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Manfred G. Valtu
POLARLICHTER
POLARLYS
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Inhaltsverzeichnis
Titel
P O L A R L I C H T E R
P R O L O G
K A P I T E L 1
K A P I T E L 2
K A P I T E L 3
K A P I T E L 4
K A P I T E L 5
K A P I T E L 6
K A P I T E L 7
K A P I T E L 8
K A P I T E L 9
K A P I T E L 1 0
K A P I T E L 1 1
K A P I T E L 1 2
K A P I T E L 1 3
K A P I T E L 1 4
K A P I T E L 1 5
K A P I T E L 1 6
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K A P I T E L 1 8
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E P I L O G
VORSCHAU
Bisher erschienen
Impressum neobooks
P O L A R L I C H T E R
MANFRED G. VALTU
P O L A R L I C H T E R
- P O L A R L Y S -
Thriller
Hab die Menschen, die du liebst, immer bei dir, wo du auch bist, selbst wenn diese Menschen nicht mehr unter uns weilen.
Benjamin Ferencz: „Sag immer deine Wahrheit“
P R O L O G
Alles war schief gegangen. Der Schweiß rann ihm in kleinen Bächen den Rücken hinunter bis zum Hosenbund.
Er sah sich um.
Noch vor einer Woche war die Lage völlig klar gewesen. Der Auftrag war so gut wie erfüllt. Endlich würde er wieder in Ehren aufgenommen werden. Endlich wäre er wieder wer.
Und nun das.
Nicht einmal in eine der drei Alias-Identitäten konnte er flüchten. Die Gegenseite hatte gründliche Arbeit geleistet. Alle seine Papiere waren weg.
Er war 'verbrannt'.
So würde er keine Möglichkeit haben, den Job zu Ende zu führen. Ihm blieb nur, unterzutauchen. Doch wo und wie?
Immerhin hatten sie seine 'stillen Reserven' nicht gefunden. Das Versteck in der Stabkirche von Trondheim war zu gut gewesen.
Hätte er doch nur seine Papiere auch dort aufbewahrt. Nicht immer hatte die Agentenausbildung recht. Es hatte geheißen, alle Identitätshinweise und überlebensnotwendigen Dinge auf verschiedene Orte zu verteilen. War sonst auch immer gut gegangen.
Diesmal aber eben nicht!
Erneut sah er sich um. Die leer stehende Lagerhalle am Ortsrand von Trondheim war nicht geeignet, Quartier zu nehmen. Er musste weg.
Das Licht seines Notfallhandys ließ er über die ausgebreitete Landkarte gleiten. Richtung Süden oder Richtung Norden? Das war die Frage.
„Quatsch“, sagte er sich. „Ist überhaupt keine Frage! Je nördlicher, desto einsamer, desto sicherer vor Entdeckung!“
Er erinnerte sich an ein Gespräch mit dem Chef-Stellvertreter: „Wenn Sie mal in herrlicher Natur entspannen wollen, ohne auf Luxus verzichten zu müssen, empfehle ich Ihnen das kleine norwegische Örtchen Olden. Herrliche Fjordlandschaft, von Frühjahr bis Herbst mildes Klima bei sauberer Luft und wunderschöne Gletscher in Ausflugsnähe wie der Jostedalsbree und der Briksdalsbree“, hatte er geschwärmt.
Er fand Olden auf der Karte. Zu seiner Überraschung war es südwestlich gelegen. „Liegt trotzdem schön einsam“, sagte er sich. An Hand des am unteren Rand der Karte eingezeichneten Maßstabs schätzte er die Entfernung auf etwa 450 Km. Das wäre auf den großen Straßen eine Tagesreise von etwa sieben Stunden. Doch über die sichereren Nebenstrecken könnte es leicht die doppelte Zeit werden.
Er brauchte ein geländegängiges Fahrzeug. Eines zu mieten war mit seinem Klarnamen ein großes Risiko. Aber ohne Papiere würde er keines bekommen. Es gab aber auch die Möglichkeit, eines zu 'akquirieren' und dann am Zielort im Fjord zu versenken.
