Czytaj książkę: «Bimini-Songs»

Czcionka:

Kelly Stevens

Bimini Songs

erotischer Roman


www.Elysion-Books.com

Kelly Stevens studierte in England Literatur und Kreatives Schreiben und arbeitete in Deutschland in verschiedenen Jobs im Medienbereich.

Sie schreibt Erotic Romance in allen möglichen Längen und Variationen, von Kurzgeschichte bis Roman.

Als Kelly Stevens veröffentlicht sie bei Verlagen wie Bastei-Lübbe, Droemer Knaur und Elysion-Books, als Indie-Autorin ist sie als K.C. Stevens unterwegs.

Bei Elysion-Books sind bisher »Singapore Nights« und »Bimini Songs« von ihr erschienen, außerdem eine Kurzgeschichte in »Statt Blumen«. Weitere Projekte sind in Planung.

Kelly Stevens

Bimini Songs

Ein erotischer Roman


www.Elysion-Books.com

ELYSION-BOOKS TASCHENBUCH

BAND 4105

Auflage: Juli 2015

VOLLSTÄNDIGE TASCHENBUCHAUSGABE

ORIGINALAUSGABE

© 2015 BY ELYSION BOOKS GMBH, LEIPZIG

ALL RIGHTS RESERVED

UMSCHLAGGESTALTUNG: Ulrike Kleinert

www.dreamaddiction.de

Foto: © depositphoto/shmeljov

LAYOUT &WERKSATZ: Hanspeter Ludwig

www.imaginary-world.de

ISBN Buch: 978-3-945163-57-3

ISBN eBook: 978-3-945163-58-0

www.Elysion-Books.com

Inhalt

Schietwetter

Das Interview

Der Deal

Erwachen

Vorstellung

Alex’ Spezial

Verlängerung

Dahinsegeln

Stars …

… & Sternchen

Instrumente

Dinner

Erkenntnisse

Wettkampf

Ausflug

Privates

Casino

Abschied

Stalker

Das Konzert

Danksagung


Schietwetter

»Al Bad macht ein Soloalbum.«

Ich schaue von meinem Mac auf. Trish, unsere studentische Aushilfe, hält mir mit verträumtem Augenaufschlag ihr iPad hin. Darauf prangt die Meldung einer Presseagentur und darunter ein winziges Foto, das ich von meinem Stuhl aus nicht erkennen kann. »Wer ist Al Bad?«

»Rebecca, sag bloß, den kennst du nicht!« Trish wischt über ihr iPad und zeigt mir ein größeres Bild: Ein verschwitzter, schlanker Mann mit glänzenden schwarzen Locken, die ihm bis über die Schultern hängen, schwarz geschminkten Augen und einem schwarzen Hemd, das offen über der schwarzen Lederhose hängt. Dazu ein Mikrofon so dicht vor dem halb geöffneten Mund, dass es aussieht, als würde er gleich reinbeißen. »Sieht er nicht umwerfend aus?«

»Aus welcher Gruft ist der denn entsprungen?«, entfährt es mir.

Trish hält sich das iPad vor die Brust, schüttelt ihre kurzen, schreiend rot gefärbten Haare, und sieht mich mitleidig an. »Das Bild stammt aus der Zeit von All Bad.«

»Was?«

»Na, Al Bad aus der Band All Bad, du weißt schon«, betont Trish extra langsam und deutlich, als wäre ich eine Idiotin. »Der Punkrockband«, fügt sie hinzu, als ich sie weiterhin fragend ansehe.

»Nicht meine Musik«, entgegne ich kurz und wende mich wieder meinem Mac zu, doch Trish ist noch lange nicht fertig.

»Das war das erste Konzert, auf das ich gegangen bin! Sie haben in Frankfurt gespielt, und ich bin extra hingetrampt und habe vor der Halle campiert, um in die erste Reihe zu kommen.«

»Und was haben deine Eltern dazu gesagt?«, entgegne ich nur.

