Czytaj książkę: «DreamLust | 12 Erotische Stories»

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DreamLust | 12 Erotische Stories

von Kira Page

Originalausgabe

© 2017 by blue panther books, Hamburg

All rights reserved

Cover: © arturkurjan @ istock.com

Umschlaggestaltung: www.heubach-media.de

ISBN 9783862775897

www.blue-panther-books.de

Nur für eine Nacht

Es ist merkwürdig ... Ich kann mich nicht mehr richtig daran erinnern, warum ich John mitgenommen habe, was ich mir dabei gedacht habe, ob ich mir überhaupt etwas dabei gedacht habe. Auch wie er eingestiegen ist, weiß ich nicht mehr richtig. In meiner Erinnerung sitzt er einfach neben mir und wir unterhalten uns. Ich erzähle ihm, wie ich ein paar Tage in Neuengland herumgetrampt bin, als ich ungefähr in seinem Alter war.

John ist ambitionierter. Er will per Anhalter einmal quer durch die Staaten, sagt er. In New York ist er gestartet. Ungefähr die halbe Strecke hat er inzwischen geschafft. Er fragt mich, wohin ich unterwegs bin. Ich berichte ihm von meiner panischen Flugangst, die mich zwingt, sämtliche Reisen mit dem Auto zu unternehmen.

Und dann passiert es. Ohne besonderen Grund. Ohne besonderen Anlass. Einfach so. Als wären wir die engsten Vertrauten, fange ich an, John mein Herz auszuschütten. Ich erzähle ihm, dass ich für ein paar Wochen zu meiner Schwester fahre, um den Kopf frei zu kriegen. Ich rede von meiner Scheidung, die ich vor genau zwei Tagen hinter mich gebracht habe. Ich vertraue ihm an, dass ich seit Wochen nicht mehr richtig schlafen kann, dass ich wieder angefangen habe zu rauchen, dass ich mich so leer und ausgelaugt fühle wie noch nie meinem Leben.

Die persönlichsten Worte fließen wie von selbst aus meinem Mund. Währenddessen rauscht draußen die Landschaft vorbei und John sitzt ruhig und aufmerksam da und hört zu. Das ist das Erste, woran ich mich erinnere.

***

Irgendwann wird es dunkel und wir halten an einem kleinen Motel mit Diner. John besteht darauf, mich einzuladen. Erst will ich nicht, aber dann gebe ich nach. Wir gönnen uns Kaffee und Apfelkuchen. Unser Gespräch hat inzwischen eine Wendung genommen. Wir reden über undramatische, harmlose Dinge.

John gibt ein paar Anekdoten von seiner Reise zum Besten. Er ist ein wirklich guter Erzähler. Ich höre ihm gern zu. Er berichtet von einem komischen Kauz, der ihn ein paar Meilen mitgenommen hat. Der Kauz sei der festen Überzeugung gewesen, er könne Stimmen von Geistern auf Tonband aufnehmen. Er spielte John während ihrer Fahrt sogar einige seiner Aufnahmen vor. Es sei aber nur Rauschen zu hören gewesen, sagt John. Wir lachen.

Als er für uns noch ein Stück Kuchen bestellt, spricht uns eine alte Dame vom Nebentisch an. Sie fragt uns nach einem Museum in irgendeiner Kleinstadt in der Nähe, von der weder John noch ich jemals gehört haben. Wir können ihr nicht weiterhelfen. Dann fragt sie mich, wohin ich denn mit meinem Sohn unterwegs sei. Sie hält mich tatsächlich für Johns Mutter. Ich ringe mir ein Lachen ab und kläre das Missverständnis auf. Sie entschuldigt sich, trink ihren Kaffee aus und geht.

Als sie weg ist, steht auch John auf, sagt, dass er gleich wieder da sei, und verschwindet.

Ich schaue aus dem Fenster, auf die Lichter der Autos, die vorbeifließen. Meine Augen fühlen sich fest und müde an. Mein Kopf ist vollkommen leer.

John kommt und kommt nicht wieder. Ich denke, dass er vielleicht eine andere Mitfahrgelegenheit gefunden hat, verwerfe den Gedanken aber gleich wieder, weil sein Rucksack noch in meinem Wagen liegt. Trotzdem rechne ich fest damit, dass sich unsere Wege hier im Diner trennen werden.

Dann ist John wieder da. Entgegen meiner Erwartung fragt er mich, ob ich noch etwas essen möchte, was ich nicht will, und fasst mich bei der Hand. Seine Berührung erschreckt mich. Ich schaffe es nicht, darüber nachzudenken.

