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Wünsch dich ins Märchen-Wunderland
Märchen für Herz und Seele im Jahresreigen
Band 3
Martina Meier (Hrsg.)
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Impressum
Personen und Handlungen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt.
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© 2021 – Papierfresserchens MTM-Verlag GbR
Mühlstr. 10, 88085 Langenargen
Alle Rechte vorbehalten. Taschenbuchauflage erschienen 2021.
Herstellung und Lektorat: CAT creativ - cat-creativ.at
Illustrationen und Cover: © Elena Schweitzer
alle Bilder Adobe Stock lizenziert
ISBN: 978-3-99051-057-5 - Taschenbuch
ISBN: 978-3-99051-045-2 - E-Book
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Inhalt
Januar
Samuel und Caspar
Die drei Königsbrüder
Die drei, die dem Licht folgten
Die weise Königin
Februar
Mia und der Stern
Die Sternenbeschwörerin
Der Duft der Sterne
Die Sternenprinzessin
Der Wunschstern
Herz aus Gold
Februar
Das Mädchen auf dem Stern
März
Das Lächeln
Seefee, die Mondelfe
Eine intergalaktische Liebesgeschichte
Der Katzenmond
Träume werden wahr
April
Der größte Schatz
Ein unglaublicher Wunsch
Die kleine Meerjungfrau
Ayana
Nixi in Nöten
Der größte Schatz
Die Meeresprinzessin
Milly, die mutige Meerjungfrau
Prinzessin Karolina
Mai
Herz aus Stein
Die Nacht, in der die Motte das Licht fand
Das Mädchen und die Kröte
Wie die Muscheln ins Meer kamen
Die Rettung der Eichhörnchen
Das verlorene Herz
Clara und der Troll
Das Wunschtraum-Herzmädchen
Juni
Der König und die Nachtigall
Wo ist das Märchen-Wunderland?
Die Geschichte von Melina und Alicia
Das Buch der Wahrheit
Die verzauberte Muschel
Aus dem alten Märchenbuch
Eine ganz andere Welt
Das Buch
Die fliegende Prinzessin
Aras, M und alle die anderen
Süßer Brei
Das geheimnisvolle Buch
Die Pforte des Wissens
Hilfst du mir, helfe ich dir
Die Buchstabensammlerin
Das fremde Reich
Wie das Feenhaus ins Lexikon kam
Die zwei Spatzen
Die große Rettung
Juli
Der Geist der alten Villa
Das Haus der Rattendrachen Familie
Die Sage von den Zeterklippen
Mein Märchenschloss
Das Haus der Zeit
Trollregen
August
Herzlich willkommen!
Das Märchen vom klugen Schaf
Wolf und Geißlein
Die kleine Hexe Ringelschlingel
September
Eine erleuchtete Nacht
Alena, Mädchen der Sterne
Die Drachengeschichte
Mein Freund, der Wolf
Oktober
Der Wald der Erinnerungen
Fleur zaubert wieder
Der verzauberte Stein
Königssohn und Bauerntochter
Die kluge Kräuterfrau
Streiten macht einsam
Die verzauberte Prinzessin
Fee Laras Wunsch
Oktober
November
Der Diamant der Erde
Das kleine Monster, das nicht grün sein wollte
Das seegrasgrüne Seemonster
Das Kuschelmonster
Das Ungeheuer auf dem Dachboden
Das Monster im Schrank
Schneety
Darko und das Zauberwort
Monsteralarm im Märchenland
Der Wecker
Im Märchenland
Niko und die Hexe
Dezember
Die Schneeprinzessin Kristella
Gustje auf dem Weihnachtsmarkt
Das 24. Türchen
Das Märchen von der Schneeprinzessin
Rotkäppchens Glück
Mias großer Wunsch
Die verschwundene Adventsglocke
Käthe, die mutige Christbaumkugel
*
Januar
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Samuel und Caspar
Es war einmal ein kleiner Hirtenjunge, sein Name war Samuel. Er lebte in der Nähe von Bethlehem zusammen mit einigen anderen Hirten und den Schafen auf den Weiden. Samuel war sehr traurig, die anderen Hirten waren raue Gesellen und bis auf den alten Jakob nicht gut zu ihm. Außer dem alten Mann gab es niemanden, der sich um ihn kümmerte. Selbst seine Mutter nicht, für die war er eine Last und deshalb hatte sie ihn zu den Hirten gebracht.
