Czytaj książkę: «PEKING»
INHALT
Vorwort Peter Tschentscher
Vorwort Niko Schües
1
Ein Hutmacher entdeckt das Überseegeschäft
Wie Ferdinand Laeisz eine Handelsfirma aufbaut
2
Laeisz wagt sich aufs Meer
Die schwierigen Anfänge der Reederei
3
Wer ist eigentlich Pudel?
Wie ein Spitzname zum weltberühmten Markenzeichen wird
4
Gegen den Trend
Warum Laeisz auch im Dampfschiffzeitalter auf Segel setzt
5
Auftrag für Blohm & Voss
Wie die PEKING gebaut wird
6
Kurs Valparaíso
Auf Jungfernfahrt nach Chile
7
An der Kette
In den Wirren des Ersten Weltkriegs
8
Mit Fortune nach Hamburg zurückgekauft
Wie in alten Zeiten auf Fahrt nach Südamerika
9
Unter britischer Flagge
Als Schulschiff auf Dauer im Hafen
10
Die Peking in Manhattan
Hauptattraktion an der Pier des South Street Seaport Museums
11
Sehnsucht nach Hamburg
Die langen Bemühungen um die Rückkehr
12
Der Bundestag macht’s möglich
Millionen aus Berlin für ein Deutsches Hafenmuseum in Hamburg
13
Letztmalig über den Großen Teich
Wie die Stiftung Hamburg Maritim die PEKING zurückholt
14
Mammutaufgabe in Wewelsfleth
Restaurierung und Umbau zum Museumsschiff auf der Peters Werft
15
Bald zurück im Heimathafen
Die PEKING als neues Hamburger Wahrzeichen und Attraktion des künftigen Deutschen Hafenmuseums
16
Menschen an Bord
Persönlichkeiten, die sich für die PEKING engagieren
17
Ein Tag für die Geschichtsbücher
Die Rückkehr nach 88 Jahren
Personenregister
Bildnachweis
Danksagung
Sturmerprobt: Die PEKING gehört zu den berühmten Flying-P-Linern der Reederei F. Laeisz, die bis in die 30er-Jahre des 20. Jahrhunderts hinein regelmäßig Kap Hoorn umfahren haben.
Am 25. Februar 1911 lief bei Blohm & Voss im Hamburger Hafen einer der letzten großen Hamburger Viermaster vom Stapel: die PEKING. Für die Reederei F. Laeisz segelte sie bis zum Jahr 1932 unzählige Male zwischen Hamburg und Südamerika, um wertvollen Salpeter nach Europa zu bringen. In ihrer über 100-jährigen Geschichte hat sie 34 Mal Kap Hoorn umrundet, zwei Weltkriege überstanden und mehr als 40 Jahre als Museumsschiff am Pier von Manhattan verbracht. Sie wurde von den Menschen dort viel beachtet, war aber zuletzt vom Alter schwer gezeichnet.
2017 gelang es mit Unterstützung des Deutschen Bundestags, die PEKING nach Deutschland zu holen, um sie zu restaurieren und schließlich als Museumsschiff in ihren Heimathafen Hamburg zurückzubringen. In den vergangenen drei Jahren hat sie sich auf der Peters Werft in Wewelsfleth in den prächtigen „Hamborger Veermaster“ zurückverwandelt, der zu Beginn des 20. Jahrhunderts für seine Schnelligkeit und Zuverlässigkeit bekannt war und der als eines der letzten Handelsschiffe unter Segeln den Atlantik bereiste.
In Zukunft wird die PEKING beim Deutschen Hafenmuseum auf dem Grasbrook liegen, das Hamburgs Aufstieg zum Welthafen und die Entwicklung der Seefahrt darstellt. Mit der PEKING erhält Hamburg ein neues Wahrzeichen. Allen, die sich mit Tatkraft und Ausdauer für ihre Rückkehr und Restaurierung eingesetzt haben, danke ich sehr herzlich.
Dieses Buch schildert die wechselvolle Reise der PEKING und gibt einen Einblick in die Geschichte der Hafen- und Handelsstadt Hamburg. Ich danke dem Autor Dr. Matthias Gretzschel für seine Arbeit und wünsche den Leserinnen und Lesern viel Freude mit dieser Chronik.