Das nächste Problem: Er hatte kein Internet. Es war notwendig gewesen, auf ein zu ortendes Smartphone zu verzichten. Jetzt aber zeigten sich die Nachteile des vorsintflutlichen Handys.
So konnte er die sicherlich vorhandenen Informationsseiten von Olden nicht aufrufen. Er musste sich darauf verlassen, vor Ort eine unauffällige Bleibe zu finden. Hatte der damals nicht von einem direkt am Fjord gelegenen Campingplatz erzählt?
Genau! Das war es.
Damit waren die nächsten Schritte vorgegeben: Es waren eine Wander- und Campingausrüstung und das Auto zu besorgen. Er würde auf Schleichwegen so nahe wie möglich an Olden heranfahren und dann als 'Wandersmann' sein Zelt auf dem Campingplatz aufschlagen. Auf diese Weise könnte er so lange in Deckung bleiben, bis sich eine Möglichkeit zum endgültigen Untertauchen fände.
Heute war Freitag. Soweit er wusste, schloss das am südlichen Industriegebiet Trondheims gelegene Autohaus am Sonnabend um 18.00 Uhr. Es musste ihm gelingen, dort eine Probefahrt für das gesamte Wochenende bis zum Montag zu vereinbaren. Vor Montag Mittag würden die das Auto nicht als vermisst melden.
Und was, wenn sie ihm das nicht gewähren würden?
Dann würde er es sich 'borgen'. Ein kleiner Einbruch, die Autoschlüssel und in Autohäusern immer vorrätige Kennzeichen finden, einsteigen und losfahren.
Eine der leichtesten Übungen aus dem Einmaleins des Agentendaseins.
§§§§§§§§
ERSTER
TEIL
K A P I T E L 1
Der Autohändler Lasse Wahlström saß in seinem Glaskasten und blickte mißmutig auf die eng aneinander geparkten Autos. Seit die Regierung ihre ambitionierten Ziele zur Senkung der klimaschädlichen Abgase bekannt gegeben hatte und der Anteil der E-Autos stramm auf die fünfzig Prozent zuschritt, war der Absatz um gefühlte neunzig Prozent zurück gegangen. Nur Abenteurer und Landwirte, die auf die allradgetriebenen geländegängigen Fahrzeuge nicht verzichten konnten oder wollten, kauften noch ab und zu einen der Ladenhüter.
Um wenigstens einen Teil der meist dieselbetriebenen Fahrzeuge loszuschlagen, hatte er Rabattaktionen bis über die Schmerzgrenze ins Leben gerufen. In zähen Verhandlungen mit den Herstellern hatte er immerhin erreicht, dass die Verluste ausgeglichen und ihm eine Verkaufsmarge von sage und schreibe drei Prozent gewährt wurden.
Das deckte gerade die Ladenmiete.
Er spielte schon geraume Zeit mit dem Gedanken, das Geschäft abzustoßen. Er würde in seinen erlernten Beruf des Fotografen zurück kehren. Weniger als hier würde er nicht verdienen, in keinem Falle würde es ein Zuschussgeschäft sein.
Ein besonderer Dorn im Auge war ihm dieser unverkäufliche Toyota PickUp. Der stand schon über anderthalb Jahre auf seinem Hof. Den Bauern war er zu schmal und die Ladefläche zu kurz, den Abenteurern war er für das Durchqueren von Flussbetten und was die sich sonst so vorstellten zu breit und nicht wendig genug.
Und genau um dieses vermaledeite Gefährt, von dem er sich schon geschworen hatte, es zu verschenken, schlich – er traute seinen Augen kaum – ein Mann in der typischen Kleidung eines Outdoorers herum.
Wahlström schwang sich aus seinem Bürosessel. Er zwang sich, nicht zu eilig auf den potentiellen Interessenten zu zu gehen und stellte sich kommentarlos neben ihn.
