Wild Bill Hickok

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Wild Bill Hickok
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Michael Franzen

Wild Bill Hickok

Spieler und Revolverheld

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Vorwort

Kindheit und Jugend

Grenzkonflikte

Rock Creek Station

Spion der Union

Kundschafter für die Armee

Hays City

Abilene

Wes Hardin

Schüsse vor dem Alamo

Schauspieler im Osten

Deadwood

Der Prozess

Nachwort

Das Rüstzeug

Bibliografie

Bereits erschienen

Impressum neobooks

Vorwort

Wann immer du in eine Schießerei verwickelt wirst, dann Pass auf, dass du nicht zu schnell schießt. Nimm dir Zeit. Ich habe manchen gekannt, der seinen letzten Fehler gemacht hatte, weil er zu hastig geschossen hatte.“

James Butler „Wild Bill“ Hickok, 1865

(...) als Wild Bill die Frontseite des Alamo erreicht hatte, traf er dort auf Phil Coe, der sagte, dass er auf einen streunenden Hund geschossen hätte. Rasch zog der Marshal zwei Revolver und beide Männer schossen fast gleichzeitig aufeinander (...) als der Polizist Mike Williams um die Ecke des Alamo geeilt kam und so zwei der Kugeln einfing, die für Coe bestimmt waren. Zunächst bemerkte Hickok nicht, dass Williams tot war (...) Coe wurde in den Unterleib getroffen, wobei die Kugel hinten am Rücken wieder ausgetreten war. Sein Todeskampf zog sich bis Sonntagabend hin (...)“

Zeitungsbericht des „Abilene Chronicle“ vom 12. Oktober 1871

Wild Bill Hickok!

Kartenspieler aus Passion und einer der berühmtesten Revolvermänner des Wilden Westens, der (nach eigenem Bekunden) über 100 Männer - Indianer und Konföderierte nicht mitgezählt - erschossen haben will. Eine stattliche Erscheinung. Vornehm gekleidet in einem dunklen Prinz-Albert-Rock und bestückt mit zwei Revolvern, deren Kolben stets nach vorne gerichtet waren. Ein gutaussehender Dandy, mit einer langen, wallenden Haarpracht, dem die Damenwelt zu Füßen lag und der als todsicherer Meisterschütze die rauesten Boomtowns des Wilden Westens von Viehdieben und gedungenen Mördern „säuberte.“ Oder doch nur, wie seine Gegner behaupteten, ein eiskalter Killer und Lügner? Ein gewissenloser Lump und eine gescheiterte Existenz? Ein liederlicher Wüstling, Rowdy, Alkoholiker und Zuhälter, der ohne zu zögern von seinen beiden Revolvern Gebrauch machte, wann immer es ihm ratsam erschien?

Die Meinungen darüber weichen bis in die heutige Zeit hinein erheblich voneinander ab. Hickoks damalige „Fangemeinde“ im Westen als auch im zivilisierten Osten der USA, die von seinen angeblich vollbrachten „Heldentaten“ in den Zeitungen las oder seine über ihn frei erfundenen Abenteuergeschichten in den billigen Groschenromanen nachlesen konnte, war voller Bewunderung für seine Person, während auf der anderen Seite seine Gegnerschaft ihn verachtete, fürchtete und ihn als einen langhaarigen Schuft und Mörder (teilweise zu Recht) sowie als Lügner (zu Recht) brandmarkte, der stets nur gegen solche Gegner zu Felde zog, die ihm mit der Waffe in der Hand von vornherein unterlegen waren, so sie denn überhaupt bewaffnet gewesen waren.

Bereits zu Hickoks Lebzeiten also ranken sich die wildesten Legenden um seine Person. Ein scheinbar undurchdringlicher Wust aus Wahrheiten, Halbwahrheiten und Lügen, die ihn neben ebenso berühmten Männern seiner Zeit, wie z. B. Buffalo Bill Cody oder George A. Custer, zu einer der schillerndsten Westernheroen der amerikanischen Pioniergeschichte machten, gleich einer Popikone unseres Jahrhunderts.

Doch wer war dieser „Wild Bill“ Hickok denn am Ende nun wirklich gewesen? Wer steckt hinter der Fassade, des neben Wyatt Earp, Doc Holliday, Jesse James oder auch Billy the Kid möglicherweise bekanntesten Gunfighters des Wilden Westens, der seinen Gegnern stets eine faire Chance im Zweikampf gegen ihn gegeben haben soll?

