Czytaj książkę: «Das Buch der Gaben», strona 15

Czcionka:

Die letzte Prüfung

ist bestanden

wenn der Tag kommt

wirst du wissen

dass das Buch der Gaben

auf euch wartet

„Das ist alles?“, fragte Sanne.

„Das ist alles“, bestätigte Tommy. Einige Zeit verging in nachdenklichem Schweigen. Dann brach Janine den Bann.

„Du hast wohl eine Prüfung bestanden, von der wir gar nichts wussten“, sagte sie. „Doch was war das für eine Prüfung?“

Ich glaubte, zu wissen, was das Buch der Gaben meinte. Viele Bilder liefen jetzt vor meinem inneren Auge ab. Wie ich Tommy kennen gelernt hatte, wie wir in meinem Zimmer gesessen und über seinen Vater gesprochen hatten, wie er die Prüfung an der Klippe bestand, und dann der heutige Nachmittag, an dem Jessie zu seinem zweiten Vater geworden war. Das war die letzte Prüfung gewesen.

„Ich weiß es“, sagte ich leise. „Tommy hat die Gabe nicht angewendet, obwohl er es sich zuerst so gewünscht hat. Das Buch nicht zu nehmen, war die letzte Prüfung.“

Tommy blickte mich an und schien erst jetzt zu verstehen. Wir waren alle etwas verlegen. Unsere Umgebung nahmen wir in diesem Moment gar nicht mehr wahr. Tommy, Sanne, Janine und ich waren gerade jetzt die glücklichsten Menschen auf der Welt. Tommy schluckte. Dann stand er auf.

„Das war’s“, murmelte er, und ich sah, wie er Mühe hatte, die Tränen zu unterdrücken. „Lasst uns gehen.“

Wir standen ebenfalls auf. Das Buch der Gaben lag aufgeschlagen zwischen uns und wirkte wie ein Relikt aus der Ewigkeit.

„Werden wir es noch einmal brauchen?“, fragte Janine.

„Du hast es gehört“, sagte Tommy. „Wenn der Tag kommt, werden wir wissen, dass das Buch der Gaben auf uns wartet.“

Wann würden wir es wieder brauchen? Wofür würden wir es wieder brauchen? Doch das war mir jetzt egal. Glücklich sah ich meine Freunde an. Echte Freundschaft ist auch eine Gabe. Und was für eine. Und von ihr hatten wir jetzt unendlich viel.

„Die Griffe sind weg!“, rief Sanne. Wir folgten ihrem Blick und waren eigentlich gar nicht mehr überrascht. Die in die Wand eingelassenen Stufen, die uns hier heruntergeführt hatten, waren verschwunden. Dafür war etwas anderes wieder da.

„Die Nische!“, rief Janine.

An der Stelle, wo eben noch die Haltegriffe eingelassen waren, befand sich jetzt die kleine Nische, die die Wunschkugeln und meine Holografie aufbewahrt hatte.

„Wir werden sie zurücklegen müssen“, sagte Tommy. „Und schummelt nicht!“

Sanne und Janine suchten in ihren Hosentaschen nach den Wunschkugeln. Dann gingen sie hinüber zu der Nische und legten sie vorsichtig zurück in die Jadeschale. Ich wollte nach meiner Holografie greifen, als mir einfiel, dass sie ja vorhin durch den Brunnen verschwunden war!

„Ich hab sie nicht!“, sagte ich. „Helft mir mal suchen.“

Es gab nicht viele Möglichkeiten in dieser Kammer, wo sich eine Kugel verstecken konnte. Schließlich gab es keine Möbel oder sonst irgendetwas, das im Raum herumstand. Wir suchten die Kammer ab und schauten auch noch mal in die Nische. Aber die Holografie war nirgends zu entdecken. Hilflos sah ich die anderen an.

„Ich kann nichts dafür“, sagte ich entschuldigend.

„Natürlich nicht“, antwortete Tommy. „Aber was machen wir jetzt?“

Warum auch immer, ich wusste es hinterher nicht mehr zu sagen, aber mir kam ein Einfall, und ich schaute nach oben.

„Da ist sie!“, schrie ich und zeigte zur Decke. Und da war sie. Hellgrün und ruhig schwebte die Holografie knapp unter der Decke. Sie drehte sich recht schnell und schien auf etwas zu warten.

„Na also“, meinte Tommy, wie immer unnachahmlich ruhig. „Jetzt brauchst du nur noch was zu sagen, und wir können raus.“

„Meinst du?“, fragte ich ungläubig. Tommy nickte nur lächelnd.

„Na dann ... “ Ich holte Luft und überlegte, was ich sagen wollte. Dann dachte ich, ist ja sowieso egal, schaute zur Holografie und rief: „Ich will nach Hause!“

Gespannt sahen wir, wie sich die Drehung der Kugel verstärkte, wieder rasend schnell wurde und die Holografie durchsichtig schien. Dann senkte sie sich von der Decke herunter und schwebte genau auf die uns gegenüberliegende Wand zu. Für eine Sekunde verharrte sie vor ihr, als wollte sie uns ein Zeichen geben. Dann nahm sie Fahrt auf und durchdrang die Wand an einer Stelle, an der ein Falke auf sie gemalt war. Wir schauten uns an. Niemand von uns hatte jetzt noch Angst. Tommy verbeugte sich leicht vor mir und machte eine einladende Geste.

„Nach Ihnen, Herr Seefeld.“

Diesmal vergaß ich Lazy nicht. Ich nahm ihn auf und wartete, bis auch Tommy Jever auf dem Arm hatte. Dann schaute ich mich noch einmal in diesem geheimnisvollen Raum um. Ich prägte mir dieses Bild aus einer anderen Welt so sehr in meinem Kopf ein, dass ich wusste, es würde nie mehr aus meinem Gedächtnis verschwinden.

Ich sah meine Freunde an, und wir verständigten uns mit Blicken. Ich spürte in diesem Augenblick, zu welch vollkommenem Team wir geworden waren. Dann drehte ich mich um und ging durch die Wand.

Als ich im Garten herauskam, wusste ich sofort, dass er wieder so war wie vorher. Brombeersträucher wucherten um mich herum, und der vertraute Geruch des heimischen Sommers umfing mich. Ich setzte Lazy ab und wartete, bis meine Freunde neben mich traten.

Als wir alle in unsere eigene Welt zurückgekehrt waren, sahen wir uns wortlos in die Augen. Wir fühlten unsere Freundschaft wie ein festes Band, das uns zusammenhielt. Ich hatte einen Kloß im Hals und war einfach nur glücklich, Freunde zu haben.

Das Haus würde uns irgendwann wieder zu sich holen. Das wusste ich. Doch bis dahin hatten wir die Gabe der Freundschaft.

Der Sommer lag endlos vor uns.

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ISBN: 978-3-7427-4631-3