DR. PETER TSCHENTSCHER
Erster Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg
Wewelsfleth: Die PEKING noch ohne Rahen während der Restaurierung auf der Peters Werft.
Die PEKING in altem Glanz erstrahlen zu lassen und wieder zurück in ihre Heimatstadt zu holen, ist ein wahres Gemeinschaftswerk. In diesem Buch wird die ganze Geschichte erzählt, angefangen bei der Gründung der Reederei F. Laeisz im frühen 19. Jahrhundert über den Bau und das wechselvolle Schicksal der PEKING bis hin zum Abschluss der Restaurierung und zur Übergabe des glanzvoll erneuerten Schiffs an die Stiftung Historische Museen Hamburg auf der Peters Werft in Wewelsfleth am 11. Mai 2020. Und schließlich gibt es einen Ausblick auf die nahe Zukunft, in der die PEKING die wichtigste Attraktion des künftigen Deutschen Hafenmuseums sein wird. „Die PEKING – Schicksal und Wiedergeburt eines legendären Hamburger Segelschiffes“ ist kein trockenes Fachbuch, sondern bietet eine spannende Lektüre. Reich bebildert beschreibt es das Leben eines Schiffes, das geprägt ist durch die zeitgeschichtlichen Entwicklungen des 20. Jahrhunderts bis zum heutigen Happy End. Ich wünsche allen Leserinnen und Lesern viel Freude damit.
NIKO SCHÜES
Inhaber der Reederei F. Laeisz,
Kuratoriumsvorsitzender der Stiftung Hamburg Maritim
Begegnung auf dem Südatlantik: Für die Passagiere des Luxusdampfers CAP ARCONA war es faszinierend, die PEKING unter vollen Segeln vorüberziehen zu sehen. Das Bild entstand wahrscheinlich 1929.
Die PEKING ist in traurigem Zustand, als sie auf der Caddell-Werft in Staten Island für den Transport im Dockschiff vorbereitet wird.
Im Sommer 2020 ist die Restaurierung der PEKING auf der Peters Werft in Wewelsfleth abgeschlossen.
So wie auf dem berühmten Gemälde von Johann Georg Stuhr (Ausschnitt) dürfte der Hafen auch noch Mitte des 18. Jahrhunderts ausgesehen haben, als Johann Laeisz nach Hamburg kam. Zunächst fand er Arbeit beim Wiederaufbau der durch Blitzschlag zerstörten Michaeliskirche (rechts).
1
EIN HUTMACHER ENTDECKT DAS ÜBERSEEGESCHÄFT
Wie Ferdinand Laeisz eine Handelsfirma aufbaut
Was den Schwaben Johann Laeisz (sprich Leiss) um die Mitte des 18. Jahrhunderts dazu veranlasst, Süddeutschland zu verlassen, um sein Glück in der Freien und Hansestadt Hamburg zu suchen, wissen wir nicht. Hamburg ist damals schon recht groß, 1787 leben bereits mehr als 100 000 Menschen innerhalb der Mauern, die die Stadt einst vor den Verheerungen des Dreißigjährigen Krieges bewahrt hat. Hamburg prosperiert, überall wird gebaut. Die wichtigste Baustelle befindet sich in der Neustadt, wo die 1750 durch Blitzschlag zerstörte Michaeliskirche neu errichtet wird. Das barocke Gebäude, das dort nach den Plänen von Ernst Georg Sonnin in den Himmel wächst und 1762 feierlich eröffnet wird, gilt mit seinem 1786 vollendeten, markanten klassizistischen Turm schon bald als Wahrzeichen, als weithin sichtbare Landmarke, an der sich die in den Hafen einlaufenden Schiffe orientieren. Auch Johann Laeisz findet Arbeit auf dem Bau der neuen Hauptkirche, wo er als Zimmerpolier tätig wird. Er lebt sich ein, heiratet und wird 1763 Vater eines Sohnes, den er Johann Hartwig nennt. Dieser eröffnet als junger Mann einen Laden, in dem er Kolonialwaren verkauft, also Produkte wie Kaffee, Tee oder Gewürze, die per Schiff aus fernen Weltgegenden nach Europa gebracht werden und nicht selten als Luxusgüter gelten.
