Czytaj książkę: «Die Prinzessin von Clèves», strona 2

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Fräulein von Chartres hatte ein gutes und edles Herz. Das Benehmen des Prinzen erfüllte sie mit wahrer Erkenntlichkeit, und diese gab ihrer Antwort einen gewissen sanften, und gütigen Ton, der hinreichte, einem Manne mit so viel Liebe im Herzen sehr angenehme Hoffnungen zu erwecken. Sie theilte ihrer Mutter diesen Auftritt mit, und diese sagte ihr: sie fände so viel Glanz und große Vorzüge an dem Prinzen, und er entwickelte so viel Erfahrung und Klugheit für seine Jahre, daß sie mit Freuden einwilligen würde, wenn sie Neigung fühlte, sich mit ihm zu verbinden. Fräulein von Chartres erwiederte: daß sie dieselben Vorzüge an dem Prinzen bemerkte, und daß sie lieber ihm als jedem andern ihre Hand geben würde, daß sie aber keinen besondern herzlichen Zug für ihn fühlte.

Den folgenden Tag ließ der Prinz der Frau von Chartres seinen Antrag thun. Sie nahm ihn an und fürchtete nichts, daß sie ihre Tochter einem Manne gab, den sie nicht liebte. Der Ehevertrag war geschlossen, man benachrichtigte den König davon und die Vermählung ward erklärt.

Der Prinz von Cleves war glücklich, aber nicht ganz zufrieden. Er sahe mit Unruhe, daß die Empfindungen des Fräuleins für ihn, Achtung und Erkenntlichkeit blieben, und er konnte sich nicht schmeicheln, daß sie anziehendere verbärge, weil sie bey dem Verhältnisse, worin sie jetzt standen, dieselben kund geben konnte, ohne ihrer ausserordentlichen Sittsamkeit untreu zu werden. Er beklagte sich fast täglich gegen sie darüber.

„Sie fühlen für mich nur eine Art von Gefälligkeit,“ sagte er zu ihr: „die für mein Herz nicht genug ist. Sie zeigen weder Unruhe, noch Ungeduld, noch Verlangen. Meine Liebe wirkt nur so auf Sie, als eine Anhänglichkeit wirken würde, die sich nur auf Ihr Vermögen und nicht auf Ihr persönlichen Vorzüge gründete.“

Ihre Klagen sind ungerecht, erwiederte sie: Ich weiß nicht, was Sie über das, was ich thue, noch zu wünschen haben, und es scheint mir, daß der Wohlstand mir nicht erlaubt, mehr zu thun.

,,Es ist wahr,“ versetzte er: „Sie lassen mich etwas vermuthen, das mich ganz zufrieden machen könnte, wenn es wirklich da wäre. Der Wohlstand hält Sie nicht zurück, vielmehr ist er es, der Sie bestimmt, das für mich zu thun, was Sie thun. Ich habe weder Ihre Neigung noch Ihre Liebe gewonnen, und meine Gegenwart macht Ihnen weder Freude noch Unruhe.“

Sie können unmöglich zweifeln, sagte sie: daß ich mich nicht freuete, wenn ich Sie sehe, und ich werde bey Ihrem Anblicke so oft roth, daß Sie wohl eben so wenig ungewiß seyn können, ob mich Ihre Gegenwart unruhig macht oder nicht.

„Ich erkläre mir Ihr Erröthen richtig,“ erwiderte er: „es entsteht aus einer Regung Ihrer Sittsamkeit und nicht Ihres Herzens, und ich ziehe nur den Vortheil daraus, den ich daraus ziehen muß.“

Fräulein von Chartres wußte nicht, was sie hierauf antworten sollte. Diese feine Unterscheidungsart ging über ihre Kenntnisse und Erfahrung. Der Prinz sah klar genug, daß sie nicht genug zu seiner Befriedigung für ihn fühlte, da sie nicht einmahl zu begreifen schien, was diese für ihren Genuß verlangte.

Der Chevalier von Guise kam wenige Tage vor der Hochzeit von einer Reise zurück. Er hatte gegen seinen Plan zu einer Verbindung mit dem Fräulein von Chartres sich so viel Hindernisse häufen sehen, daß er dessen Ausführung nicht hoffen konnte; dennoch schmerzt' es ihn empfindlich, sie in den Armen eines Andern zu sehen, und dieser Schmerz konnte seine Liebe nicht unterdrücken. Dem Fräulein von Chartres waren seine Gefühle für sie nicht unbekannt geblieben. Er ließ es sie wissen, als er zurückkam, daß sie die Veranlassung zu der Schwermuth wäre, die sich in seinem Wesen zeigte, und er hatte so große Verdienste und gesellschaftliche Vorzüge, daß es schwer war, ihm Schmerz zu erwecken, ohne Mitleid für ihn zu fühlen. Dieß fühlte sie auch, aber zu andern Empfindungen führte es sie nicht. Sie entdeckte ihrer Mutter, wie leid ihr die Unruhe des Chevaliers thäte.

