Wer bin ich?

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Keith Hamaimbo Wer bin ich?

Studien zur Theologie und Praxis der Seelsorge 92

Herausgegeben von

Erich Garhammer und Hans Hobelsberger

in Verbindung mit

Martina Blasberg-Kuhnke und Johann Pock

Keith Hamaimbo

Wer bin ich?

Das Enneagramm in der seelsorglichen Begleitung


Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.d-nb.de> abrufbar.

© 2015 Echter Verlag GmbH, Würzburg

www.echter-verlag.de ISBN 978-3-429-03775-8 (Print)

978-3-429-04789-4 (PDF)

978-3-429-06204-0 (ePub)

Vorwort und Dank

Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2013/2014 an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn als Dissertationsschrift eingereicht.

Mein besonderer Dank gilt meinem Doktorvater Professor Dr. Johann Pock, der die Arbeit von Anfang an mit großer Geduld betreut hat – auch in der Zeit, als er an die Universität Wien gewechselt ist. Ebenfalls danke ich Professor Dr. Jörg Seip, der als neuer Inhaber des Lehrstuhls für Pastoraltheologie an der Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn die Arbeit mitbetreut hat. Für die vielen Treffen mit den Doktoranden von Prof. Pock in Deutschland und in Österreich und bei Prof. Seip bin ich sehr dankbar.

Auch den Professoren an der Universität Bonn, die einige Teile der Arbeit gelesen und mir wertvolle Hinweise und Vorschläge gegeben haben, spreche ich meinen Dank aus: Prof. Dr. Georg Schöllgen, Prof. Dr. Karl-Heinz Menke und Prof. Dr. Reinhold Boschki.

Einen herzlichen Dank möchte ich auch den vielen anderen Menschen aussprechen, die auf unterschiedliche Weise bei der Anfertigung dieser Arbeit mitgewirkt haben. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit möchte ich mich bedanken bei: Steyler Missionare, Sabrina Miebach-Hamaimbo, Ingrid Lorenz, Prof. Dr. Bernd Lutz, Günther Gessinger, Ingeborg Fischer, Familie Miebach, Familie Huckebrink, Familie Schulte, Norbert und Familie Alda, Missionskreis der Gemeinde St. Josef in Emsdetten, Erzbistum Köln. Auch den Personen, die sich zu Interviews bereit erklärt haben, und denjenigen, die mir bei der Kontaktsuche geholfen haben, bin ich sehr dankbar.

Ich bedanke mich für die Förderung und Unterstützung der Friedrich-Ebert-Stiftung, ohne die die Fertigstellung dieser Arbeit nur schwer realisierbar gewesen wäre. Ein besonderer Dank gilt den Mitarbeitern der Stiftung in Bonn, mit denen ich zu tun hatte. Für die Endredaktion der Arbeit danke ich ganz herzlich den Institutsreferentinnen Monika Mannsbarth und Christina Wachelhofer vom Institut für Praktische Theologie in Wien.

Diese Arbeit widme ich meiner Familie, insbesondere meinen Kindern Lior Lumuno und Norea Mweke.

Inhaltsverzeichnis

A Kurzfassung

0 Einführung

1. Geschichtliche Hintergründe: Von Evagrios Pontikos bis zur Systematisierung des Enneagramms als Charaktertypologie in der neuen Zeit

2. Das Enneagramm: Theorien und Umriss der Enneagramm-Muster

3. Theologische Betrachtung: Systematisch- und pastoraltheologisches Verständnis und dessen Beitrag zur christlich-enneagrammatischen Arbeit

4. Enneagramm in der Praxis: Analyse von vorhandener Enneagramm-Praxis und Entwicklung von Handlungsoptionen

5. Perspektiven und Grenzen: Beobachtungen und Vorschläge in Bezug auf Gegenwart und Zukunft der Enneagramm-Arbeit

6. Zusammenfassung

B. Ausführliche Fassung des Inhaltsverzeichnisses

Inhalt

Vorwort und Dank

Inhaltsverzeichnis

0. Einführung

0.1. Fragestellung

0.2. Zur Methode

0.3. Erhebungsverfahren

0.4. Umgang mit den Daten

0.5. Analyseverfahren

0.6. Zum Aufbau der Arbeit

1. Geschichtliche Hintergründe: Von Evagrios Pontikos bis zur Systematisierung des Enneagramms als Charaktertypologie in der neuen Zeit