»Die haben’s erst im Nachhinein erfahren. Aber die Strafe war’s allemal wert.« Sie seufzt theatralisch. »Stell dir mal vor, ich dürfte den interviewen! Das wäre das Geilste überhaupt!«

»Na, dann wünsche ich dir viel Erfolg«, entgegne ich nur. »Mein Typ wäre er nicht. Und mit Punkrock kannst du mich echt jagen.«


In der nächsten Redaktionskonferenz von RockStar, der monatlich erscheinenden Musikzeitschrift, bei der ich seit acht Monaten Jungredakteurin bin, poppt das Thema zu meinem Erstaunen wieder hoch. Margie, unsere Chefin, spricht es persönlich an: »Al Bad, der Sänger der Punkrockband All Bad, die sich vor einigen Monaten getrennt hat, will eine Solokarriere starten. Momentan nimmt er sein erstes Album auf. Ich will ein Exklusivinterview.«

Trish springt vor Begeisterung von ihrem Stuhl und fuchtelt mit den Händen in der Luft herum. »Ich, ich, ich mach’s!«

Margie übersieht sie geflissentlich. »Sein Management schuldet mir noch einen Gefallen und hat eingewilligt, dass wir zwei Stunden bekommen. Er ist normalerweise ein bisschen zickig, was Interviews betrifft, aber anscheinend haben sie ihm eingetrichtert, dass er die Publicity braucht.«

»Bitte, ich tue alles, wenn ich’s machen darf!«

»Setz dich, Trish, ein durchgeknallter Fan ist das Letzte, was wir brauchen.« Margies Stimme hat an Schärfe zugenommen. Sie sieht uns der Reihe nach an, bevor ihr Blick an mir hängen bleibt. »Rebecca, was weißt du über All Bad?«

»Äh – nichts?« Damit sollte ich aus der Schusslinie sein. Margie würde niemals ein unvorbereitetes Greenhorn zu einem Star schicken.

»Gut. Ich will jemanden, der unvoreingenommen an das Thema rangeht. Du hast den Job. Nächste Woche Freitag.«

»Nein!« Ich starre sie entsetzt an. Ab nächster Woche Donnerstag habe ich Urlaub – meinen ersten und wahrscheinlich einzigen in diesem Jahr – und wollte meine Studienfreundin Sandy besuchen, die seit einem Jahr in Miami lebt. »Da bin ich in Florida!«

»Perfekt.« Zu spät erkenne ich, dass Margie von meinen Urlaubsplänen gewusst hatte und mir nun gar keine Wahl lässt. »Gib mir deine Flugdaten. Das Studio ist auf den Bahamas, da kannst du ab Miami rüberfliegen. Lies dich ein, und sprich deine Fragen vorher mit mir ab. Finn wird dich begleiten.«


»Dass Margie ausgerechnet dich auf die Bahamas schickt, obwohl du dich gar nicht für ihn interessierst … Das Leben kann so ungerecht sein!«

Trish sitzt auf meinem Schreibtisch, baumelt mit den Beinen und schmollt. Letzteres kann sie ausgesprochen gut.

»Hey, ich habe mich nicht um den Job gerissen, ganz im Gegenteil. Das passt mir gerade überhaupt nicht.« Seufzend schaue ich erst aus dem Fenster und dann auf meinen Kalender. Draußen ist es kalt, stürmisch und regnerisch. Echtes Hamburger Schietwetter, dem ich nur zu gerne für eine Weile entkommen möchte.

Ich habe zweieinhalb Wochen Urlaub. Donnerstagabend wollte ich fliegen, so dass ich Freitagmorgen in Miami ankommen würde. Sandy wollte sich den Tag frei nehmen und mich am Flughafen abholen. Dann wären wir zusammen übers Wochenende auf die Florida Keys gefahren, und die darauffolgende Woche wäre ich bei Sandy in Miami geblieben. Die zweite Woche meines Urlaubs wollte ich zu Hause verbringen, um meine Küche zu streichen und mich um einen neuen Pflegeplatz für meine Mutter zu kümmern. Jetzt muss ich umplanen und Sandy sagen, dass ich erst Freitagabend ankommen werde. Die Keys werden wir wohl streichen müssen, da Sandy in der folgenden Woche und am nächsten Wochenende arbeiten muss.

»Na, wie ein durchgeknallter Fan klingst du echt nicht.« Trish schnieft.

»Ach, das hat Margie bestimmt nicht so gemeint«, sage ich halbherzig. Dabei wissen wir beide, dass für Margie Rücksicht auf die Gefühle anderer Menschen ein Fremdwort ist.

