Teufelsjahr

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Kerstin Teschnigg



Teufelsjahr





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Inhaltsverzeichnis





Titel







Prolog







Kapitel 1







Kapitel 2







Kapitel 3







Kapitel 4







Kapitel 5







Kapitel 6







Kapitel 7







Kapitel 8







Kapitel 9







Kapitel 10







Kapitel 11







Kapitel 12







Kapitel 13







Kapitel 14







Kapitel 15







Kapitel 16







Kapitel 17







Kapitel 18







Kapitel 19







Kapitel 20







Kapitel 21







EPILOG







DANKE…







Impressum neobooks







Prolog



Teufelsjahr Kerstin Teschnigg 02/2020






Klappentext





Kann ein Ereignis das ganze Leben verändern? Kann eine einzige Nacht alles zerstören? Kann eine Tat eine Liebe auseinander reißen? Auch wenn es noch so unglaublich ist, die Antwort ist Ja.



Alexandra führt ein glückliches Leben. Behütete Kindheit, schöne Jugendjahre, perfekte Ausbildung und eine große Liebe. Doch all das ist nichts mehr wert, wenn ein Mensch es in wenigen Minuten zerstört. Mit einer einzigen abscheulichen Tat. Ohne Rücksicht. Ohne Skrupel. Ohne Reue. Grausam und menschenunwürdig.



Alexandra fällt in ein tiefes Loch und kann sich nicht mehr aus der für sie fatalen physischen und psychischen Lage retten. Nichts und niemand scheint ihr helfen zu können. Nicht einmal ihre große Liebe. Ihr Leben scheint sinnlos geworden zu sein. Alles was ihr so wichtig war, hat keinen Wert mehr, ein Mensch hat ihr alles genommen.



Am Ende des Jahres trifft sie eine Entscheidung. Ein Anfang – Ein Ende.



Happy End – ausgeschlossen. Oder vielleicht doch nicht?














Ich schließe meine Augen. Die Dunkelheit ist kaum erträglich. Der Teufel lacht mir aus der Versenkung zu. Laut. Höhnisch. Es scheint, als würden seine roten Hörner brennen. Mein Plus wird schneller. Ich versuche ruhig zu atmen, so wie ich es in der Therapie gelernt habe. An etwas Schönes denken. Die schlimmen Erinnerungen nicht mehr an mich heran lassen. Es hilft nichts. Es gibt nichts Schönes woran ich denken kann. Nicht im Moment. Mein Herz rast. Der Teufel beginnt meinen Körper zu berühren. Überall. Ich kann mich nicht bewegen, mich nicht wehren. Er lacht noch lauter und keucht in mein Ohr. Ich halte meine Ohren zu und reiße panisch meine Augen auf. Schnell mache ich das Nachtischlicht wieder an. Das sanfte Licht holt mich langsam zurück. Meine Hände zittern. Es ist nicht möglich ruhig zu atmen. Meine Haut beginnt zu jucken. Ganz besonders schlimm ist es an meinen Innenschenkeln. Ich kratze mich unaufhörlich, aber es wird nicht besser. Es ekelt mich. Es ekelt mich vor mir selbst und allem was meinen Körper berührt. Ich will nicht mehr. Ich kann nicht mehr.



