„Der Preis da ist wohl nicht ernst gemeint, oder?“, sprach ihn der Typ in englischer Sprache an.
„Ich finde ihn auch zu niedrig“, witzelte Wahlström.
„Ich bin nicht zu Scherzen aufgelegt. Außerdem müsste ich die Karre erst auf Herz und Nieren testen. Ich will ein Stück nach Norden hoch und am Montag zurück sein. Ginge das?“
Wahlström wog das Risiko ab. Er fasste einen Entschluss.
„Klar geht das. Wenn du eine Sicherheit hinterlegst von – sagen wir – 15.000 Kronen, kannst du das Teil zwei Tage fahren. Für Schäden musst du natürlich aufkommen. Er ist übrigens vollgetankt! Und über den Preis sprechen wir, wenn du zurück bist. Komm' ins Büro.“
Der Interessent hatte sich entschlossen, das Risiko einzugehen, den PickUp unter seinem richtigen Namen zu mieten. Er händigte dem Verkäufer seinen Ausweis und Führerschein aus.
„Falk Schröder“, las Wahlström laut. „Kommst aus Deutschland? War ich mal vor langer Zeit. Bin über Hamburg nicht hinaus gekommen. Ist aber eine schöne Stadt. Und du, wo kommst du her? Ach, hier steht's ja: Wiesbaden. Sagt mir nix. Aber ist ja auch egal.“
Falk, dem der Verkäufer langsam auf die Nerven ging, trommelte ungeduldig mit den Fingern auf dem Tisch.
Wahlström bemerkte die Ungeduld. „Bloß nicht verärgern“, dachte er und beeilte sich, den Leihvertrag auszufüllen.
Falk unterschrieb das Papier und blätterte 15.000 norwegische Kronen in bar auf den Tisch. Er erhielt seine Dokumente und den Autoschlüssel ausgehändigt und erhob sich.
„Nimm dir einen Kaffee. Ich muss noch die Kennzeichen anbringen und zwei Autos wegfahren, sonst kommst du nicht raus.“
Falk setzte sich wieder und wartete. Endlich kam der Verkäufer zurück.
„Alles klar, du kannst jetzt direkt zur Ausfahrt, der Weg ist frei. Gute Fahrt und bis Montag.“ Falk nickte, schüttelte dem Mann die Hand und verließ den Laden. Am PickUp angelangt tat er so, als vergewissere er sich, dass die Kennzeichen richtig befestigt wären. Dann bestieg er den Fahrersitz, ruckelte ihn zurecht, startete und fuhr vom Gelände.
Wahlström rieb sich die Hände. Entweder es würde mit dem Verkauf klappen – das wäre ein Fest. Oder der Typ würde mit dem Ladenhüter auf Nimmerwiedersehen verschwinden. Das wäre fast noch besser. Denn er wäre diese Karre los und immerhin um 15.000 Kronen und die Versicherungsleistung für ein gestohlenes Fahrzeug reicher.
„Win-Win“, murmelte er und beschloss, das Haus zu schließen und ins Wochenende zu gehen.
§§§§§§§§
K A P I T E L 2
Auch der Jimny kam nicht mehr weiter. Zwar war das alte Gletscher-Flussbett seit vielen Jahren ausgetrocknet. Doch sowohl das lose Geröll als auch die selbst für dieses schmale Geländefahrzeug an einigen Stellen zu engen Passagen verhinderten eine Weiterfahrt.
So blieb Politibetjent3 Magnus Lunde keine Wahl. Fluchend machte er sich zu Fuss auf den beschwerlichen Weg. Nicht nur, dass er auf dem Geröll kaum Halt fand. Es ging auch noch recht steil bergauf.
„Das vertreibt wenigstens den Kater“ murmelte er schnaufend vor sich hin.