1.1. Entwicklung bis zum heutigen Stand

1.2. Einordnung in die christliche Tradition

1.3. Mönchtum (Wüstenväter und -mütter)

1.4. Evagrios Pontikos

1.4.1. Lehre und Praxis

1.4.2. Stufen des Wachstums bei Evagrios

1.4.3. Der geistliche Vater

1.4.4 Die Leidenschaften

1.4.5. Definition und Näheres zu den Leidenschaften

1.4.5.1. Apatheia (oder Leidenschaftslosigkeit)

1.4.5.2. Die Leidenschaften im Einzelnen

1.4.5.3. Völlerei/Gier/Unmäßigkeit

1.4.5.4. Wollust/Unzucht/Schamlosigkeit

1.4.5.5. Geiz/Habsucht

1.4.5.6. Neid/Traurigkeit

1.4.5.7. Zorn/Groll

1.4.5.8. Trägheit

1.4.5.9. Täuschung/Ruhmsucht

1.4.5.10. Stolz/Hochmut

1.4.5.11. Angst/Furcht

1.4.6. Symbole und Zahlen bei Evagrios

1.4.7. Die Biblische Zahl 153 und ihre Symbolik

1.4.8. Das Ziel des Evagrios und der enneagrammatischen Lehre

1.4.9. Humor bei Evagrios

2. Das Enneagramm: Theorien und Umriss der Enneagramm-Muster

2.1 Einführende Gedanken in das Enneagramm-Verständnis

2.1.1. Flügel

2.1.2. Pfeile.

2.1.3. Subtypen

2.2. Triaden-Theorie

2.2.1. 8-9-1-Zentrum

2.2.2. 2-3-4-Zentrum

2.2.3. 5-6-7-Zentrum

 

2.2.4. Verständnisfragen zu den Triaden

2.3. Prozess und Typologie

2.3.1. Gefahren des Enneagramms als Typologie

2.3.2. Prozess und Entwicklungsstufen

2.4. Typisierung

2.4.1. Typisierungsverfahren: Fragebogen/Typisierungsinterview

2.4.2. Herausforderungen beim Typisieren nach Riso und Hudson

2.4.3. Die Ferntypisierung

2.5. Vergleichender Überblick der Enneagramm-Typen

3. Theologische Betrachtung: Systematisch- und pastoraltheologisches Verständnis und dessen Beitrag zur christlich-enneagrammatischen Arbeit

3.1. Das Enneagramm in der theologischen Diskussion: Hinführung

3.1.1. Theologischer Anspruch an das Enneagramm

3.1.2. Enneagramm als neuer Impuls für die Theologie

3.1.3. Christlich-theologische Legitimität der enneagrammatischen Arbeit

3.2. Systematisch-theologisch

3.2.1. Terminologie und Theologie des Enneagramms

3.2.1.1. Erlösung und Enneagramm

3.2.1.2. Gnade und Enneagramm

3.2.2. Enneagramm: Beitrag zur Hamartiologie

3.2.2.1. Enneagramm und der innere Beobachter: (Selbstbeobachtung)

3.2.2.2 Enneagramm als Ermutigung zu einem dauernden Reformprozess mit individuellen und strukturellen Implikationen

3.2.2.3. Versöhnung und Annahme

3.2.2.4. Von Schuld und Selbsterkenntnis zu Gotteserkenntnis und Dank

3.2.3. Vorbehalte gegen das Enneagramm in Bezug auf die Hamartiologie

3.3. Pastoralverständnis der Arbeit (Pastoraltheologisch)

3.3.1. Ganzheitliche Seelsorge

3.3.2. Induktive Methoden in der Praktischen Theologie

3.3.3. Die heutigen Lebenswirklichkeiten

3.3.4. Konsequenzen einer erfahrungszugewandten Theologie

3.3.4.1. Lebenswirklichkeit als Ort des Lernens

3.3.4.2. Pluralitäts- und Kommunikationskompetenz (R. Bucher)

3.3.5. Subjektsein des Menschen

3.3.5.1. Subjektsein und ‚Communio’

3.3.5.2. Subjektsein von Gott her begründet

3.3.6. Aufeinanderbezogenheit der Gottes- und Nächstenbeziehung (Ottmar Fuchs)

3.3.7. Mystagogische Grundhaltung

3.3.7.1 Wertschätzung

3.3.7.2. Echtheit und Selbstkongruenz

3.3.7.3. Empathie

3.3.7.4. Alltäglichkeit

3.3.7.5. Befreiung

3.3.7.6. Universale Solidarität

3.3.8. Alltagsseelsorge

3.3.8.1. Alltagsseelsorge nach Stephanie Klein

3.3.8.2. Alltagsseelsorge nach Eberhard Hauschildt

3.3.8.3. Alltagsseelsorge: Ein Vergleich

3.3.8.4. Seelsorge durch das ‚Volk Gottes’

3.3.9. ‚Arbeit mit jungen Menschen’