Und so saß Samuel wieder einmal in einer kalten Nacht am Feuer, das er bewachen sollte, und grübelte. Da war doch in seinem Kopf und auch in seinem Herzen ein kleiner Funke Hoffnung. Er hatte etwas Großes erleben dürfen, den Besuch an der Krippe, gleich nach der Geburt des Jesuskindes, von dem man sagte, dass es der Retter der Welt sei.
Es waren noch andere Besucher im Stall von Bethlehem gewesen. Da waren drei Männer, man sagte, sie kämen aus dem Morgenland. Prächtige Gewänder trugen sie, nicht so dreckige stinkende Lumpen wie er und die anderen Hirten. Wertvolle Geschenke hatten sie dem Jesuskind mitgebracht, Weihrauch, Myrrhe und Gold. Es mussten schlaue reiche Leute sein. Einer von ihnen fiel Samuel besonders auf. Er hatte eine ganz dunkle Hautfarbe, so einen Menschen hatte Samuel noch nie gesehen. Die anderen Hirten hatten ihn auch bemerkt und machten sich lustig über ihn. Das fand Samuel nicht gut, er ging zu dem dunkelhäutigen Mann und wollte ihn trösten.
„Mach dir nichts daraus, sie wissen es nicht besser“, sagte er, „mich hänseln sie auch immer. Darf ich dich etwas fragen: Wo kommt ihr her, wer seid ihr und warum siehst du so anders aus?“
Der dunkle Mann lächelte und begann zu erzählen: „Ich bin Caspar, die beiden andern heißen Melchior und Balthasar. Wir kommen aus dem Morgenland und sind einem Stern gefolgt und der hat uns hierhergeführt zum Jesuskind. Weißt du, jeder Stern am Himmel hat eine Aufgabe. Oft nur eine ganz kleine, manchmal eine größere und dieser Stern hatte eine ganz große wichtige Aufgabe. Du siehst so traurig aus, was ist los, willst du es mir erzählen?“
Samuel war erstaunt, wie kam es, dass dieser fremdländische Mann bemerkte, dass es ihm nicht gut ging. Er fasste sich ein Herz, berichtete von seiner Mutter, die ihn nicht haben wollte, von Hirten, die ihn ausnutzen, auslachten und herumkommandierten. Und er erzählte sogar von seinem größten und geheimsten Wunschtraum, das Schreiben zu erlernen und ein gebildeter, wohlhabender Mann zu werden.
Caspar hatte gut zugehört und sprach: „Es gab vor einigen Jahren einen Jungen, ungefähr so alt wie du, nennen wir ihn Ben, dessen Geschichte möchte ich dir erzählen. Da, wo er lebte, war es gerade für Kinder sehr gefährlich. Böse Männer aus einem fernen Land, in dem es Kannibalen gab, waren gekommen, um kleine Jungen zu entführen. Bens Eltern wollten ihren Sohn schützen und gingen mit ihm an den großen Fluss, der nordwärts zum Meer fließt, zu einem Mann mit einem Boot. Dem gaben sie viel Geld und der Mann brachte Ben und noch einige andere Kinder in eine große Stadt am Meer. Da stand er, ohne Geld und ohne Essen. Was nun? Er irrte ein paar Tage durch die Stadt, klaute sich etwas zu essen und schlief in dunklen Ecken. Schließlich traf er einen Mann, eine finstere Gestalt. Der wollte Güter, die auf einem Boot im Hafen angekommen waren, durch die Wüste ostwärts an einen der größten Flüsse des Morgenlandes bringen. Dafür suchte er Kamele und Helfer und einen Jungen der nachts auf die Kamele aufpasste. Und dieser Junge sollte Ben sein. So zog er also mit der Karawane durch die Wüste und hatte wenigstens etwas zu essen. Die Männer waren nicht gut zu ihm, hänselten ihn, weil er so eine dunkle Haut hatte, ganz anders als alle andern aussah und er ihre Sprache nicht verstand. Wenn er nachts Wache hielt, kamen wilde Tiere oder Räuberbanden, welche die Karawane überfallen wollten. Ben musste höllisch aufpassen und rechtzeitig die anderen warnen. Zum Glück gelang ihm das immer. Wenn es ruhig war und er am Feuer saß, versuchte er, die fremde Sprache zu lernen. Als sie nach vielen Tagen in der Stadt am