstapfen treten willst, wirst du endlich lernen müssen, dich der Kraft des Windes anzuvertrauen.«

Sie hat ihm nicht nur an jedem Schultag der verflossenen Jahre von den Taten der verstorbenen Drachenkämpfer berichtet, die mit Elfen verbündet waren, manches Mal erfolgte das mehrmals an einem Tag. Besonders stolz war sie dabei stets, wenn sie von ihren Brüdern erzählte. Deshalb geschah es in letzter Zeit immer häufiger, dass sie versäumte, ihm Neues beizubringen. Sie versank stattdessen in Erinnerungen und beschrieb die vergangenen Taten. Nicht nur ihre männlichen Geschwister hatten mehrfach die mit Zauberkräften ausgestatteten Elfenkämpfer aus Situationen gerettet, in denen diese von dunklen Zauberern der Menschen bedroht worden waren. Es gab unter ihnen fast gleichviele weibliche Drachen. Nur in Ausnahmefällen wurden sie davon ausgenommen. Das traf immer dann zu, wenn sie, wie Moira, wichtige Aufgaben für die Gemeinschaft erfüllten, oder diese geschlechtstypisch sind. Dazu zählte beispielsweise das Legen von Eiern. Die brüteten wiederum beide Elternteile abwechselnd aus. Sobald die jungen Kreaturen geschlüpft waren, wurden sie in Kriegszeiten von älteren oder anderen, nicht mehr für den Kampf geeigneten Mitgliedern der Drachengesellschaft aufgezogen und behütet.

»Wer Elfen unterstützen will, muss unbedingt fliegen können. Feuerspucken kann jeder Lindwurm, da ist nicht viel dabei. Aber fast so schnell und elegant wie ein Falke in der Luft zu sein, dazu gehört jahrelange Übung. Wenn du nicht endlich damit anfängst, wirst du das nie schaffen. Eine große Wendigkeit ist äußerst wichtig, um geschleuderten Flüchen ausweichen zu können! Eines Tages …« Meist schläft sie an dieser Stelle ein und der Jungdrache lässt sie dann, so wie heute, allein.

Auf der Plattform vor der Höhle prüft er wie jedes Mal vor und nach dem Unterricht die Tragfähigkeit des Windes. Dragon würde der Lehrerin gern folgen und sich der Luft anvertrauen, und sei es nur, um endlich für seinen Mut gelobt zu werden. Doch dann zögert er immer wieder im letzten Moment. Moira hat ihm auf der großen Schultafel mit Kreide aufgemalt, worauf es beim Flug ankommt. Wichtig ist, gegen den Wind zu starten, da der dabei hilft, schnell in den Himmel hinaufzusteigen. Dazu muss er nicht einmal die Kraft seiner Flügel nutzen. Das hat Dragon schon verstanden, auch ohne die vielen Pfeile, die sie auf die Tafel gezeichnet hat. Gerade jetzt spürt er, wie er fast automatisch nach oben gehoben wird, je nachdem, in welchem Winkel er seine Schwingen dem Wind entgegenhält. Wenn er sich umdreht und der heranbrausenden Luft die Rückseite seiner Flügel zeigt, wird er dagegen zu Boden gedrückt. Diese Erkenntnisse sind seit Jahren tief in seinen Erfahrungen verankert.

Trotzdem ist er unsicher, wie er es schaffen soll, nach dem Start in die Richtung zu fliegen, die er wünscht. Dabei kann es doch vorkommen, dass er mit dem Wind dahinstürmen muss. Wird er dann nicht abstürzen, herabgedrückt von der Luft?

Moira vermag ihm leider nicht zu zeigen, dass seine Sorge unbegründet ist. Seit Jahrzehnten wird sie von Gicht und Rheuma geplagt.