Diese Frage näher zu ergründen und den Lebensweg Hickoks nachzuverfolgen und zu erforschen, hat sich der Autor in diesem Buch zum Ziel gesetzt. Eine spannende, wenn auch am Ende etwas ernüchternde Aufgabe, denn mit jeder Seite blätterte der „Legendenlack“ um dessen Person ein wenig mehr ab, bis zum Schluss der „wahre“ James Butler Hickok zum Vorschein kam. Ein Mann, dessen schillerndes Leben in jedem Falle ein spannendes Stück Pioniergeschichte darstellt, mit der Legende Hickok - an der Wild Bill freilich selber kräftig mit gebastelt hatte - jedoch nur wenig zu tun hat.

Doch will ich der Geschichte nicht vorgreifen und stattdessen mit Ihnen, den Lesern und Leserinnen dieser Zeilen, eine Reise zurück in die Vergangenheit machen, um den längst verwehten Spuren Hickoks zu folgen, die in dem kleinen Örtchen Troy Grove in Illinois ihren Anfang nahmen und die Jahrzehnte später in der Goldgräberstadt Deadwood in Dakota jäh endeten.

Neumünster, im April 2017,

- der Autor -

Kindheit und Jugend

Der Stammbaum der Hickoks (auch: Hitchcock, Hiccox oder Hiccock geschrieben) reicht weit in die Vergangenheit zurück, wobei es geteilte Meinungen darüber gibt, ob deren Ahnen dereinst in Irland ihre Wurzeln gehabt haben sollen, oder nicht? Wahrscheinlicher ist es jedoch, dass die nachfolgenden Generationen amerikanischer Hickoks ursprünglich in Stratford-upon-Avon in Warwickkshire, England beheimatet gewesen waren, gleichwohl der Name Hickok mit all seinen verschiedenen Schreibvarianten zwischen dem 16. und 17. Jahrhundert recht häufig im genannten Stratford anzutreffen gewesen war. Die eigentliche Begründung der amerikanischen Hickoks erfolgte letztendlich am 15. Mai 1635, als sich ein gewisser William Hitchcock zusammen mit seiner Familie auf dem Segelschiff Plaine Joan nach Nordamerika hin einschiffte, wo sie sich nach der sicheren Überfahrt in Connecticut niederließen. Dort starb 1645 dann auch Familienvater William, wobei er neben seiner Frau auch die beiden Söhne Joseph und Samuel hinterließ, die nachfolgend ihrerseits Familien gründeten, deren Kinder sich später auch über die Grenzen Connecticuts hinweg in ganz Neuengland niederließen.

Wild Bill Hickoks Urgroßvater Aaron Hickok wurde 1742 in Woodburry, Connecticut geboren. Er nahm am Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg teil, betrieb eine Eisenschmiede sowie eine Sägemühle und zeugte darüber hinaus auch die stattliche Anzahl von nicht weniger als 19 Kinder. Aarons dritter Sohn Oliver zeugte am 05. Dezember 1801 in North Hero, Grand Isle County, am Lake Champlain, Vermont, William Alonzo Hickok, Wild Bills Vater also, während er selber 13 Jahre später in den Wirren des sogenannten zweiten Unabhängigkeitskrieges (1812-1814) mit England ums Leben kommen sollte.