Wir gehen zurück zum Wagen, aber nicht, um einzusteigen. John sagt, ich solle meine Sachen aus dem Kofferraum holen. Er habe uns im Motel eingecheckt.

Ich protestiere. Ich will in Bewegung bleiben und nicht allein in einem Zimmer sein – und schon gar nicht in einem, das mir ein trampender Student bezahlt. John sagt, dass ich mich verhört habe: Er hat uns ein Zimmer gebucht. Eins. Er nimmt seinen Rucksack, drückt mir meine Tasche in die Hand und führt mich zum Zimmer Nummer 15.

Als die Tür hinter uns ins Schloss fällt, lässt John seinen Rucksack zu Boden gleiten und packt mich. Er drückt mich an sich und lässt mich seine Erektion spüren. Mir wird sofort schwindelig von dem Gefühl, und ein Haufen Zahlen schwirrt durch meinen Kopf. Ich überlege, wie viele Stunden ich nicht mehr geduscht habe und gleichzeitig, wie viele Jahre mich und John trennen. Sind es zwanzig – oder vielleicht ein paar mehr? Ich muss doppelt so alt sein wie er.

Er haucht einen Kuss auf meine Lippen und sagt, dass er mit mir schlafen will. Bevor ich irgendetwas entgegnen kann, küsst er mich ein zweites Mal. Er will, dass ich mein Make-up loswerde.

»Bitte«, flüstert er.

Als ich »Okay« sage, lässt John mich los und sieht mir dabei zu, wie ich mit meiner Handtasche ins Badezimmer wanke.

Ich stelle mich vor den Spiegel, sehe mich an und frage mich, was hier eigentlich los ist. Mein Atem geht schwer. Plötzlich sehe ich, wie John hinter mir auftaucht. Er ist vollkommen nackt. Das Bild seines Körpers wischt all meine Gedanken beiseite. Irgendetwas in mir will mich davon abhalten, seinen Penis anzuschauen, aber ich tue es trotzdem. Ich starre ihn regelrecht an – wie eine Idiotin. In meinem Kopf rauscht es.

John stellt sich dicht hinter mich. Seine Hand gleitet auf meinen Po. Er bittet mich noch einmal darum, mein Make-up abzuschminken.

Willenlos fange ich damit an. Meine Hände zittern entsetzlich dabei. John beobachtet jede meiner Bewegungen, während er meinen Po streichelt.

Als ich mein Make-up los bin, drückt er sich fest an mich und sagt, dass ich wunderschön sei. Meine Kehle schnürt sich zu. Ich bringe kein Wort heraus. Dann lässt er mich im Spiegel beobachten, wie er meinen Körper umarmt, um meine Bluse aufzuknöpfen. Für jeden Knopf, den er öffnet, gibt er mir einen Kuss auf den Nacken. Die Kussgeräusche kommen mir merkwürdig laut vor. Mein ganzer Kopf ist voll damit und mein Körper fängt zu pumpen an. Ich spüre, wie meine Brüste fest und warm werden. Sein bloßer Penis reibt sich an meinem Rücken.

Ich sehe sein Gesicht im Spiegel, während er meinen BH löst. Es sieht jung aus – furchtbar jung neben mir. Einen Augenblick habe ich das Gefühl, gegen all das protestieren zu müssen – John zurückweisen zu müssen. Aber dann sehe ich seine Augen. Sie blicken streng und voller Lust, und nehmen mir den Willen zu protestieren.

Er zieht mich ein wenig zurück. Jetzt kann ich im Spiegel sehen, wie seine Hand von meinen Brüsten bis zu meinem Schoß streicht. John öffnet den Kopf an meiner Jeans und zieht den Reißverschluss auf. Dann gleitet seine Hand in meine Hose. Sie wandert in meinen Slip und legt sich auf mein Geschlecht. Der Schweiß bricht mir aus – und nicht nur der Schweiß! Durch die Berührung seiner Hand fange ich zu fließen an.

Johns Hand und seine Augen erforschen mich. Seine Finger streicheln meine Klitoris und fahren vorsichtig zwischen meine Schamlippen. Welche seiner Berührungen mich besonders erregen, liest er an meinen Augen und meinem Atem ab, die er konzentriert im Spiegel beobachtet. Als er sein Glied noch fester gegen mich drückt, stöhne ich auf.

Er kniet hinter meinem Rücken nieder und zieht mir die Schuhe und die Socken aus, dann meine Hose und den Slip. Ich fühle mich völlig entblößt und sehe im Spiegel, wie John auf meine Scham schaut und zärtlich darüber streicht. Er erhebt sich. Seine Hände greifen mich an der Hüfte und schieben mich aus dem Bad. Bei jedem Schritt, den ich gehe, spüre ich, wie zittrig und schwach ich geworden bin.

