Czytaj książkę: «Die Mito-Medizin»

Czcionka:

Lee Know

Die Mito-Medizin

Gesunde Mitochondrien – gesunder Körper:

Wie Sie Ihre Zellkraftwerke schützen, Krankheiten heilen und lange leben


Titel der amerikanischen Originalausgabe:

Mitochondria and the Future of Medicine

Copyright © 2018 by Lee Know

ISBN 978-1-60358-767-9

VAK Verlags GmbH edition published by arrangement with Chelsea Green Publishing Co, White River Junction, VT, USA, www.chelseagreen.com

Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wurde im Text die männliche Form gewählt; alle Angaben beziehen sich selbstverständlich auf Angehörige aller Geschlechter.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

VAK Verlags GmbH

Eschbachstraße 5

79199 Kirchzarten

Deutschland

www.vakverlag.de

© VAK Verlags GmbH, Kirchzarten bei Freiburg 2018

Übersetzung: Imke Brodersen

Lektorat: Nadine Britsch

Layout: Karl-Heinz Mundinger

Umschlagdesign: Agentur Guter Punkt, München

Umschlagfoto: © wir0man / istock

Satz & Druck: Friedrich Pustet GmbH & Co. KG, Regensburg,

Printed in Germany

ISBN: 978-3-86731-212-7 (Paperback)

ISBN: 978-3-95484-396-1 (ePub)

ISBN: 978-3-95484-397-8 (kindle)

ISBN: 978-3-95484-398-5 (PDF)

Für H.E.A.L.

„Die Knords“

Erin, Aidan und Hudson

Hinweise des Verlags

Dieses Buch dient der Information über Möglichkeiten der Gesundheitsvorsorge. Wer diese Informationen anwendet, tut dies in eigener Verantwortung. Autor und Verlag beabsichtigen nicht, Diagnosen zu stellen oder Therapieempfehlungen zu geben. Die vorgestellten Vorgehensweisen sind nicht als Ersatz für professionelle medizinische Behandlung bei ernsthaften Beschwerden zu verstehen.

Inhalt

KAPITEL 1 Die Macht: Ursprung und Evolution der Mitochondrien in der Physiologie des Menschen

Kleiner Abstecher in die Zellbiologie

Die Evolution der eukaryoten Zelle

Mitochondrien: Sie sind die Macht

Das Wichtigste über Mitochondrien

Zellatmung und oxidative Phosphorylierung: Die Grundlagen

Wie eine heiße Kartoffel: Die Elektronentransportkette

ATP-Synthase: Kopplung von Elektronentransportkette mit oxidativer Phosphorylierung

Mitochondriale DNA (mtDNA): Ein Relikt aus den Anfängen des Lebens

Ein radikales Signal: Der positive Einfluss der freien Radikale

Mitochondrienmutationen: Der Anfang vom Ende

Überholte Theorien zur Alterung

Die Mitochondrientheorie der Alterung

Die maximale Lebenserwartung von Säugetieren verlängern

Degenerative Erkrankungen und das definitive Ende

Es wird so heiß hier drin: Die Entkopplung des Protonengradienten

KAPITEL 2 Die dunkle Seite der Macht: Krank durch mitochondriale Dysfunktion

Ein Ausflug in die Bioenergetik

Nahrung und Sauerstoff: Die Grundbestandteile der Energieproduktion

ATP-Produktion und ATP-Umsatz

Die Rolle der Mitochondrien bei Herzgefäßkrankheiten

Die Rolle der Mitochondrien für Nervensystem, Gehirn und kognitive Gesundheit

Die Rolle der Mitochondrien bei der Neurodegeneration

Depressionen

Aufmerksamkeitsdefizitstörung mit Hyperaktivität: Achtet auf die Mitochondrien!