William Alonzo begann im späteren Alter eine Ausbildung als Presbyterianer-Priester am Middelsburry College in der Gemeinde gleichen Namens, die ihm seine Eltern trotz bescheidener finanzieller Mittel ermöglichten. Am 23. Juni 1829 heiratete er die am 04. August 1804 in Bennington, Vermont geborene Pamela „Polly“ Butler und gemeinsam zog das Ehepaar nach North Hero, wo ersterer infolge einer zu jener Zeit grassierenden Typhusepidemie so schwer erkrankte, dass er dem Tode phasenweise näher als dem Leben war. William genas am Ende zwar wieder, doch sorgten bleibende Gesundheitsschäden dafür, dass er seine Priesterausbildung gänzlich abbrechen musste. Dank der finanziellen Unterstützung seiner Mutter, zog das Ehepaar nach Union, Broome County, New York, wo William einen kleinen Warenladen eröffnete, um für den gemeinsamen Lebensunterhalt zu sorgen. Am 01. Mai 1830 kam ihr erstes Kind Oliver Otis zur Welt, am 09. Oktober 1831 folgte ein weiterer Junge, der den Namen Lorenzo Butler erhielt. Das Kind verstarb jedoch kurz nach der Geburt, sodass dessen Name auf den drittgeborenen Sohn überging, der am 23. November 1832 das Licht der Welt erblickte. 1833 trieb es die Familie weiter in den Westen, wo sie sich zunächst in Union Grove im Putnam County, Illinois niederließ. Wenig später zog sie nach Baily Point, dem heutigen Tonica, wo ein weiterer Sohn, Horace Dewey, am 05. Oktober 1834 geboren wurde. 1836 trieb Williams Rastlosigkeit die Familie weiter gen Westen, diesmal nach Troy Grove (Homer) im La Salle County, ebenfalls in Illinois, wo er ein Haus baute und erneut einen kleinen Warenladen eröffnete. Nachdem dort schließlich der vierte Sohn und die gleichzeitige Hauptfigur dieses Buches, James Butler, am 27. Mai 1837 geboren worden war, verlor William Alonzo Haus und Laden jedoch durch die sogenannte „Finanzpanik von 1837“ wieder.

 

In jenem Jahr hatten die New Yorker Banken die Bargeldzahlungen eingestellt und andere Banken im ganzen Land waren ihrem Beispiel gefolgt. Durch die zunehmenden Landverkäufe im Westen war die US-Regierung seit 1835 zum ersten Mal in ihrer Geschichte schuldenfrei gewesen. Trotz dieser erfreulichen Tatsache, beunruhigte es den damaligen US-Präsidenten Andrew Jackson (1767-1845), dass die Regierung Grundbesitz im Westen gegen Papiergeld der verschiedenen amerikanischen Banken verkaufte, dessen Wert nicht garantiert gewesen war. Kurz vor Ende seiner Amtszeit erließ er daher am 11. Juli 1836 eine Verordnung, die „Specie Circular“, wonach die Regierung bei Landverkäufen im Westen nur noch Hartgeld als alleiniges Zahlungsmittel akzeptieren sollte. Jacksons Nachfolger Martin Van Buren war gerade einmal drei Monate im Amt, als die Panik von 1837 in New York und danach im ganzen Land ausbrach, wobei sie zusätzlich dadurch angeheizt wurde, als gleichzeitig die europäischen Märkte einbrachen. Bereits im März waren die Preise für Baumwolle in den Keller gestürzt und der Verkauf von öffentlichem Land auf 1,5 Millionen ha zurückgegangen. Im September 1837 standen im Osten der Vereinigten Staaten neun Zehntel aller Betriebe still, am Ende mussten schließlich rund 33.000 Firmen Bankrott anmelden, wobei sich der wirtschaftliche Gesamtschaden auf satte 440 Millionen US-Dollar belief. Jacksons Verordnung wurde im Jahre 1838 vom US-Kongress zwar wieder „einkassiert“, doch der damit verbundene leichte wirtschaftliche Aufschwung wurde gerade mal ein Jahr später durch den Zusammenbruch der „Bank of Pennsylvania” wieder zunichtegemacht.

Um Haus und Hof gebracht, musste schließlich auch die Familie Hickok Troy Grove wieder verlassen und ließ sich weiter nördlich der Stadt als Farmer nieder. William baute ein neues Zuhause, wo zwei weitere Kinder, allesamt Töchter, nämlich Celinda „Sally“ am 03. September 1839, bzw. Lydia Hickok am 29. Oktober 1842 geboren wurden.