John legt mich sanft auf dem großen Bett ab. Ich sehe, wie er nach mir auf das Bett steigt und ein paar zarte Küsse auf meine Oberschenkel haucht. Dann senkt sich sein Kopf mit den kurzen braunen Haaren zwischen meine Schenkel. Seine Hand legt sich auf meinen Venushügel und strafft ihn, um meine Klitoris herauszulocken. Wieder taucht in mir das Gefühl auf, protestieren zu müssen. Mir rauscht das Bild von der alten Dame durch den Kopf, die denkt, ich sei Johns Mutter, und gleichzeitig denke ich, dass ich für ihn furchtbar schmecken muss. Ich fühle mich unsauber. Doch seine Berührung wischt all diese Gedanken weg. Er liebkost mich, lässt mich seine Zunge spüren und stöhnt genüsslich, wenn mein Körper vor Lust zusammenzuckt. Ich fühle, wie sich vor Erregung meine Hände verkrampfen, meine Füße taub werden und die Feuchtigkeit nur so aus mir herausläuft. Johns Schultern und Nackenmuskeln spannen sich, während er mich verwöhnt. Jetzt lässt er auch noch einen Finger in mich gleiten. Mein Schoß glüht und strahlt Hitze in jeden Winkel meines Körpers. Ich werde unter seiner Zunge und seinen Lippen kommen – direkt vor seinem Gesicht. Das habe ich bei meinem Mann nie getan. Das habe ich überhaupt noch nie getan! Aber jetzt, mit diesem Jungen ...

Mir entfährt ein Schrei. Mein ganzer Körper bäumt sich auf. Alles explodiert, fließt wieder zusammen und ich sinke seufzend auf die Matratze.

Johns junger, glatter Körper schiebt sich über meinen und sein Gesicht lächelt mich an. Er flüstert, dass er mich spüren will. Während er spricht, drückt er sein Glied zwischen meine Schenkel. Es gleitet einfach hinein. Tief. Es fühlt sich so natürlich an, als würde er genau dort hingehören.

John massiert mich mit sanften gleichmäßigen Stößen, die die Mattigkeit aus meinem Körper treiben und die Lustkrämpfe zurückbringen. Mein erschöpftes Seufzen wandelt sich in ein erregtes Stöhnen.

Eine seiner Hände greift fest in mein Haar und er lässt sich auf mich sinken. Ich werde vollkommen wirr von diesem Gefühl, ihn in mir zu haben, und lasse mich ganz von seinen Händen leiten. Sie bitten mich auf die Knie und wieder auf den Rücken. Sie lassen mich auf Johns Gesicht reiten und auf seinem Penis. Ich spüre seine Zunge um meine Brustwarzen kreisen, bis mich ein Orgasmus ergreift.

Irgendwann liege ich auf den Bauch, John tief ihn mir, und er fragt mich, ob er jetzt darf.

Ich sage: »Ja.« Das heißt, ich stöhne etwas, das »Ja« bedeuten soll, und lasse mich von ihm zu einem weiteren Höhepunkt tragen.

Als er mich freigibt, stehe ich wie automatisch auf und husche ins Bad. Nachdem ich meinen Schoß gewaschen habe, gehe ich zurück und lasse mich neben John ins Bett fallen. Er wirft die Decke über mich und sein warmer Körper kuschelt sich an meinen. Ich bin ganz ohne Kraft und meine Beine scheinen Tonnen zu wiegen. In meinen Schoß hallt das Gefühl nach, Johns Glied in mir zu haben. Er sieht mich an, ohne ein Wort zu sagen. Ich will mit ihm reden, aber die Worte gleiten mir weg, bevor ich sie aussprechen kann. Eine bleierne Müdigkeit sickert in meine Augen und ich weiß, dass ich nichts gegen sie unternehmen kann.

***

Ich wache auf und das Erste, was ich wahrnehme, ist sein Geruch. Er ist überall ... in der Decke, in den Kissen, sogar meine Haare riechen nach ihm. Ich atme ihn tief ein, rieche so konzentriert ich kann. Ich will für immer diesen Duft in der Nase haben.

Neben mir geht Johns ruhiger Atem. Ich weiß, dass er auch wach ist. Als ich meine Augen öffne und zu ihm blicke, rutscht sein bettwarmer Körper eng an mich heran. Seine Hand streichelt über mein Gesicht. Wir lächeln, aber ich fühle diese traurige Leere in mir aufsteigen, die mich seit Wochen begleitet. John scheint sie aus meinen Augen herauslesen zu können. Er blickt fragend.

