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Czytaj książkę: «Winnetou 4», strona 17

Czcionka:

»Ja«, lachte ich fröhlich, »es wird eine Amazonenschlacht zwischen ihr und dem Komitee! Ich bin außerordentlich gespannt auf die Entwicklung, der wir nicht etwa nur als Zuschauer entgegengehen, sondern an der wir als Mitwirkende sehr eng beteiligt sind. Wir hörten, daß Kiktahan Schonka ein unerbittlicher Feind von Wakon ist. Ich vermute, daß Wakon an der Spitze der jungen Sioux ebenso nach dem Mount Winnetou kommen wird, wie Kiktahan Schonka die alten Sioux nach dem »dunklen Wasser« führt. Zwei feindliche Richtungen desselben Stammes, die auf fremdem Gebiet aufeinanderplatzen! Wie kurzsichtig! Grad hieran ging die Rasse zugrunde! Dem muß gesteuert werden! Also du bist wieder einverstanden mit mir?«

»Vollständig. Wo lagern wir heute abend?«

»An der Nordgabel des Red River. Morgen kommen wir an die Salzgabel desselben Flusses, an welcher damals das Dorf der Kiowas lag. Das ist jetzt nicht mehr der Fall. Wir werden aber trotzdem die Stelle vermeiden, um unser möglichstes zu tun, Niemandem zu begegnen.«

Es geschah, wie ich gesagt hatte. Wir erreichten gegen Abend die Nordgabel des roten Flusses und machten an ihrem Wasser Lager. Sehr interessant war, was wir während unseres Gespräches da von Pappermann erfuhren. Er hatte nämlich während seiner Unterhaltung mit den beiden Aschtas aus einigen Äußerungen der Mutter geschlossen, daß der Kassierer Antonius Paper bemüht gewesen war, sich um die Hand der Tochter bewerben zu dürfen. Man hatte ihn rundweg abgewiesen, und nun benutzte er jede Gelegenheit, hierfür in seiner ihm eigenen Weise Rache zu nehmen.

Als der Alte dies erzählte, beobachtete ich den »jungen Adler«. Er tat, als ob er es gar nicht höre. Er sagte kein Wort und bewegte keinen Zug seines Gesichtes. Aber grad diese Unbeweglichkeit sprach deutlicher, als lauter Zorn hätte sprechen können.

Noch ehe wir uns an diesem Abend schlafen legten, beschrieb ich meinen Gefährten den Weg, den ich damals, um Sander zu verfolgen, von dem Dorf der Kiowas gemacht hatte. Von da aus nach dem Rio Pecos und von dort hinauf nach dem »dunklen Wasser«. Es gab von der Stelle aus, an der wir uns heute befanden, einen direkteren, einen näheren Weg. Schlugen wir diesen ein, so konnten wir uns sofort von hier aus nach West wenden, ohne erst nach der Salzgabel des Red River zu reiten. Ich hatte damals nur darum nicht den kürzeren, sondern den weiteren Weg gemacht, weil er von Sander, den ich verfolgte, eingeschlagen worden war. Ich stellte es nun jetzt meinen Begleitern anheim, sich eine von beiden Routen zu wählen. Sie waren so klug, sich für die kürzere zu entscheiden, und so kam es, daß wir eher in die Nähe des Zieles gelangten, als sie andernfalls von uns erreicht worden wäre.

Die Gegend, durch welche wir zuletzt ritten, war öd und wasserlos. Kein Baum, kein Strauch, kein Grashalm erfreute das Auge. Es gab nur Stein und Felsen, weiter nichts. Das Gelände war bisher ziemlich eben gewesen, begann aber nun, langsam zu steigen. Es war schon Mittag. Wir hielten aber nicht an, um zu essen oder auszuruhen, denn es fehlte das Wasser, auf das wir erst später, wenn wir höher hinaufkamen, rechnen durften. Da sahen wir einen Reiter, weit vor uns draußen, der hinter einer kleinen Anhöhe verborgen gewesen war und nun langsam hervorkam, um uns entgegen zu reiten. Er hatte uns von diesem seinem Versteck aus beobachtet. Warum blieb er nicht verborgen? Warum kam er schon jetzt hervor? Er konnte uns ja noch gar nicht genau erkennen. Ein erfahrener Krieger hätte gewartet, bis er uns in größerer Nähe hatte. Lag der Grund etwa nur darin, daß die alten Zeiten der Gefahr vorüber waren und man darum überhaupt nicht mehr so vorsichtig zu sein brauchte wie früher?