Frau von Chartres bewunderte die Offenherzigkeit ihrer Tochter, und mit Recht: nie muß sie ein Mädchen so ungekünstelt und in dem Grade besessen haben; aber eben so sehr wunderte es sie, daß ihr Herz seine Freyheit behauptete, um so mehr, da sie wohl sahe, daß der Prinz von Cleves eben so wenig auf sie gewirkt hatte, als alle übrige. Deßhalb suchte sie mit großer Sorgfalt sie an ihren Gemahl zu knüpfen und ihr begreiflich zu machen, daß sie ihm viel schuldig wäre, da er sie, noch ohne sie zu kennen, geliebt, und sie allen übrigen Partien vorgezogen hätte, zu einer Zeit, wo niemand an sie zu denken wagte.

Die Heirath ward vollzogen. Die Trauung geschah im Louvre. Der König und die Königinn kamen mit dem ganzen Hofe zum Souper bey der Frau von Chartres, die sie mit außerordentlicher Pracht bewirthete. Der Chevalier konnte sich, ohne aufzufallen, dem Feste nicht entziehen; aber er war seiner Schwermuth so wenig Meister, daß sie ohne Mühe bemerkt werden konnte.

Der Prinz von Cleves fand nicht, daß seine Gemahlinn mit dem Nahmen auch ihre Gefühle verändert hätte. Als Gemahl erhielt er große Rechte über sie; aber in ihrem Herzen keine andere Stelle. Daher kam es, daß der Gemahl Liebhaber blieb: Immer blieb ihm noch etwas über ihren Besitz hinaus zu wünschen übrig, und so vollkommen gut sie auch mit ihm lebte, war er doch nicht ganz glücklich. Er behielt eine heftige und unruhige Leidenschaft für sie, die seine Freude trübte. Eifersucht hatte keinen Theil daran: denn nie muß ein Mann so wenig gestimmt gewesen seyn, sie zu fassen, und ein Weib, sie zu erwecken. Und doch war mitten am Hofe Gefahr für sie. Sie war alle Tage bey den Königinnen und bey der Schwester des Königes; alles, was jung, liebenswürdig und eroberungssüchtig war, kam zu ihr, oder fand sie bey dem Herzoge von Nevers, ihres Mannes Bruder, dessen Haus jedermann offen stand. Aber in ihrem Wesen lag so viel ehrfurchterweckendes und so viel Abneigung gegen Liebschaften, daß selbst der Marschall von Saint-Andre, der als Günstling des Königs sehr unternehmend war, die Wirkung, die sie auf ihn gethan, nur durch Aufmerksamkeit und Diensteifer kund zu geben wagte. Vielen andern ging es wie ihm. Frau von Chanres wachte, neben dem vorsichtigen Benehmen ihrer Tochter, noch über die mindesten Regeln des Wohlstandes so genau, daß eine Annäherung an sie vollends unmöglich schien.