Die Stadtrepublik Hamburg besitzt zwar keine Kolonien, verfügt aber über umfangreiche Handelskontakte, sodass der Umschlag von überseeischen Produkten im Hafen immer weiter zunimmt. Die Geschäfte scheinen gut zu gehen, Johann Hartwig Laeisz wird zwar nicht reich, aber ist immerhin gut situiert und gründet eine Familie. 1791 heiratet er Catharina Maria Greve und wird in den folgenden Jahren Vater von zehn Kindern. Der 1793 geborene Anton Bernhard eröffnet eine Buchhandlung, was in dieser von der Aufklärung geprägten Zeit eine gute Geschäftsidee ist, zumal in Hamburg. 1805 hat Friedrich Christoph Perthes am Jungfernstieg die erste reine Sortimentsbuchhandlung Deutschlands eröffnet, was die Hansestadt zum Trendsetter im Buchhandel macht.
Der zehn Jahre jüngere Carl Martin wird ein vielbeschäftigter Maler und Zeichner. Seine Stadtansichten und Landschaftsmotive lassen sich offenbar gut verkaufen. Der 1801 geborene Ferdinand scheint hingegen seinen Platz im Leben erst einmal suchen zu müssen. Dabei wird gerade er es sein, der später den enormen wirtschaftlichen Erfolg seiner Familie begründet. Als er die Nicolaischule zu Ostern 1815 verlässt, ist er 14 Jahre alt und will zur See fahren. Er heuert auf dem Blankeneser Schoner ELISABETH an, doch die Reise steht unter keinem guten Stern. „Aber nur einmal bin ich mit dem Schiffe in See gewesen, dann mussten wir wegen Havarie zurücklaufen, und mit meiner Seefahrerei war es zu Ende, da meine Eltern darauf drangen, ich solle ein Handwerk erlernen“, schreibt Ferdinand Laeisz in seinen Lebenserinnerungen. So tritt er bei dem Buchbinder Cornelius in die Lehre, macht aber keine guten Erfahrungen, da er wenig lernt und schlecht behandelt wird. Nach Abschluss der vierjährigen Lehre geht er erst einmal auf Wanderschaft, reist durch Deutschland, probiert sich dabei aus, macht Erfahrungen und lernt etwas von der Welt kennen. Zum Beispiel die Mode jener Zeit, in der die wohlhabenden Bürger immer mehr dazu übergehen, Zylinderhüte zu tragen. 1821 arbeitet er in einer ziemlich großen Buchbinderei in Berlin, die ihr Betätigungsfeld deutlich erweitert hat. Darüber schreibt er: „Dazu lernte ich auch nebenbei alle möglichen Galanteriearbeiten, und als damals gerade die seidenen Hüte in die Mode kamen, nahmen wir auch diesen Geschäftszweig auf, und erlangte ich darin eine Fertigkeit, welche mir später von großem Nutzen werden sollte.“ Hier scheint sich eine interessante Perspektive zu eröffnen.
Ferdinand Laeisz (1801–1878) war der Gründer der bis heute bestehenden Reederei. Diese Fotografie entstand 1867.