Trotz der genannten Widrigkeiten und finanziellen Nöte, wuchsen Williams Söhne zu tüchtigen Burschen heran und die älteren von ihnen arbeiteten auf den umliegenden Farmen, um etwas Geld für die Familie zu verdienen, während alle Kinder in ihrer Freizeit von ihrem Vater in weltlichen, wie auch in religiösen Dingen unterrichtet wurden. 1844 jedoch verschlechterte sich sein Gesundheitszustand erneut, sodass die Söhne vorübergehend die Leitung der elterlichen Farm übernahmen. Für sich selber hatten sie mittlerweile eine kleine Hütte auf der Farm eines gewissen Abner Westgate errichtet, wo sie lebten, in regelmäßigen Abständen aber auch das Elternhaus aufsuchten, um nach dem Rechten zu schauen. Auch James Butler wuchs heran, übernahm wie seine Brüder zuvor, Arbeiten auf den Nachbarfarmen oder durchstreifte die umliegenden Wälder, um dort Wild zu schießen, um so die Familie mit Fleisch zu versorgen. Im Alter von elf oder zwölf Jahren kaufte er sich von seinem verdienten Geld eine Schusswaffe, wobei unklar bleibt, ob es sich dabei um eine einschüssige Pistole oder um eine Muskete gehandelt hatte. Während dieser Zeit begann sich William Alonzo Hickok mehr und mehr mit der Frage der Sklaverei auseinanderzusetzen, die er, wie viele Bürger der Nordstaaten, als tiefes Unrecht empfunden hatte. Demzufolge setzte er sich in seinen letzten Lebensjahren mit einem guten Freund aus vergangenen, gemeinsamen Vermonter Tagen namens Nahum Gould in Verbindung, der mit einigen „Quäker-Freunden“ das gefährliche Geschäft einer sogenannten Underground-Railroad betrieb, mit deren Hilfe man entlaufene Sklaven aus den Südstaaten über geheime Pfade und Wege in die sklavenfreien Nordstaaten und darüber hinaus bis über die Grenze hinüber nach Kanada schleuste. Als nunmehr aktives Mitglied dieser Schleuserorganisation stellte William sein Zuhause als Zwischenstation zur Verfügung, wobei ein verborgener Raum unterhalb des Wohnzimmers als Versteck für die geflohenen Sklaven diente. Ein nicht ganz ungefährliches Unterfangen, denn die Sklavenjäger die eine Fangprämie für die Wiedereinbringung von entlaufenen Sklaven erhielten, sowie die Mitglieder der Underground-Railroad gerieten oftmals aneinander, was zumeist nicht ohne Blutvergießen abging. Am Rande bemerkt: Die Quäker, die sich selbst Society of Friends oder „Gesellschaft der Freunde“ nannten, waren von England aus in die Vereinigten Staaten ausgewandert, nachdem sie mit ihren demokratischen, bisweilen auch anarchistischen Ansichten beim englischen Königshaus in Ungnade gefallen waren. Als überzeugte Pazifisten verweigerten sie den Militärdienst, lehnten den Klerus ab und weigerten sich Eide in jedweder Form zu leisten. Der wohl bekannteste von ihnen, William Penn (1644-1718), gründete im Jahre 1682 die Kolonie Pennsylvania, wo sich nicht nur Quäker aus England, sondern auch Protestanten aus Deutschland ansiedelten.

Am 05. Mai 1852 starb William Alonzo in Troy Grove, sodass sich die drei Söhne Horace, Lorenzo und James Butler nunmehr um das elterliche Zuhause kümmern mussten. Oliver war bereits zuvor im Zuge der Goldfunde nach Kalifornien hin ausgewandert, wo er jedoch durch einen Unfall einen Arm verlor, derweil James Butler seinen Platz als Arbeiter auf der Farm von Daniel Carr eingenommen hatte. Lorenzo und Horace legten all ihr Geld zusammen und kauften ein Haus in Troy Grove, wohin die Familie dann zog, um sesshaft zu werden. James Butler hingegen schmeckte solch ein Leben überhaupt nicht. Ihn zog es, wie schon seinem Vater zuvor, in den Westen und er wäre am liebsten heute als morgen seinem Bruder Oliver nachgefolgt. Mit Rücksicht auf seine Mutter und der Überredungskunst seiner anderen Geschwister, verschob er seine Pläne jedoch fürs Erste und sah sich bei der Gelegenheit auch gleich mal nach einer neuen Beschäftigung um. 1854 wandte er sich nach Utica, Illinois, wo er eine Arbeit als Fuhrmann bei der Illinois & Michigan-Kanalgesellschaft fand. Entgegen der (falschen) Legende, dass er dort einen Arbeitskollegen namens Charles Hudson erschlagen haben soll, bevor er Illinois wegen der zur erwartenden Strafe fluchtartig verlassen musste, kam es tatsächlich „nur“ zu einem handfesten Streit zwischen seiner Person und seinem Arbeitgeber. Dieser hatte so lange auf Hickoks Zugpferde eingedroschen, bis der genug von dieser Aktion gehabt hatte, seinen Brötchengeber am Kragen packte und ihn im hohen Bogen in die nassen Fluten des Kanals beförderte, was im Nachhinein seine fristlose Kündigung zur Folge gehabt hatte. James Butler kehrte zunächst nach Troy Grove zurück, doch bereits 1855 galt sein wachsendes Interesse dem 1854 errichteten Territorium von Kansas, wohin es immer mehr Siedler und Abenteurer zog. Allerdings war dieses neue Territorium auch ein blutiger Zankapfel zwischen den Gegnern und Befürwortern der Sklaverei gewesen, was am Ende zu einem offenen Bürgerkrieg in dem Land führen sollte.