Trish sieht mich mit Dackelblick an. »Kann ich dir wenigstens bei den Vorbereitungen helfen? Ich weiß alles über Al Bad.«

»Wie heißt er eigentlich richtig?«

»Das weiß ich nicht.« Sie grinst spitzbübisch. »Vielleicht was ganz fürchterlich Spießiges, wie Alan oder Alwin oder so? Aber abgesehen davon weiß ich echt alles. Kannst mich gerne ausfragen. Was sein erfolgreichster Song war, mit wie vielen Frauen er schon was hatte, mit wem er gerade liiert ist …«

»Aber nur, was das Musikalische angeht«, warne ich sie, denn manchmal habe ich den Eindruck, als wüsste Trish mehr über das Privatleben mancher Stars als diese selbst. »Die Bettgeschichten interessieren mich nicht.«

»Die sind doch das Spannendste! Besonders bei Al, der Typ ist so was von heiß!« Trish hopst vom Schreibtisch und umarmt mich ungestüm.

Ich zucke instinktiv zurück und schiebe sie von mir. »Ganz ruhig. Das ist nur ein Interview.«

»Du bist ja wirklich eiskalt«, mault Trish. »Nun lass mich mich doch wenigstens für dich freuen, wenn du es schon nicht tust.«

»Ich mache nur meinen Job«, entgegne ich und denke im Stillen, dass Trish allmählich gelernt haben sollte, es genauso zu machen. »Du kannst damit anfangen, mir die letzten Pressemitteilungen rauszusuchen, und Kopien sämtlicher Artikel zu besorgen, die wir jemals über All Bad geschrieben haben.«


Als ich spätabends das Redaktionsgebäude verlasse, laufe ich Suzannah über den Weg. Ausgerechnet Suzannah, Kollegin von einem Lifestyle-Magazin und meine ehemals beste Freundin. Obwohl wir im selben Redaktionsgebäude arbeiten, haben wir es in den letzten Monaten erfolgreich geschafft, uns aus dem Weg zu gehen.

Das letzte Mal, als ich sie sah, saß sie gerade auf meinem damaligen Lebenspartner. Die Szene ist noch immer so präsent, als wäre sie gerade erst passiert: Wie ich früher als geplant in seine Wohnung gekommen bin, weil es im Sportstudio über Nacht einen Wasserrohrbruch gegeben hatte und der Fitnesskurs, den ich geben sollte, ausfallen musste. Wie ich, seine Wohnungsschlüssel noch in der Hand, vom Flur aus direkt ins Schlafzimmer sehen konnte. Wie das Sonnenlicht aufs Laminat fiel, als wollte es mir extra noch den Weg weisen. Wie Suzannahs Brüste im Rhythmus ihrer Bewegungen hüpften, während sie sich wie selbstvergessen mit geschlossenen Augen auf meinem Freund bewegte. Wie das Bett bebte, wie es bei uns nie gebebt hatte. Wie Henrik nur »ach du Scheiße!«, rief, als er mich wie angewurzelt im Türrahmen stehen sah. Wie Suzannah mich in den nächsten Tagen mit Anrufen, Mails und internen Nachrichten bombardierte, die ich allesamt ignorierte, bis sie mich in Ruhe ließ.

Noch hat sie mich nicht gesehen. Ich trete hinter eine der Säulen im Eingangsbereich und warte, bis sie das Gebäude verlässt. Durch die Glastür kann ich sehen, wie sie auf einen Mann zugeht. Er küsst sie zur Begrüßung. Einen Moment bin ich wie erstarrt, dann realisiere ich: Es ist nicht Henrik.


Das Interview

Im Gegensatz zu mir schläft Finn, unser Fotograf, auf dem Nachtflug von Hamburg nach Miami tief und fest. Entsprechend fit und ausgeruht steigt er aus dem Flieger, während ich gähnend hinter ihm herstolpere und ab und zu unauffällig versuche, meine dank der unbequemen Economy-Sitze verspannten Schulter- und Nackenmuskeln zu lockern.

Nachdem wir meine Reisetasche vom Gepäckband geholt haben – Finn hat fast nur seine Fotoausrüstung dabei, da er abends wieder zurückfliegen wird – und durch die Einreisekontrolle durch sind, suchen wir unseren Anschlussflug nach Bimini.

Die Maschine ist klein, der Flug kurz. Von oben erhasche ich einen ersten Blick auf die Insel: Ein schmaler Strich mit einer Lagune. Als wir tiefer gehen, erkenne ich Häuser, viel Grün und eine winzig aussehende Landebahn. Der Pilot landet trotzdem sicher auf der Asphaltpiste und rollt zu einem kleinen Gebäude, vor dem er den Motor ausstellt. Wir klettern aus dem Flieger, ich ergreife meine Reisetasche – eigentlich blöd, sie mitzunehmen, aber ich hatte am Flughafen Miami keine Schließfächer gefunden – und folge Finn und den anderen Passagieren in das Gebäude. Diesmal dauern die Einreiseformalitäten nur wenige Minuten, und erst jetzt wird mir klar, dass ich die USA, kaum gelandet, schon wieder verlassen habe.