»Gäbe es doch nur einmal einen Tag, an dem ich keine Schmerzen habe. Ich würde dir voller Freude zeigen, dass deine Zweifel unangebracht sind.«

Diesen Spruch hat er inzwischen ungezählte Male von ihr gehört. Da sie aber, besonders im Schulterbereich und den Fingergelenken ihrer Flügel, von knotigen Entzündungen geplagt wird, verlässt sie den Schulraum nur noch selten. Deswegen bringt er ihr wöchentlich das Essen, wenn er zum Unterricht erscheint. Das besteht aus Bergziegen oder aus Schafen. Manche der Gämsen fängt er selbst, doch die Schafböcke, Muttertiere und Lämmer werden von den wenigen anderen Drachen der Insel gefangen. Dazu verlassen sie das Gebiet der Dracheninsel, was Dragon unmöglich ist, solange er sich zu fliegen weigert.

Der Drache erinnert sich an die vielen Jahre, in denen er Moira, die einzige Lehrerin des Drachengebietes, mit Nahrung versorgt hat. Er weiß, dass die uralte Drachenfrau nicht unweigerlich dem Tod geweiht ist, sobald er sie verlassen sollte, weil sie dann von anderen Bewohnern der Dracheninsel versorgt wird. Auch wenn die wesentlich älter als der Jungdrache sind, haben sie kein Verlangen, sich in die Angelegenheiten von Menschen und Zauberern auf dem Festland einzumischen. Sie nutzen die Ausflüge in deren Gebiete lediglich zur Nahrungsbeschaffung und achten peinlichst darauf, dabei nicht gesehen zu werden. Dragon zieht es aber aufgrund von Moiras Erzählungen gerade dorthin. Er möchte zu gern ähnliche Taten vollbringen, wie sie die von ihr gepriesenen Helden verrichtet haben. Stattdessen wird er von den anderen Lindwürmern wegen seiner Unfähigkeit zu fliegen verspottet.

Er weiß, dass das Drachenland eigentlich eine Insel im meist vom Wind gepeitschten Meer ist. Hierher sind alle Vorfahren vor langer Zeit von sogenannten Drachensuchern gebracht worden. Das sind oft Menschen, gelegentlich aber auch Elfen gewesen. Die hatten Drachen sogar in den entlegensten Gebieten auf dem Festland gefunden, deren Vertrauen gewonnen und sie auf die Insel umgesiedelt. Das machten sie deshalb, weil, abgesehen von den mit allen Wesen in Frieden lebenden Elfen, ihnen viele Menschen nicht wohlgesonnen waren. Das trifft aber besonders auf die dunklen Zauberer zu. Auf der Insel hatten die Drachen Ruhe vor selbsternannten Drachentötern und konnten ihr Wissen ungestört an Drachenjunge weitergeben. Als Dank halfen die Kämpfer der Lüfte wiederum in unzähligen Schlachten den Elfen und Menschen gegen die Schwarzmagier.

In der Entfernung von einigen Flugstunden in Richtung Osten befindet sich das Festland, das in mehrere Königreiche unterteilt ist. Auch das hat ihm Moira beigebracht. Sie berichtete von großen Taten anderer Drachen, die in den fast ewig währenden Kämpfen von Gut gegen Böse mitgewirkt hatten.

»In vielen Schlachten halfen sie den Königen Eldurias. Deren Herrschaftsbereich liegt der Dracheninsel am nächsten. Aber nicht nur deswegen bekamen die dortigen Menschen unsere Unterstützung. Sie sehen uns nicht als Missgeburten der Hölle an, wie es manche der dunklen Magier tun. Das mag daran liegen, dass wir einen unerschöpflichen Vorrat an Feuer in uns tragen und es auch gegen Feinde einsetzen.« Sie hustete und feiner Rauch kringelte sich aus ihrem großen Mund nach oben zur Höhlendecke. Die Übungen, einen Feuerschwall auf ein beliebiges Ziel zu spucken, hat Dragon zu ihrer vollen Zufriedenheit schnell gelernt.

Er erinnert sich ausgerechnet heute daran, dass sie einmal mit Kreide das Bild eines Menschen an die Schultafel zeichnete. Dicht daneben malte sie eine kleinere Ausgabe der ihm bisher unbekannten Kreatur. Dann zeigte sie darauf.