Chronisches Erschöpfungssyndrom, myalgische Enzephalomyelitis und Fibromyalgie

Typ-2-Diabetes

Mitochondrienschäden bei Typ-2-Diabetes

Mitochondrialer Diabetes

Medikamentös induzierte Schäden und Erkrankungen der Mitochondrien

Mitochondriale Erkrankungen

Mitochondriale Erkrankungen als Primärerkrankung

Mitochondriale Erkrankungen behandeln

Altersbedingte Schwerhörigkeit

Mitochondrien, Hautalterung und Falten

Unfruchtbarkeit und Mitochondrien

Augenerkrankungen

Stammzellen brauchen gesunde Mitochondrien

Krebs: Wer die Ursache versteht, ist der Heilung einen Schritt näher

Alterung als Krankheitsprozess

KAPITEL 3 Die Macht stärken: Wie Ernährung und Lebensweise die Mitochondriengesundheit beeinflussen

Ein Blick ins Vogelreich

D-Ribose

Pyrrolochinolinchinon (PQQ)

Coenzym Q10

L-Carnitin

Magnesium

Alphaliponsäure

Kreatin

B-Vitamine

Eisen

Resveratrol und Pterostilben

Ketogene Ernährung und Kalorienrestriktion

Massage und Hydrotherapie

Cannabis und Phytocannabinoide

Sport und körperliche Aktivität

Zusammenfassung

Danksagung

Glossar

Bibliografie

Abbildungsverzeichnis

Stimmen zu Die Mito-Medizin

Über den Autor

KAPITEL 1

Ursprung und Evolution der Mitochondrien in der Physiologie des Menschen

„Ohne die Midichlorianer könnte kein Leben existieren, und wir hätten auch keine Kenntnis von der Macht. Ohne Unterlass sprechen sie zu uns. Und teilen uns den Willen der Macht mit. Wenn du gelernt hast, deine Gefühle zum Schweigen zu bringen, wirst du auch hören, was sie sagen.“

STAR WARS: EPISODE I – DIE DUNKLE BEDROHUNG, QUI-GON JINN ZU ANAKIN SKYWALKER

In einer weit entfernten Galaxie existierten einst mikroskopisch kleine, intelligente Lebensformen, die als Midichlorianer bezeichnet wurden. Sie lebten symbiotisch in den Zellen aller Lebewesen. Wenn sie in ausreichender Zahl vorhanden waren, konnte ihr Symbiosewirt das alles durchdringende Energiefeld der Macht entdecken. Das persönliche Machtpotenzial hing mit der Anzahl der Midichlorianer zusammen – bei normalen Menschen waren es 2 500 pro Zelle, bei einem Jedi weitaus mehr. Die höchste je gemessene Midichlorianermenge (mehr als 20 000 pro Zelle) fand man beim Jedi Anakin Skywalker.

Die Midichlorianer liegen unverändert in jeder Lebensform auf jeder Welt vor, die Leben gestattet. Ohne Midichlorianer gäbe es kein Leben. Ab der entsprechenden Menge gestatten die Midichlorianer ihrem Wirtsorganismus die Entdeckung der Macht, und diese Verbindung lässt sich stärken, wenn man seinen Geist zur Ruhe bringt und zulässt, dass die Midichlorianer über ihren Wirt „sprechen“ und den Willen der Macht zum Ausdruck bringen.

Viele, die dieses Buch in der Hand halten, denken jetzt vermutlich: „Was zur … – ist der Autor komplett durchgeknallt?“ Worum es mir hier geht? Science-Fiction-Fans und alle, die mit Star Wars aufgewachsen sind, haben sicher schon gemerkt, dass die Midichlorianer eine Erfindung von George Lucas sind. Aber ist das wahr?

George Lucas ersann die Midichlorianer schon 1977. Damals diktierte er einem Teammitglied diverse Regeln für sein Werk und erläuterte die verschiedenen Konzepte seines Universums, darunter auch eine Erklärung zu den Midichlorianern (wobei Lucas erst 1999 Gelegenheit fand, dieses Konzept in Star Wars: Episode I – Die dunkle Bedrohung erstmals zu erwähnen.) Die Frage, warum manche für die Macht empfänglich waren, andere hingegen nicht, war seit dem ersten Star-Wars-Film ein ungelöstes Problem.