Es war ein Indianer. Er lenkte sein Pferd langsamen Schrittes auf uns zu. Dann hielt er an, um uns an sich kommen zu lassen. Er war keineswegs von hoher, breiter, sehniger Gestalt, sondern eher klein als groß zu nennen. Seine Kleidung bestand aus buntem Pueblostoff. Unter dem aus Agavefasern geflochtenen Hut floß das dunkle Haar lang auf den Rücken hernieder. Im Gürtel trug er ein Messer, am Riemen ein leichtes Gewehr. Sein Pferd war kein gewöhnlicher Gaul, und die Haltung des Reiters durfte als selbstbewußt, ja, ich möchte sagen, als indianisch-edel bezeichnet werden. Das Gesicht, ganz selbstverständlich vollständig bartlos, wollte mir bekannt erscheinen; nur wußte ich nicht gleich, warum, woher und wohin. Er hatte weichere Linien und eine hellere, wärmere Farbe, als Indianer gewöhnlich zu haben pflegen. Und der Blick seines milden, ernsten, offenen Auges, welches fast an Winnetous Schwester Nscho-tschi erinnerte – ah, da kam es mir, da wußte ich es mit einem Mal, wo und wann ich diesen Indianer gesehen hatte! Und in demselben Augenblick wurde ich auch von ihm erkannt. Ich war zufällig am Ende unseres kleinen Trupps geritten. Darum traf mich sein Auge zu allerletzte Es vergrößerte sich unter dem Eindruck der Überraschung, der Freude. Die Wangen röteten sich zusehends, fast wie bei einem jungen Mädchen, dem von dem erregten Puls das Blut in das Gesicht getrieben wird. Er wollte das zwar verbergen, brachte es aber nicht fertig, während er es aber mir ganz gewiß nicht ansehen konnte, daß ich mich seiner erinnerte. Ich konnte mich beherrschen, er aber nicht; ich war ja ein Mann; er aber war keiner. Und nun wußte ich auch, warum er so gegen alle männliche Vorsicht nicht versteckt geblieben, sondern auf uns zugeritten war! Er sah fast verlegen aus und vergaß, uns anzureden. Darum ergriff Pappermann, der an unserer Spitze ritt, das Wort. Er hielt sein Pferd an und sagte:

»Wir grüßen unsern roten Bruder. Ist das der richtige Weg nach dem Pa-wiconte?«

Der Gefragte antwortete:

»Ich gehöre zu dem Stamm der Kiowas. Pa-wiconte aber ist ein Siouxwort, doch kenne ich es ja, dieser Weg ist der richtige nach dem See. Wollen meine Brüder hin?«

»ja.«

»So warne ich sie.«

»Warum.«

»Pa-wiconte heißt ,Wasser des Todes‘. Reitet ihr hin, so kann der See allerdings sehr leicht zu einem Wasser des Todes für euch werden.«

Pappermann hatte in seinem indianisch-englischen-spanischen Kauderwelsch gefragt; die Antwort war ihm in einem ziemlich guten Englisch geworden. Die Stimme des Kiowa klang wie die Stimme einer Frau, die sich bemüht, tief wie ein Mann zu sprechen.

»Warum drohst du uns mit dem Tod?« erkundigte sich der alte Jäger.

»Ich drohe nicht, sondern ich warne«, erwiderte der Rote.

»Beides ist gleich, wenn wir nur den Grund erfahren!«

»Gründe, wie dieser, sind nicht billig. Man teilt sie nur den besten Freunden mit.«

»Wir sind deine Freunde!«

»Das sagst wohl du; ich aber kenne dich nicht.«

»So wisse, wer wir sind: Ich heiße Maksch Pappermann und bin schon vierzig Jahre lang als Westläufer bekannt. Da sind zwei Gentlemen, die Hariman und Sebulon Enters heißen. Der dritte Gentleman dort hinten ist Mr. Burton, und die Lady hier ist Mrs. Burton, seine Frau. Und unser roter Bruder da an meiner Seite ist ein Sohn der Apatschen und wird der ,junge Adler‘ genannt.«

Der Kiowa sah uns in der Reihenfolge, in der wir nacheinander aufgezählt wurden, mit scharfem, forschendem Auge an. Nur bei mir ließ er den Blick sinken. Bei meiner Frau war es, als ob er sie durchbohren wolle. An den »jungen Adler« ritt er nahe heran und sprach:

»Man erzählt bei uns von einem ,jungen Adler‘ der Apatschen, welcher aus dem Stamm Winnetous und sogar sein Verwandter ist. Bist du etwa dieser?«

»Ich bin es«, antwortete unser Begleiter.

