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Wickel und Kompressen
Inhalt
Vorwort
Zum Gebrauch des Buches
Allgemeines zu Wickeln und Kompressen
Grundlagen
Definition
Wirkung
Wann Wärme – wann Kälte?
Grenzen und Gefahren
Dauer und Zeitpunkt einer Anwendung
Informationen für Fachleute
Wärmeregulation
So werden die Anwendungen zum Erfolgserlebnis
Wickelmaterial
Tücher/Materialien
Schichten der Wickeltücher
Wickelzusätze
Fixationen
Wickel und Kompressen für Wohlbefinden und Gesundheit
Grundlagen
Blitzkompresse
Zitronen-Pfefferminz-Kompresse
Augentrostkompresse
Algenwickel und -kompresse
Weizenkleiekompresse
Handmassage mit anschließender feuchtheißer Kompresse
Heiße Rolle
Fangokompresse
Nasse Socken nach Kneipp
Lendenwickel nach Kneipp
Temperierte Wickel und Kompressen
Grundlagen
Rohwollekissen
Johanniskrautölkompresse
Olivenölkompresse
Bienenwachskompresse und -lappen
Zwiebelkompresse
Salbenkompresse
Wickel und Kompressen in der Aromapflege
Grundlagen
Ölkompressen
Lavendel-Ölkompresse
Rosengeranium-Ölkompresse
Cajeput-Ölkompresse
Thymian-Ölkompresse
Eukalyptus-Ölkompresse
Hydrolatkompressen
Feuchtkalte und feuchtwarme Anwendungen
Kühle Kompresse als Nacken- oder Stirnkompresse
Feuchtheiße Bauch- oder Brustkompresse
Heiße Wickel und Kompressen
Grundlagen
Kartoffelkompresse
Leinsamenkompresse
Feuchtheiße Kompresse und Dampfkompresse
Heublumenkompresse/Heusack
Heublumenextrakt-Gelenkwickel und -Kompresse
Brustkompresse mit Zitrone
Wickel und Kompressen mit Heilpflanzen
Grundlagen
Arnikakompresse und -Pulswickel
Schafgarben-Leberkompresse
Kamillen-Bauchkompresse
Thymian-Brustkompresse
Kalte Wickel und Kompressen
Grundlagen
Quarkkompresse
Lehmkompresse
Wadenwickel
Zitronen-Halskompresse
Wallwurzwickel und -kompresse
Kohlwickel und -kompresse
Bockshornkleekompresse
Solewickel und -kompresse
Hautreizende Wickel und Kompressen
Grundlagen
Meerrettichkompresse
Senfmehlkompresse
Ingwerkompresse
Aus der Praxis für die Praxis
Stärken und regenerieren – Selbstpflege
Sonnengeflecht-Kompresse (Solarplexus)
Salbenkompresse mit Aurum Lavandula comp.®
Hydrolat-Schnellkompresse
Pulswickel
Unterstützen und lindern: für Familie, Frauen und Kinder
Ölkompresse mit Solum uliginosum comp.®
Temperierte Johanniskrautölkompresse
Rohwollekissen mit Kamillenblüten
Wickel und Kompressen während der Schwangerschaft
Quarkkompresse
Essigwasser als Wickelzusatz
Begleiten – Langzeit-, ambulante und Palliativpflege
Temperierte Salbenkompresse mit Oxalis folium, 10-prozentig
Temperierte Bienenwachskompresse
Schulter-Nacken-Fixation einseitig
Anhang
Herstellung eines Bienenwachslappens
Salutogenese in der Wickelarbeit
Muster eines Beobachtunsprotokolls für Fachleute
Bezugsadressen für Wickeltücher und Zusätze
Adressen für Aus- und Weiterbildungen
Literatur
Indikationen und Anwendungen
Wickel und Kompressen bei Kindern (Anwendungsübersicht)
Stichwortverzeichnis
Vorwort
zur dritten, überarbeiteten und erweiterten Auflage
Seit dem ersten Erscheinen im Jahr 2011 hat sich dieses Buch als erfolgreiches Standardwerk und Lehrbuch etabliert. In vielen Lehrbetrieben für professionelles Pflegepersonal, Naturheil- und Massageausbildungen, aber auch im privaten Hausgebrauch für Mütter, Väter und andere Interessierte gilt das Buch als wertvolles Nachschlagewerk. Diese neu überarbeitete und erweiterte Ausgabe mit einem Zusatzkapitel »Aus der Praxis für die Praxis« enthält sowohl Bewährtes wie auch neue Anwendungen, ergänzt durch Auszüge aus Erfahrungsberichten der Absolventinnen der Weiterbildung »Fachfrau/Fachmann Wickel und Kompressen«, Rückmeldungen von Kolleginnen und Kollegen wie auch eigene Kreationen.