Völlig außer Atem und verschwitzt erreichte er schließlich den Fuß des Briksdal-Gletschers. Um sich kurz zu erholen blieb er an dem Schild, das wegen Steinschlaggefahr vor dem Weitergehen warnte, stehen und genoß dabei den Anblick, den der Gletscher im beginnenden Sonnenlicht bot. Er hatte, nachdem er befördert und in den Bezirk Olden versetzt worden war, erst ein Mal kurz Gelegenheit gehabt, den Gletscher zu besuchen. Jahr für Jahr schmolz er und der Fuß zog sich Meter um Meter zurück.
„Aber es gibt ja keinen Klimawandel, sagen diese Idioten von der rechten Partei“, dachte er bitter. Und dabei war es, wie er gehört hatte, nicht das erste Mal, dass das zurückgehende „ewige Eis“ (von wegen ewig) eine Leiche frei gegeben hatte.
Politibetjent1 Mathisen kam ihm entgegen. „Du siehst ja fürchterlich aus. War wohl doch etwas zu feucht gestern, oder?“
Wenn Lunde etwas auf die Palme brachte, war es diese jugendliche Schnöseligkeit von Mitarbeitern, die den Alkohol und das lange Aufbleiben besser vertrugen als er. Aber er schluckte die seiner Meinung nach passende Antwort hinunter und beschloss, den Kollegen einfach zu ignorieren. Deshalb ging er, ohne Mathisen anzusehen und ohne ein Wort zu sagen, an diesem vorbei und stapfte auf den Ort zu, an dem drei in weiße Schutzanzüge gezwängte Frauen standen.
„Nun, was haben wir?“, fragte er in die Runde.
Alena Myhre, die Leiterin der Gerichtsmedizin, wandte sich ihm zu und erklärte, dass es sich um eine etwa fünfzig Jahre alte Frau handele, deren gut erhaltener äußerer Zustand vielleicht langer Lagerung unter Eis geschuldet sei. Es sei aber wahrscheinlicher, dass sie erst vor sehr kurzer Zeit hier abgelegt wurde und man nur den Eindruck einer Gletschertoten hervorrufen wollte. Die punktuellen Einblutungen in den Augen und die Druckstellen am Hals sprächen dafür, dass sie keines natürlichen Todes gestorben, sondern erstickt worden sei. Die Verletzung des Schädels im hinteren Bereich sei wahrscheinlich beim Transport in die Gletscherspalte postmortal entstanden. Sie trat zur Seite und Lunde konnte einen Blick auf die Tote werfen.
„Ein Jammer“, ließ sich Mathisen ungefragt vernehmen. „So eine schöne Frau, und jetzt ist sie tot.“
Lunde wollte scharf erwidern. Aber tatsächlich ertappte auch er sich dabei, im Hinblick auf die außergewöhnliche Schönheit der Frau ein erhöhtes Bedauern zu empfinden. „Was ist das bloß, das uns Menschen – und wohl insbesondere uns Männer – den Tod einer schönen Frau mehr bedauern lässt, als wenn es eine unscheinbare oder gar hässliche wäre?“, fragte er sich. So ließ er die Äußerung seines Kollegen unkommentiert.
„Irgendwelche Papiere?“
„Nein, aber der oder die Täter haben die Frau offenbar nicht gründlich genug gefilzt. Der linke Ohrstecker ist wie ein Medaillon zu öffnen. Und darin befindet sich eine winzige Knopfzelle. Sieht aus wie eine Uhrenbatterie, ist aber wohl eher eine Wanze. So etwas ist mir schon einmal begegnet. Die deutsche Bundespolizei arbeitet mit solchen Geräten.“
„Wo ist dieses Winzding jetzt?“
„Hier in meinem Spurenbeutel. Ich denke, unsere IT-Abteilung wird etwas damit anfangen können.“
„In Ordnung, ihr untersucht noch die weitere Umgebung. Ich nehme die Spurenträger mit und bringe sie unseren IT-Jungs.“
„... und -Mädchen!“, ließ sich Alena Myhre vernehmen. „Ihr seid alle Chauvis!“ Dabei grinste sie über das ganze Gesicht.