In Star Wars: Episode 1 – Die dunkle Bedrohung kommt das Thema der Midichlorianer als Teil einer symbiotischen Beziehung den ganzen Film über immer wieder zur Sprache. Das Faszinierende daran ist aus meiner Sicht, dass das Konzept der Midichlorianer lose auf den Mitochondrien basiert, also auf jenen Organellen, die auf unserem sehr realen Planeten ganz ohne Science-Fiction ständig Energie für die Zellen erzeugen. Wie die Midichlorianer werden auch die Mitochondrien als ehemals separate Organismen eingestuft, die lebende Zellen besiedelten und mittlerweile zu einem Teil davon geworden sind. Bis heute agieren Mitochondrien in mancherlei Hinsicht als unabhängige Lebensformen mit einer eigenen DNA.

Die meisten Leserinen und Leser dürften Mitochondrien aus dem Biologieunterricht kennen: Dort werden sie als „Kraftwerke“ der Zelle beschrieben; winzige Generatoren, die in den Zellen leben und nahezu alle Energie erzeugen, die eine Zelle zum Leben benötigt. Je nach Zelltyp gibt es normalerweise Hunderte bis Tausende Mitochondrien pro Zelle. Sie nutzen den Sauerstoff aus der Luft, die wir einatmen, um die Nahrung, die wir zu uns nehmen, zu verwertbarer Energie zu verbrennen. Manche von Ihnen haben vielleicht auch schon einmal von der „mitochondrialen Eva“ gehört. Da die Mitochondrien über die mütterliche Linie vererbt werden, wäre die mitochondriale Eva – wenn wir unsere genetische Herkunft zur Mutter, zur Großmutter mütterlicherseits und so weiter zurückverfolgen könnten – die Urmutter aller Menschen. (Und sie hätte vermutlich vor etwa 170 000 Jahren in Afrika gelebt. Das bedeutet nicht automatisch, dass sie der erste Mensch gewesen wäre, sondern lediglich, dass sie die jüngste Ahnin wäre, die alle heute lebenden Menschen gemeinsam hätten.)

Dass wir unsere Herkunft in dieser Form herleiten können, liegt daran, dass alle Mitochondrien eine eigene DNA (also Gene) besitzen, die normalerweise nur über die weibliche Eizelle an die Kinder weitergegeben werden, nicht über die männliche Samenzelle. Damit wäre die Mitochondrien-DNA (abgekürzt als mtDNA) sozusagen unser genetischer Nachname. Im Gegensatz zur im Westen üblichen Weitergabe des Nachnamens der väterlichen Linie (wodurch sich der Name aus diversen Gründen, beispielsweise durch Heirat, immer wieder ändern kann), ist die mtDNA relativ konstant und unterliegt kaum Veränderungen. So können wir die Abstammung über die mütterliche Linie nachvollziehen. Auf diese Weise lässt sich normalerweise auch eine familiäre Verwandtschaft bestätigen oder widerlegen.

Zugleich ist die mtDNA von großem Nutzen für die Forensik (zur Identifikation von lebenden oder toten Personen). Der Vorteil der mtDNA besteht darin, dass in jeder Zelle jede Menge dieses Genmaterials vorliegt. Denn von unserer menschlichen DNA im Zellkern (die nukleäre DNA, kurz nDNA; die Schaltzentrale der Zelle) liegen nur jeweils zwei Stränge vor, wohingegen jedes Mitochondrium fünf bis zehn Genkopien enthält. Hinzu kommt, dass jede Zelle nur einen Zellkern besitzt, aber zumeist mehrere Hundert und teilweise Tausende von Mitochondrien. Das heißt, in jeder Zelle gibt es mehrere Tausend Kopien derselben mtDNA.

Mediziner interessieren sich besonders für die „Mitochondrientheorie der Alterung“. Auf dieses Thema werde ich später näher eingehen (siehe Seite 65, „Die Mitochondrientheorie der Alterung“). Grundsätzlich postuliert diese Theorie, dass das Altern – und viele damit einhergehende Erkrankungen – auf eine allmähliche Degeneration der Mitochondrienqualität zurückgeht. Der Grund dafür sind reaktive Moleküle, also freie Radikale, die während der normalen Zellatmung entstehen. (Die Zellatmung ist der Prozess, bei dem die Mitochondrien mit dem eingeatmeten Sauerstoff die verzehrte Nahrung verbrennen.) Diese freien Radikale schädigen angrenzende Strukturen, darunter auch die DNA, und zwar sowohl in den Mitochondrien als auch im Zellkern.