Ein wichtiges Anliegen ist uns, die Anwendungen immer weiter zu verfeinern, die Handhabung einfacher zu gestalten und für die Praxis schnell und effizient umsetzbar zu machen. Wir haben Zutaten, Materialien und Abläufe erprobt, um die Anleitungen möglichst klar und verständlich zu beschreiben. Dabei ist es uns wichtig, die Vielfalt und die unterschiedlichen Wirkungsweisen der Wickel und Kompressen aufzuzeigen und zu erweitern.
Zu Beginn unserer Beschäftigung mit dem Thema Wickel und Kompressen waren wir als junge Mütter und Pflegefachfrauen auf der Suche nach Möglichkeiten, unsere Kinder im Krankheitsfall sanft, effizient und umfassend zu begleiten. Die nachhaltige Wirkung, die Wickel und Kompressen auf der körperlichen und psychischen Ebene bei unseren Kindern hatten, überzeugte uns als Mütter. Was damals seinen Anfang nahm, wurde im Laufe der Zeit zu einem zentralen Thema im privaten wie auch in unserem Berufsalltag. Mit viel Herzblut und Enthusiasmus wollten wir mehr über Methoden und Einsatzmöglichkeiten dieser Anwendungen erfahren. Über Fachliteratur, diverse Aus- und Weiterbildungen und unzählige Gespräche über eigene Erfahrungen erkannten wir, dass der Bereich Wickel und Kompressen einen weit größeren Wissens- und Erfahrungsschatz darstellt, als wir ursprünglich gedacht hatten. Fasziniert von den vielen positiven Möglichkeiten trugen wir all unsere Erkenntnisse zusammen und beschlossen, unser Wissen und die damit gesammelten Erfahrungen in Kursen und Seminaren sowie in einer umfassenden Weiterbildung spezifisch für Fachpersonen im Gesundheitsund Pflegebereich weiterzugeben. Von 2002 bis 2014 führten wir gemeinsam die Weiterbildung zur Fachfrau bzw. zum Fachmann Wickel und Kompressen durch. Seit 2015 führt Vreni Brumm mit Unterstützung von zwei ausgewiesenen Fachfrauen die Weiterbildung in Eigenregie erfolgreich weiter.
Danke
Wir danken namentlich Susanna Anderegg-Rhyner, Arlette Bologni-Urech und Bärbl Buchmayr sowie den weiteren Kolleginnen des internationalen Fachgremiums (www.wickel.biz) für den wertvollen fachlichen Austausch.
Ein großer Dank geht auch an alle Wickelfachfrauen und Wickelfachmänner, die mit ihren Rückmeldungen und Erfahrungen zur Weiterentwicklung und Anpassung von Anwendungen beigetragen haben, aber ebenso für die Beibehaltung der fachlichen Inhalte sorgen.
Unser Dank geht im Besonderen an Ursula Häne, die es wiederum verstanden hat, mit ihren wunderbaren Bildern das Wesen unserer Arbeit ins rechte Licht zu rücken.
Nicht zuletzt danken wir unseren Familien, die unsere Arbeit immer unterstützt haben.
Madeleine Ducommun-Capponi
Vreni Brumm
Die in diesem Buch beschriebenen Anwendungen wurden von den Autorinnen über Jahre in der Praxis erprobt und angewendet. Sie wurden so beschrieben, dass eine optimale Anwendung gewährleistet sein soll. Die vorgestellten Informationen und Empfehlungen sind nach bestem Wissen und Gewissen geprüft. Dennoch übernehmen die Autorinnen und der Verlag keinerlei Haftung für Schäden irgendwelcher Art, die sich direkt oder indirekt aus dem Gebrauch der hier beschriebenen Anwendungen ergeben. Bitte nehmen Sie im Zweifelsfall beziehungsweise bei ernsthaften Beschwerden immer professionelle ärztliche oder naturheilkundliche Hilfe in Anspruch.