3.3.9.1. Ernstnahme und Verständnis für Jugendliche

3.3.9.2. Mystagogische Jugendseelsorge/Jugendpastoral

3.3.10. Umgang mit dem ‚Psycho-Markt’

3.4. Ein Christliches Enneagramm?

3.4.1 „Verankertes“ christliches Enneagramm

3.4.2. Selbsterforschung und die christliche Lehre

3.4.3. Ablehnung des Enneagramms

3.4.4. Kompatibilität mit dem christlichen Glauben

3.4.4.1. Gnade

3.4.4.2. Menschenbild

3.4.4.3. Ergänzung mit schon vorhandenen Praktiken und Methoden

3.4.4.4. Praktische Führung zur Mündigkeit

3.4.4.5. Christliche Rahmen schaffen

3.4.4.6. Christliche Elemente in der Entwicklungsgeschichte des Enneagramms (Tradition)

3.4.4.7. Facettenreiche menschliche und kulturelle Phänomene als Konkretisierung Gottes Liebe zu seiner Schöpfung in ihrer Einzigartigkeit

3.5. Chancen eines christlichen Enneagramms

3.5.1. Neuer Zugang zur Kirche

3.5.2. Psychologie und Spiritualität

3.5.3. Dialogmöglichkeiten

3.5.4. Politische Ökumene

3.5.5. Spirituelle Ökumene

3.5.6. Kommunikationsgewinn auf interpersonaler Ebene

4. Enneagramm in der Praxis: Analyse von vorhandener Enneagramm-Praxis und Entwicklung von Handlungsoptionen

4.1. Erste Begegnung mit dem Enneagramm

4.1.1. Erst-Erfahrungen von Geistlichen

4.1.2. Durch Geistliche oder im Rahmen kirchlicher Arbeit

4.1.3. Durch Literatur und mündliche Weitergabe

4.1.4. Im Rahmen therapeutischer Angebote

4.2. Nach der ersten Begegnung

4.2.1. Nicht weiter am Thema interessiert

4.2.2. Dabei geblieben

4.3. Pastorale Handlungsbereiche

4.3.1. Das Enneagramm und die geistliche Begleitung (I)

4.3.2. Geistliche Begleitung als Alternative zu Gruppenarbeit

4.3.3. Geistliche Begleitung als „Therapie“

4.3.4. Enneagramm in der geistlichen Begleitung

4.3.5. Geistliche Begleiter

4.3.6. Enneagramm als Modell für personenbezogene Begleitung

4.4. Das Enneagramm in der Geistlichen Ausbildung von Priestern und Ordensleuten (II)

4.4.1. Geistliche Ausbildung

4.4.2. Das Enneagramm in geistlichen Gemeinschaften

4.4.3. Self-Esteem (Selbstwertgefühl)

4.4.4. Personal-Growth-Initiative ‘PGI’

4.4.5. Herausforderungen der Verantwortlichen

4.4.6. Villasante Ergebnisse

4.4.7. Weitere Kritikpunkte und Vorschläge

4.4.7.1. Enneagramm als Angriffsmittel

4.4.7.2. Die Wahl von Ennegramm-Lehrern bzw. Trainern

4.4.7.3. Wer darf/muss an Enneagramm-Seminaren teilnehmen?

4.4.7.4. Sich das Gelernte zu Eigen machen

4.5. Das Enneagramm in der Jugendarbeit und Jugendpastoral (III)

4.5.1. Identitätsfindung

4.5.2. Begleitung von Jugendlichen

4.5.3. Das Enneagramm und Jugendliche

4.5.4. Die Notwendigkeit für den Begleiter, sich und die Jugend zu ‚kennen’

 