In jeder unserer Zellen greifen freie Radikale Zehntausende Male am Tag die DNA an. Die dabei entstehenden Schäden werden durch eine raffinierte Reparaturmaschinerie innerhalb der Zellen zumeist still und leise wieder beseitigt. Mitunter hinterlassen sie aber auch irreversible Schäden in Form von dauerhaften Mutationen der DNA. Da der Angriff der freien Radikale Tag und Nacht weiterläuft, sammeln sich derartige Mutationen im Laufe des Lebens an. Erreicht die Schädigung eine gewisse Schwelle, so stirbt die Zelle ab, und mit jeder sterbenden Zelle degeneriert das Gewebe ein wenig mehr. Diese stetige Erosion ist für viele altersabhängige degenerative Erkrankungen verantwortlich, ja, sogar für den Alterungsprozess an sich.

Auch die Mitochondrien selbst können erkranken, und manche dieser teils angeborenen, teils erworbenen Erkrankungen sind durchaus bekannt. In der Regel beeinträchtigen sie metabolisch aktives Gewebe wie Muskeln, Herz und Gehirn. Je nach Lage des am stärksten betroffenen Gewebes kann die Symptomatik breit gefächert sein.

2015 wurde im Vereinigten Königreich über die Zulassung einer umstrittenen Kinderwunschbehandlung abgestimmt, den nukleären Genomtransfer, also eine Mitochondrien-Ersatztherapie. Bei dieser Form der künstlichen Befruchtung wird der Eizelle (Oozyte) einer gesunden, fruchtbaren Eizellenspenderin der Zellkern (Nukleus) entnommen. Alle anderen Komponenten einschließlich der gesunden Mitochondrien bleiben bestehen. Dann wird der Nukleus des befruchteten Eies (Zygote) der nicht fruchtbaren Frau in das gesunde gespendete Ei übertragen. Aufgrund ethischer und praktischer Bedenken ist diese Vorgehensweise im Rest der Welt bisher nicht zulässig. Das Vereinigte Königreich jedoch treibt die Forschungen voran und gestattet die Geburt von Babys, die genetisch drei Eltern haben (nDNA von Mutter und Vater sowie mtDNA von der Spenderin oder einem dritten Elternteil). Ende 2016 wurde im Vereinigten Königreich die erste Genehmigung ausgestellt, und 2017 sollte das erste offiziell „zugelassene“ Kind zur Welt kommen, bei dem diese Technik eingesetzt wurde. (Inoffiziell wurde diese Technik bereits 2015 in Mexiko erprobt, wo hierzu keine gesetzlichen Vorgaben existierten. Das mexikanische Drei-Eltern-Baby kam 2016 zur Welt.)

Einer der wichtigsten Aspekte der Mitochondrien wurde von den Medien jedoch in den letzten Jahrzehnten kaum beachtet. Es geht dabei um ihre Rolle bei der Apoptose, dem programmierten Zelltod, bei dem die Zelle sich selbst umbringt. Im Zuge der Apoptose sterben einzelne Zellen „freiwillig“ ab, damit der Körper insgesamt weiterleben kann.

Früher glaubte man, die Apoptose würde von Genen im Zellkern gesteuert werden. Mitte der 1990er-Jahre jedoch erfolgte aufgrund bemerkenswerter Erkenntnisse ein Umdenken, denn es stellte sich heraus, dass die Apoptose in Wahrheit von den Mitochondrien ausgeht. Für die Medizin und insbesondere für die Krebsforschung ist das von großer Bedeutung. Zellen unterliegen ständiger Alterung und Angriffen, die ihre DNA mutieren lassen. Wenn bei solchen Mutationen eine Zelle entsteht, die sich unkontrolliert vermehren will, führt das letztlich zu Krebs: Zellen, die nicht auf Anweisung Selbstmord begehen, gelten heute als die eigentliche Ursache von Krebserkrankungen.

Das bedeutet jedoch noch weit mehr. Ohne den programmierten Zelltod hätten komplexe, vielzellige Organismen womöglich nie die nötige Zielrichtung und Organisation erreicht, um sich kontrolliert zu vermehren, und wir würden unsere Welt vermutlich kaum wiedererkennen. Ich weiß, das klingt verwirrend. Leichter nachvollziehbar wird es, sobald Sie den Abschnitt „Die Evolution der eukaryoten Zelle“ (siehe Seite 22) gelesen haben.