großen Fluss ankamen, stand dort ein Herr, der die Waren haben wollte. Ben half ihm, die Güter in sein Haus zu tragen, und machte sich gleichzeitig große Sorgen, weil er nicht wusste, wie es mit ihm weitergehen sollte. Das musste der Herr bemerkt haben, denn plötzlich bot er ihm einen Platz in seinem Hause an. Leichte Arbeiten und Botengänge sollte er verrichten, weil er so fleißig und so geschickt war. Von nun an ging es Ben gut und es kam noch besser. Eines Tages meinte der Herr, er hätte bemerkt, dass Ben ein intelligenter Junge sei und es wäre doch gut, wenn er schreiben und lesen lernte. Und er brachte ihn in ein Haus, das fast ein Palast war, dort gab es Gelehrte und Jungen, die etwas lernen wollten. Es waren Söhne von wohlhabenden einflussreichen Menschen und wieder bekam Ben zu spüren, dass er anders aussah und aus einem fremden Land kam, diesmal waren es Neid und Missgunst. Aber Ben ließ sich nicht beirren, er lernte schnell und viel. Die Sternenkunde interessierte ihn besonders. Es dauerte nicht lange, bis einer der wichtigsten Sterndeuter weit und breit war. Er wurde wohlhabend und hatte ein eigenes Haus und gab sein Wissen weiter, ohne etwas dafür zu verlangen. Jungen, die in Not waren, wurden seine Schüler. Ab und zu ging er mit anderen Sterndeutern einem Stern nach.“
Caspar holte tief Luft, bevor er weitersprach: „Ich muss nun gehen, Balthasar und Melchior wollen weiterziehen. Ich wünsche dir alles Gute und dass du aus deiner kläglichen Lage herauskommst. Denk mal über die Geschichte von Ben nach.“
Die Nacht war fast herum und Samuel hatte etwas beschlossen. Je länger er nachdachte, umso mehr wurde ihm klar, dass Caspar seine eigene Geschichte erzählt hatte und ihm Hoffnung machen wollte. Ben war nun bereit, sein kümmerliches Leben bei den Hirten aufzugeben und loszuziehen in eine hoffnungsvollere Zeit.
Der alte Jakob war aufgewacht und kam zu ihm. Samuel fragte: „Jakob, wo ist das Morgenland?“
„Im Osten“, antwortete Jakob, „da, wo gerade die Sonne aufgeht, deshalb heißt es Morgenland.“
„Dann gehe ich jetzt der Sonne entgegen“, sagte Samuel. „Schalom Jakob.“
Margret Küllmar, geb. 20.06. 1950, aufgewachsen auf einem Bauernhof in Nordhessen, nach der Schule Ausbildung in der Hauswirtschaft, dann Lehrerin an einer Berufsschule, jetzt im Ruhestand, schreibt Kurzgeschichten und Gedichte. Veröffentlichungen in zahlreichen Anthologien und von drei eigenen Lyrikbänden.
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Die drei Königsbrüder
Es waren einmal drei Brüder, von denen herrschte jeder über ein eigenes Königreich. Denn die drei waren Drillinge, und als ihr Vater, der König, vor einigen Jahren gestorben war, wurde das Königreich unter den drei Brüdern aufgeteilt.
Nun begab es sich eines Tages, dass ein fremder Bote in alle drei Königreiche reiste und jedem der Brüder dieselbe Nachricht überbrachte. Sie war von einem mächtigen König aus einem fernen Land, der verzweifelt nach einem Ehemann für seine Tochter suchte. Daher lud er die drei Brüder zu sich in den Palast ein und jeder von ihnen sollte der Prinzessin ein Geschenk mitbringen. Da keiner der drei bisher eine Frau gefunden hatte, waren sie glücklich über diese Botschaft und machten sich gleich am nächsten Morgen auf den Weg zum Palast des Königs.
Nach einer Reise von drei Tagen erreichten sie endlich das fremde Königreich. Dort im Palast wurden sie festlich empfangen und sahen zum ersten Mal die Prinzessin. Sie saß dort neben dem König und war wunderschön in ihrem prunkvollen blauen Kleid. Doch ihr Blick war traurig und sie lächelte nicht ein einziges Mal, seit die drei Brüder da waren.