Vor dem Flughafengebäude empfängt uns warmer, feuchter Bahamas-Wind. Ich fange augenblicklich an zu schwitzen. In Miami habe ich mein sportliches, wärmendes Fleeceshirt gegen eine weiße Bluse getauscht, trage aber immer noch die gleiche cremefarbene Leinenhose, die ich schon während des Nachtflugs anhatte. Beides ist inzwischen ziemlich zerknittert. Ich suche in meiner Tasche nach einem Haargummi und binde meine Haare zu einem Pferdeschwanz zusammen. Trotzdem rinnt mir bereits jetzt der Schweiß vom Nacken den Rücken herunter.

Ein muskelbepackter Hüne, der sich als Trevor vorstellt, holt uns ab. Dankbar klettere ich neben Finn auf den Sitz des klimatisierten Vans, während Trevor unser Gepäck im Kofferraum verstaut.

Nach einer kurzen Fahrt hält er an einem Anleger, von wo aus es, wie er uns erklärt, per Boot weitergeht. Tatsächlich legt gerade ein kleineres Motorboot an. Hinter dem Steuer steht ein Junge, der so klein ist, dass er, obwohl er auf Zehenspitzen steht, kaum über das Lenkrad sehen kann. Hilfreiche Hände von Mitpassagieren strecken sich uns und unserem Gepäck entgegen und helfen uns an Bord, dann legt der Junge direkt wieder ab. Der Fahrtwind ist angenehm, aber bevor ich mich abkühlen kann, haben wir schon das andere Ufer erreicht.

Am Kai steuert Trevor auf einen uralt aussehenden Pickup Truck zu, ein krasser Gegensatz zu dem modernen Van, mit dem wir den ersten Teil der Strecke zurückgelegt haben. Der Fahrersitz befindet sich auf der rechten Seite – anscheinend fährt man auf den Bahamas links. Das hatte ich vorhin gar nicht gemerkt.

Ich muss mich zwischen Trevor, Finn und die Gangschaltung auf die Vorderbank quetschen. Deshalb bin ich froh, als wir nach ein paar Minuten über eine holprige, schmale Straße vor einem Haus halten, von dem man vor lauter Blumen und Sträuchern nicht viel sehen kann.

Während Finn und ich unsere Sachen zusammensuchen und aussteigen, schließt Trevor hinter uns das Tor. Dann führt er uns ums Haus herum. Ich sehe einen Garten, noch mehr Blumen und direkt am Ende des Gartens das Meer, ein Streifen dunkles Türkis.

»Soll das Interview etwa hier stattfinden?«, zische ich Finn zu, der aber nur mit den Schultern zuckt. Offenbar hat Nele, Margies Assistentin, ihn genausowenig wie mich über Details unserer Reise informiert.

Ich hätte alles Mögliche erwartet – ein Fünf-Sterne-Hotel, eine Bar, ein Tonstudio, Backstage in einer Konzerthalle, alles typische Locations, in denen Interviews stattfinden – aber diese Holzvilla sieht alt aus und versprüht einen leicht abgewrackten Charme. Sie hat eine Veranda wie in alten Südstaaten-Filmen, auf der ein Schaukelstuhl steht. Das Gebäude selbst ist gelb gestrichen, Fensterrahmen und Veranda braun, die Tür pink. »Relax, you’re on Bimini« steht über der Eingangstür. Es ist ein Haus, das ich zwar mit Karibik, aber auf keinen Fall mit Punkmusik assoziiere.

»Al wartet im Salon auf euch.«

Nachdem Trevor bisher fast nur geschwiegen hat, wundere ich mich etwas, dass er jetzt spricht.

»Gäbe es eventuell die Möglichkeit, sich vorher kurz frisch zu machen?«, frage ich.