Kapitel 1





Weihnachten 2009 – 24. Dezember








LEXI





Ich sitze am großen, weihnachtlich dekadent gedeckten Esstisch und starre auf den geschätzt drei Meter hohen Christbaum, der in ausladendem Gold geschmückt ist. Mama hat sich wieder einmal wie gewohnt ins Zeug gelegt. Wochenlang war sie mit den Vorbereitungen für das heurige Weihnachtsfest beschäftigt. Putzen, backen, einkaufen, sie rotierte förmlich. Heute sieht sie zufrieden aus. Mein Vater hält wie jedes Jahr die Rede zur Weihnacht. Es ist so langweilig, dass ich immer wieder versuche mir mein Gähnen nicht anmerken zu lassen. Ich lehne mich zurück und lasse meinen Blick um die Tafel herum schwenken. Papa trägt seine beste Krawatte, wie immer zu Weihnachten. Er erzählt etwas von Familie und Liebe und irgendwelchen Werten. Immer wieder das gleiche Blabla. Von wegen Werte. Er ist sowieso das ganze Jahr geschäftlich unterwegs. Wenn er Mama nicht hätte, die zu Hause alles am Laufen hält, wäre er ganz schön aufgeschmissen. Mama sagt immer, wenn er nicht so viel arbeiten, und das ganze Geld nach Hause bringen würde, täten Bettina und ich ganz schön blöd aus der Wäsche schauen. Dann könnten wir uns unseren kostspieligen Lebensstil nicht leisten. Ich sehe zu meiner großen Schwester Bettina. Sie ist um zwei Jahre älter als ich. Ich seufze nicht hörbar durch. Den kostspieligen Lebensstil hat wohl eher sie als ich. Schon allein das ganze Geld, das sie für ihre Erscheinung ausgibt, ist zum Kopfschütteln. Klamotten, Kosmetik, Frisör. Ja, sie ist eine Erscheinung, das muss ich neidlos eingestehen. Obwohl, neidlos ist gelogen. Sie ist eine schneewittchengleiche Schönheit, mit langen, seidigen - schwarzen Haaren bis zur Hüfte und strahlend grünen Augen. Dazu noch ein porzellanheller Teint, ohne jeglichen Makel. Ich dagegen…Ich schüttle für mich selbst den Kopf. Kastanienbraue Wuschellocken, die irgendwie nie länger als bis zur Schulter werden und unzählige Sommersprossen rund um meine Nase, die mir viel zu stupsig erscheint. Außerdem bin ich um mindestens zehn Zentimeter kleiner als sie und im Vergleich zu ihr komplett flachbrüstig. Ich sehe an mir hinunter. Ja…flachbrüstig. Mein Aussehen ist im Gegensatz zu ihr ein Desaster. Um es weihnachtlich auszudrücken: Sie ist die Elfe, ich der Gnom. Kein Wunder, dass ihr die Jungs reihenweise nachlaufen. Sie braucht nur mit dem Finger zu schnippen und schon tanzen sie alle nach ihrer Pfeife. Zum Glück ist sie die meiste Zeit in Wien wo sie Modedesign studiert. Mama lächelt mich mit hochgezogenen Augenbrauen an und signalisiert mir meine Schultern nicht so hängen zu lassen, und mich gerade hinzusetzen. Ich richte mich genervt durchatmend auf.



„…und ich freue mich ganz besonders, dass meine Tochter Bettina ihren Freund Tobias mitgebracht hat. Wie schön, dass du heute mit uns dieses Fest der Familie feierst.“



Bettina reckt ihr Kinn selbstbewusst in die Höhe und grinst zufrieden. Tobias Leitner, der neue Freund von Bettina sitzt dagegen etwas wortkarg neben ihr und scheint ein wenig verlegen über Papas ausschweifende Worte zu sein. Ich würde sogar sagen, er ist ein bisschen rot geworden. Etwas genervt verdrehe ich die Augen. Auch wenn ich vor ein paar Wochen achtzehn geworden bin, Papa würde es nie erlauben, er würde durchdrehen wenn ich zu den Feiertagen einen Freund anschleppe. Wobei, ich wüsste gar nicht wen ich mitbringen sollte. Meine Schultern sacken wieder ein bisschen ein.



„Heidi, ich glaube wir können jetzt essen“, lächelt Papa meine Mama an, die ihm warmherzig zunickt und aufsteht.



„Alexandra, hilfst du deiner Mutter bitte, du scheinst ja ohnehin mächtig gelangweilt zu sein.“ Er wirft mir einen ernsten Blick zu.