Tatsächlich sind Zellen in vielzelligen Organismen (sogenannte eukaryote Zellen) nämlich um ein Vielfaches größer als einzellige Bakterien. Ohne Mitochondrien könnte eine eukaryote Zelle ihren Energiebedarf unmöglich decken, wie Sie gleich sehen werden.

Obwohl ich auf die Evolution der beiden Geschlechter (männlich und weiblich) nicht tiefer eingehen möchte, können Mitochondrien sogar zur Beantwortung der Frage nach dem Sinn und Zweck zweier Geschlechter beitragen. Sexueller Kontakt zwischen Mann und Frau ist für die Beteiligten zwar sehr genussvoll, aber eigentlich eine wenig effiziente Fortpflanzungsmethode. Für ein einziges Kind (jedenfalls meistens) brauchen Menschen zwei Elternteile. Zum Klonen hingegen braucht man nur eine Mutter. Der Vater ist hierbei nicht nur überflüssig, sondern schlichtweg eine Verschwendung von Ressourcen (was ich rein zufällig ausgerechnet am Vatertagswochenende schreibe). Hinzu kommt, dass sich bei zwei Geschlechtern nur die Hälfte der Bevölkerung vermehren kann. Mathematisch betrachtet ist das ineffizient. Es wäre also logischer, wenn wir uns mit jedem anderen Menschen paaren könnten und alle dasselbe Geschlecht hätten oder es eine unendliche Anzahl an Geschlechtern gäbe.

Es gibt jedoch einen Grund dafür, dass wir nur zwei Geschlechter haben, und das sind die Mitochondrien. Inzwischen gelten sie als die wahrscheinlichste Erklärung, denn: Ein Geschlecht spezialisiert sich darauf, seine Mitochondrien an den Nachwuchs weiterzugeben (in den Eiern der Frau). Das andere spezialisiert sich darauf, seine Mitochondrien nicht weiterzugeben (über das Sperma des Mannes). Genaueres zu diesem Thema finden Sie in Kapitel 2 im Abschnitt „Unfruchtbarkeit und Mitochondrien“ (siehe Seite 143), wo es um Fruchtbarkeit, Unfruchtbarkeit und Empfängnis geht.

Kleiner Abstecher in die Zellbiologie

Ich muss Sie leider vorwarnen: An dieser Stelle wird es ziemlich theoretisch, besonders für alle, die kein wissenschaftliches oder biologisches Hintergrundwissen haben. Um die Bedeutung der Mitochondrien und der entsprechenden Forschungsergebnisse sinnvoll erläutern zu können, muss ich einige technische Details erklären. Nur so kann ich sicherstellen, dass alle Leserinnen und Leser für die folgenden Informationen das gleiche Grundverständnis für Zellbiologie haben. Daher halte ich einen schnellen, groben Überblick für absolut angemessen und möchte damit nicht etwa Seiten schinden. Wenn Sie bei den Einzelheiten irgendwann abschalten, bleiben Sie bitte unbesorgt. Versuchen Sie lediglich, das Gesamtbild zu erfassen. Mitunter geht es auch weiter ins Detail für all jene, die die Komplexität dieses Bildes noch besser verstehen möchten. Also los!

Die Zelle ist die einfachste Lebensform, die unabhängig existieren kann. Deshalb gilt sie in der Biologie als Grundeinheit. Die einfachsten Zellen sind Einzeller, zum Beispiel Bakterien. Einzellige Organismen sind extrem klein und haben in der Regel nur einen Durchmesser von wenigen Mikrometern (ein Mikrometer ist das Tausendstel eines Millimeters). Sie können unterschiedliche Formen annehmen, doch die meisten sind entweder kugelig oder stäbchenförmig. Vor Umwelteinflüssen schützt sich die Zelle durch eine starke, aber durchlässige (permeable) Zellwand. In dieser Zellwand befindet sich die Zellmembran, eine unglaublich dünne und feine, aber relativ undurchlässige (impermeable) Membran. Mithilfe dieser Membran erzeugen Bakterien ihre Energie. Genau diese Membran bildet auch die Innenmembran der Mitochondrien und dürfte die wohl wichtigste Membran im menschlichen Körper darstellen.