»Du hast diesen Namen schon als Knabe bekommen, weil du einen f reien Kriegsadler fesseltest und ihn zwangst, dich durch die Luft vom hohen Horst zur Erde zu tragen. Ist das richtig?«

»Es ist richtig.«

»So reiche ich dir meine Hand. Ich sehe den Stern der Winnetou auf deiner Brust. Auch ich bin ein Winnetou, doch habe ich jetzt noch Grund, es nur wenige sehen zu lassen. Schau her! Vertraust du mir?«

Er hob den Auf schlag seiner Jacke; da kam der zwölfstrahlige Stern zum Vorschein.

»Ich vertraue dir!« versicherte der »junge Adler«.

»So erlaube mir, euer Führer zu sein! Ich habe euch erwartet.«

»Du – – ? Uns – – ?« fragte der Apatsche. »Unmöglich!«

»Es ist nicht nur möglich, sondern wirklich. Glaube es mir!«

Der »junge Adler« schien doch irre werden zu wollen. Ein Angehöriger der feindlichen Kiowas! Der Stern konnte leicht den Zweck haben, böse Absichten zu verdecken! Ich bekam einen schnellen, fragenden Blick herübergeworfen und gab mit einem bejahenden Augenzwinkern heimliche Antwort. Da entschied der »junge Adler«:

»Ja, sei unser Führer!«

Er wollte weitersprechen, kam aber nicht dazu, denn Sebulon Enters richtete die schnelle, ganz unvorbereitete Frage an den Kiowa:

»Sind die Sioux schon da?«

»Was für Sioux?« fragte dieser.

»Die von dem alten Häuptling Kiktahan Schonka angeführt werden und nach dem Pa-wiconte wollen. Und die Utahs mit ihrem Anführer Tusahga Saritsch?«

Da verschwand der freundliche Ausdruck aus dem Gesicht unseres neuen Bekannten; sein Blick wurde schärfer, und er fragte:

»Kennt Ihr diese beiden Häuptlinge?«

»Ja«, antwortete Enters.

»Ich hörte, ihr seid Brüder?«

»Die sind wir.«

»Kiktahan Schonka hat euch nach dem Pa-wiconte gesandt?«

»Ja.«

»So beeilt euch, schleunigst hinzukommen! Ihr werdet dort erwartet. Meldet euch bei Pida, dem Häuptling der Kiowas, dem Sohn des alten berühmten Häuptlings Tangua! Der wird euch zu Kiktahan Schonka und Tusahga Saritsch bringen.«

»Beeilen sollen wir uns? Warum?«

»Das weiß ich nicht. Es wurde mir gesagt.«

»Aber was wird dann aus euch? Wann und wo treffen wir euch wieder?«

Diese Frage wurde an mich und meine Frau gerichtet. Ich antwortete:

»Sorgt euch nicht um uns! Wenn ich euch jetzt verspreche, daß ihr uns zur rechten Zeit und an der richtigen Stelle treffen werdet, so werde ich ebenso Wort halten, wie ich in Beziehung auf die Teufelskanzel Wort gehalten habe. Reitet also getrost weiter! Ihr könnt euch auf jedes Wort, welches hier dieser Kiowa euch sagt, verlassen.«

»Und dieser Pa-wiconte ist wirklich das ,dunkle Wasser‘, in dem unser Vater starb?«

»Ja. Ihr habt die Beschreibung der Örtlichkeit in meinem Buch gelesen. Ihr werdet sie sofort erkennen.«

»Aber der Weg ist uns unbekannt. Wie lange reitet ihr noch mit?«

Da antwortete der Kiowa schnell an meiner Stelle:

»Ihr reitet von jetzt an allein. Die andern weichen von der bisherigen Richtung ab. So will des Kiktahan Schonka, und dem habt ihr zu gehorchen! Euer Weg braucht euch nicht zu sorgen. Er geht genau geradeaus. Sobald ihr in die Nähe des Sees gelangt, werdet ihr auf Posten treffen, welche euch zu Pida führen.«

Er sagte das in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete. Die beiden Enters gehorchten. Sie trennten sich von uns und ritten weiter. Es schien, als ob sie uns nur ungern verließen, obgleich sie doch darauf gefaßt gewesen waren, sich von uns scheiden zu müssen, um uns an die Feinde zu verraten. Als sie außer Hörweite waren, wendete sich der Kiowa an den »jungen Adler«:

»Kennt mein Bruder diese zwei Männer?«

»Wir kennen sie genau«, nickte dieser.