Als er auf dringenden Wunsch seiner Mutter am 24. März 1824 in die Heimatstadt zurückkehrt, übernimmt er aber erst einmal pflichtgemäß den „kleinen Handel mit holländischen Waaren“ im elterlichen Laden in den Kleinen Mühren 105. Das Geschäft läuft allerdings in dieser Zeit mehr schlecht als recht, und so erinnert er sich an die Zylinderhüte, die vor allem in farbigen Varianten gerade schwer angesagt sind. Sie werden mit Velpel, einem pelzartig anmutenden Seidensamt, bespannt. Da Ferdinand Laeisz geschickte Hände hat, fällt es ihm nicht schwer, solche Zylinder herzustellen. Eine richtige Werkstatt hat er zunächst nicht, er produziert die Hüte in seinem Elternhaus. Das befindet sich in der zwischen Rödingsmarkt und Alsterfleet gelegenen Herrlichkeit. Heute ist die einst recht noble Straße von einem Parkhaus überbaut. „Ich ging mit aller Macht an die Arbeit, so dass ich im Laufe des ersten Jahres kaum zehn Sonntage unbeschäftigt war und mir auch nachts nur den nötigsten Schlaf gönnte. Ich arbeitete deshalb so anstrengend, weil man allgemein der Meinung war, dass es mit den seidenen Hüten als einem Artikel vorübergehender Mode bald wieder vorbei sein würde, und auch weil ich keinen Gehilfen finden konnte, welcher sich auf die Arbeit verstand“, schreibt Laeisz in seinen Erinnerungen. Aber er täuscht sich, denn die Zylinder verkaufen sich nicht nur kurzzeitig, sondern dauerhaft so gut, dass die ortsansässigen Hutmacher die Stirn runzeln und sich überlegen, was man gegen diese neue Konkurrenz tun kann. Doch der junge Mann kennt die Spielregeln und nimmt den alteingesessenen Handwerkern buchstäblich den Wind aus den Segeln, indem er sich als Hutmacher offiziell anlernen lässt. Am 26. Mai 1826 legt er einer Kommission sein Meisterstück vor, an dem partout nichts auszusetzen ist. Außerdem heiratet er nur wenige Tage später Johanna Ulrike Catharina Kreutzburg, deren Vater ein Ältermann des Hamburger Hutmacheramtes ist – und zuvor gegen den späteren Schwiegersohn Klage geführt hat. Noch im selben Jahr erwirbt Ferdinand Laeisz das Hamburger Bürgerrecht. Nun kann niemand mehr etwas dagegen haben, dass er einen florierenden Handwerksbetrieb unterhält.
Vater, Sohn und Enkel machten im Lauf des 19. Jahrhunderts aus einer kleinen Firma eine Reederei von Weltruf: Die von dem Hamburger Maler Ernst Eitner gestaltete „Ahnentafel“ zeigt Ferdinand Laeisz, Carl Laeisz und den früh verstorbenen Carl Ferdinand Laeisz.
Der Hafen von Buenos Aires im 19. Jahrhundert. 1825 exportierte Laeisz erstmalig Zylinderhüte in die argentinische Hauptstadt.
Hamburg ist in jenen Jahren noch dabei, sich von den Folgen der Napoleonischen Kriege und der „Franzosenzeit“ zu erholen, in der die Stadt von 1806 bis 1814 von Frankreich besetzt und sogar annektiert worden ist. Nachdem die Kontinentalsperre dem Handel extrem geschadet und viele hanseatische Firmen in den Ruin getrieben hat, geht es jetzt wieder bergauf. Zwar ist Deutschland noch immer zersplittert und der Handel wird durch zahlreiche Zollschranken unnötig erschwert, aber durch die Industrielle Revolution, die in England begonnen hat und nun auch den Kontinent nach und nach erfasst, steigt die Warenproduktion und damit auch der wirtschaftliche Druck, Handelsschranken nach und nach zu beseitigen. Mit dem 1834 gegründeten Deutschen Zollverein werden die Weichen in Richtung eines einheitlichen Wirtschaftsgebiets gestellt, das freilich erst nach der Reichsgründung 1871 vollständig verwirklicht werden kann.
In dieser von Veränderungen geprägten Zeit kann Ferdinand Laeisz mit der Produktion der farbigen Zylinderhüte gutes Geld verdienen. Zunächst verkauft er diese Luxusartikel vor allem an Hamburger und Bremer Geschäftsleute und Senatoren. Dann kommt er aufgrund des geschäftlichen Erfolgs auf eine neue interessante Idee: „Nachdem ich so viel verdient hatte, dass ich mich auf weiter ausschauende Unternehmungen einlassen konnte, machte ich den Versuch, ein eigenes Geschäft über See aufzusetzen“, erinnert er sich. Er plant nun, die Zylinder ins Ausland zu exportieren, und gibt 1825 eine Ladung davon einem befreundeten Kapitän mit, der mit seinem Schiff nach Buenos Aires fährt. Dort stoßen die Hüte aus Hamburg auf allergrößtes Interesse und sind unter den wohlhabenden Geschäftsleuten sozusagen der letzte Schrei. Der Transport erweist sich allerdings als schwierig, weil die Zylinder ziemlich sperrig sind und in sicherer Verpackung viel Platz beanspruchen. Damit verursachen sie auch hohe Frachtkosten. Mit einem entfernten Verwandten, einem gewissen Bonne, bespricht Ferdinand Laeisz dieses Problem. Man erörtert auch die Bezahlung, die sich mitunter als kompliziert erweist, da die Abnehmer oft nicht das nötige Bargeld zur Hand haben und stattdessen mit den Naturprodukten bezahlen wollen, die damals als Kolonialwaren bezeichnet werden. Aber was soll ein Hutfabrikant damit anfangen? Um an Geld zu kommen, muss er sie verkaufen und diesen Verkauf auch möglichst schnell professionalisieren. Also bietet es sich an, selbst Im- und Export-Kaufmann zu werden – damals ein Beruf mit Zukunft.