Trevor zieht seine Schuhe aus und nach kurzem Zögern tun Finn und ich es ihm gleich, bevor er uns ins Innere des Hauses führt und mir eine Tür zeigt, hinter der sich ein Badezimmer befindet. Schnell checke ich mein Aussehen im Spiegel. Wie ich befürchtet habe: Die schlaflose Nacht hat Spuren hinterlassen. Ich befeuchte die Ecke eines Handtuchs und wische damit über Gesicht, Hals und Nacken, bevor ich Puder und Lipgloss auffrische. Mehr Make-Up trage ich selten und habe es deshalb auch nicht mitgenommen. Schnell kämme ich meine Haare – dunkelbraun, glatt, lang, nichts Besonderes – und zwänge sie mit Hilfe des Haargummis wieder in einen Pferdeschwanz. Auch nichts Besonderes, aber bei der Hitze bin ich einfach nur froh, sie aus dem Gesicht zu haben. Eine komplizierte Hochsteckfrisur würde sicher besser aussehen, aber dafür habe ich weder Zeit noch Nerven.

Meine Bluse klebt an mir. Mental gehe ich den Inhalt meiner Reisetasche durch, aber außer T-Shirts und einem Kleid habe ich nichts dabei, was ich stattdessen anziehen könnte. Es wird schon gehen. Braucht sich Al Bad auch nicht einzubilden, dass ich mich für ihn schön gemacht habe. Nach dem, was Trish mir natürlich doch noch brühwarm aus der Klatschpresse gefischt hat, ist er sowieso mit einer Schauspielerin aus einer amerikanischen Soap zusammen. Blond und kurvig, das genaue Gegenteil von mir. Also bin ich für ihn beuteschemamäßig wahrscheinlich eh Luft. Umso besser.

Als ich den Salon betrete, ist Finn bereits in ein Gespräch mit zwei Männern vertieft. Einer von beiden ist Trevor, der andere wendet mir den Rücken zu. Sie scherzen und lachen, und einen Moment komme ich mir wie ein Fremdkörper vor. Taktisch war es sicher nicht clever, nicht gleichzeitig mit Finn vorgestellt zu werden.

Während ich noch unschlüssig an der Tür stehe, hat Trevor mich gesehen und winkt mich herein. »Al, das ist Rebecca Henderson von RockStar

Der Mann, der mir bisher den Rücken zugewandt hat, dreht sich um. Obwohl ich für eine Frau ziemlich groß bin, überragt er mich um einen halben Kopf. In seinen grünen Augen liegt ein halb spöttischer, halb arroganter Ausdruck, während er mich mustert. Ich tue das Gleiche mit ihm: dunkle Locken, die ihm bis zu den Schultern hängen, relativ scharf geschnittene Gesichtszüge, volle Lippen, ein cremefarbenes Hemd, dessen Ärmel er über gebräunte Unterarme hochgerollt hat, verwaschene Blue Jeans mit einem Loch am linken Knie, barfuß. Er ist auffallend schlank. In natura und ungeschminkt sieht er besser aus als auf den Fotos, weniger vampirmäßig. Ich lasse meinen Blick wieder hoch wandern und sehe ihn herausfordernd an. Er erwidert meinen Blick. »Müsst ihr schon die Models auf mich ansetzen?«

Ich drehe mich um, aber hinter mir steht niemand. »Wie bitte?«

Er zuckt mit den Schultern, macht zwei, drei Schritte auf mich zu und reicht mir die Hand. Sein Griff ist fest und nicht unangenehm. »Becca.«

»Rebecca«, korrigiere ich, entziehe ihm meine Hand und mache einen Schritt zurück. »Und wie soll ich Sie nennen, Al?«

»Du kannst mich Al nennen oder Alex oder Alexander oder was du auch immer magst, Schätzchen.«

Von Becca zu Schätzchen degradiert zu werden gefällt mir schon mal gar nicht. Ich setze meinen arrogantesten Gesichtsausdruck auf, den, mit dem ich noch jeden Mann auf Distanz gehalten, wenn nicht sogar in die Flucht geschlagen habe. Leider scheint er auf ihn nicht den geringsten Eindruck zu machen, deshalb wende ich mich Finn zu. »Sind wir soweit?«

»Licht passt, haben wir schon gecheckt. Al wird sich in den Sessel dort am Fenster setzen. Du sitzt auf dem Sofa ihm gegenüber.«

Sowohl Sessel als auch Sofa sehen wie Antiquitäten aus. Vorsichtig nehme ich Platz und lege Aufnahmegerät, Block, Stift und meinen Ausdruck mit den Fragen vor mich auf einen niedrigen Couchtisch.