„Ja Alexandra, hilf doch Mama…“, lästert Bettina und legt ihre Hand auf die ihres geliebten Schnuckelchens. Ich hasse es, Alexandra genannt zu werden und das weiß sie ganz genau. Sie grinst mich schadenfroh an, was ich nur allzu gerne zurückgebe. Ich reiße mich aber zusammen und unterlasse es der weihnachtlichen Ruhe zuliebe, ihr die Zunge heraus zu strecken. Tobias kämpft mit einem Grinsen und sieht weg, als ich zu ihm sehe. Er ist so ein blöder Trottel. Ein ziemlich einfältiger Typ. Zwar gutaussehend, aber erfahrungsgemäß sind alle hübschen Jungs Deppen. Außerdem ist er wie Bettina von Sport und Fitness besessen. Man muss ihn dafür nicht besonders gut kennen, das erkennt man auf den ersten Blick. Groß. Durchtrainiert. Lässig. Cool. Eingekleidet mit den topaktuellen Sportmarken. Er ist einer der Typen die ständig nach der perfekten Braut suchen, und sich dabei auf Äußerlichkeiten beschränkt. Eben solche Mädchen wie meine Schwester. Für mich leicht durchschaubar. Mal sehen, wie lange es dauert, bis er sie satt hat. Obwohl sie viel mehr verdient hätte. Zusätzlich scheint er ziemlich verwöhnt zu sein. Sein Vater ist ein bekannter Zahnarzt in Wien, Geld dürfte also keine Rolle spielen. Er selbst studiert auch Zahnmedizin, auch wenn er meiner Meinung nach mehr Zeit mit irgendwelchen Reisen und bei Sportveranstaltungen verbringt. Für seine fast zweiundzwanzig Jahre wirkt er nicht besonders reif. Ich ignoriere die beiden Turteltäubchen und helfe Mama die Vorspeise zu servieren. Nach dem Essen gibt es Bescherung. Ich komme mir heute mächtig unnötig vor. Mama, Papa, Bettina und Tobias sind die Traumpaare des Abends. Ich sitze allein in einer Ecke und freue mich zwar über den neuen iMac den ich bekommen habe, bin aber trotzdem weiterhin genervt. Darum entschließe ich mich ganz unaufgefordert das Geschirr in die Spülmaschine zu räumen. Nachdem ich damit fertig bin, sehe ich noch einmal ins Wohnzimmer.

 



„Ich geh schlafen, ich bin müde.“



Mama sieht auf die Uhr. „Jetzt schon? Es ist doch noch nicht einmal zehn. Setz dich doch noch ein bisschen zu uns…“



„Nein…Gute Nacht.“ Ich setze ein gespieltes Lächeln auf.



In meinem Zimmer kuschle ich mich in meinen warmen Pyjama und drehe den Fernseher auf. Wie jedes Jahr zu Weihnachten läuft der gleiche Blödsinn. Kurz vor Mitternacht reicht es mir dann, ich bin wirklich müde. Auf dem Weg ins Badezimmer denke ich darüber nach, wie ich die nächsten Tage voll geschwollener Familienidylle überstehen soll. Gedankenversunken öffne ich die Badezimmertür und bleibe stocksteif stehen. Tobias knabbert lediglich mit Boxershorts bekleidet an Bettinas Hals, die kichernd ihren Kopf in den Nacken legt.



„Gott…habt ihr kein Zimmer, oder könnt ihr nicht zumindest abschließen?“, beschwere ich mich und drehe mich genervt um.



„Du brauchst dich gar nicht so aufzuregen, du bist doch nur neidisch!“, ruft mir meine Schwester hinterher.



„Ich wüsste nicht worauf“, blöcke ich zurück.



„Dann brauchst du auch gar nicht rot zu werden“, fügt sie noch hinzu.



Ich werfe meine Zimmertür hinter mir zu und schüttle den Kopf. „Warum sollte ich denn rot werden…“, murmle ich in mich hinein.



Ein paar Minuten später höre ich die beiden an meinem Zimmer vorbeikichern. Ja…sehr witzig. Alles sehr witzig. Ich mache mich erneut auf den Weg ins Badezimmer um mir meine Zähne zu putzen. Als ich fertig bin, begegnet mir Tobias schon wieder am Gang. Zumindest hat er sich jetzt ein T-Shirt angezogen. Ich sehe ihn nicht an.



„Gute Nacht Lexi“, sagt er im Vorbeigehen.



„Gute Nacht…“, murmle ich.



Er bleibt ein paar Schritte weiter stehen. „Ach Lexi…“



Ich sehe auf.



„Entschuldige wegen vorhin.“



„Schon gut.“ Ich sehe wieder weg und gehe in mein Zimmer.