Grenzkonflikte

Die blutigen Auseinandersetzungen im Kansas-Territorium waren letztendlich das Ergebnis eines bereits über die Jahrzehnte hinweg schwelenden Konfliktes in Bezug auf die Sklavenfrage, in wirtschaftlicher als auch moralischer Hinsicht. Einerseits gab es den wirtschaftsstarken Norden der USA, wo statt der Handarbeit verstärkt Maschinen eingesetzt wurden, die mit den kommenden Jahren und Jahrzehnten den industriellen Fertigungsablauf verändern sollten. Im Süden der USA, wo eine Plantagenwirtschaft vorherrschte, wobei die Baumwolle der gewinnträchtigste Exportartikel darstellte, setzte man auch weiterhin auf die Handarbeit von Menschen, sprich Sklaven, die zudem billiger als Maschinen waren. Im Laufe der Jahrzehnte war die junge Nation gewachsen, wobei die verschiedenen Einzelstaaten mit und ohne Sklavenhaltung abwechselnd in die Union aufgenommen worden waren, um ein wirtschaftliches und politisches Gleichgewicht im US-Kongress zu schaffen. Die Frage: Pro- oder Contra-Sklaverei, als moralischer Stein des Anstoßes, wurde dabei durch eine Reihe von politischen Kompromissen vor sich her geschoben, kochte wie in einem Dampfkessel bedrohlich vor sich hin und entlud sich am Ende in dem amerikanischen Bürgerkrieg (1861-1865), in dem eine wegen der Sklavenfrage zutiefst zerstrittene Nation zu den Waffen griff, um ihre aufgestauten Differenzen auf dem „Feld der Ehre“ zu bereinigen.

Zuvor, im Jahre 1854, wurde der Kansas-Nebraska-Act vom Kongress verabschiedet, dessen geistiger Ziehvater der aus Illinois stammende US-Senator Stephen Arnold Douglas (1813-61) gewesen war. Durch dieses Gesetz wurden die beiden Territorien Kansas und Nebraska aus dem Taufbecken gehoben, in denen sich die kommende Generation Siedler selber für oder gegen die Sklaverei entscheiden konnte. Bei Nebraska lag der Fall dabei relativ einfach, denn dieses neue Territorium wurde in der Hauptsache von Iowa und Wisconsin aus besiedelt, die beide Nordstaaten waren. Somit sorgten die hinzu gewanderten Siedler dann auch dafür, dass Nebraska am Ende sklavenfrei blieb. Im Gegensatz dazu stand Kansas, das mit seiner östlichen Grenze an Missouri stieß, in dem viele Pro-Sklaverei-Anhänger lebten. Nach Errichtung des Territoriums stand diese Grenze nun weit offen und Anhänger als auch Gegner der Sklaverei rüsteten sich zum Einmarsch in das Gebiet, um es entweder für den Süden oder dem Norden in Beschlag zu nehmen. Erste Freischärler-Banden begannen sich zu organisieren. Im Falle der Sklaverei-Anhänger waren das die sogenannten Border Ruffians oder auch „Grenzlandrüpel“, denen auf Seiten der Sklaverei-Gegner die Abolitionisten oder Jayhawkers „schräge Vögel“ gegenüberstanden. Erstere gründeten Mitte 1854 die Städte Atchinson, Kickapoo und Leavenworth, derweil die Abolitionisten Lawrence und Topeka aus dem Boden stampften. Der erste Gouverneur von Kansas, Andrew Horatio Reeder (1807-64), trat im Oktober 1854 sein Amt an und er setzte die erste Wahl, wo sich die Siedler für oder gegen die Sklaverei entscheiden konnten, auf dem 30. März 1855 fest. Von Missouri her rückten daraufhin bewaffnete Border Ruffians nach Kansas vor und setzten dort die Richter und Wähler mit Waffengewalt unter Druck, beim anstehenden Urnengang das „Kreuz an die richtige Stelle zu setzen.“ Wie zu erwarten gewannen die Sklaverei-Anhänger diese Wahl und wenig später beschloss die Legislative, die Verfassung Missouris eins zu eins auf das Kansas-Territorium zu übertragen, derweil Gouverneur Reeder wegen seiner Haltung, aus Kansas keinen Sklavenstaat machen zu wollen, von US-Präsident Franklin Pierce (1804-1869) aus seinem Amt gefeuert wurde. Damit blieb er jedoch kein Einzelfall, denn von 1854 bis 1860 hatte Kansas nicht weniger als sechs Gouverneure aufzuweisen gehabt.