Während dieß am Hofe vorging, war der Herzog von Nemours zu Brüssel und mit einem großen Plane beschäftigt. Der Graf von Randan, der vom Könige nach England gesandt worden war, um der Königinn Elisabeth wegen ihrer Thronbesteigung in seinem Nahmen Glück zu wünschen, hatte unter andern die Beobachtung von daher zurückgebracht, daß die neue Königinn, neben ihrer genauen Kenntniß von dem Systeme des französischen Hofes, von dem Rufe des Herzogs von Nemours so voll gewesen, und so oft von ihm gesprochen habe, daß er alles über sie vermögen, und daß er wohl gar ihr Gemahl werden könnte. Der König sprach noch den ersten Abend mit dem Herzoge darüber, und ließ ihm von dem Grafen von Randan alles erzählen. Er glaubte, der König scherzte, als er aber das Gegentheil sah, sagte er: Wenn ich mich, um Ew. Majestät zu gehorchen und zu dienen, mit diesem abenteuerlichen Unternehmen befasse, so bitte ich Sie, es so lange geheim zu halten, bis der Erfolg mich rechtfertigt. Ich möchte ungern so eitel scheinen, daß ich mir einbilden könnte, eine reitzende Königinn, die mich nie gesehen, könnte mich aus Liebe heirathen wollen. — Der König versprach es ihm, und der Graf von Randan gab ihm den Rath, nach England überzusetzen, unter dem ungekünstelten Vorwande, daß er reiste; aber dazu konnte sich der Herzog nicht entschließen. Er schickte seinen Liebling Lignerolles, einen jungen fähigen Mann, nach England, um die Königinn auszuforschen, und eine Verbindung anzuknüpfen, während er nach Brüssel reiste, um den Herzog von Savoyen, der mit dem Könige von Spanien dort war, zu besuchen. Hier empfing er Couriere aus England, und sandte dergleichen dahin. Seine Hoffnung stieg mit jedem Tage, und endlich meldete ihm Lignerolles, daß es nun Zeit sey, durch seine Gegenwart zu vollenden, was so glücklich angefangen wäre. Diese Nachricht machte ihm so große Freude, als sie ein junger ehrgeiziger Mann fühlen mußte, der sich durch seinen bloßen Ruf zu einem Throne geführt sieht. Sein Geist hatte sich allmählig an die Vorstellung dieses hohen Glückes gewöhnt, und was er vorher als unausführbar verwarf, hatte sich mit seiner Einbildungskraft zuerst, und als diese die Hindernisse überschleyert hatte, auch mit seinem Verstande zu vereinigen gewußt.

Er schickte ohne Aufschub einen Courier nach Paris, um einen prächtigen Wagen zu bestellen, damit er in einem Glanze in London erschiene, der seinem großen Plane angemessen wäre; und er selbst eilte, nach Hofe zu kommen, um dem Beylager des Herzogs von Lothringen mit der zweyten Tochter des Königs beyzuwohnen. Er kam den Tag vor dem Verlöbniß an, berichtete noch denselben Abend dem Könige, wie es mit seinem Vorhaben stände, und bath um Rath und Befehle in Absicht dessen, was noch zu thun wäre. Darauf verfügte er sich zu den Königinnen. Die Prinzessinn von Cleves war nicht zugegen, sie sah ihn also nicht, und erfuhr nicht einmahl, daß er angekommen war. Alles hatte ihr den Herzog von Nemours als den schönsten und angenehmsten Mann bey Hofe geschildert, und besonders hatte ihn die Königinn Dauphine ihr mit solchen Farben gemahlt, und so oft von ihm gesprochen, daß sich Neugier und sogar Ungeduld in ihr regten, ihn zu sehen.

Sie blieb den ganzen Tag des Verlobnisses zu Hause, um sich zu dem Ball anzukleiden, der den Abend im Louvre nach einem Feste gegeben werden sollte, und als sie erschien, bewunderte man allgemein ihre Schönheit und ihren geschmackvollen Anzug. Der Ball nahm seinen Anfang. Sie war mit dem Chevalier von Guise im Tanzen begriffen, als nach dem Eingange des Saales zu, ein Geräusch entstand, wie wenn jemand käme, dem man Platz machte. Der Tanz war vorbey und die Prinzessinn im Begriff, einen Tänzer für sich auszuzeichnen, als ihr der König zurief, den zu nehmen, der so eben ankäme. Sie sah sich um, und erblickte einen Mann, der ihrer Vermuthung nach kein andrer seyn konnte, als der Herzog von Nemours. Er schritt über einige Stühle, um zum Tanzplatze zu kommen.

Es war schwer, durch den herrlichen Bau des Herzogs, wenn man ihn zum erstenmahl sah, nicht überrascht zu werden, besonders diesen Abend, wo ein sorgfältig gewählter Anzug den natürlichen Schimmer seines Wesens verstärkte; aber eben so schwer war es, die Prinzessinn von Cleves das erstemahl zu sehen, ohne von Bewunderung übermannt zu werden.

Der Herzog ward durch ihre Schönheit im äußersten Grade überrascht, und als er ihr näher kam, und sie ihm die Verneigung machte, konnte er einen lauten Ausbruch seiner Bewunderung nicht zurückhalten. Als sie anfingen zu tanzen, lief durch den ganzen Saal ein halblautes Gemurmel von Lobsprüchen. Der König und die Königinnen erinnerten sich, daß sich beyde nie gesehen hätten, und fanden etwas sonderbares darin, daß sie mit einander tanzten, ohne sich zu kennen. Sie riefen sie zu sich, als der Tanz geendigt war, ließen ihnen nicht Zeit, vorher jemand zu sprechen, und fragten sie: ob sie nicht gern wissen möchten, wer sie wären, und ob sie es nicht erriethen?