Ich will wissen, ob er aus Mitleid mit mir Sex gehabt hat oder weil er glaubt, er schulde mir etwas. Ob er denn nicht sieht, dass ich viel zu alt für ihn bin, frage ich ihn. Das Sprechen ist mühsam. Meine Stimme ist ganz heiser und brüchig.

Anstatt zu antworten, nimmt er meine Hand in seine, küsst sie und führt sie unter die Decke, direkt zu seinen Lenden. Er legt sie um sein erigiertes Glied, zieht mich noch fester an sich heran und flüstert: »Ich will in dir sein.«

Der ernste Klang seiner Stimme und das Gefühl in meiner Hand holen sofort den Rausch der letzten Nacht zurück. Während wir uns küssen, massiere ich sein Glied mit meiner Hand. Es ist ganz hart und wenn ich fester drücke, spüre ich ein leichtes Pulsieren darin. John schlägt die Decke von mir und mustert meinen nackten Körper. Seine Hände streicheln über mich. Sie scheinen keine Stelle an mir auslassen zu wollen. Einer seiner Finger stellt fest, wie feucht ich bin, und John klettert über mich.

Ich spreize meine Beine und John gleitet vorsichtig in mich. Er lässt mir Zeit, mich ganz zu weiten und ihn aufzunehmen. Eine Weile verwöhnt er mich mit kleinen kreisenden Bewegungen, dann stößt er mich hart und ausdauernd. Ich muss mir auf die Lippen beißen, um nicht das ganze Motel zusammenzuschreien. Seine Hände ergreifen meine Brüste und pressen sie bis an die Schmerzgrenze. Plötzlich zieht er sich zurück und schnellt an mir hinunter. Ein Wirbel rast durch meinen Kopf. John liebkost mich zu einem Höhepunkt und lässt mich dann wieder sein Glied aufnehmen. Ich kralle mich in die feste, junge Haut an seinem Po und lasse mich von ihm stoßen, bis es fast unerträglich wird. Ich sage ihm, dass ich will, dass er kommt, und endlich ergießt sich sein warmer Samen in mich.

Ich spüre, wie sein Körper sich entspannt und sehe in sein Lächeln. Er sagt: »Guten Morgen.«

Wir lachen und reiben unsere Gesichter aneinander. Dann zieht John mich aus dem Bett. Verschwitzt gehen wir miteinander duschen, küssen uns, während wir uns gegenseitig waschen. Es dauert nicht lange, bis sich Johns Glied unter meiner Berührung wieder hebt. Er dreht mich zur Wand, sodass mir das Wasser auf den Nacken regnet. Mein Körper will sich ihm hingeben, ihn aufnehmen. Ich greife mir eine seiner Hände und lege sie auf mein Gesicht, damit ich sie küssen und in sie stöhnen kann. Unsere nassen Körper klatschen aneinander. John sagt etwas, das ich im Rauschen des Wassers nicht verstehe. Mit einem Mal federt sein Glied aus mir heraus. Er dreht mich um, drückt sich fest an mich, presst mich zwischen seinen Körper und die Wand der Dusche und dringt wieder in mich. Ich habe Mühe, Luft zu holen, hyperventiliere und meine Hände sind zu kleinen festen Pfötchen verkrampft. Ich will, dass es sofort aufhört und niemals aufhört. Das warme Wasser der Dusche prasselt auf meinen Kopf. John bedeckt mein Gesicht mit seiner Hand. Als ein warmer Strahl in meinen Schoß fährt, verschwimmen wir ineinander.

Nach einer Weile lösen wir uns. John haucht ein paar zarte Küsse auf meine Lippen. Jeder für sich waschen wir uns und gehen aus dem Bad. Schweigend ziehen wir uns nebeneinander an, verlassen das Zimmer und melden uns an der Rezeption ab. John kauft mir einen Becher Kaffee und begleitet mich zu meinem Wagen.

***

Es ist merkwürdig ... Ich weiß nicht mehr genau, worüber wir dort geredet haben, oder ob wir überhaupt geredet haben. Auch wie wir uns endgültig verabschiedeten und ich losgefahren bin, weiß ich nicht mehr richtig. In meiner Erinnerung sitze ich einfach in meinem Wagen und die Landschaft rauscht an mir vorbei.

