Czytaj książkę: «Reden straffen statt Zuhörer strafen»
Katja Kerschgens
Reden straffen statt Zuhörer strafen
Katja Kerschgens
Die Redenstrafferin
Reden straffen statt Zuhörer strafen
Mit Operation Zwille
zu kurzweiligen Reden
Zwille made by Timo Wuerz
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Lektorat: Friederike Mannsperger, Offenbach a. M.
Umschlaggestaltung: Martin Zech Design, Bremen,
www.martinzech.de Illustrationen: Timo Wuerz, Hamburg
©2016 GABAL Verlag GmbH, Offenbach
Das E-Book basiert auf dem Buch „Reden straffen statt Zuhörer strafen“ von Katja Kerschgens,
©2011 GABAL Verlag GmbH, Offenbach.
Alle Rechte Vorbehalten. Vervielfältigung, auch auszugsweise,
nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlages.
ISBN Buchausgabe: 978-3-86936-187-1
ISBN epub: 978-3-95623-314-2
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Inhalt
Wollen allein genügt nicht,
man muss es auch tun!
Johann Wolfgang von Goethe
Glauben Sie mir nicht. Handeln Sie!
Sie glauben, ich weiß etwas, was Sie gerne wissen würden? Wissen Sie was? Wer weiß, ob ich es wirklich weiß! Also glauben Sie mir am besten gar nicht. Denn wer weiß, wohin das führt, wenn Sie glauben, dass ich es besser weiß …
Rauchen Sie oder kennen Sie jemanden, der raucht? Sicherlich ist Ihnen selbst oder dieser Person bekannt, dass Rauchen ungesund ist. Sie wissen bestimmt auch, dass regelmäßiger Sport gut für Herz und Kreislauf ist und man sich gesund ernähren sollte. Dass man für ausreichenden Schlaf sorgen und regelmäßig an seiner Beziehung arbeiten sollte … Hand aufs Herz: Halten Sie sich daran? Und schon haben wir einen wesentlichen Knackpunkt aller Ratgeber dieser Welt gefunden:
Nur weil Sie etwas wissen, heißt das noch lange nicht, dass Sie es auch umsetzen.
Das Tun ist das Lernen
Dieses Buch nützt Ihnen gar nichts, wenn Sie es nur lesen. Sollte Ihnen beim Lesen auch noch der Gedanke kommen: „Das weiß ich doch alles!“, könnte das zeigen, dass Sie es wohl wissen, aber eben immer noch nicht anwenden. Wissen allein bringt niemanden voran, nur das Tun. Auch nicht das Wissen darüber, dass das Tun wichtig ist. Wenn Sie aber beim Lesen sagen: „Das tue ich bereits!“, dann erst können Sie tatsächlich entscheiden, ob ich recht habe.
Das Tun ist anstrengend. Das setzt Ihr Gehirn unter Druck. Wer etwas anderes behauptet, verkauft die Seeligkeit billiger, als sie zu haben ist. Das ist wie Telefonieren mit dem anderen Ohr oder das Zähneputzen mit der anderen Hand schon mal versucht? Die Gewohnheiten werden durchbrochen, es fühlt sich ungewohnt an, aber es eröffnet neue Perspektiven und Denkgewohnheiten.
Jetzt stellen Sie sich vor, Sie probieren als Redner wirklich etwas Neues aus. Dann werden Sie Zuhörer haben, die sich das selbst niemals zutrauen würden. Schon bei dem Gedanken daran feuern Ihre eigenen Spiegelneuronen sofort los und heben die Hemmschwelle noch mehr an: „Was sollen die denn von mir denken?“ Sagen wir es mal so: Wenn Sie es nicht ausprobieren, werden Sie es leider nie erfahren. Daher ist auch heimliches Üben keine Lösung, denn Reden halten hat zwangsläufig mit Publikum zu tun. Ohne Zuhörer können Sie nie beurteilen, ob das Neue funktioniert. Und Sie werden sich wundern: Nicht darüber, was andere denken werden – denn woher wollen Sie das wissen? –, sondern vielmehr darüber, was diese Ihnen sagen werden.