„Ich weiß es,“ erwiederte der Herzog: „aber die Prinzessinn, von Cleves hat nicht gleiche Gründe zu errathen, wer ich bin. also wünscht' ich, Ew. Maj. sagten ihr meinen Nahmen.“

„Ich glaube,“ versetzte die Königinn Dauphine: „sie weiß Ihren Nahmen so gut, als Sie den ihrigen.“ —

„Ich gestehe Ew. Maj.,“ sagte die Prinzessinn von Cleves, und schien ein wenig verlegen: „daß ich nicht so gut rathen kann, als Sie denken.“

„Sie rathen sehr gut,“ erwiederte die Königinn Dauphine: „Es liegt sogar etwas Verbindliches für den Herzog darin, nicht gestehen zu wollen, daß Sie ihn kennen, ohne ihn gesehen zu haben.“

Die Königinn unterbrach sie, um den Ball fortzusetzen. Der Herzog forderte die Königinn Dauphine auf. Sie war vollkommen schön, und hatte es dem Herzoge vor seiner Abreise nach Flandern geschienen; aber die Prinzessinn von Cleves hielt den ganzen Abend seine Bewunderung gefesselt.

Der Chevalier von Guise, der sie immer noch heftig liebte, war bey jenem Auftritt an ihrer Seite gewesen, und hatte ihn mit peinlicher Unruhe angesehen. Er glaubte, ihn für ein Vorzeichen halten zu müssen, daß das Schicksal den Herzog bestimmt hätte, Liebe für sie zu fassen; und sey es, daß er eine Verstörtheit in ihrem Gesichte bemerkt hatte, oder daß ihn die Eifersucht mehr sehen ließ, als zu sehen war; er glaubte, der Anblick des Herzogs habe auf sie gewirkt, und er konnte sich nicht enthalten, ihr zu sagen: der Herzog sey sehr glücklich, ihr unter Umständen bekannt geworden zu seyn, die so viel romantisches und ungewöhnliches hätten.

Die Prinzessinn war, als sie nach Hause kam, noch so sehr mit dem beschäftigt, was auf dem Ball vorgefallen war, daß sie, so spät es auch war, noch in das Zimmer ihrer Mutter ging, um es ihr zu erzählen. Sie lobte dabey den Herzog mit einem gewissen Wesen, das ihre Mutter auf eben den Gedanken brachte, den der Chevalier von Guise geäußert hatte.

Den Tag darauf war Beylager. Die Prinzessinn sah den Herzog wieder. Sein Wesen war ganz Grazie. Sie ward dadurch noch stärker als gestern überrascht.

Die folgenden Tage sah sie ihn bey der Königinn Dauphine, sah sie ihn mit dem Könige Ball spielen, sah sie ihn beym Ringelrennen, hörte sie ihn sprechen: und beständig sah und hörte sie, daß er alle übrige weit hinter sich zurückließ, daß er überall, wo er war, durch seinen Verstand und durch sein Aeußeres die Conversation an sich zog. In wenig Zeit hatte er einen großen Eindruck auf sie gemacht.

Gewiß ist es aber auch, daß der unwiederstehliche Zug, den der Herzog für sie fühlte, ihm jene Lebhaftigkeit und jenes anziehende Wesen gab, welche die Vorbothen des Wunsches zu gefallen sind, und die ihn liebenswürdiger machten, als er je gewesen war; und da sie einander oft und wechselsweise eins in dem andern das Vollkommenste am Hofe sahen, so war es kein Wunder, wenn sie einander bald unendlich gefielen.

Der Herzog verlor allen Geschmack an seinen vorigen Liebschaften, erinnerte sich ihrer nicht einmahl, ob er sie gleich während seiner Abwesenheit fortgeführt hatte, und gab sich nicht die Mühe, Ursachen zum Bruche zu suchen, und Vorwürfe und Klagen anzuhören. Die Königinn Dauphine, die ehemahls stark auf ihn gewirkt hatte, konnte sich gegen die Prinzessinn von Cleves nicht behaupten, sogar seine Reise nach England lag ihm nicht mehr so stark am Herzen, und er betrieb die Vorkehrungen dazu nicht mehr mit dem Eifer, als vorher. Er kam oft zur Königinn Dauphine: weil die Prinzessinn von Cleves oft bey ihr war, und er sah es nicht ungern, daß man sich in den Vermuthungen in Absicht seiner Gefühle für die Königinn bestärkte. Die Prinzessinn schien ihm so großer Aufopferung werth, daß er ihr lieber seine Liebe nicht kund geben, als es wagen wollte, sie dem Publicum kund werden zu lassen. Nicht einmahl dem Vidame von Chartres sagte er etwas davon, der sein vertrautester Freund war, und dem er sonst nichts geheim hielt. Er benahm sich mit so viel Vorsicht, und gab so sorgfältig Acht auf sich, daß niemand seine Liebe ahndete, ausgenommen der Chevalier von Guise; und die Prinzessinn von Cleves selbst würde Mühe gehabt haben, sie zu bemerken, wenn die Neigung, die sie selbst für ihn fühlte, sie nicht gedrungen hätte, auf sein Wesen genau Acht zu geben. Es war ihr nicht zweifelhaft, daß er sie liebte.