Geheime Sünde

»Oh, entschuldigen Sie bitte, Miss.« Kenneth MacLean verlieh seinem durchdringenden Blick eine Spur von Schuldbewusstsein. »Habe ich Ihnen wehgetan?«

Stacey schüttelte den Kopf.

»Ich war in Gedanken und habe nicht aufgepasst, da sind Sie mir irgendwie entgangen. Ich muss ...« Er hielt inne und schnupperte.

Stacey sah, wie sich seine Nasenflügel sachte bewegten. Jetzt roch sie es auch. Während sie beide auseinandergetaumelt waren und Kenneth gesprochen hatte, war eine Duftwolke vom Boden aufgestiegen. Stacey kannte den Geruch, diese aufregende und weiche Note, die sie so gern mochte. So intensiv hatte sie diesen Geruch allerdings noch nie wahrgenommen. Die Duftwolke schien sich im gesamten Treppenhaus ausgebreitet zu haben.

»Auch das noch«, seufzte Kenneth. »Ich habe Ihr Parfüm erwischt.«

Stacey lächelte versöhnlich. »Ich hätte ja auch aufpassen können«, sagte sie.

»Nein, ich bin aus der Tür gestürmt wie ein ... Tut mir leid.«

»Schon gut. Es ist ja nichts Schlimmes passiert.«

»Ihrem Parfüm schon.«

Vor Schreck war Stacey ihre Tüte entglitten, als Kenneth sie angerempelt hatte. Schon das Klirren hatte ihr verraten, dass die kleine Phiole den Sturz nicht überstanden hatte. Die Duftwolke, in der sie sich jetzt befanden, beseitigte die letzten Zweifel. Sie und Kenneth standen im zweiten Stock, direkt vor Kenneths Tür. Er bewohnte die Maisonettewohnung, die Staceys kleinem Apartment gegenüberlag.

Kenneth bückte sich und hob vorsichtig die kleine Tüte auf, aus der jetzt durchsichtige Flüssigkeit rann. Leise war das Geräusch von Glasscherben zu hören, die aneinanderrieben.

»Das werde ich Ihnen ersetzten«, sagte er, während er sich wieder aufrichtete.

»Das brauchen Sie nicht.« Stacey nahm ihm die durchweichte Tüte aus den Händen. Der Duft war jetzt noch intensiver.

»Doch, das möchte ich«, entgegnete Kenneth und sah sie freundlich, aber durchdringend an. »Nennen Sie mir einfach die Marke Ihres Parfüms.«

»Sie brauchen wirklich nicht ...«

»Ich bitte Sie, Miss Green!«, sagte er nun eindringlich.

Kurz stockte sie, dann sagte sie: »›Secret Sin‹.«

Ein ironisches Lächeln umspielte plötzlich seinen Mund. »Tatsächlich?« Augenscheinlich amüsierte ihn der Name.

Stacey stieg ein Anflug von Röte ins Gesicht. Sie hatte lange nicht mehr darüber nachgedacht, dass sie sich mit etwas parfümierte, dessen Name »geheime Sünde« lautete.

»Miss Green duftet also nach ›Secret Sin‹ ...«

Kenneths Augen und seine dunkle Stimme hatten angefangen, mit ihr zu flirten, was ihre Röte und die Wärme im Gesicht noch steigerte.

Stacey strich sich über ihren Hals. »So ist es. Aber, wie gesagt, Sie brauchen nicht ...«

»Übermorgen bringe ich Ihnen eine neue Flasche vorbei«, unterbrach er sie. »Oder haben Sie heute schon etwas vor, das mit Secrets und Sin zu tun hat?«

Stacey blickte verlegen zu Boden. Sie traute sich jetzt nicht mehr, sich zu weigern, das Parfüm von Kenneth ersetzen zu lassen. Er würde es sich ohnehin nicht ausreden lassen. Außerdem gefiel ihr der Gedanke, wenn Kenneth bei ihr vorbeischaute.

Schon seit er eingezogen war, hatte Stacey ihn anziehend gefunden. Er war stattlich gebaut und sehr groß. Seine Haare waren hellblond, fast golden. Er trug sie zu einem Seitenscheitel gekämmt. Seine Kleidung war – immer, wenn sie ihn sah – vollständig schwarz. Heute trug er eine schwarze Lederjacke und einen leichten Schal um den Hals. Es war schwierig zu sagen, wie alt Kenneth war – vielleicht Mitte oder Ende dreißig. Er kam Stacey etwas älter vor, als sie es selbst war. Das mochte natürlich auch nur an seiner selbstsicheren Art und seinem Blick liegen. Sie wusste es nicht genau.