Wählen Sie selbst
Bei allen Beispielen, Regeln, Vorschlägen und Tipps in Sachen Operation Zwille haben Sie immer die Wahl: Probieren Sie es aus – und dann entscheiden Sie selbst, ob Sie es weiter so machen wollen oder nicht. Testen Sie Alternativen und lassen Sie Ihren Bauch entscheiden, welche Lösung die bessere für Sie ist – für Sie und Ihre Zuhörer. Denn es gibt kein Richtig und es gibt auch kein Falsch. Alles, was zählt, ist die Wirkung, die Sie beim Zuhörer erzeugen. Nichts, aber auch gar nichts von dem, was ich hier geschrieben habe, können Sie auf dem Papier beurteilen. Vielleicht erzähle ich Ihnen nichts Neues. Aber ich erzähle es aus einem neuen Blickwinkel. Außerdem berichte ich von Beispielen aus der Praxis. Vielleicht regt Sie genau das an, sich endlich einmal anders als andere vor Ihren Zuhörern zu präsentieren. Und wenn es nur ein einzelner Satz ist, der etwas in Ihnen auslöst: Das kann schon reichen, um Sie zum Handeln zu bringen.
Schritt für Schritt hin zu straffen Reden
Und noch etwas: Sie werden nicht auf Anhieb ein besserer Redner sein, wenn Sie dieses Buch gelesen haben. Aber Sie haben die Chance, Ihre nächsten Reden zu straffen – Stück für Stück, immer ein bisschen mehr, immer ein bisschen mutiger. Und dann werden Sie erleben, wie Ihre Zuhörer darauf reagieren. Denn der einzige Beweis, dass Sie etwas gelernt haben in Sachen Reden straffen, sind Ihre eigenen begeisterten Zuhörer!
Starten Sie jetzt die Aktion gegen den Missbrauch von Lebenszeit: Straffen Sie Ihre Reden!
Ich wünsche zahlreiche mutige Entscheidungen beim Redenstraffen!
Ihre Katja Kerschgens
Die Redenstrafferin
P. S. Noch eine Anmerkung, bevor es losgeht: Damals an der Universität habe ich mich schon über das beinahe militante Auftreten einiger Sprachwissenschaftlerinnen gewundert. Manche wollten sogar so weit gehen, dass die weibliche Nennform für alle Geschlechter und die männliche nur für das männliche gelten solle. Die schwächeren Varianten zu dieser sprachlichen Emanzipation sind die permanent wiederholte Verwendung beider Formen – „Rednerin“ und „Redner“ – oder die schwer lesbare stilistische Unsitte mit dem großen I wie in „RednerIn“. Ich kann gut damit leben, wenn es andere so machen. Ich kann aber nur schlecht damit leben, meinen eigenen Text damit unleserlich zu machen. Tut mir leid. Gemeint sind natürlich trotzdem alle – Männlein wie Weiblein. Irgendwie mutet es mich seltsam an, das überhaupt erwähnen zu müssen …
Was heißt Operation Zwille?
Die kleine Version der Zwille kennen Sie vielleicht noch aus der Schule: Da wurde ein Stück Papier zu einem Krampen zusammengerollt oder geknickt und dann mit einem Gummiband dem Streber in der ersten Reihe in den Nacken geschossen.
Eine Zwille ist das Gleiche in Groß – und damit um ein Vielfaches wirksamer. Professionelle Zwillen werden sogar als Waffen verwendet.
„Moment mal, soll ich jetzt etwa auf meine Zuhörer schießen?“
Langsam. Ob man mit einer Zwille harmlose Zielübungen macht oder versucht, Menschen zu verletzen – das entscheidet nur die Absicht desjenigen, der die Zwille benutzt. Die Zwille selbst ist unschuldig.