»Wißt ihr, daß sie eure Feinde sind?«

»Ja.«

»Daß sie euch an Kiktahan Schonka auszuliefern haben?« »Auch das wissen wir.«

»Und dennoch reitet ihr mit ihnen? Uff, uff! Das ist ganz genau wie einst Winnetou oder Old Shatterhand! Lieber mitten in der Gefahr, als nur an ihrem Rande!«

Bei diesen Worten glitt ein warmer Seitenblick über mich hin. Dann fuhr er fort:

»Aber warum begleitet ihr sie nach dem See, der euch Verderben droht? Etwa nur, um sie zu entlarven und zu bestrafen? Nein! Ihr hattet auch noch andere, wichtigere Gründe. Darf ich sie erraten?«

»Tue es!«

»Ihr wolltet die Zusammenkunft der Kiowas und Komantschen mit den Sioux und Utahs belauschen. Habe ich recht?«

»Mein roter Bruder scheint sehr scharf zu denken!«

Jetzt lächelte der Kiowa und sagte: »Pida, der Freund Old Shatterhands, denkt noch viel schärfer!« »Bist du etwa sein Abgesandter? Handelst du in seinem Auftrag?«

Da hob der Kiowa seine schönen, ehrlichen Augen zu mir empor und antwortete:

»Nein! Er weiß nichts von dem, was ich tue. Er ist der Häuptling seines Stammes und der Sohn seines Vaters. Als dieses beides hat er Euer Feind zu sein. Aber er liebt Old Shatterhand, und er verehrt ihn wie keinen anderen Menschen. Darum wünscht er in seinem Herzen, daß Old Shatterhand, wie er immer siegte, so auch jetzt wieder siegen möge, aber nicht mit den Waffen, sondern in Liebe und Versöhnung. Er will nicht wissen, was ich tue; darum tue ich, was ich will, ohne ihn zu fragen. Ich führe euch nach dein besten Ort, den es für euch und eure Absichten gibt.«

»Nicht nach dem Wasser des Todes?«

»O doch! Aber auf einem Umweg, damit man euch nicht sehe. Auf diesem gelangt ihr nicht nur an das ,Wasser des Todes‘, sondern auch an das ,Haus des Todes‘. Fürchtet ihr euch vor Geistern?«

»Nur Lebende sind zu fürchten, nicht aber die Toten. Ich hörte noch nie von einem Haus des Todes. Wo liegt es?«

»Am See. Es war unbekannt. Es wurde erst vor zwei Jahren entdeckt. Man fand es voller Gebeine aus uralter, uralter Zeit, mit zahllosen Totems, Wampums und anderen heiligen Dingen. Das alles hat man geordnet, wohl mehrere Wochen lang. Dann wurde das Kalumet des Geheimnisses darüber geraucht, und Niemand mehr darf es betreten. Wer es dennoch wagt, sich der Stelle des Ufers zu nähern, die nach dem Haus führt, wird von den Geistern derer, die einst hier starben, getötet.«

»Und dennoch willst du es wagen?«

»Ja.«

»Welch ein Mut!«

Es war nicht zu ersehen, ob der »junge Adler« diesen Ausruf ernst oder ironisch meinte. Der Kiowa sah vor sich nieder, hob dann schnell den Kopf und antwortete lächelnd:

»Allein würde ich es nicht tun; mit Euch aber kann mir nichts geschehen. Das weiß ich so genau, als hätte ich es aus dem Mund unseres großen guten Manitou selbst gehört. Ihr kennt mich nicht. Ihr dürft mir wohl mißtrauen. Aber ich bitte Euch, mir dennoch zu folgen! Ich kann Euch keine andere Sicherheit als höchstens nur die Frage geben: Kennt Ihr vielleicht Kolma Putschi?«

»Ja.«

»Sie ist meine Freundin. Und kennt Ihr vielleicht gar auch Aschta, die Squaw von Wakon, des berühmtesten Mannes der Dakotastämme?«

»Auch diese.«

»Wir wohnen weit voneinander entfernt, aber wir verkehren öfters durch besondere Boten. Ich hoffe, beide in nächster Zeit persönlich zu sehen, trotz der Feindschaft, die zwischen unseren Völkern waltet. Habt Ihr nun Vertrauen zu mir?«

Diese Mühe, uns Zuversicht einzuflößen, war rührend. Wer weiß, was er alles wagte, um uns zu Diensten zu sein! Und er schien gar nicht zu ahnen, daß er dadurch, daß er diese beiden Frauen seine Freundinnen nannte, sich selbst als Weib bezeichnete. Ich antwortete:

»Wir haben Vertrauen. Wir hatten es gleich vom ersten Augenblick an, als wir dich sahen. Führe uns also! Wir werden dir folgen.«

»So kommt!«

Die beiden Enters hatten sich schon eine große Strecke entfernt. Wir folgten zunächst langsam ihrer Spur, damit sie nicht sehen möchten, nach welcher Seite wir ritten, und erst als sie am Horizont verschwunden waren, wichen wir von unserer bisherigen Richtung nach rechts ab, weil wir, um nach dem »Haus des Todes« zu kommen, nicht in direkter Linie nach dem See zu trachten hatten, sondern ihn umgehen mußten. Der Kiowa ritt voran, und Pappermann hielt sich an seiner Seite, jedenfalls um ihn auszufragen und kennen zu lernen. Ich hörte, daß er sich zunächst bei ihm erkundigte, woher er die Brüder Enters kenne.