31. Dezember 2009






Irgendwie habe ich die letzten Tage überstanden. Ich bin froh, dass Bettina und Tobias heute zurück nach Wien fahren. Dieses ewige Geschmuse geht mir bereits mächtig auf die Nerven. Sie sind irgendwo zu einer Silvesterparty eingeladen. Ich weiß nicht warum, aber die letzte Zeit komme ich mit meiner Schwester nicht besonders gut aus. Von meiner einst besten Freundin ist nicht viel übrig geblieben, sie ist schrecklich egoistisch und oberflächlich geworden. Aber so ist es wohl. Wir haben uns in den letzten Jahren einfach in unterschiedliche Richtungen entwickelt. Sie in Wien. Ich in Graz. Früher war ich mir sicher, auch in Wien studieren zu wollen, aber jetzt will ich das absolut nicht mehr. Ich werde im nächsten Herbst mit Rechtswissenschaften in Graz anfangen. Papa meint immer es könnte eine äußerst gefürchtete Richterin aus mir werden. Man wird sehen. Ein Schritt nach dem anderen. Ich muss erst einmal anfangen. Keine Ahnung warum, aber ich kann heute schon seit kurz nach fünf Uhr morgens nicht mehr schlafen, obwohl ich hundemüde bin. Ich krabble aus meinem Bett und schlüpfe in meinen Morgenmantel. Im ganzen Haus ist es noch leise. Darum gehe ich ebenso leise nach unten und setze Teewasser auf. Weil es gar so still ist, mache ich das Radio an und sehe aus dem Fenster. Auch heuer gab es wieder keine weißen Weihnachten. Heute soll es sogar ziemlich föhnig werden. Ich werde mich später mit meiner Freundin Klara auf einen Kaffee treffen, darauf freue ich mich schon, ich habe sie die ganzen Feiertage nicht gesehen. Was ich am heutigen Silvesterabend machen werde, weiß ich immer noch nicht. Vielleicht gehe ich mit Klara ein bisschen in die Stadt, mal sehen. Ich gieße den Tee auf, als ich über das Zufallen der Haustüre erschrocken zusammen zucke, und deshalb etwas Wasser verschütte.



„Super…“, murmle ich, und bin froh mich nicht verbrannt zu haben.



„Guten Morgen!“ Tobias steckt äußerst fröhlich und vor allem munter seinen Kopf zur Küchentüre herein, während ich die Wasserpfütze auf der Küchenfläche wegwische. Er ist im Laufdress und zieht seine Mütze vom Kopf und grinst mich an. Seine dunklen Haare sind vermutlich seiner Kopfbedeckung zuschulden ziemlich zerzaust, was ungewohnt ist, denn eigentlich ist er immer top gestylt. Darum versucht er diese auch gleich mit seinen Händen wieder irgendwie in Form zu bringen, was ich mit vermutlich verständnislosem Blick verfolge. Er sollte froh sein, nicht meine Haarstruktur zu besitzen, denn die macht es mir unmöglich jemals gut frisiert auszusehen.



„Guten Morgen“, erwidere ich dann doch als er in die Küche kommt. „Möchtest du auch Tee?“



„Ja gerne.“



Er öffnet seine Laufjacke und setzt sich auf den Hocker bei der Anrichte, während ich noch eine Tasse aus dem Schrank über mir nehme.



„Bist du immer so früh wach?“, fragt er mich, und mustert mich dabei augenscheinlich in meinem Aufzug. Ich ziehe meinen Morgenmantel etwas fester zu.



„Nein, eigentlich nicht. Ich konnte nicht mehr schlafen.“



Er nickt. „Ich auch nicht. Du hättest eine Runde mit mir laufen können, allein ist es nicht so toll, auch wenn ihr es hier wirklich sehr schön habt.“



Ich verdrehe die Augen. „Sehe ich so aus, als würde ich laufen gehen? Ich laufe nur wenn es die Situation erfordert, und momentan sehe ich dazu keine Veranlassung.“



Er zuckt mit den Schultern. „Du siehst doch sportlich aus, also warum nicht?“



Ich schüttle den Kopf und stelle ihm den Tee vor die Nase. „Nein, ich bin nicht sportlich. Was ist denn mit Bettina? Warum nimmst du sie nicht mit?“



Er atmet hörbar aus. „Sie ist nicht so gut gelaunt. Frauenbeschwerden.“



„Gott…“, murmle ich.