Schließlich kommen Laeisz und Bonne überein, eine Firma in Buenos Aires zu gründen, die einerseits vor Ort produziert, aber auch Hüte – und bald außerdem andere Waren – aus Hamburger Produktion verkauft. Nachdem die Firma Laeisz & Bonne erfolgreich Fuß gefasst hat, expandiert Laeisz in Südamerika mit gleich mehreren Tochterfirmen. Bald gibt es Niederlassungen im brasilianischen Bahia, in Caracas, in Santiago de Chile, in Lima und auf Kuba. Nicht immer hat er mit seinen Partnern vor Ort Glück, so veruntreut der Geschäftsführer der Faktorei in Caracas in Venezuela das Firmengeld und nimmt sich anschließend das Leben. Trotzdem „war der Erfolg ein außerordentlich günstiger“, wie Laeisz zufrieden notiert, denn in Südamerika ist die Nachfrage nach Zylindern made in Hamburg enorm.
Seinen Namen erhält der Hut aufgrund seines zylindrischen Kopfes, der sich über einer festen Krempe erhebt. Die markante Form stammt aus England, von wo aus der Zylinder sich seit Anfang des 19. Jahrhunderts auch in Kontinentaleuropa verbreitet und bald als Symbol des gutsituierten Bürgers gilt. Da man sich in Südamerika gern an der europäischen Mode orientiert, ist dieser Hut dort sehr gefragt.
Das erste Reiseziel der Brigg CARL ist Rio de Janeiro, hier auf einem Gemälde des brasilianischen Malers Alessandro Cicarelli aus dem Jahr 1844 (Ausschnitt). Zur Ladung gehören Zylinderhüte, die bei modebewussten Herren Mitte des 19. Jahrhunderts enorm begehrt sind.
2
LAEISZ WAGT SICH AUFS MEER
Die schwierigen Anfänge der Reederei
Ende der 1820er-Jahre ist Ferdinand Laeisz das, was man heute als erfolgreichen Start-up-Unternehmer bezeichnen würde. Auch privat geht es ihm gut, am 27. April 1828 wird sein Sohn Carl Heinrich geboren, was sein „häusliches Glück dauernd begründet“. Es wird freilich sein einziges Kind bleiben. 1839 geht Ferdinand ein Wagnis ein, indem er der Lübecker Werft J. Meyer den Auftrag zum Bau eines eigenen Schiffs erteilt. Es soll eine Brigg sein, also ein Zweimaster, der mit 96 Commerzlasten vermessen wird, was etwa 220 Bruttoregistertonnen entspricht. Es ist ein ansehnliches Schiff, das auch seinen Preis hat. 42 000 Mark Banco kostet der Segler, der 1840 fertig ist. Sehr wahrscheinlich ist der damals zwölf Jahre alte Carl Laeisz stolz, denn das Schiff trägt seinen Namen. Nun kann sich Ferdinand Laeisz auch als Reeder fühlen, hat damit aber am Anfang anscheinend nicht sonderlich viel Glück. Von der Brigg CARL sind nur zwei Reisen bekannt, von der die erste nach Recife und nach Rio de Janeiro führt, während die zweite Guayaquil zum Ziel hat, den wichtigsten Hafen von Ecuador. Die Ladung besteht aus Stückgut und – natürlich – aus Zylindern mit farbigem Seidenbezug.