Zum Gebrauch des Buches
Im Zentrum dieses Buches steht der Nutzen für unsere Leserinnen und Leser. Alle Bezeichnungen für Berufsgruppen und Personen, die sich mit der Anwendung von Wickeln befassen, stehen grammatisch in der weiblichen Form. Diese Wahl wurde bewusst getroffen, wurde doch das Wissen um Wickel und Kompressen mehrheitlich von Frauen bewahrt und an die nächste Generation weitergegeben. Und auch heute noch sind es überwiegend Frauen, die Wickel und Kompressen anwenden. Natürlich sind Männer damit keinesfalls ausgeschlossen und als Leser wie als Anwender herzlich willkommen.
Das Buch richtet sich zum einen an interessierte Laien und ist andererseits als Fach- und Schulungsbuch für Lernende und Fachleute im Gesundheitsund Pflegebereich gedacht. Um beiden Zielgruppen gleichermaßen gerecht zu werden, wurde inhaltlich eine Auswahl getroffen, die sowohl Laien wie auch Fachpersonen berücksichtigt.
Ein Slogan führt in das jeweilige Thema ein, jede Anwendung wird mit Stichworten charakterisiert, und eine Zusammenfassung zeigt auf, was die Anwendung enthält, bewirkt und durch was sie sich besonders auszeichnet. Nach dieser Einführung folgen Details zu den Anwendungsbereichen, zur Wirkung, zu den Kontraindikationen, zum Material und zur schrittweisen Durchführung. Ergänzend dazu finden Sie Angaben zur Anwendungsdauer, zu eventuellen Wiederholungen und zur Nachbehandlung. Abgerundet werden die Beschreibungen durch gezielte Hinweise und spezifische Informationen für Fachleute. Die Rubrik »Wissenswertes« enthält vor allem Anwendungen mit Zusätzen.
Im Anhang ist eine ausführliche Materialliste mit Bezugshinweisen aufgeführt. Außerdem finden Sie dort eine Auswahl an Adressen, die Ihnen bei Fragen oder der Vertiefung Ihres Wissens und Ihrer Erfahrung hilfreich sein können.
Neu finden sich in einem separaten Kapitel »Aus der Praxis für die Praxis« ab Seite 201 Anwendungen zu den Bereichen Selbstpflege, Familie und Berufspraxis.
Allgemeines zu Wickeln und Kompressen
Grundlagen
Im Spannungsfeld zwischen Schulmedizin und Naturheilkunde
Das Wohlbefinden fördern, den Stress abbauen, den Schlaf unterstützen, Schmerzen und gesundheitliche Beschwerden lindern: All dies sind wirkungsvolle Anwendungsmöglichkeiten für Wickel und Kompressen. Dabei gelten diese Maßnahmen als sehr alte und bewährte »Heilmittel«. Bereits in den Schriften des Hippokrates (um 460—370 v. Chr.) sind Anwendungen mit Wasser und Baumwolle oder Öl und Baumwolle zur Linderung von Leiden erwähnt. Damals wie heute werden Wickel und Kompressen sowohl in der Volksheilkunde wie auch als Hausmittel angewendet. Das Wissen beruht auf Erfahrungen, die von Generation zu Generation, in der Regel von Frau zu Frau, weitergegeben wurden. Auch in der Naturheilkunde wurden Wickel und Kompressen seit jeher mit den verschiedensten Zusätzen durch Ärztinnen verabreicht und empfohlen. In der anthroposophischen Medizin sind sie gar ein zentraler Bestandteil vieler Behandlungen. In zahlreichen Therapiezentren, Praxen und Kurhäusern gehören sie heute zu den komplementären Behandlungen. Vor der Entdeckung des Penicillins kamen in den Krankenhäusern Senfwickel als wirksame Therapie bei der Lungenentzündung zum Einsatz.