»Ich kenne sie nicht«, lautete die Antwort. »Aber Kiktahan Schonka hat einen Boten gesandt, um seine Ankunft zu melden. Er ließ durch diesen Boten sagen, daß zwei Bleichgesichter eintreffen würden, die Brüder seien und sich verpflichtet hätten, Old Shatterhand, seine Squaw, einen alten, weißen Jäger, der ein blaues Halbgesicht habe, und den ,jungen Adler‘ der Apatschen an die Sioux auszuliefern; diese Vier seien dem sicheren Tod geweiht. Da machte ich mich auf, sie zu retten. Ich entfernte mich einen halben Tagesritt vom See und blieb an einer Stelle, an der sie vorüber mußten, sobald sie kamen. Ich wartete gestern und heut. Da sah ich euch erscheinen. Die Zahl stimmte: Ein Indianer, vier weiße Männer und eine weiße Squaw. Ich ritt auf euch zu und nahm mir vor, euch vor allen Dingen von den gefährlichen Brüdern zu trennen. Das ist geschehen.«

»So glaubt Ihr also, Mr. Burton sei Old Shatterhand?«

»Ja. Irre ich mich?«

»Fragt ihn selbst!«

»Das ist nicht nötig. Wäre er es nicht, so hättet Ihr sogleich mit einem Nein geantwortet. Die Auskunft, die Ihr nicht gegeben habt, ist also deutlich genug.«

Weiter war nichts zu hören, weil die beiden Voranreitenden jetzt den Schritt ihrer Pferde beschleunigten. Aber das Herzle sagte zu mir:

»So ist es mit deinem Inkognito also vorbei!«

»Noch nicht«, antwortete ich.

»Glaubst du, daß dieser Kiowa schweigt?«

»Wenn ich es wünsche, ja.«

»So gefällt er dir?«

»Gewiß!«

»Mir auch. Weißt du, er hat so etwas Aufrichtiges und zugleich Wehmütiges an sich. Die Wehmut blickt allerdings fast aus jedem indianischen Auge, aber hier tritt sie doppelt deutlich hervor. Es ist, als ob dieser Mann einen tiefen, andauernden Gram in sich trage. Man sollte helfen können! – Meinst du nicht?«

»Hm! Mein Herzle möchte freilich gern allen Leuten helfen, doch ist innerem Kummer nicht so leicht beizukommen, wie du denkst. Man muß ihn vor allen Dingen erst kennenlernen, und du weißt, die Indianer sind verschwiegen.«

»Oh, was das betrifft, da kennst du mich. Was ich einmal wissen will, das frage ich gewiß heraus!«

»Ja, leider, leider!«

»Sogar aus Indianern!«

»Gewiß, gewiß! Ich kenne dich! Du fragst es heraus, ganz gleich, ob die Menschen weiß oder rot, gelb, grün oder blau aussehen! Aber der hier ist verschwiegen.«

»Denkst du?«

»Ja. Der sagt dir nichts!«

»Hm! Wollen wir wetten?«

»Ich wette nie. Das weißt du doch.«

»Was zahlst du mir, wenn ich schon morgen früh seinen ganzen Kummer kenne?«

»Was forderst du?«

»Nochmals fünfzig Mark für unser Radebeuler Krankenhaus!«

»Kind, werde mir nicht zu teuer!« rief ich erschrocken aus. »Wieviel zahlst du denn, wenn du morgen früh nichts erfahren hast?«

»Das doppelte, nämlich zur Strafe hundert Mark!«

»Das ist freilich höchst anständig, ja sogar nobel! Das Krankenhaus könnte also bei dieser Wette nur gewinnen. Aber woher nimmst du die hundert Mark?«

»Von meinem Kredit bei dir!«

»Ich danke, danke! Für Wetten kreditiere ich keinen Pfennig. Versuche es dort mit dem alten Pappermann! Vielleicht gelingt es dir, ihn für dein Krankenhaus zu interessieren!«

»Der arme Teufel! Hat weder in seinem Hotel noch auf seinem Hotel noch etwas stehen! So sagte er doch wohl? Uebrigens bitte ich dich, ihn von dem Kiowa zu trennen.«

»Warum?«

»Weil ich von jetzt an hingehöre!«

»Ah? Du willst deine Forschung sogleich beginnen?«

»Ja. Ich muß unbedingt erfahren, was dieser Indianer auf dem Herzen hat. Denke dir, wenn man ihm helfen könnte! Also bitte, ruf Pappermann von ihm weg!«

Ich tat es mit heimlichem Vergnügen, denn es verstand sich für mich ganz von selbst, daß auch der Kiowa den herzlichen Wunsch hegte, sich an meine Frau zu machen und sie so gründlich wie möglich auszufragen. Diese beiden blieben von jetzt an während des ganzen Nachmittages beisammen. Sie fanden sichtlich Gefallen aneinander. Und ich hatte keinen Grund, sie dabei zu stören.