Al lässt sich in den Sessel fallen und nimmt von Trevor eine Dose Cola entgegen. Sie muss sehr kalt sein, denn an der Außenseite haben sich kleine Tröpfchen gebildet. Ihn scheint das nicht zu stören, denn er reißt mit geübtem Griff den Verschluss auf und trinkt in großen Schlucken. Ich beobachte fasziniert, wie sich seine Kehle bewegt. Danach wischt er mit der feuchten Hand über seine Stirn, bevor er die Dose auf seinem Brustbein absetzt.

Wie in der Werbung, denke ich unwillkürlich, wo alle Frauen auf den sexy Typen mit der Cola starren. Das macht er doch mit Absicht! Aber ich bin immun. Gegen Musiker und gegen Männer. Deshalb bin ich auch so gut in meinem Job, weil ich es immer schaffe, eine professionelle Distanz zu wahren.

Finn setzt sich neben mich, aber ich weiß aus Erfahrung, dass er im Laufe des Interviews herumgehen und fotografieren wird. So bekommt er oft bessere Bilder, als wenn er im Nachhinein gestellte Fotos schießt. Finn ist definitiv der beste Fotograf, der für RockStar arbeitet; seine Bilder schaffen es immer, die besondere Atmosphäre des Augenblicks einzufangen. Außerdem ist er ein netter Kerl, deshalb bin ich froh, ihn bei mir zu haben.

Trevor hat sich in eine hintere Ecke des Raumes gesetzt. Vermutlich ist er entweder Bodyguard oder Security oder Management oder alles zusammen – auf jeden Fall jemand, dem Al vertraut.

Ich lehne mich vor und gieße mir ein Glas Wasser ein. Der Kaffee im Flieger vor einigen Stunden hat mich nicht wirklich wach gemacht, aber bei der Hitze will ich nichts Warmes trinken. Unauffällig schaue ich mich im Raum um: Keine Klimaanlage, nur ein Deckenventilator, der sich nicht dreht. Durch das halb geöffnete Fenster weht ab und zu eine Mini-Brise vom Meer. Ich nehme einen Schluck und blicke auf. »Können wir?«

»Schätzchen, wir warten nur auf dich.«

Ich werfe Al einen irritierten Blick zu, der ihn nicht im Geringsten beeindruckt.

»Alex, denke ich.« Aha, das gibt doch eine Reaktion: Er zieht eine Augenbraue hoch. »Ich werde Sie Alex nennen.« Irgendwie passt der Name besser zu ihm als »Al«.

»Okay, Schätzchen. Dann lass mal hören.«

»Keine privaten Fragen«, warnt Trevor vom anderen Ende des Raums.

Ich nicke, weil ich diese Info schon in der Pressemappe gelesen habe, und stelle das Aufnahmegerät an. Margie hatte mich gewarnt, dass die Band diverse Male Journalisten verklagt hat; durch den Mitschnitt fühlt sich unsere Rechtsabteilung besser abgesichert, und ich kann mich auf das Interview anstatt aufs Mitschreiben konzentrieren.

Entschlossen ergreife ich die Blätter mit meinen Fragen. »Stimmt es, dass Sie hier an Ihrem ersten Soloalbum arbeiten wollen?«

»Ja.«

Ich verfluche mich für die Frage. Was soll er darauf schon antworten außer ja oder nein. »Warum?«, setze ich nach.

»Private Gründe.« Alex schaut erst durchs Fenster aufs Meer, dann mich an. Obwohl ich einige Sekunden warte, sagt er nichts weiter.

»Warum hat sich All Bad getrennt?«

»Schätzchen, das stand alles schon rauf und runter in den Zeitungen. Offen gesagt, die Frage langweilt mich.«

Die Frage kam von Margie. Ich werfe einen verzweifelten Blick auf meine Liste. »Warum wollen Sie ein Soloalbum aufnehmen?«

»Warum nicht?«

In diesem Stil geht es weiter. Jede Frage, die ich stelle, pariert er mit einer Gegenfrage. Ich bekomme keine einzige brauchbare Antwort. Selbst die Pop-Queens, die ich in den letzten Monaten interviewt habe, haben sich nicht so zickig angestellt. Zugegeben, ich bin übermüdet und deshalb geistig nicht ganz fit, aber ich bekomme das Gefühl, er lässt mich mit Absicht auflaufen. »Hören Sie, selbst wenn Sie keine Lust haben, Fragen zu beantworten, Ihr Management hat uns den Termin mit Ihnen verschafft, damit Sie Ihr neues Album promoten können.«

»Na und?«

»Na, und ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie mich hier meinen Job machen ließen, umso schneller sind wir wieder weg.« Und umso schneller bin ich auf dem Weg zu Sandy, um endlich ein paar freie Tage genießen zu können, mit jemandem reden zu können, und den ganzen Ballast, den ich mit mir rumschleppe, für ein paar Tage vergessen zu können.