„Na warte, eines Tages führt dich der Chauvi groß zum Konzert und zum Essen aus! Dann wirst du deine Meinung ändern!“
Sie klatschten sich ab und Lunde machte sich an den „Abstieg“.
„So eine schöne Gegend, so nette Mitarbeiterinnen – und dann so eine unschöne Geschichte“, dachte er.
§§§§§§§§
K A P I T E L 3
Magnus Lunde schlürfte mit Genuss und sehr geräuschvoll seinen Tee. Niemand konnte ihn so punktgenau aufbrühen wie Alena.
Seit sie sich nicht nur beruflich, sondern auch privat näher gekommen waren, empfand er diesen Außenposten, auf den sie ihn versetzt hatten, wesentlich erträglicher. Sie hatte zwar darauf bestanden, ihre Wohnung in Utvik zu behalten, verbrachte aber immer mehr gemeinsame Zeit bei ihm.
Er setzte das Teeglas ab und zwang sich, über den neuen Fall nachzudenken. Da er als Politibetjent3 auch die staatsanwaltliche Zuständigkeit hatte, konnte er sich nicht wie früher Zeit lassen.
Wann hatte er zuletzt eine Leiche gehabt? Das war noch in Trondheim gewesen, so ungefähr vor vier Jahren. Der erste Anschein eines Fremdverschuldens hatte sich nicht bestätigt: Es war Selbstmord gewesen. Sein damaliger Vorgesetzter, der sich in einen 'Mordfall' verrannt hatte, wurde strafversetzt und er hatte als Stellvertreter an Hand einfacher Fälle üben können, wie man einen Fall vor Gericht bringt und vertritt.
„Was gibt es für neue Erkenntnisse?“, fragte er Alena, als sie sich zu ihm gesetzt hatte.
„Es wird dich nicht überraschen, dass der Fundort nicht der Tatort ist.“
Sie drehte sich in eine bequemere Position.
„Die Obduktion hat meinen ersten Eindruck, dass es sich nicht um eine aufgetaute Gletscherleiche handelt, bestätigt. Die Frau ist höchstens zwei Tage tot. Genaueres zum Todeszeitpunkt nach Auswertung der Wetterdaten. Ich habe sie angefordert.“
„Todesursache?“
„Es hat sich bei der Obduktion bestätigt, dass die Kopfverletzung postmortal entstanden ist. Einige Schürfspuren am Körper – ebenfalls postmortal entstanden – sprechen dafür, dass sie nicht sehr sanft transportiert und in die Spalte verbracht wurde. Ich habe aber auch Druckspuren an beiden Handgelenken und Kontusion dreier Rippen festgestellt, die zu Lebzeiten zugefügt wurden. Das lässt darauf schließen, dass sie sich in einer Auseinandersetzung gewehrt hat, und zwar ziemlich heftig.“
„Und nun?“
„Sei doch nicht so ungeduldig! Ich bin ja noch nicht fertig.“
Magnus hätte sie sofort in die Arme nehmen und ins Bett zerren können. Wenn sie mit belustigter Miene so tat, als wäre sie wütend, konnte er sich kaum zurückhalten.
Was sie natürlich wusste und weidlich auskostete.