Es ward ihr nicht so leicht, ihrer Mutter zu entdecken, was sie von den Gefühlen des Herzogs hielte, als es ihr bey ihren andern Liebhabern geworden war. Sie hatte sich nicht ausdrücklich vorgenommen, es zu verschweigen, aber sie sprach nicht mit ihr davon, Ihre Mutter bemerkte es nur zu gut, und eben so gut die Gefühle ihrer Tochter für ihn. Diese Entdeckung machte sie sehr unruhig, weil sie die Gefahr einsahe, die sie lief, von einem Manne wie der Herzog geliebt zu werden, und selbst Neigung für ihn zu fühlen. Daß letzteres so sey, davon überzeugte sie vollends ein Vorfall, der einige Tage nachher sich zutrug.

Der Marschall von Saint-Andre, der jede Gelegenheit ergriff, Pracht und Schimmer zu zeigen, bat den König und die Königinnen zu einem Souper in seinem neuen Hotel, das vor kurzem fertig geworden war, unter dem Vorwand, es ihnen zu zeigen. Es war ihm lieb, auch zugleich die Prinzessinn von Cleves diesen Aufwand, der bis zur Verschwendung ging, sehen zu lassen.

Einige Tage vor dem Souper hatte sich der König Dauphin, dessen Gesundheit überhaupt nicht die stärkste war, nicht wohl befunden, und niemand vor sich gelassen. Seine Gemahlinn war den ganzen Tag bey ihm gewesen. Den Abend, als er sich besser befand, ließ er alles herein, was in seinem Vorzimmer war, und die Königinn entfernte sich. Sie fand in ihrem Zimmer die Prinzessinn von Cleves und einige andere Damen, die sie am liebsten um sich sah. Es war schon ziemlich spät, und da sie nicht angekleidet war, ging sie nicht zur Königinn, und ließ sagen, daß sie für niemand sichtbar sey. Sie befahl, ihre Diamanten zu bringen, um für sich zu dem Ball des Marschalls zu wählen, und der Prinzessinn von Cleves davon zu geben. Sie waren noch darüber beschäftigt, als der Prinz von Conde erschien, dem alle Thüren offen standen. Die Königinn Dauphine sagte, er käme wahrscheinlich von ihrem Gemahl, und fragte ihn, was man dort vornähme.

Man streitet sich mit dem Herzog von Nemours,“ erwiederte der Prinz: „und er vertheidigt seine Behauptung mit solch einer Wärme, daß sie ihn angehen muß. Ich glaube, er hat eine Geliebte, die ihm Unruhe erweckt, wenn sie auf einen Ball geht, sonst würde er nicht behaupten, daß es für einen Liebhaber höchst quälend sey, auf einem Ball zu sehen, was man liebt.“

„Sonderbar!“ sagte die Königinn Dauphine: „Der Herzog will nicht, daß seine Geliebte auf einen Ball gehen soll? Ich habe wohl geglaubt, daß ein Gemahl etwas dagegen haben könnte! aber einem Liebhaber hätte ich diesen Gedanken nicht zugetrauet.“

„Und doch,“ erwiederte der Prinz: „findet der Herzog, daß ein Ball unerträglich für einen Liebhaber sey, er mag Gegenliebe haben oder nicht. Wird er geliebt, sagt er so hat er den Verdruß, sich einige Tage hindurch weniger geliebt zu wissen, und es gäbe kein weibliches Wesen, behauptet er, das die tiefe Beschäftigung mit ihrem Putze nicht verhinderte, an ihren Liebhaber zu denken, und tief beschäftigt wären sie alle damit; die Sorgfalt, die sie auf den Anzug wendeten, wäre für jedermann und nicht bloß für ihren Liebhaber; wenn sie auf einem Ball wären, wollten sie allen gefallen, die sie sähen, und wenn sie mit ihrer Schönheit zufrieden wären, hätten sie eine Freude, wovon dem Liebhaber nur der kleinste Theil zufiele. Würde man nicht geliebt, sagt er, so litte man noch mehr, wenn man seine Geliebte in großer Gesellschaft sähe. Je mehr sie bewundert würde, desto unglücklicher fühlte man sich, nicht von ihr geliebt zu seyn, und man fürchtete beständig, daß ihre Schönheit eine glücklichere Liebe entstammen möchte. Genug, er behauptet, nur die Qual, seine Geliebte auf einem Ball zu wissen, und nicht darauf seyn zu können, sey mit der Qual zu vergleichen, sie auf einem Ball zu sehen.“