Das Terrain stieg höher und höher. Wir näherten uns zusehends den Bergen, zwischen denen das »Dunkle Wasser« liegt. Gegen Abend sahen wir seitwärts von uns die Linie des Waldes, welcher den See verkündet. Dort hatten wir damals am Abend gelagert, ehe wir früh vollends bis an das Wasser geritten waren. Heut schlugen wir einen Bogen um Wald und See herum, überschritten einen breiten, aber nicht sehr tiefen Bach, welcher den Ausfluß des hochinteressanten Wasserbeckens bildete, ließen die Pferde hier trinken und lenkten sie dann zwischen steilen Felsen nach einer dicht bewaldeten Höhe empor, auf welcher die Stelle lag, die für heute unser Ziel zu bilden hatte. Das »Haus des Todes« noch zu erreichen, war es zu spät, denn es dunkelte bereits so sehr, daß wir uns beeilen mußten, noch vor vollständiger Nacht das Zelt aufzuschlagen und aus Steinen eine Feuerstelle zu errichten, durch welche die Flamme für andere unsichtbar wurde. Uebrigens versicherte uns der Kiowa, daß wir hier oben vor Lauschern völlig bewahrt seien. Der Ort, an dem wir uns befanden, gehörte schon zu dem Gebiet, welches nicht betreten werden sollte. Es bedurfte nur noch eines kurzen Abstieges, um an das »Haus des Todes« zu gelangen, doch war dieser Abstieg so steil, daß er während der Abenddämmerung nicht hatte gewagt werden können. Wir waren gezwungen, damit bis morgen früh zu waren. Unten am See lagerten, getrennt voneinander, die Kiowa und die Komantschen. Die Sioux und die Utahs waren noch nicht da, wurden aber für jeden Augenblick erwartet.

Während der »junge Adler« die Pferde besorgte, errichtete ich mit Pappermann das Zelt. Der alte Westläufer befand sich in schlechter Laune. Er hustete und knurrte vor sich hin, als ob er etwas sagen wolle, aber den Anfang nicht finden könne. Darum fragte ich ihn direkt, was mit ihm sei.

»Was soll mit mir sein!« antwortete er, doch so, daß ich es allein hörte. »Ich ärgere mich!«

»Worüber?«

»Und ich traue nicht!«

»Wem?«

»Dem Kiowa!«

»Warum?«

»Das fragt Ihr noch? Seht Ihr denn nichts, gar nichts? Habt Ihr nicht selbst auch Augen?«

»Wofür?«

»Wofür? Sonderbares Fragen! Worüber? Wem? Warum? Wofür? Und auf solche abgerissene Silben soll man eine verständige Antwort geben können! Wißt Ihr, wie langes her ist, seit wir diesen Kiowa getroffen haben?«

»Fast sechs Stunden.«

»Richtig!. Und was hat er in diesen sechs Stunden gemacht?«

»Uns hierher geführt.«

»Das meine ich nicht. Das war seine Pflicht. Er hat aber etwas getan, was ganz und gar nicht seine Pflicht gewesen ist! Ja, ganz und gar nicht! Aergert Ihr Euch nicht auch darüber?«

»Ich? Es ist mir nichts bekannt, worüber ich mich zu ärgern hätte!«

»So? Wirklich? Nichts, gar nichts? Ist das nichts, wenn dieser Indianer sechs volle Stunden lang unaufhörlich neben Eurer Lady reitet und derart mit ihr spricht, daß sie weder Augen noch Ohren für andere Leute hat, auch nicht für Euch selbst? Ist das wirklich nichts?«

Also das war es! Er war eifersüchtig auf den Kiowa! Er hatte meine Frau gern, sehr gern, und es machte ihn, den alten, vereinsamten Menschen, glücklich, wenn sie sich unterwegs mit ihm ein Viertel- oder ein halbes Stündchen unterhielt. Um dieses Glück sah er sich heute gebracht. Ich tat aber, als ob ich kein Verständnis dafür habe und antwortete.