Eine Zwille wird in drei Schritten benutzt: Man sucht das passende Schussmaterial, dann strafft man das Gummiband – und zielt. Damit ist die Zwille das Symbol für das Halten von straffen Reden.
Operation Zwille
Sie wählen den passenden Inhalt – und wirken!
Sie erzeugen gehörige Spannung – und begeistern!
Sie treffen den Zuhörer im Mittelpunkt seiner Aufmerksamkeit – und überzeugen!
Diese drei Symbole finden Sie auf den folgenden Seiten immer wieder. Sie stehen vor vielen Merksätzen und verweisen auf die jeweiligen Schwerpunkte „Inhalt“, „Spannung“ oder „Zuhörer“.
Als weiteren Wegweiser durch die Operation Zwille gibt es dann noch die ZwillLinks:
Die kleinen ZwillLinks und die dazugehörigen rot markierten Begriffe sind Seitenverweise auf vertiefende Inhalte oder Erklärungen.
Wer viel schießt, ist noch kein Schütze,
wer viel spricht, ist noch kein Redner.
Konfuzius
Schon mal an die Zuhörer gedacht?
Achtung Langeweile!
Der Groschen ist gefallen, als ich wie so oft bei einem Vortrag im Publikum saß. Es spielt heute keine Rolle mehr, wer diesen Vortrag hielt und worum es darin ging. Entscheidend war der Moment, als ich meinen Blick durch den Raum schweifen ließ – weil ich ohnehin schon lange nicht mehr zuhörte. Rechts kaute jemand mit Hingabe und halbgeschlossenen Augen am Nagel seines rechten kleinen Fingers. Daneben checkte ein junger Mann sein iPhone nach den neuesten Apps. Schräg vorne nickte einem Herrn regelmäßig der Kopf auf die Brust, links verdrehte eine Frau immer wieder genervt die Augen an die Decke. Ein weiterer Zuhörer wippte nervös mit dem Bein.
Soll ich noch deutlicher werden? In diesem Moment wurde mir klar vor Augen geführt:
Wer eine Rede hält, ist dafür verantwortlich, was mit der Lebenszeit seiner Zuhörer passiert.
Wie ist es mit Ihnen? Haben Sie
▪ sich als Zuhörer schon mal bei einem Vortrag gelangweilt?
▪ überlegt, was Sie hier gerade überhaupt verloren haben?
▪ sich öfter gefragt, was der Redner eigentlich wirklich sagen will?
▪ sich in Gedanken weit aus dem Veranstaltungsraum entfernt und wenn es nur bis zum eigenen, mit Arbeit voll geräumten Schreibtisch war?
Der Redner hat immer die Wahl
Warum haben Sie sich dann überhaupt diesen Vortrag angetan? Ich weiß: Sie hatten wahrscheinlich keine Wahl. Sie müssen einen Redner ertragen, weil Sie eigentlich auf den Vortrag des folgenden Redners warten. Oder Sie sind Mitglied im Verein und wollen an der zu erwartenden Diskussion teilnehmen. Oder der Vortrag ist Teil eines Symposiums, das Sie besuchen (müssen). Oder Ihr Chef hat Sie dorthin gesetzt. Wenn Sie schon keine Wahl haben – der Redner hätte eine. Wenn aber der Redner seine Chance nicht nutzt, Sie als Zuhörer zu begeistern, dann kann ich nur sagen:
Unstraffe Reden sind Missbrauch von Lebenszeit!