Höchstwahrscheinlich hat die CARL auch noch weitere Reisen unternommen, nur sind deren Ziele nicht überliefert worden. Offenbar ist das Schiff für Laeisz nicht besonders profitabel. Und das dürfte zum Teil auch daran liegen, dass das Aufnehmen und Löschen von Ladung in dieser Zeit noch eine recht mühselige Angelegenheit ist, die von der Mannschaft mit Muskelkraft erledigt werden muss. Da es noch kaum Agenten gibt, muss sich der Kapitän selbst um Verkauf und Kauf von Ladung kümmern – und das kann dauern. Allerdings verfügt Laeisz ja inzwischen in Südamerika über eine ganze Reihe von Niederlassungen, was Absprachen ermöglicht und das Geschäft erleichtert. Erfolgreiche Reeder, daran besteht kein Zweifel, brauchen ein festes Netz von Niederlassungen in Übersee. Dumm nur, dass ausgerechnet in den 1840er-Jahren der Absatz von Zylinderhüten deutlich zurückgeht. Zum Glück gibt es noch jede Menge andere Handelsgüter, die zwischen der Alten und der Neuen Welt transportiert werden.
Als im Mai 1842 in Hamburg der Große Brand ausbricht, reagiert Ferdinand Laeisz couragiert. Er lässt die Waren aus seinem Lager räumen und auf Schuten abtransportieren und setzt seine Angestellten erfolgreich zur Brandbekämpfung ein.
Die CARL liegt gerade in Hamburg und soll eigentlich wieder nach Südamerika auslaufen, als der Große Brand am 5. Mai 1842 in einem Haus an der Deichstraße ausbricht und weite Teile der Hansestadt vernichtet. Warenlager und Kontorhaus der Firma Laeisz liegen auf der Marschinsel Grimm im Mündungsgebiet der Alster in die Elbe, nur unweit vom Brandherd entfernt. Als das Feuer ausbricht, reagiert Ferdinand Laeisz schnell, couragiert und weitsichtig. Er trommelt seine Leute zusammen und lässt die wertvollen Güter, die übrigens nur unzureichend versichert sind, in Windeseile auf Schuten laden und so in Sicherheit bringen. Außerdem funktioniert er kurzerhand Rumfässer in Löschkübel um, die immer wieder aufs Neue mit Winden ins Dachgeschoss gezogen werden, von wo aus die Angestellten das Kontorhaus gegen die Flammen verteidigen – und das Nachbarhaus, dessen Bewohner zuvor in Panik geflohen sind, gleich mit. So bleibt die Firma von Verlusten verschont und ihr Besitzer gewinnt weiter an Ansehen. Dank seiner guten Südamerikakontakte wird er Konsul der Republik Peru und gehört damit ohnehin zu den Honoratioren der Hansestadt.
Gegen ungünstige politische Rahmenbedingungen ist aber auch Ferdinand Laeisz machtlos. Eigentlich ist es nämlich eine gute Geschäftsidee, mit der Tran-Großfirma Tietgen & Robertson zu kooperieren. Der beim Walfang gewonnene Tran ist Mitte des 19. Jahrhunderts äußerst begehrt, weil Tranleuchten ein viel helleres Licht spenden als die herkömmlichen Rüböllampen. Also beteiligt sich Laeisz 1843 mit 20 000 Mark Banco an der „Südsee Fischerey Compagnie zu Hamburg“. Mit der Bark HAMBURG und dem Vollschiff ELBE will man auf Walfang gehen, um anschließend den begehrten Tran gewinnbringend zu verkaufen. Da bricht 1848 der Konflikt zwischen dem Deutschen Bund und Schleswig-Holstein einerseits und Dänemark andererseits aus. Im Zuge dieser sogenannten Schleswig-Holsteinischen Erhebung blockiert die dänische Marine die Elbe, sodass der norddeutsche Seehandel zum Erliegen kommt. Eines der beiden Laeisz-Schiffe sitzt monatelang samt Besatzung und Ladung in England fest, die Walfang-Firma verdient kein Geld, schreibt tiefrote Zahlen und muss schon fünf Jahre nach ihrer Gründung wieder aufgelöst werden. Und auch die Brigg CARL wirft für Laeisz nicht den erhofften Gewinn ab, sodass er sich 1847 entschließt, sie wieder zu verkaufen. Bringen mir Schiffe einfach kein Glück? könnte sich Ferdinand Laeisz damals gefragt haben, ohne zu ahnen, dass seine große Karriere als Reeder damals noch vor ihm liegt.