„Willkommen in meinem Königreich, weit gereiste Freunde“, sagte der König zu den dreien. „Ich hoffe, eure Reise war angenehm. Dies ist mein ganzer Stolz. Meine Tochter Mirella.“ Er zeigte zu seiner Rechten. „Schon viele Könige und Fürsten kamen hierher, um meine Tochter zu gewinnen. Doch keiner hat es bisher geschafft. Seid also gewarnt. Mirella ist nicht leicht zu beeindrucken. Nun, tretet vor und zeigt uns, was ihr für Geschenke mitgebracht habt.“
Es machte also der erste Bruder einen Schritt auf die Prinzessin zu und holte eine kleine, juwelenbesetzte Schmuckkiste aus seinem Rucksack hervor. „Schöne Mirella, in meinem Königreich blühen der Handel und das Geschäft. Ich bin der reichste der Brüder und mit mir an deiner Seite werden dir die schönsten Schätze dieser Welt gehören“, sagte er und als er zu Ende gesprochen hatte, öffnete er die Schmuckkiste. Zum Vorschein kam eine strahlende Kette aus purem Gold.
„Das nenn ich mal ein Geschenk einer Königstochter würdig“, sagte der Vater der Prinzessin erfreut.
„Es ist die beste Arbeit meines teuersten Goldschmiedes. Ein ganzes Jahr hat er daran gearbeitet“, sagte der erste Bruder und legte der Prinzessin die Kette um den Hals. Da sie aus purem Gold war, war sie sehr schwer und zog ihren Kopf ein wenig Richtung Boden. Die Prinzessin sprach kein Wort und bedankte sich nur mit einem kurzen Nicken. Verwundert und enttäuscht entfernte sich der erste Bruder und der zweite Bruder trat hervor.
Der zweite Bruder öffnete seinen Mantel und zog ein großes Schwert aus der Scheide hervor. „Teuerste Prinzessin, in meinem Königreich werden die besten Soldaten und Waffenschmiede des ganzen Landes ausgebildet. Mit mir an deiner Seite seid Ihr stets sicher und wir werden die Stärke haben, andere Königreiche zu erobern. Nehmt dieses Schwert aus Drachenstahl als Symbol meiner Macht“, sagte der zweite Bruder, kniete sich vor die Prinzessin und bot ihr das Schwert an.
Wieder war der Vater der Prinzessin erfreut und sagte: „Mit ihm könntest du eine mächtige Königin werden, Mirella.“
Die Prinzessin nahm das Schwert zwar in die Hand, bedankte sich jedoch wieder nur wortlos mit einem kurzen Nicken. Da das Schwert viel zu schwer für sie war, wurde ihr gesamter Körper zur rechten Seite gezogen. Auch der zweite Bruder hatte scheinbar mehr erwartet und ging enttäuscht zurück.
Nun trat der dritte und letzte Bruder zögerlich hervor. „Liebe Mirella, mein Königreich ist weder besonders reich noch besonders mächtig“, sagte er und holte ein braunes Tuch aus seinem Rucksack. Er wickelte es aus und hielt nun eine kleine hölzerne Sanduhr in seiner Hand.
„So willst du eine Prinzessin beeindrucken?“, fragte der Vater empört und die beiden anderen Brüder lachten darauf im Hintergrund.
„Ich habe diese Sanduhr für euch geschnitzt“, sagte der dritte Bruder. „Denn ich möchte dir meine Zeit schenken. Wir können uns kennenlernen und durch die wunderschöne Natur meines Königreiches streifen.“
Als die Prinzessin ihn bloß starr und wortlos anblickte, senkte der dritte Bruder enttäuscht den Kopf und entfernte sich mit der Sanduhr in der Hand. Doch auf einmal war ein Klirren und Scheppern im Palast zu hören. Der dritte Bruder drehte sich noch einmal um und sah, dass die Prinzessin sowohl die Kette als auch das Schwert zu Boden geworfen hatte. Und noch etwas sah er. Zum ersten Mal an diesem Tag lächelte die Prinzessin.
„Sehr gerne nehme ich dein Geschenk an und verbringe Zeit mit dir in deinem Königreich“, sagte die Prinzessin und streckte ihre Hand aus.
Daraufhin ging der dritte Bruder glücklich zu ihr und überreichte ihr die kleine Sanduhr.