In der Schulmedizin gehören Wickel und Kompressen heute in einem viel umfassenderen Sinn zu den physikalischen Anwendungen, welche vor allem in der Physiotherapie, immer häufiger aber auch im Pflegebereich genutzt werden. In ausgewiesenen Kliniken, Alters- und Pflegeheimen sowie bei der Betreuung zu Hause (Spitex) werden Wickel und Kompressen mittlerweile als eigenständige Pflegemethode von professionell ausgebildeten Wickelfachfrauen und -männern angewendet.
Wickel und Kompressen dienen nicht nur zur Steigerung des Wohlbefindens und zur Unterstützung der körpereigenen Kräfte sowie zur Linderung von Beschwerden. Sie werden im Rahmen der Gesundheitsförderung auch dazu eingesetzt, sich zu entspannen und dem Alltagsstress zu entziehen. Durch gezielte Anwendungen werden die Selbstheilungskräfte des Körpers unterstützt (zum Beispiel bei beginnendem Husten durch Brustkompressen mit Bienenwachslappen). Weiter können Organfunktionen unterstützt werden (etwa die Tätigkeit der Leber durch feuchtheiße Leberkompressen). Wickel und Kompressen können zudem als Begleitung in einem Krankheitsprozess eingesetzt werden (beispielsweise in der professionellen Pflege bei schwerkranken Patienten wie der Palliativpflege). Und schließlich werden Wickel und Kompressen bei gesundheitlichen Störungen wie Erkältungen, Verdauungsbeschwerden oder Muskelverspannungen äußerst vielseitig und erfolgreich angewendet. Das weitaus häufigste Einsatzgebiet von Wickeln und Kompressen ist jedoch die Linderung von Schmerzzuständen, etwa bei rheumatischen Schmerzen und Entzündungen.
Definition
Wickel: Ein Körperteil wie der Fuß, das Bein oder der Arm wird mit einem oder mehreren Tüchern umwickelt. Zur Wirkung gelangen Zusatzstoffe und/oder Temperaturreize (kalt, temperiert, heiß). Das innerste Tuch ist Substanzträger, kann also mit einer Wickellösung getränkt sein.
Kompresse, auch »Auflage« genannt: Auf eine bestimmte Körperpartie (zum Beispiel Bauch oder Brust) wird ein Tuch gelegt. Entsprechend der Auflagestelle erhält die Kompresse ihre spezifische Bezeichnung wie »Bauchkompresse«, »Brustkompresse« und so weiter. Die Kompresse ist Substanzträger, kann also mit einer Wickellösung getränkt sein, oder der Zusatz (zum Beispiel Leinsamen oder Quark) wird darin eingepackt. Ein weiteres Tuch aus Baumwolle schließt die Kompresse ab.
Wickel
Kompresse, auch »Auflage« genannt
Kataplasma, auch »Umschlag« genannt: Angewandt werden Brei- oder Pastenumschläge, zum Beispiel aus Lehm oder Leinsamen.
Wirkung
Die Wirkung von Wickeln, Umschlägen und Kompressen beruht auf einem Zusammenspiel verschiedener Faktoren. Im Detail sind viele dieser einzelnen Wirkungsmechanismen wissenschaftlich nicht erklärbar, sie basieren auf Erfahrungswissen. Grundsätzlich können folgende drei Wirkungsfelder unterschieden werden:
Physikalische Wirkung (Temperaturreiz)
Auf einer bestimmten Körperstelle wird eine heiße oder kalte Kompresse aufgelegt. Die Wirkung kann begrenzt sein oder über den ganzen Körper reichen. Die auf der Haut befindlichen Rezeptoren nehmen dabei den Temperaturreiz auf und leiten ihn über die Nervenbahnen weiter. Ausgehend von der Auflagestelle, leiten die Nervenbahnen den Reiz über das Rückenmark zu den inneren Organen. So lindert beispielsweise eine heiße Bauchkompresse die Blähungen, indem die Darmmuskulatur entspannt wird. Informationen zur spezifischen Wirkung der heißen oder der kalten Kompressen sind in den entsprechenden Kapiteln aufgeführt.