Ich bin mir nicht sicher, ob mich das interessiert. Etwas verlegen rühre ich in meiner Tasse.



„Dann solltest du ihr vielleicht eine Tasse Tee mit nach oben nehmen.“



Er zuckt erneut mit den Schultern. „Ja, warum eigentlich nicht. Nett von dir.“



„Ja…nett von mir…“, sage ich etwas höhnisch.



Irgendwie weiß ich nicht, was ich mit ihm reden soll, darum mache ich wirklich eine Tasse Tee für meine Schwester. Es scheint ihm auch nicht zu entgehen, dass ich nicht so gesprächig bin, denn er sagt auch nichts mehr. Irgendwo hat Mama doch noch einen Frauenmanteltee. Kramend suche ich in der Schublade danach. Ah, da ist er ja, als ich mich wieder umdrehe, laufe ich direkt in Tobias hinein. Gerade saß er doch noch auf seinem Hocker, ich merke wie ich rot anlaufe. Ein paar Augenblicke ist es, als wäre die Zeit stehen geblieben. Ich glaube, ich halte sogar die Luft an. Erst dann weiche ich einen Schritt zurück.



„Ich wollte nur meine Tasse in die Spülmaschine stellen“, sagt er dann leise, immer noch maximal eine Handbreite von mir entfernt.



Sehr peinlich berührt nehme ich sie ihm aus der Hand.



„Ich mach das schon.“



Schnell drehe ich mich weg, ich hasse es, wenn man mich so anstarrt, noch dazu im Pyjama, unfrisiert und mit nicht geputzten Zähnen. Dann hänge ich schnell den Teebeutel in die Tasse und drücke sie ihm in die Hand.



„Bitte sehr. Für meine geliebte Schwester.“



Er schüttelt den Kopf. „Was ist nur mit dir und deiner Schwester?“



„Warum? Was soll schon sein?“



„Ihr seid eifersüchtig aufeinander. Sie auf dich und du auf sie“, schmunzelt er.



„Das stimmt doch gar nicht.“ Ich verschränke meine Arme vor der Brust. „Worauf sollte ich denn eifersüchtig sein?“



„Weiß ich nicht, aber du bist das Liebkind deines Vaters und das stinkt ihr mächtig.“



„Ich bin nicht das Liebkind meines Vaters“, verteidige ich mich.



Doch bist du.“



„Du kennst mich doch gar nicht. Los bring den Tee hinauf, sonst wird er kalt wird.“



Ich drehe mich erneut weg von ihm, und stelle die leeren Tassen in die Spülmaschine. Er steht noch einen Moment hinter mir, bevor er sich ebenfalls umdreht um die Küche zu verlassen.



„Obwohl ja, du hast doch recht. Ich bin eifersüchtig. Darauf, dass sie immer alles bekommt was sie will, und darauf dass sie aussieht wie ein Model. Sie ist eine Diva, ganz egal wie sie die Menschen herumkommandiert, alle liegen ihr zu Füßen. Darauf bin ich neidisch.“



Er dreht sich noch einmal um.



„Ehrlich? Darauf bist du neidisch? Du bist doch ebenso hübsch wie sie und der Kommandozwang ist keine nachahmenswerte Eigenschaft.“



Ich werde schon wieder rot. „Ich glaube du leidest an Sauerstoffmangel. Der Tee wird kalt.“



Komischerweise wird er nun ein bisschen rot, oder es immer noch vom Laufen, oder vom heißen Tee. Keine Ahnung. Zumindest verlässt er jetzt die Küche. Ich atme kopfschüttelnd tief durch. Ich bin überhaupt nicht das Liebkind meines Vaters. Im Gegenteil, er ist immer besonders streng zu mir. Ich darf nie so richtig tun was ich will, Bettina durfte immer alles. Sie hatte schon mit knapp sechzehn ihren ersten Freund, den sie auch mit nach Hause bringen durfte. Ich wollte vor zwei Jahren einmal mit einem Jungen abends allein ins Kino gehen, da hat er sich so aufgeregt, dass ich es lieber gleich gelassen habe. Dass der Bursche sich nachträglich als Depp herausgestellt hat, habe ich dann mehr als oft von ihm gehört. Ich habe es jetzt noch in den Ohren.