„Auch wenn ich deine Entscheidung nicht verstehe, heiße ich sie trotzdem gut, denn selten habe ich dich so glücklich gesehen, meine Tochter“, sagte der Vater der Prinzessin.
So ging die Prinzessin Mirella mit dem dritten Bruder zurück in sein Königreich und sie verbrachten viel Zeit miteinander. Nach etwa einem Jahr heirateten die beiden und verbrachten ein ruhiges und glückliches Leben zusammen.
Marvin Czerlinski wurde 1993 in Witten geboren und lebt, studiert und schreibt in Kassel.
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Die drei, die dem Licht folgten
Einst sagte man, dass ein kleiner Junge zur Welt kommen sollte, den man schon ungeduldig erwartete. Leute erzählten von ihm, dass er der Größte der Größten würde, ein richtiger Halbgott. Man sagte, dass er die Menschen von der Dunkelheit zurück ins Licht führen und ihre Schulden erlassen könnte. Keiner konnte sich wirklich vorstellen, was das bedeuten würde. Und niemand wusste, dass sie ohne ihn verloren wären. Die Menschen hatten so viel Böses getan, dass ihre Schuld sie träge und traurig machte. Und da sie nun alle so träge und traurig waren, taten sie noch mehr Böses und vergaßen ganz und gar, was eigentlich wichtig war im Leben. Doch der kleine Halbgott wurde schon im Himmel darauf vorbereitet, es sie zu lehren.
So viel wurde von dem Jungen geredet, noch bevor er zur Welt gekommen war, dass der Machthaber sich Sorgen um seinen eigenen Ruhm machte und eifersüchtig auf das Baby wurde. Der böse Herrscher schickte nach dem unbekannten Jungen, ließ Tausende Neugeborene entführen und bedrohte die armen Bürger. Er wollte nicht, dass ein Knabe in seinem Reich lebte, der mächtiger werden könnte, als er es selbst war. Die Bauern und Arbeiter, die in dem Land lebten, fürchteten sich und versteckten ihre Kinder, um sie vor dem sicheren Tod zu bewahren.
Doch ungeachtet der schaurigen Geschehnisse ließen sich drei weise Männer nicht davon abhalten, den kleinen Halbgott zu finden. Sie waren es nämlich, die all die großen Prophezeiungen in die Welt gesetzt hatten. Sie waren es, die wussten, was passieren würde, noch bevor es so weit war. Alt und weise, wie sie waren, hatten sie sich schon frühzeitig auf den weiten Weg in die Wüste gemacht, wo der kleine Junge bald zur Welt kommen sollte. Sie wanderten monatelang, nur mithilfe eines großen Lichtes am Himmel, in eine Richtung. Nichts konnte sie aufhalten und niemand konnte sie von ihrem Vorhaben, den kleinen Jungen mit eigenen Augen zu sehen, abhalten. Sie wollten ihm unbedingt ihre Geschenke bringen und sein Leben segnen, sodass er seine Aufgabe erfüllen konnte, wie es vorausgesagt worden war. Und sie hatten so viel Liebe für ihn im Gepäck, dass sie beinahe platzten. Denn sie kannten ihn, bevor er geboren war. Und sie liebten ihn, bevor er sie hätte lieben können.
Aber es gab ein Problem. Denn so reich sie auch an Weisheit und Alter waren, so fehlte es ihnen doch an allem anderen. Niemand kannte sie, denn sie lebten im Verborgenen. Und niemand half ihnen, denn man hielt sie für Bettler. Engstirnig und stur, wie die Leute waren, kamen sie nicht auf die Idee, fremden Reisenden Hilfe anzubieten, ihnen Essen oder einen Schlafplatz zu geben. Und so war ihre Reise lange und beschwerlich. Der eine war weither aus dem Osten gekommen, der andere aus einem anderen Reich weiter nördlich und der dritte aus den höchsten Bergen der Welt. Sie hofften und bangten, dass sie es rechtzeitig zur Geburt des Kleinen schaffen würden, ihr Ziel zu erreichen. Denn nur sie wussten, wie wichtig es sein würde, dass der Junge ihren Segen erhielt, bevor ihn die Soldaten des Machthabers entdeckten. Und sie durften es niemandem erzählen. Hätte auch nur einer der Soldaten erfahren, dass der Halbgott ihren Segen benötigte, um in der Welt groß zu werden, wäre alles getan worden, um die drei Weisen aufzuhalten. Mit Sicherheit hätte man sie ins Gefängnis gebracht und dort verrotten lassen. Also ließen sie sich nicht anmerken, dass sie heimliche Könige waren. Sie kleideten sich unauffällig und sahen aus wie arme Leute.