Klaus-Christof Schimmel: Lehrbuch der Naturheilverfahren Band 1, Hippokrates Verlag 1990
Psychosoziale Wirkung (Beziehung zwischen Personen und Umfeld)
Wickelempfängerinnen und -anwenderinnen stehen bei jeder Anwendung im Gespräch miteinander. Dies beginnt bei der Auswahl der Maßnahme, reicht über die Zubereitung, die eigentliche Durchführung bis hin zur Möglichkeit des Nachruhens. Eine Anwendung kann auch an sich selbst durchgeführt und so das eigene Wohlbefinden unterstützt werden. Eingepackt sein in einen Wickel gibt Halt und vermittelt das Gefühl, »umhüllt« zu sein. Ist alles im Einklang, kommen Körper, Seele und Geist zur Ruhe.
Phytopharmakologische Wirkung (Zusatz von Wirkstoffen)
Die Wirkstoffe der Wickelzusätze verhalten sich sehr unterschiedlich. Eine Resorption durch die Haut ist sowohl von den fettlöslichen Pflanzenwirkstoffen wie auch den ätherischen Ölen her möglich. Neben der Aufnahme durch die Haut gelangen die Wirkstoffe durch die Nase zum Zwischenhirn. Die Ausscheidung geschieht über die Nieren, die Haut und die Atmung. Die Wirkung der Pflanzen beruht auf einem Zusammenspiel ihrer unterschiedlichsten Inhaltsstoffe. Informationen zu den einzelnen Wirkstoffen sind in den entsprechenden Kapiteln aufgeführt.
Wann Wärme – wann Kälte?
• Wärme unterstützt das Wohlbefinden, reduziert Spannungszustände und dient zur Krampflösung. Bei Entzündungen kann, wenn die Möglichkeit zur Sekretion besteht, ebenfalls Wärme angewendet werden (Bronchitis, Blasenentzündung, Stirn-, Kieferhöhlenentzündung). Als »warm« bis »heiß« werden Temperaturen von 36 bis 45 °C definiert (genauere Abstufungen finden Sie in den entsprechenden Kapiteln, siehe die Definitionen auf Seite 101).
• Temperierte Wärme wird bei chronischen, nichtentzündlichen Schmerzen angewendet, zum Beispiel bei Muskelverspannungen und rheumatischen Beschwerden (28 bis 35°C, siehe Seite 61).
• Kälte dient der Schmerzlinderung bei Sportverletzungen (stumpfe Traumata), Verstauchungen, Quetschungen, Prellungen sowie bei akuten Hals- und Gelenkschmerzen. Zudem wirkt Kälte entzündungshemmend (zum Beispiel bei akuten Gelenk- und Nervenentzündungen). Bei den Kneippanwendungen wird Kälte zur Anregung des Stoffwechsels und zur Wiedererwärmung (reaktive Hyperämie) eingesetzt. Als »kalt« bezeichnet man Temperaturen von 10 bis 22 °C (siehe Seite 151).
Achtung: Das Wärme- und Kälteempfinden ist bei jedem Menschen anders. Deshalb sind die Temperaturangaben nur ungefähre Richtwerte. Die Empfängerin oder der Empfänger bestimmt die ausgewählte Temperatur, nicht das Thermometer! Besteht Unsicherheit, ob eine heiße Anwendung angezeigt ist, sollte stets ein erster Versuch mit einer temperierten gemacht werden.
Grenzen und Gefahren
Bei akuten medizinischen Problemen, wie beispielsweise bei unklaren Bauchschmerzen, Herzbeschwerden oder akuter Venenentzündung (Phlebitis), muss unbedingt Rücksprache mit dem Arzt/der Ärztin oder entsprechenden Fachpersonal gehalten werden. Vorsicht ist darüber hinaus geboten bei:
• Menschen mit eingeschränkter Kommunikationsfähigkeit,
• mit Lähmungen, Durchblutungs- und Wahrnehmungsstörungen (Sensibilitätsstörungen),
• Betagten oder geschwächten Personen,
• Menschen mit Demenzerkrankungen,
• Allergikern,
• Personen mit akuten Herz-Kreislauf-Erkrankungen,
• Kleinkindern und Säuglingen,
• Schwangeren,
• Menschen mit einer geistigen Beeinträchtigung.
Wickel und Kompressen können die unterschiedlichsten Reaktionen hervorrufen. So kann es bei unsachgemäßer Anwendung zu Verbrennungen, zur Verschlimmerung der Symptome, zu allergischen Reaktionen oder zur Unterkühlung kommen. Ebenso können Krankheitsbilder verschleppt oder verfälscht werden.