Die Prinzessinn von Cleves that, als ob sie nicht auf das hörte, was der Prinz von Conde sagte, aber sie verlor kein Wort davon. Sie errieth ohne Mühe, wie vielen Theil sie an der Behauptung des Herzogs hatte, besonders an der, daß es sehr quälend sey, seine Geliebte auf einem Ball zu wissen, wo man nicht wäre; denn er konnte nicht auf dem Ball des Marschalls seyn, weil ihn der König dem Herzog von Ferrara entgegen schicken wollte.

Die Königinn Dauphine lachte mit dem Prinzen von Conde über die Meinung des Herzogs.

„Es ist nur Ein Fall,“ fuhr der Prinz fort: „wo der Herzog nichts dagegen hat, daß seine Angebethete auf einen Ball geht.“ —

„Und dieser wäre?“ sagte die Königinn Dauphine.

„Wenn er selbst den Ball gäbe,“ fuhr der Prinz fort: „Er sagte, als er voriges Jahr Ew. Majestät einen gegeben, hätt' ers für eine große Gunst aufgenommen, daß seine Geliebte gekommen wäre, wenn sie auch nur Sie zu begleiten geschienen hätte; denn Theil an einem Feste nehmen, das der Liebhaber gäbe, wäre große Wohlthat für ihn.“

„Der Herzog hat Recht,“ erwiederte die Königinn Dauphine lächelnd: „Er konnte es sich lieb seyn lassen, daß seine Angebethete auf seinen Ball kam, damahls gab er einer so großen Menge von Weibern diesen Nahmen, daß niemand auf seinem Ball gewesen wäre, wenn sie sich nicht eingefunden hätten.“

Der Prinz von Conde hatte kaum angefangen, von der Meinung des Herzogs über den Ball zu erzählen, als sich die Prinzessinn von Cleves stark versucht fühlte, nicht auf den Ball des Marschalls zu gehen. Sie machte den Grundsatz, daß man nicht zu einem Feste gehen müßte, das ein Liebhaber gäbe, bald zu ihrem, und es war ihr lieb, aus strengen Grundsätzen einen Schritt nicht zu thun, der eine Gunst für den Herzog gewesen wäre. Indessen nahm sie den Schmuck mit, den ihr die Königinn gegeben hatte, aber noch denselben Abend, als sie ihn ihrer Mutter zeigte, äußerte sie, daß sie nicht Lust hätte, Gebrauch davon zu machen; der Marschall gäbe sich große Mühe, zu zeigen, daß sie ihm nicht gleichgültig wäre, und es wäre ihr klar, daß er die Vermuthung erwecken wollte, als ob sie Theil an dem Feste hätte, welches er dem Könige gäbe; unter dem Vorwande, die Honneurs zu machen, könnte er sich wohl so bedeutend gegen sie benehmen, daß sie ins Gedränge dadurch käme.

Die Frau von Chartres bestritt diesen Gedanken eine Weile als sonderbar; als sie aber ihre Tochter beharrlich fand, fügte sie sich, sagte aber, sie müßte sich krank machen, um einen gültigen Vorwand zu haben. Der Grund, den sie angäbe, würde nicht einleuchten, man müßte sogar vorbauen, daß man ihm nicht einmahl auf die Spur käme. Die Prinzessinn entschloß sich gern, einige Tage das Zimmer zu hüthen, und nicht wohin zu gehen, wo der Herzog von Nemours — nicht war; aber er reiste ab, ohne es zu wissen und ohne sich darüber freuen zu können, daß sie nicht auf den Ball ginge.

Den Tag nach dem Ball kam er zurück und erfuhr, daß sie nicht darauf gewesen sey; da er aber nicht wußte, daß ihr jene Conversation bey dem Könige Dauphin kund geworden, so fiel es ihm nicht ein, daß erst glücklich gewesen wäre, sie davon abzuhalten.

