Czytaj książkę: «EINLESEHEFT: Der Literaturexpress»

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Über dieses Buch

Was passiert, wenn man hundert mittelmäßig begabte Autoren aus ganz Europa in einem Zug quer durch den Kontinent schickt?

Zaza, Autor eines einzigen, wenig erfolgreichen Erzählbandes, bekommt ein überraschendes Angebot: In einem Zug zusammen mit 99 weiteren Autoren soll er Städte wie Lissabon, Madrid, Paris, Brüssel, Frankfurt, Moskau, Warschau und Berlin besuchen. Warum gerade er für diese abenteuerliche Lesereise ausgewählt wurde, ist Zaza schleierhaft. Als kurz darauf der Kaukasuskrieg ausbricht, seine Freundin Elene sich von ihm trennt und er erfährt, dass der hochneurotische Lyriker Zwiad der zweite georgische Autor an Bord sein wird, ahnt er: Diese Reise wird sein Leben auf den Kopf stellen. Im Literaturexpress erwartet ihn eine denkbar ausgefallene Schicksalsgemeinschaft: Da ist die wohlbeleibte Kroatin Danuta mit einer Schwäche für knackige Männerhintern, der Bulgare Borisow, dessen Veröffentlichung im New Yorker eine Mischung aus Erstaunen, Bewunderung und Neid hervorruft, der Student Iliko, der amourösen Abenteuern, Hotelbademänteln und Einwegpantoffeln hinterherjagt, der polnische Übersetzer Maciek und dessen Frau, die schöne Helena – in die sich Zaza unsterblich verliebt …

»Der Literaturexpress« ist eine herrliche Satire über den internationalen Literaturbetrieb, eine Liebesgeschichte voller Komplikationen, ein rasanter, paneuropäischer Roadtrip. Dank Nino Haratischwilis brillanter Übersetzung gibt es mit Lasha Bugadze eine der wichtigsten neuen Stimmen der georgischen Gegenwartsliteratur zu entdecken, reich an Sprachwitz, Selbstironie und feiner Beobachtungsgabe.

Über den Autor


Copyright © Laura J Gerlach

Lasha Bugadze, geboren 1977 in Tbilissi, ist Autor zahlreicher Romane und Theaterstücke und zählt zu den am meisten gelesenen Autoren Georgiens. Seine Werke wurden in mehrere Sprachen übersetzt, darunter ins Englische, Französische, Russische, Schwedische, Türkische und Polnische; mit »Der Literaturexpress« erscheint sein erster Roman auf Deutsch. Seine Theaterstücke wurden in Georgien, Russland, Polen, Frankreich und Großbritannien aufgeführt und mehrfach ausgezeichnet, darunter mit dem Hauptpreis der International Radio Playwriting Competition der BBC. Lasha Bugadze lebt in Tbilissi und ist neben seiner Tätigkeit als Schriftsteller bekannt für seine Literatursendungen in Radio und Fernsehen.

Lasha Bugadze in der Frankfurter Verlagsanstalt.

(http://frankfurter-verlagsanstalt.de/frames/fva_a_frs_autoren.html)

Über die Übersetzerin


Copyright © Danny Merz/Sollsuchstelle*

Nino Haratischwili, geboren 1983 in Tbilissi, ist preisgekrönte Theaterautorin und -regisseurin sowie Autorin des hochgelobten Familienepos »Das achte Leben (Für Brilka)«, erschienen 2014 bei der Frankfurter Verlagsanstalt. 2015 wurde sie mit dem Literaturpreis des Kulturkreises der deutschen Wirtschaft und dem Anna Seghers-Literaturpreis ausgezeichnet. Ihr Roman »Mein sanfter Zwilling« wurde 2011 mit dem Preis der Hotlist ausgezeichnet. »Der Literaturexpress« ist die erste Übersetzung der in Hamburg lebenden Autorin.

Nino Haratischwili in der Frankfurter Verlagsanstalt.

(http://frankfurter-verlagsanstalt.de/frames/fva_a_frs_autoren.html)


Lasha Bugadze

Der
Literaturexpress

Roman

Aus dem Georgischen von

Nino Haratischwili


Für Sophie

INHALT

1. TBILISSI

2. DAS FLUGZEUG

6. UNTER MACIEK

Interview mit Lasha Bugadze über seinen Roman »Der Literaturexpress«

1. TBILISSI

Im August warfen die Russen Bomben auf uns. Im September trennte sich Elene von mir. Im Oktober fuhr ich nach Lissabon.

Dass ich beim Literaturexpress dabei sein würde, hatte man mir bereits im Frühjahr angekündigt, aber zu diesem Zeitpunkt hatte ich mir noch nicht vorstellen können, dass uns die Russen im August bombardieren würden.

Und auch Elenes Drohungen nahm ich damals nicht allzu ernst. Ich hätte wirklich nicht gedacht, dass sie eine solche Prinzipienreiterin sein würde. Es kam alles sehr unerwartet und schnell. Erst teilte man mir mit, dass ich mit neunundneunzig anderen Autoren durch Europa reisen sollte, kurz darauf sah es so aus, als würden die russischen Bomben mich umbringen, und am Ende stellte sich auch noch heraus, dass ich nicht das Unschuldslamm war, für das Elene mich gehalten hatte.

»Wie ich die mit dir vergeudete Zeit bereue!« Das war das Letzte, was ich von ihr zu hören bekam. Dann schaltete sie ihr Telefon aus. Ich schrieb ihr zwei armselige SMS und ließ es darauf beruhen. Ich versuchte weder zu betteln noch sie irgendwie zu überzeugen. Die russischen Fliegerbomben hatten mir den letzten Rest an Kraft geraubt.