Unstraffe Reden kosten Geld
Dagegen muss etwas getan werden. Denn jede Rede, die anderen Menschen Lebenszeit raubt, kostet Geld. Und das ist eben immer dann der Fall, wenn Menschen durch schlechte Reden demotiviert, gelangweilt oder einfach von der Arbeit – oder auch ihrer wohlverdienten Freizeit – abgehalten werden. Spaßeshalber habe ich einfach mal ein kleines, lustiges Rechenbeispiel aufgesetzt – und damit sicherlich nur einen minimalen Ausschnitt aus all den Fällen gewählt, in denen Lebenszeit alles andere als kostenneutral missbraucht wird:
Laut der Angaben bei Wikipedia1 lässt sich errechnen, dass in den G8-Staaten jeder arbeitende Mensch im Schnitt circa 35 Euro2 Stundenlohn erhält. Gehen wir von gut 83.000 Firmen in Deutschland aus, die mehr als 50 Mitarbeiter haben. Das waren 2005 beispielsweise insgesamt gut 15 Millionen Mitarbeiter.3 Gehen wir weiter davon aus, dass in einem Viertel dieser Firmen einmal im Jahr Neujahrs- oder Geschäftsberichtsansprachen gehalten werden und dabei etwa die Hälfte der Belegschaft (bleiben 1,875 Millionen) für etwa zwei Stunden mit Reden und Vorträgen von der Arbeit abgehalten werden (da sind Reisezeiten und andere Aufwendungen noch gar nicht hineingerechnet). Gehen wir außerdem davon aus, dass die Hälfte dieser Veranstaltungen (und das ist sicherlich noch freundlich geschätzt) keine straffen Reden beinhalten und die Mitarbeiter (das sind jetzt noch 0,93 Millionen Menschen) einfach nur ihre Zeit absitzen. Dann kommen wir auf folgendes Ergebnis: Unstraffe Neujahrs- oder Geschäftsberichtsansprachen kosten allein die Firmen in Deutschland, die über 50 Mitarbeiter haben, 70 Millionen Euro! Für nix. Jahr für Jahr. Grob geschätzt.
Derlei Rechenbeispiele lassen sich natürlich vervielfältigen und ausweiten – bis hinein in die Vereinsarbeit oder die Kommunalpolitik. Wer sich damit genauer auseinandersetzen würde, käme wahrscheinlich auf schwindelerregende Summen. Aber von allen Zahlenspielen abgesehen – denken Sie mal an Ihre eigenen Erlebnisse als Zuhörer von Vorträgen: Wie oft haben Sie das Gefühl gehabt, dass Ihre Zeit verschwendet worden ist? Das ist schon ärgerlich, nicht wahr?
Reden straffen spart letztlich Geld, denn niemand sitzt gerne unnötig seine teure Zeit ab. Straffe Reden rechnen sich!
Straffe Reden erkennen Sie selbst
Ich spreche Sie als Zuhörer an. Und ich spreche Sie als Redner an. Denn im Zweifelsfall sind Sie immer beides im Leben. Jetzt gibt es aber einen sehr interessanten, sehr menschlichen Widerspruch – zwei Seelen, ach, in Ihrer Brust:
Da gibt es den Zuhörer in Ihnen …
Als Zuhörer können Sie ganz genau sagen, ob Sie eine Rede gut oder schlecht fanden. Dazu brauchen Sie keine Dialektik studiert zu haben. Sie fühlen sich gut unterhalten, informiert oder angeregt oder eben nicht. Einfach aus dem Bauch heraus.
Mehr noch – wenn Sie jemand fragt, was Ihnen nicht gefallen hat, können Sie es sogar oft beim Namen nennen:
▪ „Das war viel zu viel Inhalt, ich habe mir nichts gemerkt!“
▪ „Das hat viel zu lange gedauert, bis der auf den Punkt kam!“
▪ „Ich habe überhaupt nicht verstanden, worauf der Redner hinaus wollte!“
▪ „Ich habe gar nicht richtig zugehört, das war einfach nur langweilig, eine Floskel nach der anderen.“
▪ Oder, oder, oder …
… und den Redner in Ihnen!
Aber jetzt kommt es: All das, was Sie als Zuhörer bei anderen Reden Positives erlebt haben, ist vergessen – sobald Sie selbst vor Publikum stehen und Sie all das tun, was Sie sich selbst als Zuhörer niemals verzeihen würden:
▪ Sie zählen wirklich alle Aspekte einer Sache auf, um zu überzeugen – was aber für den Zuhörer schwer zu merken ist.