Damals, als sie begriffen hatte, dass Kenneth ihr Nachbar geworden war, hatte sie mit dem Gedanken gespielt, all ihren Mut zusammenzunehmen und ihn auf einen Drink einzuladen. Dieser Plan hatte sich allerdings zerschlagen, als sie kurz darauf bemerkte, dass Kenneth regelmäßig Frauenbesuch bekam.

Die ersten Wochen, in denen er im Haus lebte, war es eine elegant gekleidete Frau mit roten Locken gewesen. Stacey hatte sie ein paar Mal zufällig im Treppenhaus getroffen. Bei ein oder zwei Gelegenheiten hatte sie auch durch ihren Türspion beobachtet, dass die Rothaarige bei Kenneth klingelte. Dann blieb sie fort und eine Frau mit langen braunen Haaren betrat das Feld. Auch sie hatte eine beneidenswerte Figur besessen – lange, schöne Beine, ein zartes Gesicht, einen schlanken Körper. Offenbar war ihr aber nur ein kurzer Auftritt in Kenneths Leben beschieden gewesen. Sie war nach zwei oder drei Wochen aus dem Spiel. Nach ihr kam eine Zeit, in der Kenneth – auch wenn Stacey das nicht beschwören konnte – abwechselnd von einer farbigen und einer Frau mit kurzen blonden Haaren Besuch bekam.

Ihr Nachbar lebte offenbar in einer Welt, die ganz anders war als ihre. Partnerschaften und Sex waren Dinge, in denen sich Stacey bis heute noch sehr unerfahren fühlte. Dass Kenneth allem Anschein nach mehr als reichlich Erfahrungen gesammelt hatte, schüchterte sie ein und zog sie gleichzeitig an, mehr noch als sein Äußeres. Selten war ihr das so bewusst wie jetzt, da sie so dicht vor ihm stand.

»Übermorgen reicht völlig. Ich habe noch eine kleine Reserve. Für Notfälle«, brachte sie endlich heraus.

Kenneth lächelte sie an. »Okay. Das ist strategisch klug. Habe ich sonst noch etwas kaputt gemacht?«

»Nein.«

»Wirklich nicht?«

»Wirklich nicht.«

»Und bei Ihnen ist ganz sicher alles heil?«

»Ja.«

»Dann bin ich erleichtert. Und eine gute Seite hat das alles wenigstens.«

Stacey blickte ihn fragend an.

Kenneth ging an ihr vorbei – näher als es nötig gewesen wäre – und stieg die Treppe hinab. Er blieb stehen und wandte sich ihr wieder zu. Jetzt, da er eine Stufe hinabgestiegen war, befanden sie sich in etwa auf Augenhöhe.

»So gut hat es in unserem Treppenhaus noch nie gerochen.« Er lächelte ihr noch einmal zu und ging mit schnellem Schritt die Treppen hinunter.

Stacey wartete, bis sie hörte, dass die Haustür hinter ihm zugefallen war. Gerade wollte sie in ihre Wohnung gehen, als ihr ein kleines Stück Papier auf dem Boden auffiel. Sie bückte sich und hob es auf. Es war ein mehrfach zusammengefalteter Zettel. Als sie ihn auseinandergefaltet hatte, sah sie, dass er von oben bis unten mit Zahlen bedruckt war, und zwar in Kolonnen zu je fünf Ziffern. Die meisten waren mit Bleistift durchgestrichen. Der Zettel konnte Kenneth bei ihrem Zusammenstoß heruntergefallen sein. Das Papier war sehr staubig. Vermutlich war es einfach Müll. Aber zur Sicherheit könnte sie ihren Nachbarn ja fragen, wenn er übermorgen bei ihr vorbeischaute. Sie steckte den Zettel in ihre Handtasche und schloss mit einem Lächeln die Tür zur ihrer Wohnung auf.

***

Stacey trat auf die Bremse und trommelte ungeduldig mit ihren Fingern auf dem Lenkrad herum. Die Ampel vor ihr war gerade auf Rot gesprungen. Sie schnaufte genervt. Ihre Stimmung hätte kaum schlechter sein können.

Die Tage kamen und gingen und schienen an ihr vorbeizurauschen, so, als wäre sie nicht richtig anwesend. Sie war ständig müde und alles um sie herum kam ihr trist vor. Auch bei ihrer Arbeit in der Agentur hatte Stacey Mühe, sich auf irgendetwas zu konzentrieren. Ihre Gedanken bewegten sich schwerfällig, aber auch in alle Richtungen gleichzeitig. Sie hatte keine Lust auf irgendetwas. Alles war einerlei und öde, aber deswegen nicht weniger anstrengend.