Alex fläzt sich in seinem Sessel. »Das will das Management, aber ich nicht.«

»Okay, was wollen Sie denn, Alex?« Überrascht stelle ich fest, dass meine Stimme weicher klingt als sonst. Vielleicht, weil ich in Gedanken schon bei Sandy in Miami war.

»Du willst wissen, was ich will? Also schön.« Alex dreht sich zu mir und streckt seine langen Beine aus. »Nach neun Jahren, sechs Alben und über tausend Konzerten, einige davon vor über hunderttausend Zuschauern, will ich einfach nur meine Ruhe.«

»Das sagen alle Musiker, dass sie sich zur Ruhe setzen wollen, obwohl sie in Wahrheit zu alt für die Bühne geworden sind«, schieße ich zurück, ohne über meine Worte nachzudenken.

»Schätzchen, ich bin nicht alt. Ich bin auch nicht müde. Das haben schon alle anderen geschrieben. Denk dir was Neues aus.«

Ich bin eine professionelle Journalistin, ich habe schon ganz andere Leute zum Reden gebracht. Letztendlich bekommt man sie alle über ihr Ego. Alle Musiker scheinen zu denken, sie seien Gott. Ich schenke mir selbst ein Lächeln.

»Denken Sie, Sie verdienen den Ruhm? Dass Ihnen Millionen von Fans zu Füßen liegen?«

Alex zuckt die Schultern. »Warum nicht?«

Na also! »Obwohl Sie fast keine Texte haben und die dann auch noch schreien statt singen?«

Falls ich ihn beleidigt habe, lässt er sich nichts anmerken. »Schätzchen, das ist Punk Rock. Der Musikstil entstand, bevor du geboren wurdest. Du solltest dich erst mal informieren, bevor du hier unqualifizierte Bemerkungen machst.«

Touché. Wenn ich nicht langsam einen Zugang zu ihm finde, habe ich nichts, worüber ich schreiben kann. Margie wollte ein Exklusivinterview. Wenn ich diese Chance vermassele, stehen meine Chancen auf Verlängerung meines befristeten Vertrages schlecht. Vielleicht lässt er sich mit Provokation aus seiner Reserve locken?

»Sind Sie deshalb Musiker geworden, wegen der Frauen? Fans? Groupies?«

Aus Trevors Ecke höre ich ein warnendes Räuspern.

»Bist du deshalb Journalistin geworden, wegen der Musiker?«, kontert Alex.

»Ganz bestimmt nicht!« Aus den Augenwinkeln bekomme ich mit, dass Finn wie wild Fotos macht. Ich frage mich, warum, denn sowohl Alex als auch ich blicken uns über den Couchtisch hinweg finster an. »Kleine Jungs mit großen Egos, die sich mit Drogen die letzten vorhandenen Gehirnzellen abtöten und jedes willige Weibchen abschleppen, das nicht bei drei auf den Bäumen ist, kotzen mich echt an.«

Trevor und Finn husten simultan. Alex hingegen fängt schallend an zu lachen. »Siehst du mich so, als kleinen Junkie auf dem Ego-Trip?«

Ich sollte mich für mein unprofessionelles Verhalten entschuldigen. Aber ich will nicht. Weil ich das Gefühl habe, dass Alex nur darauf wartet. Immerhin habe ich jetzt seine volle Aufmerksamkeit. Er hat die nackten Füße auf den Boden gestellt, alte Holzdielen, die von einem orientalisch aussehenden Teppich bedeckt sind, und sitzt mir mit geöffneten Beinen gegenüber.

»Magst du, was du siehst?«

Idiot! Ich greife nach meinem Wasser, trinke hastig und schütte mir dabei versehentlich den halben Glasinhalt ins Gesicht, von wo aus er in meinen Ausschnitt rinnt. Innerhalb von Sekunden ist meine Bluse kalt und nass.