Zuvor hatte mich ein gewisser Koka vom Kulturministerium angerufen, mir etwas von einem sogenannten Literaturexpress erzählt und mich anschließend ins Ministerium bestellt.

Der Literaturexpress erwies sich als ein Zug. In ihn sollten hundert Autoren aus verschiedenen Ländern einsteigen, um einen Monat lang halb Europa zu durchqueren.

Aus einem mir nicht ersichtlichen Grund wandte sich das Kulturministerium mit der Einladung an mich. Koka teilte mir recht freimütig mit, dass die Wahl nur deshalb auf mich gefallen war, weil der Lyriker Khavtasi (einer unserer senilen Idioten) abgesagt hätte. Die Einladung galt für insgesamt zwei georgische Autoren. Koka erzählte weiter, dass ursprünglich zwei Lyriker vorgesehen waren (der Minister soll gesagt haben, dass diese einer solchen Reise größeren Charme verleihen würden), aber dann wurde in Form von meiner Wenigkeit ein Prosaautor reingeschmuggelt. Und so sollten wir die Reise zu zweit antreten: ein Lyriker und ich.

Bis heute ist es mir ein Rätsel, warum dieser Koka und seine Vorgesetzten ausgerechnet auf mich kamen. Wessen Idee war es gewesen, mich auf diese Reise zu schicken? Wer hatte bestimmt, dass ich der Richtige war, um nach Lissabon zu fahren?

Es gibt hierzulande Autoren mit gleich zwanzig Büchern, also wieso unbedingt ich mit meiner armseligen (und vor allem einzigen) Kurzgeschichtensammlung? Wer verlieh mir in einer solch kleptokratischen Organisation, wie das Kulturministerium eine ist, den Status eines ernstzunehmenden Schriftstellers?

Ich tippe auf jenen Koka (der stellvertretender Minister oder etwas in der Art war), diesen weichlichen, Koteletten tragenden und milde aggressiven Landburschen. Angeblich war er vor Ort, als man mir die Auszeichnung verlieh. (Ich hatte für meine Kurzgeschichtensammlung einen lokalen Literaturpreis erhalten.) Und gleich am nächsten Tag nach der Preisverleihung hätte er mein Buch gekauft, es gelesen, und es hätte ihm sogar gut gefallen. Zumindest erzählte er es mir so.

Noch am selben Tag schrieb ich Heinz, einem der Hauptveranstalter der Reise. Als Antwort bekam ich eine offiziell-freundschaftliche E-Mail mit der Reiseplanung. Sie begann mit folgender Ansprache: Dear Mr. or Mrs. Zaza!

Allem Anschein nach wusste man nicht, ob es sich bei mir um einen Mann oder eine Frau handelte. Mein Name hatte ihn ganz offensichtlich überfordert. Ich schrieb, dass ich ein Mr. wäre und in Georgien alle Zazas ausschließlich Männer seien. Natürlich setzte ich ein paar Smileys darunter (diese lächelnden, hinternähnlichen Gesichter).

Die für unseren Zug vorgesehene Route ließ mich in eine Schockstarre fallen. Als ich realisierte, dass der mit Prosautoren und Lyrikern vollbeladene Zug sieben Länder durchfahren sollte, war ich bereits müde und erschöpft, ohne überhaupt einen Fuß in den Zug gesetzt zu haben.

Ich erinnere mich, dass ich meine Ängste auch Elene mitteilte, die wiederum in ihrer typisch mütterlichpädagogischen Art anfing, mich zu ermahnen:

»Du brauchst dich gar nicht so aufzuregen. Wer weiß, wann du noch einmal solch eine Gelegenheit bekommst! Man muss schon ein Idiot sein, um sich so eine Chance entgehen zu lassen.«

Auch erinnere ich mich daran, wie Elene und ich die geplante Route auf der Landkarte studierten. Wir nahmen den alten Globus meines Großvaters wie ein kleines Kind mit in unser Bett, legten ihn zwischen uns und begannen nach den Städten zu suchen, in denen der Literaturexpress haltmachen sollte.

Der Zug fuhr von Lissabon nach Madrid und weiter nach Paris, Brüssel, Frankfurt, Malbork (die Stadt konnte ich auf dem Globus nicht finden), nach Kaliningrad und Moskau (von der Stadt verabschiedete ich mich schon auf dem Globus, denn Russland stellte keine Visa an Georgier aus), und nach Warschau; Endstation sollte schließlich Berlin sein. Halb Europa würden wir also durchqueren.

»Für die Zukunft ist auch eine euroasiatische Literaturtour geplant«, verkündete uns Heinz später. »Dieses Mal hat die Finanzierung nur für die eine Europahälfte gereicht.«

Übrigens: Auch als der russische Flieger die Bombe auf den Machata-Berg warf, lagen Elene und ich im Bett. Es war um fünf Uhr in der Früh. Wir wurden vom ohrenbetäubenden Lärm einer Explosion geweckt. Zuerst dachte ich, dass jemand den Fernsehturm in die Luft gejagt hätte (der Fernsehturm steht quasi bei uns um die Ecke), und stellte mir vor, wie dieses brennende Metallmonster auf unser kleines Haus stürzte.

Elene riss die Fenster auf und sah zum Fernsehturm hoch.

»Nein«, sagte sie, »er steht noch.«

»Wo ist die Bombe dann eingeschlagen?«, fragte ich sie, durchaus erleichtert.

Sie ging auf den Balkon hinaus, und aus irgendeinem Grund umschloss sie ihren Kopf mit beiden Händen und blickte erschrocken zum Himmel.