▪ Sie halten sich zu lange mit Einleitungen, Begrüßungen und Vorankündigungen auf – sprich: Sie liefern Floskeln.
▪ Sie reden am Publikum vorbei, das im vorgetragenen Thema nicht zu Hause ist, weil Sie sich darüber keine Gedanken gemacht haben.
▪ Sie verzichten auf Spannungsbögen und Überraschungseffekte.
▪ Und, und, und …
„Ist doch klar, das machen schließlich alle so, also muss ich das auch so machen. Das erwarten die Zuhörer schließlich von mir!“
„Hilfe! PowerPoint-Orgien, lange Einleitungen, das Aufzählen sämtlicher Argumente reißt mich schon lange nicht mehr vom Hocker – das ist entweder der reinste Info-Overflow oder einfach uninteressant!“
Grundsätzlich wissen Sie, wann Sie eine Rede gut fanden. Aber nicht selten siegt die falsche Hälfte im Streit um eine straffe Rede nämlich die, die lieber am Alterprobten festhält. Da kann Ihre andere Hälfte noch so oft als Zuhörer das spannende Gegenteil erlebt haben: Spätestens, wenn auch noch die Aufregung oder Zeitdruck dazukommen, brechen die alten Gewohnheiten wieder durch.
Nur weil alle das Gleiche machen, heißt das nicht, dass es alle richtig machen. Straffen Sie Ihre Reden, indem Sie es einfach anders als alle anderen machen!
Reden Sie – aber straff!
Damit wir uns gleich richtig verstehen: Reden straffen heißt nicht zwangsläufig, Reden zu kürzen.
Reden straffen heißt,
▪ dass dem Zuhörer eine halbe Stunde wie fünf Minuten vorkommt.
▪ dass Ihre Rede nicht unbedingt kurz, aber immer kurzweilig ist.
▪ dass Ihre Rede Ihre Zuhörer fesselt, statt sie zu ermüden.
Ich habe mitunter von Menschen Sätze wie diese gehört: „Das war heute aber ein lahmes Publikum!“ oder „Die haben gar nicht richtig zugehört!“ Hier offenbart sich ein klassischer Denkfehler: Das Publikum kann nichts dafür, wenn es sich nicht unterhalten fühlt. Es gibt nur einen einzigen Menschen, der dafür verantwortlich ist: Der Redner, der es nicht geschafft hat, die Aufmerksamkeit der Zuhörer zu gewinnen.
Reden ist Silber, Schweigen Gold – und Zuhören Platin. Jede straffe Rede ist der beste Rhetoriktrainer – und Ihre Chance als Zuhörer, es bei der nächsten eigenen Rede umzusetzen!
Kritik ernst nehmen
Einen ganzen Tag lang gab es auf dem Kongress eine Rede nach der anderen zu hören – und zwar von den vermeintlich ganz Großen der Rednerszene. Ich saß im Publikum und musste erkennen, dass die nicht nur alle mit Wasser kochten, manche konnten nicht einmal richtig kochen! Prompt rutscht mir der eine oder andere Kommentar heraus. „Du bist ja immer nur am meckern!“, kommt es plötzlich von meinem Sitznachbarn. „Natürlich“, sage ich, „ich habe hohe Ansprüche, weil diese Veranstaltung sie in mir geweckt hat. Und eins kann ich dir versichern: Wenn ich hier reden würde und anschließend käme jemand auf mich zu, um mich zu kritisieren – ich würde ihn sofort auf einen Kaffee einladen und ihn eine Stunde lang über seine Eindrücke ausfragen!“ Mein Sitznachbar nickt mit nachdenklichem Gesichtsausdruck.
Der Zuhörer ist die entscheidende Instanz. Der Redner hat dafür zu sorgen, dass der Zuhörer ihm gerne zuhört. Nicht umgekehrt. Doch leider wollen viele Redner ihre Reden nur hinter sich bringen – und genauso wirken sie dann auch. Oder sie sind so eingenommen von sich selbst, dass sie keine Kritik mehr zulassen. Straffe Redner dagegen hören auf ihre Zuhörer!