Die Abolitionisten wollten diesen herbeigeführten Wahlbetrug so keinesfalls auf sich sitzen lassen und so begann James Henry „The Grim Chieftain of Kansas“ Lane, die Gruppen kampfeswilliger Abolitionisten unter seine Fittiche zu nehmen, während die politischen Köpfe im Oktober 1855 die sogenannte Topeka-Verfassung verabschiedeten, deren vorrangiges Ziel es war, die Sklaverei in dem Land wieder abzuschaffen. Am 02. Dezember 1855 standen an die 1.500 bis an die Zähne bewaffnete Border Ruffians vor Lawrence, doch bevor es zu einem offenen Angriff auf die Stadt kam, handelten beide Seiten einen Waffenstillstand aus. Knapp ein halbes Jahr später, am 21. Mai 1856, wurde Lawrence dann tatsächlich angegriffen und geplündert, woraufhin sich der fanatische und wahrscheinlich geisteskranke John Brown genötigt sah, mit drei seiner Söhne und drei weiteren Helfern, fünf unschuldige Siedler am Pottawatomie Creek zu ermorden. Diese wahnsinnige Bluttat wurde von der Presse des Nordens als gerechte Sache gefeiert und John Brown als Held glorifiziert („John Browns Body“), doch verglichen mit der ohne Blutvergießen abgegangenen Plünderung von Lawrence, wirkte Browns Massaker als Fanal und Aufruf zu weiteren Gewalttaten, die das Territorium den Sommer 1856 über in Atem hielten und in dessen Bürgerkriegswirren - ich komme über diesen kleinen geschichtlichen Umweg wieder zum eigentlichen Thema dieses Buches zurück - auch der nunmehr 19-jährige James Butler Hickok hineingezogen wurde.

 

Im Juni 1856 verließ James Butler endgültig seine Familie daheim in Illinois und wandte sich zusammen mit seinem Bruder Lorenzo hinüber nach St. Louis, wo die beiden einen Raddampfer besteigen wollten, der sie hinüber ins Kansas-Territorium bringen sollte. Im Postbüro der Stadt holten sie als Erstes eine Reihe von Briefen ab, die von der Familie aus Troy Grove abgeschickt worden waren. In einem der Schriftstücke stand dabei zu lesen, dass ihre Mutter erkrankt war und in Sorge um ihren Gesundheitszustand, beschloss Lorenzo schließlich, wieder nach Hause zurückzukehren und beide Brüder trennten sich in St. Louis.

James Butler bestieg wie geplant einen Flussdampfer, der ihn auf dem Missouri River westwärts bis nach Leavenworth brachte, das zu dieser Zeit von Pro-Sklaverei-Milizen kontrolliert wurde, die den Passagieren die Ausschiffung an Land verweigerten. Hickok, der nur ein wenig Handgepäck bei sich führte, schlüpfte jedoch unbemerkt durch die Absperrung und hatte damit seine ersten Fußabdrücke auf dem Boden des Kansas-Territoriums hinterlassen.