»Das sind ein erwachsener Mensch und dessen Kind, ein Junge. Schau sie dir genau an. Falls du es eines Tages schaffen solltest, vielleicht in einhundert Jahren, wenn ich daran denke, welch geringe Fortschritte du machst … Nun ja. Du musst wissen, diese Wesen können dir gefährlich werden. Sie besitzen Waffen, mit denen sie gegen uns Drachen kämpfen. Das geschieht aus Unwissenheit. Sobald wir mitteilen wollen, dass wir nichts Böses beabsichtigen, geraten sie allein durch den grollenden Klang unserer Stimmen in Panik. Hinzu kommt, dass sie viel kleiner sind, das flößt ihnen zusätzlich Furcht ein. Sie reagieren völlig widersinnig, sollten wir ihnen gegenüberstehen. Sie meinen dann oft, sich nur durch einen Angriff und unseren Tod schützen zu können. Obwohl sie eigentlich Winzlinge sind, die weniger Kraft besitzen, kann dich trotzdem ein Pfeil oder auch ein Schwerthieb töten, wenn er durch die Schuppenpanzerung einzudringen vermag.« Moira überlegte damals offenbar, was sie am besten sagen sollte, um seinen Ehrgeiz zu wecken. »Dieser Junge ist etwa in dem Alter eines Menschen, der deinem an Drachenjahren entspricht. Dieses Menschenkind könnte dir sehr gefährlich werden, weil du vor ihm nicht durch die Luft fliehen könntest!«

Die Drachenlehrerin hatte ihn in der Vergangenheit mit Versprechungen und auf vielerlei andere Weise zu ködern versucht, dass es für den Jungdrachen an der Zeit sei, nach damals fast fünfzig Jahren endlich das Fliegen zu lernen. Der Vergleich mit einem kleinen Menschen war schließlich erfolgreich, auch wenn er nicht sofort Früchte trug. Das sollte erst gegen Abend und völlig unerwartet geschehen.

Dragon schließt den Test der Tragfähigkeit der Luft ab, legt die Flughäute eng an den Körper und verlässt die Lehrerin. Sie ist längst wieder in tiefen Schlummer gefallen, was durch lautes Schnarchen verdeutlicht wird. Den ganzen Weg die Bergflanken hinab ins Tal geht ihm die Zeichnung des Jungen nicht mehr aus dem Kopf.

»Wenn ich doch nur so wäre wie er!«, denkt er andauernd. Am Fuß des Berges kraust er die Stirn. Ihm wird mit zusammengepressten Lippen bewusst, dass das zumindest einen Vorteil hätte, auch wenn er eigentlich gerne ein Drache ist. »In dem Fall würde mich niemand auslachen, nur weil ich nicht fliegen könnte!« Er zuckt mit den Schultern, da das letztlich gar nicht so schlimm ist. Dafür ist er der einzige Jungdrache in seiner kleinen Welt. Die erscheint ihm im nächsten Moment plötzlich verändert. Der Blick auf die Felsen und den vor ihm liegenden Pfad wirkt anders als sonst.

Dragon ist leicht irritiert, weil er mit den Füßen strauchelt und tatsächlich über einen Felsbrocken stolpert. Er landet mit dem Gesicht in einem Bachlauf und verschluckt sich fast an dem klaren Wasser. Derartiges ist ihm bisher nie passiert. Sollten hier neue Steinbrocken im Weg liegen, die vielleicht durch ein Erdbeben vom Gipfel des Berges herabgeworfen worden sind? Er richtet sich auf, um trotzdem einen Blick dorthinauf zu werfen. Manchmal macht sich Moira einen Spaß daraus, trotz ihrer steifen Gelenke Felsen über die Kante der Plattform zu rollen. Seltsamerweise scheint er nicht so scharf, wie gewohnt sehen zu können. Er vermag nicht einmal, den sonst weithin sichtbaren Eingang zur Drachenschule zu erkennen. Ob er sich beim Sturz den Kopf angeschlagen haben kann? Das wäre eine logische Erklärung. Er wendet sich prüfend zum Bachlauf, um sich im Wasser zu spiegeln und nach einer Beule zu forschen.