Innerhalb der Bakterienzelle befindet sich das Zytoplasma, eine gelartige Masse, die unzählige biologische Moleküle enthält. Manche der „großen“ Moleküle sind selbst bei millionenfacher Vergrößerung durch ein starkes Mikroskop kaum erkennbar. Eines dieser Moleküle ist die lange, gedrehte Struktur der DNA, die legendäre Doppelhelix, die Watson und Crick vor über 50 Jahren beschrieben haben. Ansonsten sieht man dort nicht viel. Biochemische Analysen ergaben jedoch, dass Bakterien – die einfachsten Lebensformen – in Wahrheit derart komplex sind, dass wir nach wie vor nur sehr wenig über ihre kaum wahrnehmbare Organisation wissen.

Menschen hingegen bestehen aus unterschiedlichen Zelltypen.* Zellen gelten zwar als einfachste Grundeinheit des Lebens, doch das Volumen dieser Zelltypen ist häufig Hunderttausendmal größer als das von Bakterien, was uns deutlich bessere Einblicke ermöglicht. Es gibt große Strukturen aus komplexen Membranen, in die verschiedenste Proteine eingebettet sind, und die als Organellen bezeichnet werden. Für die Zelle sind die Organellen dasselbe, was für den Körper die Organe sind: Unauffällige Einheiten mit ganz bestimmten Aufgaben. Daneben finden sich im Zytoplasma die verschiedensten großen und kleinen Vesikel (bläschenförmige Strukturen) sowie das Zytoskelett, ein dichtes Fasernetzwerk, das der Zelle strukturellen Halt verleiht. Und schließlich gibt es den Zellkern, der landläufig als Schaltzentrale der Zelle gilt. All dies zusammen ergibt die Zellen, aus denen die uns bekannte Welt besteht, und die wir als eukaryote Zellen bezeichnen. Alle Pflanzen und Tiere, sogar die Algen und letztlich jedes Lebewesen, das wir mit bloßem Auge erkennen könnten, setzen sich aus eukaryoten Zellen zusammen, die jeweils einen eigenen Zellkern beherbergen.

Innerhalb des Zellkerns befindet sich die DNA. Einerseits hat die DNA einer eukaryoten Zelle genau die gleiche Doppelhelixstruktur wie jene von Bakterien, andererseits ist sie völlig anders organisiert.

Bei Bakterien bildet die DNA lange, gewundene Schlingen (ringförmige oder zirkuläre DNA). Lassen Sie sich von dieser Bezeichnung jedoch nicht täuschen, denn man sieht hier keineswegs einen „Ring“, sondern eher eine Art chaotisch verwickelten Ball. Es geht lediglich darum, dass es wie bei einem Kreis keinen Anfang und kein Ende gibt. Von dieser zirkulären DNA liegen in jedem Bakterium diverse Kopien vor, die allesamt Kopien derselben Gene darstellen.

Bei eukaryoten Zellen findet sich normalerweise eine bestimmte Anzahl verschiedener Chromosomen, die nicht kreisförmig, sondern linear ausgerichtet sind. Auch dies heißt nicht etwa, dass die DNA eine gerade Linie beschreibt, sondern lediglich, dass jeder Strang zwei eindeutig getrennte „Enden“ besitzt. Im Gegensatz zur zirkulären DNA enthalten die Chromosomen jeweils unterschiedliche Gene. Menschen haben 23 Chromosomen. Weil wir jedoch von jedem über zwei Kopien verfügen, sind es insgesamt 46 Chromosomen pro Zelle. Bei der Zellteilung schließen diese sich paarweise zusammen, verbinden sich in der Mitte und nehmen hierfür die vertraute X-Struktur an, die wir aus dem Biologieunterricht kennen.

Chromosomen bestehen jedoch nicht nur aus DNA. Sie sind von spezialisierten Proteinen überzogen, darunter die sogenannten Histone, welche die DNA nicht nur vor Schaden bewahren, sondern auch als „Türsteher“ zu den Genen fungieren. Histone unterscheiden die eukaryoten Chromosomen von denen der Bakterien, deren DNA nicht in dieser Form geschützt ist und sozusagen „nackt“ vorliegt.