Es blieb ihnen nichts anderes übrig, als Tag um Tag weiterzugehen und darauf zu vertrauen, dass ihr Bauchgefühl stimmte, dass das Licht am Himmel sie an den rechten Ort bringen würde.
Eines Tages, sie waren schon weit gekommen, hörten sie die ersten Gerüchte der Geburt des Jungen. Sie wurden unsicher und dachten bei sich, dass sie zu spät wären und der Kleine verloren wäre. Doch der unter ihnen mit der dunklen Haut, der weit aus dem Osten gekommen war, redete den anderen beiden gut zu. Er erinnerte sie daran, wie wichtig ihr Beitrag für den Erfolg der Mission war und dass der Halbgott bestimmt nicht schon zur Welt gekommen wäre, ohne sie darüber zu informieren. Das half den anderen sehr und sie fassten neuen Mut, weiterzureisen. Doch insgeheim machte auch er sich Sorgen.
Immer mehr kleine Jungen wurden entführt und immer mehr Familien auseinandergerissen. So schlimm wurde es, dass die drei Weisen an ihrem Plan zu zweifeln begannen. Was, wenn ihr Vorhaben falsch war? Was, wenn sie mehr Übel verursachen denn Gutes auslösen würden? Sie wollten ihre Prophezeiungen rückgängig machen, sodass niemand mehr sein Leben deshalb verlieren müsste. Doch es war zu spät und das wussten sie. Die Bosheit der Menschen nahm zu, alle dachten nur noch an sich selbst und Nächstenliebe wurde zum Fremdwort. Übel um Übel wurde getan und scheinbar unbestraft gelassen. So sehr geriet die Welt in Ungleichgewicht, dass die Ankunft des Halbgottes nicht mehr lange auf sich warten lassen konnte.
„Beeilen wir uns!“, sagten die drei Weisen sich und nahmen sich Esel, um schneller voranzukommen. Doch es war mitten im Sommer und heiß am Rande der Wüste. Die Esel schleppten sich mutig voran, denn auch sie wollten ihren Beitrag leisten und nicht versagen.
Und dann war es endlich so weit. Das große Licht am Himmel hielt an und zeigte damit den drei Weisen, dass sie an ihrem Ziel angekommen waren. Bei einem abgelegenen, kleinen Ort machten sie Halt und erkundigten sich nach dem frisch geborenen Jungen. Doch niemand wusste etwas, denn die Mutter fürchtete um sein Leben und hatte die Geburt geheim gehalten.
Mitten in der Nacht fanden die drei Weisen schließlich den Eingang zu einer versteckten Scheune, in der der kleine Halbgott still und heimlich lag. Gebettet inmitten von Stroh, umgeben von Tieren, lag er da und wartete auf sie.
„Wir haben es geschafft! Er ist es! Jetzt wird alles gut!“, riefen sie, sprangen zu ihm und zeigten sich schließlich in ihrer wahren Gestalt. Ein jeder von ihnen war nun hübsch und reich gekleidet. Einer trug ein rotes Gewand und eine rote Krone, der andere hatte ein aufwendiges grünes Gewand und eine goldene Krone und der letzte war von Kopf bis Fuß in königlichem Violett gekleidet. Sie übergaben dem kleinen Jungen ihre Geschenke und knieten vor ihm nieder.
„Wir segnen dich und dein Leben, oh kleiner Gott! Von weit her sind wir gekommen, um dich in der Welt willkommen zu heißen. Mögest du genug lange leben, dass alle Prophezeiungen erfüllt werden können, und mögest du die Menschen lehren, was wichtig ist im Leben. Denn wir haben dich geliebt, bevor du bei uns warst. Und sie werden dich lieben, nachdem du wieder gegangen sein wirst.“
Und so wurde doch noch alles gut.
Adhikari Nadine wurde 1992 in Muttenz geboren und wuchs im schönen Baselland auf. Das Schreiben ist ihre Leidenschaft und größte Passion.