Die Ampel sprang auf Grün und sie fuhr an. Es war schon seit vielen Stunden dunkel und Regen fiel. Bestimmt hatte ihre schlechte Stimmung auch etwas mit diesem trostlosen Wetter zu tun. Irgendwo hatte Stacey einmal einen Spruch aufgeschnappt. Er lautete sinngemäß: »Nichts auf dieser Welt ist so düster wie der Frühling in Chicago.« Wer auch immer sein Urheber war, er hatte es auf den Kopf getroffen.

Das Wetter in dieser Stadt war eine Zumutung. Die letzten Wochen waren nasskalt und grau gewesen. Die Sonne hatte sich rar gemacht. Man hatte kaum Licht gesehen. Die Häuserschluchten waren gefüllt mit Dunst, einer widerlichen Melange aus Abgasen und Nebel. Laut Kalender war angeblich Mai.

Das Wetter war aber nur eine Sache, ihr Job eine andere. Eigentlich wollte Stacey schon vergangenen Herbst für ein paar Wochen Urlaub machen, aber dann musste sie ein Projekt übernehmen und im Anschluss gleich noch eines. Stacey war Texterin in einer kleinen Werbeagentur. Diesen Job hatte sie inzwischen seit über zehn Jahren. Sie wurde immer noch beinahe wie eine Einsteigerin bezahlt, wickelte aber ganze Projekte im Alleingang ab. Erst vor zwei Tagen war ihr die Leitung für ein weiteres Projekt übertragen worden. Die Arbeit schien kein Ende zu nehmen und ihre Kraft ging langsam zur Neige. Heute hatte Stacey gute vierzehn Stunden in der Agentur zugebracht, und fertig war sie trotzdem nicht geworden. Sie würde am Wochenende noch ein paar Dinge erledigen müssen. Die Homepage des neuen Kunden musste begutachtet und ausgewertet werden. Es handelte sich um eine Softwarefirma. Sie bot Programme an, mit deren Hilfe man anonym im Internet surfen konnte.

Wieder musste Stacey auf die Bremse treten.

Sie steckte fest in einem Dunst aus Chicago, nichtssagenden Routinen, öden Alltäglichkeiten, Nieselregen, Nebel und roten Ampeln.

Zum Job-Stress und dem trostlosen Wetter kam noch etwas Drittes. Es war nur eine Kleinigkeit, nervte aber trotzdem. Kenneth MacLean hatte ihr die versprochene Flasche »Secret Sin« nicht zukommen lassen. Weder am Samstag, wie er es angekündigt hatte, noch an einem anderen Tag. Er hatte überhaupt nichts getan. Es gab keine Notiz in ihrem Briefkasten, keine Nachricht an ihrer Wohnungstür. Dieses Nichts war für Stacey eine eindeutige Botschaft: »Du interessierst mich nicht, Kleines.« In seiner Welt kam sie wahrscheinlich überhaupt nicht vor. Sie war allerhöchstens die kleine Miss Green, der er nebenbei im Treppenhaus zuzwinkerte, wenn er zu einer seiner Gespielinnen unterwegs war. Er war nicht einmal höflich genug, um sein Versprechen einzulösen.

Objektiv betrachtet war das natürlich völlig egal. Genaugenommen ärgerte sich Stacey weniger über Kenneth gebrochenes Versprechen, als vielmehr darüber, dass sie über ihn nachdachte und sich über ihn ärgerte. Am besten wäre es, die Geschichte einfach zu vergessen. Er konnte ihr gestohlen bleiben!

Die Ampel sprang auf Grün und Stacey fuhr an.

Der Verkehr floss zäh und stockend. In Chicago wollte man auf Partys oder in Tanzclubs. Es war bald Mitternacht und alle hatten etwas vor – die meisten vermutlich etwas Besseres als sie.

Inzwischen war sie schon eine gute halbe Stunde unterwegs. Trotzdem hatte sie nicht einmal den halben Nachhauseweg hinter sich gebracht. Und wieder eine rote Ampel! Stacey bremste und sah aus dem Fenster. Unweit von ihr stieg eben ein großer Mann aus seiner schwarzen Limousine. Es war Kenneth!