Jeder der beiden Genstränge der Doppelhelix ist eine Blaupause für den anderen Strang. Wenn sie bei der Zellteilung auseinandergezogen werden, enthält jeder Strang die nötige Information zur Rekonstruktion der vollständigen Doppelhelix, wodurch wiederum zwei identische Kopien entstehen. Die in der DNA enthaltene Information ist in Genen organisiert, die ihrerseits die molekulare Struktur von Proteinen codieren. So wie jedes Wort aus den Buchstaben des Alphabets besteht, ist jedes Gen eine Sequenz aus lediglich vier „Molekül-Buchstaben“. Die Abfolge dieser Buchstaben bestimmt die Proteinstruktur.

Das Genom (das über eine Milliarde Buchstaben umfassen kann) ist die vollständige Ausgabe aller Gene eines Organismus‘. Jedes Gen (zumeist Tausende von Buchstaben) codiert ein bestimmtes Protein. Jedes Protein besteht wiederum aus einem Strang Untereinheiten, den Aminosäuren, und die exakte Abfolge dieser Aminosäuren bestimmt die funktionellen Eigenschaften dieses bestimmten Proteins.

Eine „Mutation“ entsteht, wenn die Buchstabenreihenfolge sich verändert. Dadurch kann sich die Aminosäure oder aber die Proteinstruktur ändern. Zum Glück hat die Natur an dieser Stelle gewisse Redundanzen einkalkuliert. Eine Aminosäure kann nämlich von unterschiedlichen Buchstabenkombinationen codiert werden, sodass solche Mutationen nicht immer zu strukturellen oder funktionalen Veränderungen am Protein führen.

Das ist wichtig, denn Proteine sind der Dreh- und Angelpunkt des Lebens. Sie können nahezu unbegrenzte Formen annehmen und zahllose Funktionen ausfüllen. Nur ihretwegen ist das Leben, das wir kennen, möglich. Wenn wir die Funktion der Proteine verstehen, lassen sich bestimmte übergeordnete Kategorien unterscheiden, zum Beispiel Enzyme, Hormone, Antikörper und Neurotransmitter.

Der gesamte Prozess der Proteinbildung wird wiederum von anderen Proteinen gesteuert, unter denen die Transkriptionsfaktoren besonders hervorstechen. Die DNA enthält die Gene nämlich in inaktiver Form, und die Transkriptionsfaktoren bestimmen, ob sie zum Ausdruck kommen (sogenannte Genexpression). Dafür teilen die Transkriptionsfaktoren der Zelle mit, dass sie aus einem bestimmten, zuvor inaktiven DNA-Abschnitt ein aktives Protein bilden soll. Hierfür greift die Zelle jedoch nicht auf die DNA direkt zurück, sondern verlässt sich auf entbehrliche Kopien, die RNA. Es gibt verschiedene RNA-Typen mit jeweils unterschiedlichen Aufgaben. Da wäre zunächst einmal die Messenger- oder Boten-RNA (mRNA). Ihre Abfolge ist eine exakte Kopie der entsprechenden DNA-Sequenz. Wie der Name schon verrät, wandert dieser Botenstoff durch die Poren der Membran um den Zellkern ins Zytoplasma. Dort findet es eines der vielen Tausend proteinbildenden Ribosomen. Die Ribosomen sind sozusagen die Fabrik, in der die auf der mRNA verschlüsselte Information in eine Abfolge von Aminosäuren übersetzt wird, die zusammen das gewünschte Protein bilden.

Ich hoffe, Sie konnten mir folgen. Ich habe mich bemüht, diese Vorgänge möglichst einfach zu beschreiben, wenngleich Hunderte von Wissenschaftlern sich ihr Leben lang bemüht haben (und es gegenwärtig weiterhin tun), einem unglaublich winzigen Abschnitt der bisherigen Biologielektion ein weiteres Detail zu entlocken. Dieser Schnellkurs sollte jedoch die meisten Leserinnen und Leser in die Lage versetzen, nachfolgend die Bedeutung und das Innenleben der Mitochondrien nachzuvollziehen. Fahren wir also fort.

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