Dragon glaubt, nicht richtig zu sehen, und fährt erschrocken zurück. Anstelle des Drachenkopfes erblickt er in dem Wasserlauf das Gesicht des von Moira gezeichneten Menschenjungen. Es ähnelt dem Bild sogar bis ins kleinste Detail. Sollte das Kind hinter ihm stehen? Er schnellt erstaunt herum, doch da ist niemand. Er greift mit Menschenhänden an den Kopf und tastet bestürzt Nase, Mund und Augen ab. Wie ist das möglich?

Dragon überlegt nicht lange und hastet den Berg hinauf. Er muss dringend seine Lehrerin fragen, was das zu bedeuten hat. Dass das länger als je zuvor dauert, beweist, dass er wirklich ein Mensch geworden ist! Oben angekommen, schafft er es nur mit Mühe, Moira aufzuwecken. Sie ist noch halb verschlafen, als sie ihn aus den riesig wirkenden Augen anschaut. Sie öffnete ihr Maul.

»Wie kommst du Menschlein hierher?«, lautet ihre erstaunte Frage. Obwohl das eigentlich ein tiefes Drachengrummeln ist, kann der Junge es verstehen. Der aufsteigende Rauch aus dem gefährlich erscheinenden Maul kündigt das bald hervorschießende Feuer an.

»Halt, Moira, ich bin es, Dragon!«

Er muss den Satz mehrfach wiederholen und ist bereits auf dem Sprung, sich außerhalb der Höhle vor dem sich ankündigenden Feuerschwall in Sicherheit zu bringen. Die Lehrerin verschluckt sich völlig unüblich an ihrem eigenen Rauch und beginnt zu husten. Der Junge steht währenddessen am Höhleneingang und redet beschwörend auf Moira ein. Er drückt sich in den Schutz einer Spalte in der Felswand und wartet mit klopfendem Herzen. Die alte Drachenlehrerin reibt sich die tränenden Augen und hüstelt noch einmal. Eine kleine Rauchwolke entweicht ihrem gefährlichen Maul.

»Du bist … Dragon?«

Der Junge weiß, dass er ohne Schutz dasteht, sobald er aus seinem Versteck hervortritt. Sollte Moira ihn hereinlegen wollen, könnte er in wenigen Sekunden in einem Flammenstoß verglühen. Doch er ist der Meinung, dass es an der Zeit ist, seinen Mut zu beweisen. Er macht einen entschlossenen Schritt nach vorne.

»Ich bin wirklich Dragon, auch wenn ich anders als bisher aussehe. Ich verstehe nur nicht, weshalb das so ist. Kannst du mir helfen?« Sein Verhalten und das Vertrauen in die alte Lehrerin überzeugen diese schlussendlich, dass er keine von einem Magier hervorgerufene Scheingestalt ist und dass sie ihm glauben kann. Was er nun hört, spornt ihn an, in den kommenden Wochen endlich Fliegen zu lernen.

»Du bist ein Gestaltwandler!«, beginnt Moira. »Einen Drachen mit dieser Fähigkeit hat es in den letzten tausend Jahren nicht gegeben. Hm. Das bedeutet, dass deine Mutter von einem Zauber getroffen wurde, bevor sie das Ei, aus dem du schließlich geschlüpft bist, legen und ausbrüten konnte. Ob du deshalb solche Angst vor dem Fliegen hast? – Ich muss irgendwo die Abschrift einer uralten Drachenweissagung haben. In der wird davon berichtet, dass ein Beschützer der Menschen … Hm. Bevor ich etwas Falsches erzähle, suche ich sie lieber. Wenn du das nächste Mal zum Unterricht kommst, werde ich dir sagen können, welche Auswirkung das für dich haben wird.«

Dragon versteht nicht, was das bedeuten könnte. Er ist aber überzeugt, dass es besser sei, seine Drachengestalt zurückzubekommen. Sobald er unten im Tal ist, würden die dort lebenden Drachen ihn sonst für einen Eindringling halten und zu töten versuchen.