Den folgenden Tag war er bey der Königinn und unterhielt die Königinn Dauphine. Die Frau von Chartres erschien mit ihrer Tochter und beyde traten zu ihr. Die Prinzessinn war mit jener kleinen Nachläßigkeit angezogen, die eine überstandene Krankheit anzukündigen pflegt. „Sie sind so schön,“ sagte die Königinn Dauphine zu ihr: „daß Sie unmöglich krank gewesen seyn können. Mir däucht, der Prinz von Conde hat Sie mit der Behauptung des Herzoge gewonnen und Sie haben nicht auf den Ball des Marschalls gehen wollen, weil Sie ihm sonst viel Wohlthat erwiesen hätten.“ — Die Prinzessinn ward roth, daß die Königinn Dauphine so glücklich gerathen hatte, und daß sie es in Gegenwart des Herzogs äußerte.

Jetzt sah die Frau von Chartres, warum ihre Tochter nicht hatte auf den Ball gehen wollen. Um zu verhindern, daß der Herzog nicht auf gleiche Gedanken käme, nahm sie das Wort mit einer Ernsthaftigkeit, die lautre Wahrheit zu sagen schien. „Ich versichre Ew. Majestät,“ sagte sie: „daß Sie meiner Tochter mehr Ehre anthun, als sie verdient. Sie war in der That krank, aber ich glaube, wenn ich es nicht verhindert hätte, sie hätte Ew. Majestät begleitet und sich so entstellt gezeigt, wie sie war, um die Herrlichkeit des Festes zu sehen.“ — Die Königinn nahm diese Wendung auf Glauben an, und den Herzog schmerzte es, Schein der Wahrheit darin zu sehen. Indessen ließ ihr das Erröthen der Prinzessinn immer noch Grund zu vermuthen, daß die Bemerkung der Königinn Dauphine nicht ganz ohne Wahrheit wäre. Erstere war anfangs unwillig, daß der Herzog Ursache bekam zu glauben, daß er sie vom Balle des Marschalls abgehalten hätte; aber bald darauf fühlte sie eine Regung von Verdruß, daß ihm ihre Mutter diese Ursache ganz genommen hatte.

Die Frau von Chartres hatte ihre Tochter nicht wollen merken lassen, daß sie ihrer Neigung für den Herzog auf der Spur wäre: sie besorgte, sie dadurch zurückhaltend zu machen. Einmahl lenkte sie das Gespräch auf ihn, sagte viel Gutes von ihm, und webte einige entgegengesetzt wirkende Lobsprüche in so fern für ihn ein, daß sie sein kluges Benehmen in Absicht der Liebe rühmte, die er als Zeitvertreib und nicht bindend und ernsthaft behandelte. „Man hat freylich die Vermuthung gewagt,“ sagte sie: „daß er eine heftige Leidenschaft für die Königinn Dauphine fühlte; ich sehe auch, daß er oft zu ihr kommt. Ich rathe dir, so wenig als möglich mit ihm zu sprechen, weil man, bey der Anhänglichkeit der Königinn Dauphine für dich, leicht darauf fallen könnte, dich für ihre Vertraute zu halten, und du weißt, daß dieß keine angenehme Rolle wäre, die man dir zutheilte. Wenn dieser Argwohn lauter würde, rieth' ich dir wohl, etwas seltener zu ihr zu gehen, damit du nicht in ein galantes Abenteuer mit verwickelt würdest.“

Die Prinzessinn von Cleves hatte nie etwas dieser Art von der Königinn Dauphine und dem Herzoge gehört, mithin überraschte sie diese Aeußerung ihrer Mutter dergestalt, und sie glaubte so klar zu sehen, daß sie sich in den Gefühlen des Herzogs unendlich geirrt hätte, daß sie die Farbe veränderte. Ihre Mutter ward es gewahr. Es kam mehr Gesellschaft. Die Prinzessinn entfernte sich und verschloß sich in ihr Zimmer.

Die Aeußerung ihrer Mutter hatte ihr die Augen über ihre Gefühle für den Herzog von Nemours geöffnet und ihr Schmerz darüber war unbeschreiblich. Bis jetzt hatte sie noch nicht gewagt, es sich selbst zu gestehen. Nun sahe sie, daß das, was sie für ihn empfand, das sey, was ihr Gemahl so dringend von ihr verlangt hatte; aber sie fand, daß es sehr beschämend sey, für einen Andern zu empfinden, was einem Gemahl zukäme, der es verdiente. Sie fühlte sich beleidigt und ängstlich zugleich, daß der Herzog sie bey der Königinn Dauphine zum Vorwand nehme, und diese Besorgniß bestimmte sie, ihrer Mutter zu erzählen, was sie ihr noch nicht entdeckt hatte.