»Ja, das ist allerdings nichts. Es gab während der ganzen Zeit nichts Wichtiges, was ich mit meiner Frau hätte besprechen müssen. Ich ersehe also gar keinen Grund, der mich hätte veranlassen müssen, ihre Unterhaltung mit diesem unseren neuen Freund abzubrechen.«

»Freund? Freund nennt Ihr ihn? Hm!«

»Soll ich nicht?«

»Nein! Man hat vorsichtig zu sein! Ich heiße Maksch Pappermann und bin ein alter, erfahrener Kerl. Ehe ich Jemand meinen Freund nenne, pflege ich tage-, wochen- und monatelang zu prüfen! Auch Ihr pflegt sonst außerordentlich vorsichtig zu sein, noch vorsichtiger als ich. Heute aber seid Ihr ganz wie aus- oder umgewechselt. Ich warne Euch! Ich meine es gut! Ich bitte Euch, nehmt es von mir an! Wollt ihr?«

»Ja. Sie sollen nicht wieder sechs Stunden lang miteinander reden.«

»So recht, so recht! Ich finde das außerordentlich vernünftig von Euch. Wenn Ihr in dieser Weise redet, werfe ich meinen Ärger über den Haufen und fange wieder an, zu lachen. Glaubt Ihr, daß wir hier wirklich sicher sind? Nichts zu befürchten haben?«

»Vollständig sicher.«

»Es ist doch toll, was für ein Vertrauen Ihr zu diesem Roten habt!«

»Ihr irrt. Ich vertraue ihm, weil ich mir selbst vertraue. Ich höre nicht auf ihn, sondern nur auf mich. Es war doch auch bei Euch von Mißtrauen keine Rede!«

»Ja, zuerst! Aber diese Schwatzhaftigkeit kam mir verdächtig vor. Mir scheint, er hat Mrs. Burton ausgefragt und wird nun das, was er hörte, da unten bei den Kiowas und Komantschen erzählen!«

»Das befürchte ich nicht. Uebrigens ist er noch gar nicht unten bei ihnen.«

»Well! Ich passe auf ! Mir soll nichts entgehen! Ich lasse mich nicht betrügen!«

Damit war die Sache für jetzt abgemacht. Als ich das Herzle nach dem Essen ein wenig ironisch fragte, ob es ihr gelungen sein, hinter das Geheimnis des Indianers zu kommen, antwortete sie:

»Leider noch nicht. Er ist verschwiegen.«

»Aber du hast doch beinahe sechs Stunden lang nur allein mit ihm gesprochen! Nennst du das schweigen oder verschwiegen sein?«

»Man kann sprechen, ohne zu plaudern. Wir haben nicht über sein eigenes, kleines Leid, sondern über das große, erhabene Leid der ganzen roten Rasse gesprochen. Er denkt sehr richtig, und er fühlt tief. Ich habe ihn liebgewonnen, sehr lieb!«

»Oho!«

»Ja, wirklich! Es ist mir da freilich etwas begegnet, was ich dir gestehen muß.«

»Schon wieder ein Geständnis?«

»Leider, leider! Ich begreife es nicht! Wenn er so lieb und warm für seine Nationen sprach, wenn er es so tief beklagte, daß wir Weißen die Roten für minderwertig halten, da wurden seine schönen, ehrlichen Augen feucht, und es stieg in mir auf, als müsse ich ihn auf Stirn und Wange küssen und ihm die Tränen mit meinen Händen trocknen. Das muß ich dir sagen. Er ist ein Mann. Ich wiederhole: Ich verstehe es nicht!«

»Wenn nur ich es verstehe, liebes Kind«, antwortete ich.

»Und verstehst du es?«

»Ja«

»Und erteilst du mir Absolution?«

»Sehr gern. Sprechen wir morgen weiter hierüber.

Hast du vielleicht erfahren, wo das Kiowadorf jetzt liegt, in dem ich damals zu Tode gemartet werden sollte?«

»Ja. Es lag an der Salzgabel des Red-River. jetzt aber liegt es weit im Westen davon, auch an einem kleinen Flüßchen, dessen Name mir aber entfallen ist. Er hat dich sofort erkannt, als er dich heut erblickte.«

»Ah? So sah er mich also nicht zum ersten Male ?«

»Nein. Er kennt dich von damals her. Er war im Dorf, als man dich brachte. Er stand dabei, als du mit Händen und Füßen an die Pfähle gebunden warst. Er hat mir alles erzählt, so ausführlich, wie ich es nicht einmal von dir selbst erfahren habe.«

»Sprach er auch vom alten Sus-Homascha, der mich so gern retten wollte?«

»Ja. Sus-Homascha hatte zwei Töchter. Die eine war die Frau des jungen Häuptlings Pida. Ihre Ehe war außerordentlich glücklich und ist es auch noch heute. Sie war von Santer [sic!] überfallen und mit einem Schlage auf den Kopf betäubt worden. Man hielt sie für tot. Man holte dich. Man behauptet noch heut, daß du ihr das Leben gerettet habest. Darum ist Pida noch heut in unerschütterlicher Dankbarkeit dein Freund. Denke dir, seine Frau ist mit hier?«