»Die ätzenden Bemerkungen der anderen wegen meiner Flugunfähigkeit kann ich ertragen. Die habe ich viele Jahre gehört, so dass ich mittlerweile dagegen immun bin. In dieser menschlichen Erscheinung könnten die Drachen mich mit einem Feuerstoß vernichten, bevor ich Zeit hätte, sie über ihren Irrtum aufzuklären. Das würde ich nicht überleben. Kannst du mir verraten, wie ich meine Gestalt zurückverwandeln kann?«

Die alte Lehrerin hatte zwischenzeitlich ihre Augen verdreht und die Lider geschlossen. Sie droht, jeden Moment einzuschlafen. Auf die drängende Frage Dragons hin gähnt sie laut. Gleichzeitig poltern Steinbrocken von der Bergflanke ins Tal hinab. Sie schlägt mit ihrem Schwanz auf den Boden.

»Dieser Jungdrache fragt mich, wie das gehen soll? – Du hast es doch alleine geschafft, dieser etwa fünfjährige Menschenjunge zu werden. Was meinst du wohl, wie die Rückverwandlung möglich ist? Nutze deinen Verstand, das ist die erste und wichtigste Voraussetzung.« Im gleichen Moment fällt das mühsam hochgehaltene Augenlid hinab und ein tiefes, zufriedenes Schlafgeräusch erklingt.

»Frage nie einen müden Drachen«, stellt Dragon im Selbstgespräch fest, »wenn du dringend einer Antwort bedarfst. Du bekommst anstatt der gewünschten Lösung lediglich ein Rätsel zu hören. Hm. Oder konnte es so einfach sein, dass Moira es für unter ihrem Anspruch fand, darauf einzugehen?« Der Menschenjunge legt seine Stirn in Falten und versucht nachzuvollziehen, wie er sein Aussehen gewechselt hat. »Wow, sollte das so leicht sein?« Er probiert sofort, was er überlegt hat. Im selben Moment atmet er auf. Er hat seine bisherige Gestalt wieder, in der er sich seit fünfzig Jahren wohl fühlt. »Wenn ich jetzt noch fliegen könnte, würde ich Moira stolz auf mich machen.«

Mit diesen Gedanken und berauscht von der Vorstellung, in einer zukünftig von ihr erzählten Heldengeschichte die Hauptperson zu sein, breitet er die Flügel aus und stürzt sich kopfüber von dem Plateau vor dem Höhleneingang.

Dragon spürt erfreut, dass ihn die Luft trägt. Begeistert von dem Glücksgefühl, endlich fliegen zu können, lässt er einen lauten Jubelruf erschallen. Er dreht eine Runde um den Berggipfel und stürzt wie ein Stein ins Tal hinab. Das geschieht nicht, weil er nicht mehr von seinen Schwingen getragen wird. Er will versuchen, so schnell wie ein Wanderfalke zu sein.

Tipps aus der Ferne

Dragon fixiert den schnell auf ihn zukommenden Felsboden am Fuß des Berges. Er versucht, den rasanten Sturz mit ausgebreiteten Schwingen abzufangen, doch das gelingt nur ungenügend. In dem Moment, da er fast auf den harten Untergrund prallt, reibt er sich die Augen. Er blickt erstaunt umher. Wieso hat er die Gestalt des Jungen angenommen, konnte er dadurch seinen Aufprall verhindern? Dragon schüttelt den Kopf und kennt sofort die Erklärung. Er hat die Szenen der lang zurückliegenden Ereignisse nur geträumt und atmet erleichtert auf.

»Wow, das war damals aber knapp!« Er erinnert sich daran, wie er den Sturz zwar nicht abbremsen, den Aufschlag jedoch trotzdem überleben konnte. Das gelang ihm deshalb, weil er nicht einfach senkrecht nach unten gestürzt war. Er flog unbewusst eine Schleife. Dadurch schlug er nicht auf dem Felsboden auf, sondern platschte in den See, der am Fuß des Berges liegt. Als Drache liebt er Wasser nicht besonders, auch wenn er es trinkt. Doch ein Ganzkörperbad ist nicht wirklich sein Lieblingsding. Dennoch war er damals erleichtert, den von dem kleinen Wasserlauf gespeisten Teich getroffen zu haben.