Kinder und betagte Menschen reagieren auf Anwendungen intensiver und sensibler, deshalb sind milde Zusätze in temperierter Form anzuwenden.
Bei Allergikern sind individuelle Verträglichkeiten zu beachten. Zu empfehlen ist, vorher auf der Innenseite des Unterarms einen Verträglichkeitstest mit dem verwendeten Zusatz zu machen.
Bei akuten Gelenkentzündungen dürfen keine warmen beziehungsweise heißen Anwendungen durchgeführt werden. Im Zweifelsfall empfiehlt sich der Handtest: Wird die Auflage der warmen Hand als angenehm empfunden, wendet man eine temperierte Kompresse oder einen temperierten Wickel an. Die Verträglichkeit der Kälte kann mit einem Waschlappen geprüft werden.
Grundsätzlich gilt: Bei Verschlechterung der Symptome oder bei Unwohlsein entfernen Sie den Wickel oder die Kompresse sofort. Dies gilt auch dann, wenn die Anwendung zu kalt oder zu heiß ist. Anwendungen mit Wickeln und Kompressen müssen grundsätzlich immer als angenehm empfunden werden!
Dauer und Zeitpunkt einer Anwendung
Grundsätzlich richtet sich die Dauer einer Anwendung nach dem Empfinden der Empfangenden und dem Zweck der Anwendung. Eine heiße Anwendung mit dem Ziel der allgemeinen Wärmezufuhr wird so lange belassen, wie sie als angenehm empfunden wird. Eine kalte Anwendung mit dem Zweck der lokalen Wärmeableitung bleibt so lange auf der betreffenden Stelle liegen, wie sie als kühlend empfunden wird.
Im Tagesverlauf reagiert der Körper verschieden auf die einwirkenden Wärme- oder Kältereize. Physiologisch ist der Körper von 3.00 bis 15.00 Uhr in der »Aufheizphase«. Kältereize werden intensiver empfunden. Von 15.00 bis 3.00 Uhr ist der Körper in der »Entwärmungsphase«. Dann ist genügend Wärme vorhanden, kalte Anwendungen werden als angenehmer empfunden.1
Informationen für Fachleute
In den klassischen Naturheilverfahren werden Wickel und Kompressen der Wärme-/Thermotherapie und der Wassertherapie nach Kneipp allgemein der Hydrotherapie zugeordnet.
Die Wirkungsweise der Wickel und Kompressen wird grundsätzlich über die Beeinflussung der körpereigenen Regulationsmechanismen und somit einer verstärkten Wirkung der Selbstheilungskräfte erklärt. Der thermische Reiz wirkt nervös-reflektorisch über den kutiviszeralen Reflex der Head’schen Zonen. Geruchsimpulse wirken über die Nase und die Siebbeinplatte auf das limbische System und führen weiter über den Hypothalamus zur Ausschüttung von Hormonen. Ein weiterer positiver Effekt ist die Anregung der biografischen Erinnerung, dies im Speziellen bei an Demenz erkrankten Menschen.
Die Reizwirkung resultiert aus der Konstitution der Empfangenden, der Auswahl der Anwendung, dem Temperaturreiz, der Anwendungsdauer und der gewählten Auflagefläche. Bei postoperativen Anwendungen muss Rücksprache mit dem Arzt/der Ärztin genommen werden. In Spitälern, Heimen, Kliniken und in der häuslichen Pflege (Spitex) empfiehlt es sich, für die Umsetzung betriebsinterne Standards zu erarbeiten.