»Unten am See? Bei den Kiowa?«

»Ja. Als man erfuhr, daß auch Old Shatterhand mit nach dem Mount Winnetou geladen sei, ließ sie sich nicht halten. Sie wollte ihren Retter wiedersehen. Es scheint überhaupt mit den Frauen der Kiowas eine ähnliche Bewandtnis zu haben wie mit den Squaws der Sioux. Auch sie haben sich zusammengetan; auch sie wollen mitberaten. Sie sind nicht in den Dörfern zurückgeblieben, aber wo sie sich befinden, das konnte ich noch nicht erfahren.«

»Du vergißt dein eigentliches Thema. Du sprachst von den zwei Töchtern des alten Sus-Homascha. Die Eine war Pidas Frau. Die Andere – – —«

Das fiel das Herzle schnell ein:

»Ja, die Andere, die hieß Kakho-Oto. Sie wollte und sie sollte deine Squaw werden, damit du gerettet würdest; du aber wiesest sie ab. Sie war trotzdem so edel, dir zur Flucht zu verhelfen. Sie lebt noch. Sie ist ledig geblieben. Nie hat ein Mann sie berühren dürfen, und sie ist es, die alle die vielen Jahre, welche zwischen damals und jetzt liegen, dazu verwendet hat, dein und Winnetous Andenken auch bei den Kiowas zu heiligen und Eure Ideale der Edelmenschlichkeit, der Friedfertigkeit und der Nächstenliebe in ihnen wachsen und groß werden zu lassen. Sie wünscht nichts sehnlicher, als nach dem Mount Winnetou kommen und dich dort sehen zu können. Du aber sollst sie nicht wiedererkennen. Sie ist inzwischen alt geworden und wohl auch häßlich dazu. Sie hofft, daß du sie sehen kannst, ohne zu wissen, wer sie ist. Sie hat uns den Kiowa entgegengeschickt, um uns zu warnen und hierher zu führen. Wir können uns auf ihn verlassen. Er wird sich so verhalten, als ob er nicht zu seinem Stamm, sondern ganz zu uns gehöre, und uns jeden Wunsch erfüllen, der mit seiner Heimatliebe und Indianerehre vereinbar ist. Freust du dich darüber?«

»Ja, herzlich! Und deine eigene Freude wird eine doppelte sein, wenn du diesen treuen Mann noch näher kennenlernst. Bitte, laß uns heut‘ zeitig zur Ruhe gehen.

Es ist möglich, daß morgen ein ereignisvoller Tag wird, der ausgeruhte Kräfte von uns verlangt.«

Sie war einverstanden. Sie zog sich sehr bald in ihr Zelt zurück, und auch wir anderen legten uns schlafen. Unter anderen Umständen hätte ich für diese Nacht die Wache unter uns verteilt, da ich aber wußte, wer der Kiowa war und daß ich ihm vertrauen durfte, war es nicht nötig, diese Vorsichtsmaßregel zu treffen. Unser alter Pappermann aber war anderer Meinung über ihn. Er legte sich in seine Nähe, um ihn während der Nacht zu beaufsichtigen. Ich hatte keinen Grund, ihn daran zu ver hindern.

Am anderen Morgen wachte ich nicht von selbst auf, sondern ich wurde geweckt, und zwar von dem, von dem ich soeben gesprochen habe, von Pappermann. Er sah ganz erregt aus, hatte ein rotes Gesicht und sagte:

»Verzeiht, Mr. Burton, daß ich Euch aus dem Schlaf störe! Es sind Dinge geschehen, schreckliche Dinge! Dinge, die mich veranlaßten, Euch sofort zu wecken!«

»Was ist es?« fragte ich, indem ich schnell aufsprang.

»Etwas Entsetzliches! Etwas Fürchterliches!«

»Also was? Sagt es schnell!«

»So schnell, wie Ihr wollt, kann ich das nicht. Ich muß Euch da erst vorbereiten.«

»Ist nicht nötig! Nur heraus damit?«

»Es ist nötig! Sogar sehr! Wenn ich Euch nicht vorher vorbereite, fallt Ihr vor Schreck um wie ein Klotz, den niemand wieder aufheben kann.«

,Ich?«

»Ja.«

»Vor Schreck?«

»Wie ich sage: vor Schreck!«

»Nur ich allein?«

»Ja! »

»Nicht auch Ihr?«

»Nein, ich nicht! Obgleich auch ich erschrak, als ich es sah. ja, wahrhaftig, auch ich erschrak! Ich erschrak so, als ob sie meine eigene Frau wäre, nicht aber die Eurige!«