4.5.5. Beispiele experimenteller Anwendung des Enneagramms im Rahmen von Jugendarbeit

4.5.5.1. Fall 1

4.5.5.2. Fall 2

4.5.5.3. Fall 3

4.6. Zeitpunkt der Enneagramm-Vermittlung

5. Perspektiven und Grenzen: Beobachtungen und Vorschläge in Bezug auf Gegenwart und Zukunft der Enneagramm-Arbeit

5.1. Rückblick und Zusammenführung

5.2. Möglichkeiten der Enneagramm-Arbeit

5.2.1. Menschenkenntnis in der Seelsorge und Pastoral

5.2.2. Dialogmöglichkeiten durch das Enneagramm

5.2.3. Seelsorgliche Professionalität und Enneagramm-Arbeit

5.2.4. Identifikation und Disidentifikation als Beitrag zu Professionalisierung

5.2.5. Bibel, Enneagramm, Gesellschaft (Menschen)

5.2.6. Anwendung des Enneagramms mit vorhandenen Modellen und Denkschulen

5.3. Grenzen des Enneagramms

5.3.1. Gefahr der Verabsolutierung

5.3.2. Erstarrung statt Veränderung und Umkehr

5.3.3. Die Kraft der (Auto)-Suggestion

5.3.4. Prozessuale Veränderung statt zielgerichteter Pragmatismus

5.3.5. Neigung zu „Alleswissern“ und „Kult-Figuren“

5.3.6. Gefahr der Vereinfachung

5.3.7. Typisierungszwang

5.3.8. Herausforderung des richtigen Umgangs

5.3.9 Kritik der Kritiker

5.4. Professionalität und Training

5.5. Enneagramm-Organisationen

5.5.1. Qualifizierung und Zertifizierung

5.5.2. Leitlinien der Enneagramm-Arbeit

6. Zusammenfassung

Anhang

Quellen- und Literaturverzeichnis

0. Einführung

Unter dem Titel ‚Alle Wege der Kirche führen zum Menschen‘ bezeichnet Papst Johannes Paul II. in Artikel 14 der Enzyklika „Redemptor hominis“ den Menschen als den „erste[n] Weg, den die Kirche bei der Erfüllung ihres Auftrags beschreiten muss“1, weil dieser Weg „von Christus selbst vorgezeichnet ist und unabänderlich durch das Geheimnis der Menschwerdung und der Erlösung führt.“2 Da der Mensch im Zentrum des Handelns der Kirche stehen soll, und zwar aufgrund des Handelns Gottes, hat die Kirche den Auftrag erhalten, in ihrem Handeln ebenfalls den Menschen in den Mittelpunkt zu stellen. „Die Kirche, die aus einem eschatologischen Glauben lebt, betrachtet diese Besorgnis des Menschen um seine Menschlichkeit, um die Zukunft der Menschen auf Erden […] als ein wesentliches Element ihrer Sendung“3. Dies wird im Vorwort von „Gaudium et Spes“ als Leitwort des ganzen Dokuments auf den Punkt gebracht, in dem es heißt: „Der Mensch also, der eine und ganze Mensch, mit Leib und Seele, Herz und Gewissen, Vernunft und Willen steht im Mittelpunkt unserer Ausführungen.“ (GS 3)

In der Bibel wird aus dem Handeln Jesu heraus das In-den-Mittelpunkt-Stellen des Menschen bildlich dargestellt, beispielsweise in der Szene, in der Jesus einen Mann mit einer verdorrten Hand am Sabbat heilt. Er fordert den Mann auf, sich in die Mitte zu stellen, und fragt die Umstehenden, was besser sei: ein Leben zu retten oder zu vernichten (Mk 3,1-3). Von Jesu Tat her geleitet, kann sich Interesse am Menschen auch dadurch ausdrücken, dass es Bemühungen gibt, Menschen besser zu verstehen, und es ihnen gleichzeitig ermöglicht wird, sich selbst besser zu verstehen. Diese Arbeit geht von der Hypothese aus, dass dafür das Enneagramm, als psychologisch-spirituelle Charaktertypologie, eine gute Hilfe sein kann.