Aus naturheilkundlicher Sicht betrachtet, wirken Wickel und Kompressen über die Haut entgiftend und zielen darauf ab, eine natürliche Ausscheidung zu verstärken. Durch die Anwendung wird zum anderen ein Impuls auf den ganzen Körper gesetzt (zum Beispiel eine Zwiebelkompresse auf den Fußsohlen). Die Reflexzonen stehen in Verbindung mit dem ganzen Körper. Somit kann eine Zwiebelkompresse, auf die Fußsohlen aufgelegt, einen beginnenden grippalen Infekt durch die Anregung der Selbstheilungskräfte reduzieren oder sogar beenden. Andererseits wirken Wickel und Kompressen ableitend auf die Haut, indem sie die lokale Durchblutung fördern und sich anregend auf die Hautatmung auswirken.2
Wärmeregulation
Unser Körper ist auf eine konstante Temperatur angewiesen. Diese beträgt auf der Haut 32 bis 35 °C und im Körperinnern etwa 37 °C. Dadurch wird die Funktion der Stoffwechselvorgänge gewährleistet. Auf Temperaturschwankungen reagiert der Körper sehr sensibel. Entsprechend ist es von Vorteil, die Körpertemperatur möglichst konstant zu halten. Voraussetzung dazu ist das Gleichgewicht zwischen Wärmeproduktion und -abgabe. Diese Regulation bezieht sich auf komplexe Vorgänge innerhalb des Wärmeregulationszentrums im Hypothalamus, einem Abschnitt des Zwischenhirns.
Körpereigene Messfühler als Warm- und Kaltrezeptoren messen konstant die Hauttemperatur, spezifische Messfühler in den Blutgefäßen und im Rückenmark die Bluttemperatur. Über sie wird ein Istwert registriert. Das übergeordnete Wärmeregulationszentrum ist auf einen Sollwert eingestellt. Dieser entspricht einer Ausgangslage von etwa 32 °C auf der Haut und etwa 37 °C im Körperkern. Zeigen Ist- und Sollwert Abweichungen, gleicht der Körper den Temperaturanstieg mit Wärmeabgabe, den Temperaturabstieg mit Wärmeproduktion aus.
Die Wärmeabgabe geschieht überwiegend über die Haut durch Erweiterung der Blutgefäße und somit durch Abstrahlung der Körperwärme. Die intensivste Wärmeabgabe ist das Schwitzen. Dadurch entsteht Verdunstungskälte, die dem Körper weiter Wärme ableitet.
Die Wärmeproduktion wird durch eine erhöhte Stoffwechselfunktion geregelt. Zum Schutz vor weiterer Wärmeabstrahlung verengen sich die Blutgefäße in der Haut. Die »Gänsehaut« zeigt durch das Aufrichten der Haare eine erhöhte Muskelspannung. Durch Kältezittern — eine erhöhte Muskelarbeit — wird die Wärmebildung erhöht. Nach der Nahrungsaufnahme nimmt die Wärmeproduktion dank der Stoffwechselsteigerung zu. Die Leber trägt durch die chemische Umsetzung von Kohlenhydraten und Eiweiß ebenfalls zur Wärmeproduktion bei.
Bei Fieber verändert sich der Sollwert der körpereigenen Temperatur durch die von Krankheitserregern abgegebenen Krankheitsstoffe (Pyrogene). Somit muss der Körper mehr Wärme produzieren. Dies erreicht er wirkungsvoll durch das Muskelzittern (Schüttelfrost). Weitere Informationen siehe unter Wadenwickel auf Seite 161.
Wickelanwendungen können Temperaturreize setzen, die auf den ganzen Körper einwirken und somit die Wärmeregulation beeinflussen. Eine heiße Bauchkompresse kann dabei die Körperkerntemperatur erhöhen, sodass eine gesteigerte Wärmeabgabe durch Schwitzen erfolgt. Kaltanwendungen in der Wickelarbeit zielen dagegen darauf ab, eine lokale Übererwärmung abzuleiten. Durch eine korrekte Anwendung wird die Körperkerntemperatur nicht beeinflusst. Eine großflächige kurze Kälteanwendung, wie zum Beispiel eine kalte Armwaschung (Kneippanwendung), senkt hingegen die Körperkerntemperatur und führt somit zu einer vermehrten Wärmeproduktion.
So werden die Anwendungen zum Erfolgserlebnis
Damit die Anwendung von Wickeln und Kompressen zu einem guten Ergebnis führt, bedarf es vorweg einiger grundsätzlicher Informationen und Abklärungen. Beachten Sie darüber hinaus, dass Wickel und Kompressen sowohl eine Wirkung auf den Körper als auch auf die Psyche haben. Nehmen Sie sich daher genügend Zeit für eine gute Abklärung, Vorbereitung und Durchführung.