„Wie gesagt hat sie bei dem Kampf einen dreifachen Rippenbruch erlitten. Ich stelle mir das Geschehen ungefähr so vor: Sie kämpft anfangs frontal, irgendwie gelingt es dem Gegner, sie zu Boden zu bringen. Er kniet auf ihr, wobei die Rippen eingedrückt werden. Anschließend oder gleichzeitig drückt er mit einer oder beiden Händen Mund und Nase zu. Der entstehende Sauerstoffmangel bewirkt einen Kreislaufzusammenbruch mit anschließendem Herzstillstand.“
„Es kann also sein, dass der Täter sie gar nicht töten wollte?“
„Das ist durchaus möglich. Wir wissen ja nicht, was der Auseinandersetzung voraus gegangen war. Der Täter oder die Täterin hat sich selbst vielleicht nur gewehrt.“
„Wozu dann die mühsame Entsorgung der Leiche? Das spricht doch eher für ein Verschulden. Und meinst du nicht, dass das Tatbild eher für einen männlichen Täter spricht?“
„Liegt zwar näher. Es ist aber nicht ausgeschlossen, dass auch eine gut trainierte Frau so handeln und beim Knien auf dem Brustbereich Rippenbrüche verursachen könnte. Allerdings lassen die Spuren am Handgelenk auf recht große Hände schließen, die für eine Frau sehr ungewöhnlich wären.“
Magnus' Smartphone vibrierte. Mathisen war am Apparat. Er hörte eine Weile schweigend zu, bedankte sich dann mit einem „Bis morgen“ und beendete das einseitige Gespräch.
„Mathisen hat eine erstaunliche Eigeninitiative entwickelt. Er hat ein schönes Foto von der Verblichenen gemacht und den Ort abgeklappert. Soweit er die Bewohner angetroffen hat, haben sie verneint, die Tote zu kennen.“
„Und hat er auch im Fjord-Hotel und auf den Camping-Plätzen angefragt?“
„Er hat an alle in Frage kommenden Unterkünfte das Foto gemailt. Antworten stehen noch aus.“
„Mathisen macht sich“, murmelte sie. „Hätte ich ihm gar nicht zugetraut.“
„Ich glaube, man muss seine vorlauten Eigenarten einfach ignorieren und ihn an der langen Leine lassen. Dann entwickelt er sich.“ Er beugte sich vor.
„Und was machen wir jetzt? Bevor wir die Identität der Frau nicht geklärt haben ...“ Das erneute Vibrieren seines Smartphones unterbrach ihn. Krister Hamsun von der IT-Abteilung meldete sich. Wieder hörte Magnus zunächst schweigend zu. „Und da gibt es keinen Zweifel? … Ja, danke … Und wenn es neue Erkenntnisse gibt … Klar, war unnötig.“
Alena sah ihn fragend an.
„Diese Wanze ist ein Aufzeichnungsgerät. Der Inhalt ist dreifach verschlüsselt. Die beiden ersten Walls konnten Krister und seine Leute knacken. Sie kamen bis zu einem Logo. Es ist das Logo des Bundeskriminalamts Deutschland. Darunter befanden sich die Worte 'Streng geheim' und eine Nummer. Krister witzelte: 'Sowas wie 007'.“
„Das wird kein Witz sein. Möglicherweise ist … war sie eine Agentin des BKA.“
„Kann sein. Er hat schon an Hand dieser Nummer eine Anfrage beim BKA in Deutschland gestellt.“
„Das gibt bestimmt Ärger mit unserer Regierung. Von wegen internationale Anfrage nur auf diplomatischer Ebene und so“, meinte Alena verschmitzt.
„Den Ärger nehme ich gern auf mich, wenn es der Beschleunigung der Sache dient. Und jetzt? Was machen wir jetzt?“
„Konzert ist zwar heute nirgends, aber ich habe Hunger! Und du wolltest mich ja zum Essen ausführen. Ich mache mich ein wenig frisch und du“ … sie sah ihn kritisch an … „ziehst dir was Anständiges an und führst mich ins Olden-Fjord-Hotel aus!“
„Sehr wohl, Gnädigste. Reicht der Blazer oder soll ich mich in den Smoking werfen?“
„Es wäre mir neu, dass du so etwas hast“, rief sie und verschwand im Bad.
Magnus wusste, dass sie von dem einmal getroffenen Entschluss nicht abweichen würde. Deshalb widerstand er der Versuchung, ihr ins Bad zu folgen.
Seufzend ging er zum Kleiderschrank und zog sich um.
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