Dragon schüttelt sich heftig, als er an das ihn umhüllende Nass zurückdenkt. »Da habe ich unwahrscheinliches Glück gehabt!«, spricht er zu sich selbst. »Ich wollte gleich bei meinem ersten Flug die Geschwindigkeit des schnellsten Vogels überbieten und habe mir das eine Lehre sein lassen.«

Das leise geführte Selbstgespräch des Jungen weckt Runa. Sie steht sofort an seiner Seite und hält den gespannten Bogen in Händen, ohne sich dessen bewusst zu sein. Sie handelte automatisch, mit der einer Elfe typischen Schnelligkeit.

»Wo sind die Feinde?«, flüstert sie leise und lässt ihren Blick umherschweifen. Doch in der Dunkelheit kann sie nichts erkennen. Sie hatten nur einen kurzen Flug zu dem Gipfel eines kleinen Berges gewagt, um die Kräfte des Mädchens nach dem Zusammenbruch nicht zu überfordern. Die Landung in der Dämmerung und die Position in luftiger Höhe waren vermutlich der Anlass zu Dragons Träumen.

Sie waren den Rest des Tages in der Gestalt von Wanderfalken Richtung Burganlage des Hexenmeisters geflogen. Es erschien ihnen zu gefährlich, sich als Drache und Drachenreiter dorthin zu begeben. Sobald sie die Burg in der Ferne erblickten, landeten sie auf dem Berggipfel, von wo aus sie sich am kommenden Tag einen Überblick über das vor ihnen liegende Gebiet verschaffen wollten. Erst danach beabsichtigten sie, zu entscheiden, in welcher Gestalt sie sich weiter nach Osten vorwagen und der Festung Drakonias nähern sollten.

Der dunkle Magier hatte sie vermutlich nicht bewusst wahrgenommen, als sie seine Burganlage überfliegen wollten. Trotzdem könnte er jetzt gezielt nach der Silhouette eines fliegenden Drachen Ausschau halten. Möglicherweise wären sie sogar in der Nacht nicht sicher, wenn er zur Überwachung unbekannte magische Hilfsmittel einsetzen kann.

Deshalb war es äußerst klug von ihnen, die Rast zum Schlafen zu nutzen, um ihre Kraftreserven aufzufüllen. Außerdem dachten sie an die Worte Willards. Der Bauer hatte sie gewarnt, dass es drei Burgen im Osten Merions gibt, die Drakonias Festung zum Schutz zu allen Richtungen hin abschirmen. Der Mann nannte das Gebiet Triqueta. Aus der westlichsten dieser Anlagen heraus hatte der Hexenmeister sie mit Feuerkugeln attackiert. Als Falken hoffen sie, ihn am kommenden Morgen zu überlisten und näher an Grimgard herankommen zu können.

»Ich habe geträumt, wie ich das erste Mal fliegen konnte«, beginnt Dragon mit seiner Entschuldigung, da er eigentlich Wache halten wollte. »Das war gar nicht so einfach, denn … Aber das ist nebensächlich.« Der Junge schluckt. »An den folgenden Tagen hat mir meine Lehrerin Moira erklärt, was ein Drachensucher macht, an welchen Merkmalen dieser zu erkennen ist, und was ich als Gestaltwandler zu beachten habe. Das war der von mir erwähnte Schnellkurs, den ich erhielt. Trotzdem habe ich in der kurzen Zeit mehr über Elfen, Zauberer und dunkle Magier gelernt, als in den Jahren zuvor. Nach einer Woche verabschiedete ich mich von der Ausbilderin. Ich wollte zum Festland und dort Erfahrungen sammeln. Ich war der Ansicht, lernen zu müssen, wie sich Menschen verhalten, wie sie denken und womöglich auch fühlen. Deshalb nahm ich seitdem nur selten die Gestalt eines Drachen an. Meist begnügte ich mich damit, eine Zauneidechse zu sein. Das erinnerte an meine Zeit, bevor ich fliegen konnte.«

Die einkehrende Pause beweist, dass er kurzzeitig in Gedanken auf der Insel, in seiner Heimat weilt.