Als Ausgangspunkt meines Interesses an diesem Thema ist die Erfahrung bei Enneagramm-Seminaren für junge Männer und Frauen von unterschiedlichen Ordensgemeinschaften 2001/2002 in Sambia zu nennen, die von zwei Ordenspriestern geleitet wurden. Die genannten Ordensmänner führten Enneagramm-Seminare und - Workshops auch für andere Gruppierungen durch, z.B. für Jugendliche und verheiratete Paare. Bei meinen ersten Begegnungen mit dem Enneagramm war ich von der Beobachtung beeindruckt, dass viele Teilnehmer, die von den unterschiedlichsten Lebenshintergründen stammten, einen ganz persönlichen Bezug zu diesem Workshop entwickelten. Noch lange nach dieser speziellen Erfahrung konnte ich auf die Eindrücke zurückblicken und sie mit neuen Erfahrungen verknüpfen: sei es im sambischen Staatsfernsehen, in zahlreichen Enneagramm-Veröffentlichungen oder Enneagramm-Veranstaltungen, die ich in Deutschland miterleben konnte. Die Hinweise für den Einsatz des Enneagramms in unterschiedlichen Rahmen waren hinreichend, um den Impuls und das Interesse für eine tiefgehende wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Enneagramm zu geben. Ausgangspunkt dieser Forschung ist die Annahme, dass das Enneagramm dazu beitragen kann, Menschen auf persönlicher Ebene in den Mittelpunkt kirchlichen Handelns zu stellen und/oder ihnen diese Möglichkeit selbst zu geben. Die Arbeit möchte die theologischen Begründungen und Argumentationen aufzeigen, wie ein solches Vorhaben ermöglicht werden kann, und dazu Vorschläge unterbreiten, wie besonders im kirchlichen Rahmen eine christlich kompatible Einsetzung des Enneagramms (weiter-)4entwickelt werden kann.

Die vorliegende Untersuchung geht somit von zwei Arbeitshypothesen aus: 1. Die Kirche will die Menschen „in das Zentrum“ ihres Handelns stellen. 2. Das Enneagramm stellt eine Möglichkeit zur Vertiefung von Menschenkenntnis5 dar. Dies kann eine Chance sein, wie Menschen „in das Zentrum“ kirchlichen Handelns gestellt werden können. Als Ergebnis dieser zwei Arbeitshypothesen wird daher nach Möglichkeiten gesucht, diese „Eigenschaft“ des Enneagramms (Menschenkenntnis) und das „Vorhaben“ der Kirche (Mensch im Zentrum) in Einklang zu bringen.

0.1. Fragestellung

Das Enneagramm ist nicht unumstritten! Und da die Meinungen darüber vielseitig sind, kann es nicht selbstverständlich sein, dass die angesprochenen „Chancen“ aus der Enneagramm-Arbeit tatsächlich auch erkannt werden können. Diesbezüglich ist die Fragestellung der Untersuchung die, ob eine weitere eingehende wissenschaftliche Forschung dazu beitragen kann, klare Verhältnisse für die Anwendung des Enneagramms im pastoralen Bereich zu schaffen. In der Untersuchung wird diese Frage anhand von Teilaspekten der Enneagramm-Arbeit, Erfahrungen mit dem Enneagramm und theologischer Analyse behandelt.

Es sind Christen selbst, die gegenüber einer christlichen Anwendung des Enneagramms zurückhaltend sind. Paradoxerweise hat die christliche Enneagramm-Arbeit maßgeblich dazu beigetragen, dass das Enneagramm sich in neueren Zeiten fest etabliert hat. Um auf die kritischen Stimmen gegenüber der Enneagramm-Arbeit eingehen zu können, werden drei Bereiche berücksichtigt: das Enneagramm-Verständnis, die umstrittenen Aspekte der christlichen Enneagramm-Arbeit und die Frage, welche theologischen Gedanken in den Mittelpunkt gerückt werden, um eine klärende Funktion einzunehmen. All das wird vor dem Hintergrund der Enneagramm-Praxis diskutiert. Da es hier um ein Thema geht, das schon Eingang in die Praxis gefunden hat, werden alle anderen Erkenntnisquellen so eingesetzt, dass diese die Praxis des Enneagramms entweder besser erläutern, bestätigen oder korrigieren. Damit soll erreicht werden, dass auch theologische Überlegungen zum Enneagramm eine wirkliche Hilfe für die Weiterentwicklung der Praxis werden. So sollen sowohl intrinsische wissenschaftliche als auch christliche Bezüge der Enneagramm-Arbeit hervorgehoben werden, um die Akzeptanz des Enneagramms nicht nur bei denjenigen nachvollziehbar zu machen, die schon Erfahrungen sammeln konnten, sondern eine grundsätzliche integrative Offenheit der Enneagramm-Arbeit gegenüber den beiden erwähnten Bereichen von Wissenschaft und christlichem Bezug zu begründen.