„Siehst du, wie gut, dass du dich nicht mit ihm getroffen hast. Der wollte dich bestimmt nur um deine Jungfräulichkeit bringen“, hat er mir dann peinlicherweise monatelang gepredigt.



Mit dem Ergebnis, dass ich auch heute immer noch Jungfrau bin. Ob das jetzt gut, oder schlecht ist, weiß ich nicht so genau. Langsam würde ich das Thema auch einmal gerne hinter mich bringen, aber wie es aussieht gestaltet sich das mangels passender Anwärter ziemlich schwierig.



Beim Frühstück ist Bettina immer noch schlecht gelaunt. Der Tee hat also nicht die gewünschte Wirkung erzielt. Ich muss schmunzeln. Irgendwie vergönne ich es Tobias, dass sie jetzt bestimmt keinen Sex mit ihm haben will. Er hat sich sicher darauf gefreut, es die ganzen Feiertage über mit ihr zu tun. Inzwischen sitzt seine Frisur wieder. Ein paar Stunden noch, dann sind sie auf dem Weg nach Wien und nachdem ich mich jetzt mit Klara treffe, sehe ich sie vielleicht gar nicht mehr. Ich bin richtig froh, als ich aus dem Haus gehe.




Klara war die vergangen Tage im Schiurlaub in Salzburg. Wie jedes Jahr hat sie sich auch heuer wieder in den Schilehrer verliebt. Ich höre ihr geduldig zu. Nachdem wir beschlossen haben, heute Abend noch ein bisschen in die Stadt zu gehen, fahre ich nach Hause. Ich habe Hunger und will mich noch ein bisschen silvestertauglich herrichten. Die letzten Meter steige ich von meinem Fahrrad ab. Tobias lädt gerade die Koffer in sein Auto. Sie sind also noch nicht weg. Ich seufze. Aber bald. Bettina drückt ihm ihren Kosmetikkoffer in die Hand und stolziert zurück ins Haus. Irgendetwas geht ihr mächtig gegen den Strich, das erkenne ich daran wie sie ihre Haare zur Seite wirft. Ich lehne mein Fahrrad an den Zaun. Tobias flucht über den Umstand, dass scheinbar nicht alles so in den Wagen zu passen scheint, wie er es sich vorstellt. Darum räumt er gerade wieder alles aus. Heute ist die Stimmung beim Traumpärchen also nicht auf Wolke sieben.



„Du brauchst keine Hilfe, oder?“, sage ich schadenfroh, als ich an ihm vorbei gehe.



Er greift nach dem Kosmetikkoffer, der sich unglücklicherweise genau in dem Moment öffnet, als Bettina wieder herauskommt. Der ganze Kosmetikram fällt heraus und kugelt vor seinen Füßen herum. Ich kann mir ein Lachen nicht verhalten. Bettina stemmt ihre Hände in die Hüften.



„Du bist so ein Trottel. Ich halte das nicht mehr aus. Wie kann man nur so ungeschickt sein?“ Sie beugt sich hinunter und hält dabei ihre Hand an die Stirn. „Kein Wunder, dass ich unerträgliche Kopfschmerzen habe.“



Tobias sagt nichts, aber er wirkt reichlich genervt, nicht so cool und lässig wie die vergangen Tage. Das kann ich ausnahmsweise sogar verstehen, bei den vielen Vorwürfen die ihm meine Schwester an den Kopf wirft. Ich gehe wieder zurück zu den beiden.

 



„Geh hinein wenn du Kopfschmerzen hast, ich mach das schon“, sage ich und schiebe sie zur Seite.



Wie nicht anders zu erwarten geht sie schnaufend davon und lässt nur zu gerne ihr „Personal“ für sich arbeiten. Ich gehe in die Hocke und helfe Tobias die Utensilien wieder einzuräumen. Er sammelt gerade die zwischen seinen Beinen gerollten Tampons auf. Ich muss anfangen zu lachen.



„Das ist nicht lustig…“, murmelt er kaum hörbar.



„Doch schon…“, ich lache weiter. „Die verfolgen dich, die Tampons…“



Er schüttelt den Kopf. „Hast d