»Als Fünfjähriger wanderte ich durch Elduria, umging den Elfenwald, in den ich nicht einzudringen vermochte und landete schließlich in Homarket. Ich war bei deiner Ankunft erst seit einigen Wochen im »Fuchs und Gans« beschäftigt, wo ich von der Wirtin als Knecht eingestellt worden war.« Der Junge blickt Runa verschämt an. »Ich wollte jetzt nicht davon ablenken, dass ich auf Wache eingeschlafen bin. Da uns jedoch offensichtlich nichts geschehen ist, haben wir, besonders aber ich als dein Beschützer, erstaunlich viel Glück gehabt. – Du hattest mich mal gefragt, woher ich in das Gasthaus in Homarket gekommen war. Was ich dir soeben sagte, ist die Erklärung.«

Das Mädchen hat inzwischen den Bogen sinken lassen und ihn und den Pfeil verkleinert wieder in einer Hosentasche verstaut.

»Aha. Danke für die Erläuterung. Da ich mittlerweile weiß, dass du in deiner eigentlichen Gestalt ein Drache bist, der wegen seiner Fähigkeit des Gestaltwandelns meistens als Junge auftritt, hatte ich nicht erwartet, von deinen Eltern zu hören.«

»Ähem«, Dragon ist unsicher. »Die kenne ich auch lediglich aus Moiras Erzählungen. Das ist ähnlich wie bei dir, wobei du Atropaia als Erzieherin hattest.«

»Die wir zu retten aufgebrochen sind. – Ob wir uns bei Danrya erkundigen sollten, wie es ihr mittlerweile ergangen ist? Sie hat es womöglich mit unseren Verfolgern zu tun bekommen.«

Da Dragon nickt, versucht Runa sofort, einen Kontakt mit der Elfe herzustellen. Damit will sie gleichzeitig testen, ob das über die inzwischen beträchtliche Entfernung möglich sein wird. Danrya hatte das behauptet. Das Mädchen beabsichtigt nicht, ihre Worte in Frage zu stellen. Trotzdem scheint es ihr unwahrscheinlich, sich allein mittels Gedanken …

»Doch, mein liebes Kind, das ist tatsächlich so!« Danryas Stimme unterbricht Runas Gedankengänge. Sie entschuldigt sich sofort, nur einen Moment daran gezweifelt zu haben. »Das macht nichts«, sendet Danrya zurück. »Du bist erst seit kurzem darin geübt, Zauber anzuwenden, da ist deine Skepsis durchaus verständlich. – Hast du einen bestimmten Grund, weshalb du mich kontaktierst? Bist du in Gefahr?«

»Die besteht im Moment nicht«, funkt Dragon dazwischen. »Aber wir haben inzwischen einiges erlebt und sind nur knapp unseren Häschern entkommen.«

Der Junge und das Mädchen berichten abwechselnd, was ihnen seit ihrer Trennung von der Elfe widerfahren ist. Sie beginnen bei Willard und versuchen, die Ereignisse im Wirtshaus »Hai und Makrele« in Ostford nachträglich ungefährlicher aussehen zu lassen, als sie waren. Die Attacke durch den Magier aus einer Burg, die sie der Triqueta zuordnen, führt zu einer sofortigen Reaktion Danryas. Sie hat bis dahin atemlos aber zitternd dem Bericht gelauscht.

»Halt, einen Moment. Ich sehe schon, ihr habt euch bisher als allen Gefahren gewachsen erwiesen. Dafür habt ihr meine Anerkennung verdient. Das beweist gleichzeitig, dass es vielleicht besser gewesen wäre, wenn ich euch begleitet hätte. Doch diesen Angriff des Hexenmeisters solltet ihr nicht so leicht abtun.«

»Warum?«, unterbricht Dragon die Elfe. »Wir sind ihm, zwar mit Glück, aber auch mit ein wenig Geschick entkommen.«

»Das bezweifle ich nicht«, entgegnet Danrya. »Dieser eine dunkle Magier ist fast noch gefährlicher als Creulon. Und den habt ihr bisher nicht in voller Aktion erlebt. – Ihr beabsichtigt also, bis nach Grimgard vorzustoßen. Dass ihr dazu in das Gebiet der Triqueta vordringen müsst, habe ich nicht bedacht. Ich werde womöglich mit zunehmendem Alter schusselig!«

Diesmal antwortet Runa.