»Siehst du, das ist das Problem.« Alex beugt sich vor, Ellenbogen auf seinen Knien, und schaut mich dabei ruhig an. »Jeder Mensch hat bestimmte Erwartungen an mich. Dass ich Songs schreibe, die sofort auf dem Index landen, dass ich jeden Abend auf der Bühne stehe und eine tolle Show abliefere, dass ich Backstage Groupies vögel, dass ich Drogen nehme, dass ich wilde Parties feiere, dass ich Hotelzimmer verwüste und vor allem, dass ich viel Geld verdiene. Welche Erwartungen hast du, Becca?«

Ich schüttele den Kopf. So effektiv bin ich noch nie in meine Schranken gewiesen worden. Hilfesuchend blicke ich zu Finn, der mir mit einer Hand Zeichen macht, von denen ich nicht sicher bin, ob er mir den Hals abschneiden will oder ob ich das Interview beenden soll, obwohl unsere Zeit noch lange nicht um sein kann.

»Wie wird der Stil des neuen Albums?«, frage ich, um überhaupt noch etwas zu fragen.

Alex sieht fast ein bisschen enttäuscht aus. »Das wird man erfahren, wenn es auf den Markt kommt.«


Fertig ist gar kein Ausdruck. Während Finn sein Kameraequipment zusammenpackt, schalte ich das Aufnahmegerät aus und gebe es ihm. Er wird es mit in die Redaktion nehmen und dort hoffentlich an einem sicheren Ort aufbewahren. Nicht auszudenken, wenn Margie es in die Finger bekommen sollte, bevor ich eine Chance habe, mit ihr darüber zu reden.

Es gibt Probleme, die braucht niemand. Bei mir kommen die Katastrophen gerne im Dreierpack. Erst meine Mutter, die einen neuen Pflegeplatz braucht, jetzt das total vermasselte Interview. Fehlt eigentlich nur noch, dass irgendwas mit Sandy dazwischenkommt, und ich in Florida strande.

Am besten wird sein, mich erst nach meiner Rückkehr wieder mit dem Thema Al Bad zu befassen. In zwei Wochen ist noch früh genug für eine weitere Katastrophe in meinem Leben. Von so einem dahergelaufenen Punkrocker lasse ich mir meinen Urlaub nicht verderben!

Ich bin zu erschöpft, um Small Talk zu betreiben, und froh, als Alex aufsteht. Zum Abschied schüttelt er Finn die Hand, woraufhin ich meine ebenfalls hinhalte. Alex ergreift sie und zieht mich überraschend nah an sich. Weil ich seinem Blick ausweiche, bekomme ich nicht mit, was er vorhat – im ersten Moment denke ich, dass er mir einen Luftkuss geben will, Küsschen links, Küsschen rechts. Stattdessen spüre ich seine andere Hand im Nacken und seine Lippen auf meinen. Sie sind fest und warm.

So kurz sein Kuss auch ist, es ist ein Statement. Als er mich loslässt, wische ich mir demonstrativ mit dem Handrücken über die Lippen und drehe mich zu Finn. »Lass uns gehen.«


Aus den Augenwinkeln betrachte ich die Frau, die fahrig ihre Sachen zusammensucht. Sie ist jünger, als ich erwartet habe – normalerweise schickt RockStar eine mittelalte Schreckschraube mit Haaren auf den Zähnen. Dieses junge Ding hingegen versteckt sich hinter ihren langen Haaren, die sich gelöst haben und wie ein Vorhang vor ihrem Gesicht hängen. Eben noch hat sie mich verbal angegriffen, jetzt sieht sie fast verletzlich aus, als könne sie es gar nicht erwarten, wegzukommen.

Wie kommt jemand wie sie, die keine Ahnung von der Branche hat, dazu, ausgerechnet für ein Rockmagazin zu arbeiten?

Sie hat sich nicht von dem beeindrucken lassen, was andere in mir sehen. Sie hat mich gesehen, nicht Al, den Star. Warum habe ich ihr nicht gefallen?

Einen kurzen Moment, als ich sie küsste, hatte ich gehofft, dass sie eine Reaktion zeigen würde. Irgendeine Reaktion. Normalerweise stürzen sich die Frauen auf mich und betteln regelrecht um einen Kuss. Oder auch um mehr. Als wäre Sex eine verdammte Trophäe. Als wäre ich eine verdammte Trophäe. Selbst wenn sie mir eine runtergehauen hätte, es wäre immerhin eine Reaktion gewesen. Stattdessen – nichts.

399 ₽
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Objętość:
208 str. 14 ilustracje
ISBN:
9783945163580
Wydawca:
Właściciel praw:
Bookwire
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