Hören Sie auf Ihre eigene Zuhörerhälfte!
Als Zuhörer freuen Sie sich, wenn Sie ein Redner fesselt. Sie erkennen eine straffe Rede sofort, denn:
▪ Sie haben wirklich aufmerksam zugehört – weil der Redner vielleicht den Trick des Kopfkinos wie im obigen Beispiel verwendet hat.
▪ Sie haben zwischendurch geschmunzelt, vielleicht sogar gelacht oder waren berührt!
▪ Sie haben sogar ein paar Inhalte behalten, die Sie anderen weitererzählen können!
▪ Sie haben eine überzeugende, sympathische oder faszinierende Persönlichkeit erlebt!
▪ Sie erinnern sich auch noch lange Zeit später an dieses Erlebnis – denn Sie verbinden ein gutes Gefühl damit!
Achten Sie als Zuhörer immer darauf, was gute und was schlechte Redner wie machen. Dann übernehmen Sie mutig das Gute und lassen das Schlechte bleiben.
Das strafft Ihre Reden!
Klingt selbstverständlich, nicht wahr? Seltsam. Denn wenn es wirklich so selbstverständlich ist, warum hält sich dann keiner daran? Sie haben jetzt die Chance, es umzusetzen. Je besser und erfolgreicher Redner sind, desto genauer sollten Sie hinhören. Oder denken Sie dann: „Ja, die Großen, die können das ja auch. An die komme ich eh nie heran …“? Wer sagt denn, dass die nicht auch einst ganz unten angefangen haben? Schauen Sie den guten Rednern ihre Erfolgsfaktoren ab und scheuen Sie sich nicht, es selbst auszuprobieren – es lohnt sich:
Erlauben Sie sich selbst, gut zu sein!
Niemand anders wird es Ihnen erlauben.
Fokussieren Sie straffe Reden
Sie kennen diesen Effekt aus dem Alltag: Sie haben sich beispielsweise ein neues Auto gekauft – in einer recht ungewöhnlichen Farbe. Sie sind sich sicher, dass Sie Ihr Fahrzeug jetzt auf jedem Parkplatz auf Anhieb wiederfinden werden. Denn diese Farbe gibt es doch so gut wie gar nicht auf den Straßen, sind Sie sich sicher. Doch ab dem Tag, an dem Sie dieses Auto besitzen, werden Sie plötzlich jede Menge andere Fahrzeuge mit exakt der gleichen Farbe sehen – wo kommen die alle her? In Wirklichkeit waren die alle vorher schon da. Sie haben sie nur nicht wahrgenommen. Jetzt haben Sie Ihre Wahrnehmungsfilter in Ihrem Gehirn auf diese Farbe fokussiert, weil Sie selbst ein Auto in dieser Farbe besitzen – und plötzlich rückt diese Farbe ganz von allein in Ihren Blick. Genauso können Sie Ihren Fokus ab sofort auf gute Redner lenken: Das wird es Ihnen erleichtern, auch Ihre Reden zu straffen – denn Sie haben jetzt ein Ohr und ein Auge dafür.
Wenn Sie dieses Buch in Händen halten, hören Sie keinen Redner. Aber sie werden zahlreiche Beispiele aus der Praxis lesen, die Sie inspirieren werden. Das ist natürlich nicht zu vergleichen mit dem Erlebnis, wenn Sie einen Redner live hören. Aber es gibt Ihnen ein erstes Gefühl dafür, was straffe Reden ausmacht. Die Erkenntnisse, die Sie hier beim Lesen gewinnen, können Sie auch bei jeder Rede gewinnen, die Sie hören. So oder so werden Sie ein Gefühl dafür entwickeln, was straffe Reden wirklich ausmacht.