Außer seiner bescheidenen Barschaft, besaß er nur das, was er am Leibe trug und die Suche nach einer geregelten Arbeit erwies sich als wahre Geduldsprobe in einem Land, in dem immer mehr Grundbesitzer mit Misstrauen und einer geladenen Schrotflinte in der Armbeuge auf Fremde reagierten, die ihr Anwesen betraten, um nach einer Arbeit oder etwas zu Essen nachzufragen. Hickok blieb jedoch hartnäckig und arbeitete den Sommer über u. a. als Pflüger für mehrere Farmer, darunter auch ein Richard Budd, der westlich von Leavenworth einen Hof bewirtschaftete. Am 28. September 1856 schrieb er seiner Schwester Lydia und seiner Mutter einen Brief nach Hause, um ein erstes Lebenszeichen von sich zu geben, wobei er u. a. auch die gewalttätigen Zustände in dem Territorium anprangerte. Ein weiterer Brief, gerichtet an seinem Bruder Horace, folgte am 24. November und beschrieb ebenfalls die desolaten Zustände in dem Land, sowie seine bisherigen Erlebnisse als aktiver Kämpfer in der Free-State-Miliz, der er sich mittlerweile angeschlossen hatte, da sich die Situation im „Bleedy-Kansas“ weiter zugespitzt hatte. Er diente dabei zunächst als Kundschafter unter dem Kommando von Colonel James A. Harvey, der eine kleine Schar Freiwilliger aus Hickoks Heimatstaat Illinois anführte. In dieser Funktion nahm er u. a. an dem Überfall auf die Siedlung Hickory Point unweit von Lawrence teil, der jedoch von regulären Regierungstruppen vereitelt wurde. Einige der Freischärler gerieten dabei in Gefangenschaft, anderen - unter ihnen auch Hickok - gelang jedoch die Flucht.

Irgendwann um diese Zeit herum, zwischen dem Sommer 1856 und dem darauffolgenden Jahr, machte er auch die Bekanntschaft eines gewissen John M. Owen, der nahe dem Mill Creek ein kleines Stück Land bewirtschaftete. Hickok, inzwischen so gut wie mittellos, lebte einige Zeit auf Owens Anwesen, bevor sich beide Männer James H. Lane anschlossen, der auch weiterhin für die Abschaffung der Sklaverei in Kansas zu Felde zog. Die beiden dienten alles in allem ein Jahr lang unter seinem Kommando und zeitgenössische Berichte wissen zu berichten, dass sie ihm ständig als eine Art persönliche Leibgarde zur Seite gestanden hatten, so auch 1857 in Highland, wo Hickok im übrigen auch erstmalig mit seinem späteren Freund und Weggefährten William Frederick „Buffalo Bill“ Cody (1846-1917) zusammentraf, mit dem wir uns im späteren Verlaufe dieses Buches auch noch näher beschäftigen werden.

Im Herbst 1857 versuchte sich Hickok ebenfalls als Farmer und erwarb ein kleines Stückchen Land in Johnson County, wo er eine kleine Hütte errichtete, ansonsten aber in einem Hotelzimmer in dem Örtchen Montichello lebte, das von einem John M. Reed geleitet wurde. Am 22. März 1858 wurde Hickok dort zum einfachen Polizeibeamten (Constabler) gewählt, während sein Freund Owen einen Posten in der Gemeindeversammlung des Ortes annahm. Im August 1858 schrieb er erneut eine Reihe von Briefen nach Hause, in denen er u. a. festhielt, dass er sich in die Tochter von John Owen, Mary Jane, verliebt hatte und die feste Absicht hegte, das Mädel auch heiraten zu wollen. Da Mary Janes Mutter Patinuxa jedoch eine waschechte Indianerin vom Stamm der Shawnee gewesen war, war die Familie daheim in Illinois strikt gegen diese Ehe, wobei insbesondere Lorenzo den „Stolz auf die eigene weiße Hautfarbe“ ins Feld führte. Zur Sicherheit reiste er aber auch persönlich nach Montichello, um seinen Bruder in einem ernsten Vieraugengespräch dessen Heiratspläne auszureden. Um diese Zeit herum flammten die gewalttätigen Auseinandersetzungen in Kansas nochmals kurz auf, wobei auch Hickoks Farm niedergebrannt wurde. Nachdem diese sich in ein Häufchen Asche verwandelt und Lorenzo am Ende ganze Überzeugungsarbeit geleistet hatte, verließ er zum Jahresende 1858 Montichello enttäuscht wieder und ging zurück nach Leavenworth, wo er eine Arbeit als Frachtwagenfahrer bei dem Transportunternehmen Russell, Majors & Waddell annahm.