Ein Schalter legte sich in ihr um. Sie handelte, ohne nachzudenken. Als die Autos vor ihr anfuhren, zog sie nach rechts und stieß in eine Parklücke. Sie stieg aus und lief Kenneth nach. Ihr Nachbar schlenderte den Bürgersteig entlang. Seine Kleidung war wieder einmal komplett schwarz gehalten. Er passierte ein paar Restaurants und Kneipen, vor denen Menschen standen, um zu rauchen. Dann bog er in eine kleine Gasse ein. Stacey blieb stehen und beobachtete, wie Kenneth die Gasse entlangging. Sie war nur schwach beleuchtet, sodass sie den Mann in Schwarz bald nur noch schemenhaft erkennen konnte. Dicht vor einer Häuserwand blieb er stehen. Er schien einen Arm auszustrecken. Dann war er verschwunden. Dort musste eine Tür sein.

Stacey setzte ihre Verfolgung fort. Sie lief bis zu der Stelle, an der sich Kenneth ihrem Blick entzogen hatte. Tatsächlich: Da war eine Tür. Direkt daneben befand sich eine kleine Tastatur an der Wand. Ein Zahlenschloss, schlussfolgerte Stacey.

Plötzlich fiel ihr der kleine Zettel ein, den sie im Treppenhaus gefunden hatte. Sie kramte in ihrer Handtasche und fand ihn. Im schwachen Licht war es schwierig, die Zahlenkolonnen zu erkennen. Ihre Augen brauchten eine Weile, bis sie die Ziffernfolgen durchgegangen waren.

Ihr war immer noch nicht klar, warum sie ihrem Nachbarn nachgegangen war. Auch nicht, warum sie jetzt anfing, eine der beiden Zahlenkolonnen, die nicht durchgestrichen waren, in die Tastatur einzutippen ...

Ein kurzes mechanisches Knacken war zu hören und Stacey konnte die Tür aufdrücken. Warmes, angenehmes Licht flutete ihr entgegen. Sie betrat einen Raum, der wie die verkleinerte Lobby eines modernen Luxushotels wirkte. Der Boden war aus weißem Marmor. An den Wänden aus rauem Beton waren Leuchtröhren eingelassen, die von der Decke bis zum Boden reichten. Gegenüber der Tür, durch die Stacey hereingekommen war, stand eine junge Frau hinter einem Tresen aus mattem Glas. Sie trug ein dunkles Kostüm. Einige Meter rechts von dem Tresen ging ein Flur ab.

Stacey schaute zu der Frau, die sie freundlich, beinahe aufmunternd ansah.

»Guten Abend, Madam«, sagte die junge Frau, als Stacey vor ihr stand. Sie hatte einen leichten Akzent, den Stacey nicht zuordnen konnte. »Schön, dass Sie hier sind. Haben Sie einen speziellen Wunsch, was Ihr Kostüm angeht?«

»Mein Kostüm?«

»Ja, Madam. Ich meine Ihre Maske.«

»Ach natürlich«, sagte Stacey, als ob sie genau wusste, wovon die Rede war. »Meine Maske. Nun ...«

»Ich würde Ihnen Weiß ans Herz legen. Sie haben diesen schönen roten Lippenstift aufgelegt – da passt Weiß sehr gut.«

»Okay.«

Die Frau griff unter den Tresen und zog eine weiße Halbmaske hervor, wie Stacey sie auf Fotos vom Karneval in Venedig gesehen hatte. Sie bedeckte Augen und Nase und war am Rand mit kleinen weißen Federn geschmückt.

Stacey nahm sie, drehte sie einen Moment lang unschlüssig in ihren Fingern, setzte sie dann aber rasch auf. Die Maske hatte zwei Riemen, die sie fest anliegen ließen.

»Einen wunderschönen Abend, Madam«, sagte die Frau.

Stacey nickte und ging auf den Flur zu. Nach ein paar Metern führte er nach rechts. Stacey stand wieder vor einer Tür. Dahinter ging der Flur weiter. Auf der linken Seite war ein Vorhang zu sehen. Ihre Schritte stockten, als sie hörte, dass Stimmen und Stöhnen hinter dem Vorhang hervordrangen.

Langsam ging sie vorwärts, ergriff den Vorhang und zog ihn vorsichtig ein kleines Stück zur Seite.

Vor ihr tat sich ein großer Saal auf. Staceys Blick fuhr über zwei, drei Dutzend nackte Körper, die Dinge miteinander taten, die sie unmöglich tatsächlich tun konnten!

Sofort ließ sie den Vorhang fallen und taumelte ein paar Schritte rückwärts. Ihr Verstand prüfte, ob das, was sie gerade gesehen hatte, Einbildung war.

399 ₽
43,27 zł

Gatunki i tagi

Ograniczenie wiekowe:
18+
Objętość:
222 str. 5 ilustracje
ISBN:
9783862775897
Właściciel praw:
Bookwire
Format pobierania:

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