Eine Anwendung sollten Sie unter Betreuung und Beobachtung vornehmen, dies im Besonderen bei Kindern und betagten Menschen. Akut medizinische Geschehen sind dagegen grundsätzlich keine Anwendungsgebiete für Wickel und Kompressen. Lediglich nach medizinischer Abklärung und Absprache können sie unterstützend eingesetzt werden.
Stellen Sie sich vor der Anwendung von Wickeln und Kompressen auf jeden Fall die folgenden Fragen:
• Welches Bedürfnis hat die Person?
• Was ist die Ausgangslage, welche Beschwerden sollen mit welchem Ziel gelindert werden?
• Welche Erfahrungen mit Wickeln sind möglicherweise bereits vorhanden, und wie können sie eventuell genutzt werden?
• Welche Temperatur ist sinnvoll: heiß, temperiert oder kalt?
• Mit welchem Zeitaufwand inklusive Nachruhen ist zu rechnen?
• Welche Zusätze und welches Material stehen zur Verfügung beziehungsweise werden benötigt?
• Welche Vorsichtsmaßnahmen müssen beachtet werden?
Jede Anwendung dient einem klar umrissenen Zweck, jeder Wickel und jede Kompresse unterliegt einer festen (und bewährten) Rezeptur. Grundsätzlich aber gilt: Die Bedürfnisse und Vorlieben der Empfänger und Empfängerinnen haben erste Priorität.
Die Dosierungen sind der Größe der Auflagestelle und der Person anzupassen. Hier gilt der Grundsatz: »Milde Reize regen an, große Reize hemmen.« Die Einhaltung der beschriebenen Mengen ist besonders bei den ätherischen Ölen wichtig. Im Umgang mit Kindern und älteren Menschen ist zudem erhöhte Vorsicht geboten. In der professionellen Pflege lassen Sie sich die Mischungen der ätherischen Öle von einer speziell ausgebildeten Fachperson zubereiten.
Die verwendeten Wirkstoffe und/oder Zusätze können ihre Wirkungsweise anders entfalten als bei einer Einnahme. Daher sind in diesem Buch bei der Beschreibung der Zutaten jeweils die Wirkstoffe aufgelistet, die überwiegend bei der äußerlichen Anwendung zum Tragen kommen. Alle Zusätze werden — mit einigen Ausnahmen — nur einmal verwendet und danach entsorgt.
Das A und O einer korrekten Anwendung ist die fachgerechte Durchführung und die angepasste Fixation (Befestigung). Muss ein Zusatz eingepackt werden, ist darauf zu achten, dass immer eine Schicht Stoff zwischen dem Zusatz und der Haut liegt.
Übung macht die Meisterin: Je mehr Anwendungen Sie ausprobiert haben, desto sicherer werden Sie sich bei der Umsetzung fühlen. Besuchen Sie bei Interesse deshalb gegebenenfalls auch Kurse und Weiterbildungsangebote (siehe Anhang).
Wickelmaterial
Tücher/Materialien
Für den Hausgebrauch und die Berufspraxis können verschiedene Wickeltücher verwendet werden:
• Für Erwachsene eignet sich ein Badetuch von etwa 160 × 40 Zentimeter Größe.
• Baumwoll-, zum Beispiel Moltontuch, oder Wolltuch (etwa 200 × 40 Zentimeter).
• Bei Kindern bis zu 10 Jahren verwendet man ein Wolltuch von zirka 80 × 25 Zentimeter Größe oder ein Frotteehandtuch.
Außerdem braucht man folgende Materialien:
• Frotteehandtuch
• Flanellwindel (zirka 80 × 80 Zentimeter)
• Gazewindel (zirka 60 × 60 Zentimeter)
• Gazewindel klein (zirka 30 × 30 Zentimeter)
• Baumwollwaschlappen
• Küchenhandtücher aus Baumwolle und Leinen oder Halbleinen
• Taschentuch aus Baumwolle
• Rohwolle
• Leggings aus Baumwolle
• Strumpfhose aus Wolle
• Stirnband
• Leinen- und Wollsocken
• Leinentuch für Lendenwickel
• Elastische Binde
• Windeleinlagen aus Viskosevlies
• Haushaltspapier