In dieser Absicht ging sie den andern Morgen in ihr Zimmer; aber sie fand, daß sie einen Anfall von Fieber hatte, und deßhalb wollte sie ihr nichts sagen. Indessen schien diese Unpäßlichkeit so geringe, daß die Prinzessinn von Cleves den Nachmittag die Königinn Dauphine besuchte. Sie fand sie mit drey andern Damen, die sie vorzüglich lieb hatte, in ihrem Cabinett. „Wir sprechen vom Herzoge von Nemours,“ sagte die Königinn zu ihr: „und wir wundern uns über die Veränderung, die seit seiner Zürückkunft von Brüssel mit ihm vorgegangen ist. Vorher hatte er ein Heer von Weibern, und das war in der That ein Fehler an ihm, denn er behielt alle bey, sie mochten es werth seyn oder nicht. Seit seiner Zurückkunft will er keine von allen kennen, und — genug, er ist ganz verändert. Selbst sein Humor ist es: seine Heiterkeit und Lebhaftigkeit haben sich sehr verringert.“

Die Prinzessinn sagte nichts dazu, und bedachte voll Beschämung, daß sie alles, was man von der Veränderung des Herzogs sagte, seiner Liebe für sie zugeschrieben hätte, wenn sie nicht jetzt den wahren Grund wüßte. Sie fühlte eine Regung von Unwillen gegen die Königinn Dauphine, daß sie verwundert den Grund einer Sache suchte, die ihr genau genug bekannt seyn müßte. Sie konnte sich nicht enthalten, ihr einen Wink darüber zu geben. Als sich die andern Damen entfernen wollten, näherte sie sich ihr und sagte ganz leise: „Was Ew. Maj. jetzt sagten, war das auch für mich gesagt? Und wollen Sie es vor mir geheim halten, daß Sie die Ursache sind, wenn sich der Herzog von Nemours so verändert hat?“ — „Sie sind ungerecht gegen mich,“ erwiederte die Königinn: „Sie wissen daß ich vor Ihnen nichts geheim halte. Es ist wahr, daß mich der Herzog vor seiner Abreise nach Brüssel merken zu lassen schien, daß er etwas für mich fühlte; aber seitdem er zurück ist, scheint er sich nicht einmahl daran zu erinnern. Ich gestehe, daß ich neugierig bin, zu wissen, was ihn so umgestimmt hat. Es wäre ein Wunder, wenn ich es nicht herausbrächte:“ setzte sie hinzu: „der Vidame von Chartres, sein vertrautester Freund, liebt eine Person, bey der ich etwas gelte, und durch diesen Canal will ich mir Auskunft verschaffen.“ — Die Königinn Dauphine sagte dieß mit einem Wesen, das die Prinzessinn von Cleves wahr fand, und sie fühlte, daß sie wider ihren Willen in eine ruhigere und sanftere Stimmung dadurch gesetzt worden war.

Als sie zu ihrer Mutter zurück kam, erfuhr sie, daß es weit schlimmer mit ihr geworden sey. Das Fieber war heftiger geworden, und nahm auch die folgenden Tage so zu, daß es eine gefährliche Krankheit ward. Die Prinzessinn war trostlos, und kam nicht aus dem Zimmer ihrer Mutter weg. Ihr Gemahl war auch ganze Tage dort, weil ihm die Frau von Chartres sehr werth war, weil er verhindern wollte, daß sich seine Gemahlinn dem Schmerze ganz überließe, und weil er sich glücklich fühlte, sie zu sehen. Seine Liebe hatte sich nicht vermindert.

Der Herzog von Nemours, der ihm immer viel freundschaftliche Zuneigung bezeigt hatte, war seit seiner Zurückkunft von Brüssel nicht anders für ihn gestimmt. Unter dem Vorwande, ihn zu besuchen, fand er während der Krankheit der Frau von Chartres einigemahl Gelegenheit, seine Gemahlinn zu sehen. Er wählte sogar solche Stunden, wo er wohl wußte, daß er nicht zu Hause wäre, und um ihn zu erwarten, ging er dann in das Vorzimmer seiner Gemahlinn, wo er immer gute Gesellschaft fand. Die Prinzessinn kam oft dahin und ihre Traurigkeit verminderte ihre Reitze in den Augen des Herzogs nicht. Er zeigte ihr, wie großen Theil er an ihrer Betrübniß nähme, und sprach mit einem so sanften und ehrfurchtsvollen Wesen zu ihr, daß sie sich leicht überzeugte, die Königinn Dauphine sey es nicht, die er im Herzen trüge.

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9783754175804
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