Fangen Sie mit den Floskeln an
Eine erste, einfache Möglichkeit ist beispielsweise die, dass Sie Ihr Ohr für Floskeln öffnen. Achten Sie ab sofort darauf, wie oft Redner solche überflüssigen Formulierungen benutzen wie:
▪ „Wie mein Vorredner ja bereits darstellte …“
▪ „Ich freue mich über Ihr zahlreiches Erscheinen …“
▪ „Ich komme nun zu einem weiteren, wichtigen Punkt …“
▪ „Darauf werde ich im Laufe meiner Rede noch einmal zurückkommen …“
▪ „Ich würde jetzt gerne auf den nächsten Punkt zu sprechen kommen …“
▪ „Ich möchte das noch einmal etwas anders formulieren…“
▪ „Auch auf die Gefahr, mich zu wiederholen …“
Stellen Sie sich vor, Sie könnten all diese Floskeln aus der Rede eines solchen Redners streichen – das würde schon enorm zur Straffung beitragen! Dasselbe gilt natürlich für Ihre eigenen Reden.
Die Wirkung entscheidet
Noch heute werde ich auf manche Reden angesprochen, die ich vor langer Zeit gehalten habe. Die meisten erinnern sich dabei kaum noch an die Inhalte. Aber sie erinnern sich daran, dass es ihnen Spaß gemacht hat oder dass sie interessiert zugehört haben, dass es sie berührte oder nachdenklich gemacht hat.
Es ist übrigens kein Qualitätsmerkmal, wenn sich jemand nur wenig daran erinnern kann, was Sie genau gesagt haben. Dieser Effekt ist unserem Gehirn geschuldet, das sich Worte schlechter merken kann als Bilder.
Schon seit den 70er-Jahren des 20. Jahrhunderts geistern beispielsweise die Studien von Prof. Albert Mehrabian durch die Rhetorikliteratur. Er versuchte damals anhand von Experimenten zu verdeutlichen, dass Widersprüche zwischen dem Inhalt einer Aussage sowie der Stimme und Körpersprache schnell hinsichtlich der letzteren beiden Aspekte interpretiert werden. Sagt also zum Beispiel jemand „Freundschaft“, betont das Wort aber negativ, so vermutet die Versuchsperson, dass es mit der vermeintlichen Freundschaft nicht weit her sein kann. Ähnliches beobachtete Mehrabian auch hinsichtlich Mimik und Gestik. Heraus kam, dass eine Botschaft nur zu sieben Prozent über den Inhalt, aber zu 38 Prozent über die Stimme und zu 55 Prozent über die Körpersprache wirkt.
Derartige Prozentangaben sind sicherlich strittig. Aber die Gehirnforschung zeigt, dass grundsätzlich etwas dran ist: Das Unterbewusstsein reagiert sehr stark auf optische und akustische Reize und speichert wesentlich mehr davon ab, als unser Bewusstsein mitbekommt. Die Wissenschaft geht sogar davon aus, dass wir zu 95 Prozent aus dem Unterbewusstsein und nur zu fünf Prozent aus dem Wachbewusstsein agieren.4 Das erklärt auch die „Entscheidungen aus dem Bauch heraus“ – streng genommen gibt es keine anderen, denn alles wird vorher mit dem riesigen unbewussten Wissensschatz abgeglichen.
So, wie Entscheidungen unbewusst gefällt werden, so werden Sie auch als Redner vor allem auf der unbewussten Ebene wahrgenommen. Und ebendort entstehen Gefühle wie Sympathie, Spaß, Neugierde oder Vertrauen.
Auch aus einer straffen Rede merken sich die Zuhörer selten die einzelnen Inhalte. Aber das Erlebnis, das mit dieser Rede verbunden wird – das bleibt hängen.
Und damit kommen wir zu einer der wichtigsten Grundlagen für straffe Reden: Wenn Sie sich verstellen, werden die unterbewussten Alarmglocken Ihrer Zuhörer schrillen. Doch genau das passiert, wenn Sie meinen, es allen recht machen zu müssen.