»Das ist einer der Gründe, weshalb wir uns bei dir melden. Wir hoffen, einen Hinweis zu bekommen, wie wir am besten nach Grimgard vorstoßen sollen.«

»Das ist nicht so leicht zu beantworten. Was hattet ihr euch überlegt? Dass du auf Dragon in Gestalt eines Drachen reitend in das Gebiet eindringen kannst, so sorglos werdet ihr sicher nicht sein.«

»In meiner Drachengestalt hätte ich eine nicht zu unterschätzende Geschwindigkeit. Ich könnte außerdem Feuer spucken und …«

»Er will dich nur herausfordern«, unterbricht Runa den Jungen.

»Das habe ich mir schon gedacht. Ich kann nicht glauben, dass er so leichtfertig euer Leben in Gefahr bringen würde. Er ist schließlich dein Beschützer und nimmt seine Aufgabe mehr als ernst!«

»Genau!«, fällt Dragon ein. »Ich wollte dich lediglich testen. Nein, wir wollen heute als Wanderfalken in das Gebiet vordringen. Die haben den Vorzug, noch fixer …«

»NEIN!«, unterbricht Danrya ihn. »Diese Vogelgestalt wurde in der Vergangenheit oft von uns Elfen angenommen, aus genau den von dir genannten Gründen. Der Hexenmeister wird besonders den Luftraum überwachen. Als derart schnelle Vögel könntet ihr Grimgard rein rechnerisch in ein, bis zwei Tagen erreichen. Doch in dieser Gestalt seid ihr mehr als auffällig und würdet es nicht weit in das Gebiet der Triqueta schaffen!«

»Wir möchten aber schnellstmöglich zu Drakonias Festungsanlage vordringen. Als Menschen sind wir genauso verdächtig, zumal Steckbriefe von Runa im ganzen Land verteilt worden sind.«

»Wären Pferde möglich?«, beginnt das Mädchen sinnend. Doch sofort verneint sie die Frage. »Dann müsste einer von uns der Reiter sein, denn frei herumlaufende Wildpferde gibt es lediglich im Südwesten Eldurias. Nein, das fällt flach!«

»Wie wäre es, wenn wir die Gestalt von Hunden oder vielleicht Wölfen annehmen?« Dragons Vorschlag klingt nicht so, als ob er ihn ernst meinen würde. »Haben beide Tierarten eigentlich viel mit Flöhen zu kämpfen?«

»Das ist meistens so«, bestätigt Danrya seine Befürchtung. »Ich habe eine andere Idee. Verwandelt euch in Kolkraben. Diese Tiere sind zwar wesentlich langsamer als einige Greifvögel, aber äußerst intelligent. Da sie zur gleichen Familie wie Aaskrähen gehören, die von manchen Dunkelmagiern als Spione eingesetzt werden, würdet ihr in dieser Gestalt nicht verdächtig sein. Ihr könnt bis zur Burg des Hexenmeisters vordringen, solltet sie aber keinesfalls überfliegen. In der Nähe von Festungsanlagen gibt es immer Rabenvögel, die nach Nahrung Ausschau halten. Unter ihnen sind oftmals Krähen, manchmal auch Elstern und Kolkraben. Studiert ihr Gehabe, bevor ihr es wagt, in der neuen Erscheinung weiter auf das Gebiet der Triqueta vorzudringen. Rabenvögel verhalten sich anders als Falken oder Schleiereulen. Sie sind schlau, verspielt und immer zu Streichen aufgelegt. Also verfolgt nicht zu geradlinig euer Ziel. Lasst euch von Krähen ablenken, die ihr aus eurer Nähe vertreibt. Rupft ihnen gelegentlich eine ihrer Schwanzfedern aus und krakeelt gleichzeitig übermütig. Dann werdet ihr für echt gehalten! Die verschiedenen Rabenvogelarten vertreiben einander gegenseitig und attackieren sich dabei gerne. – Runa, du deutetest vorhin an, mindestens noch einen zweiten Grund für die Kontaktaufnahme zu haben. Worum handelt es sich?«

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9783753185767
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Bookwire
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