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Czytaj książkę: «Satan und Ischariot I», strona 15

Czcionka:

»Old Shatterhand hält diese Stelle für geeignet?«

Ich nickte und stieg vom Pferde.

»Werden zwei Wachen genügen?«

»Ein einziger Mann, solange es noch nicht dunkel ist.«

»So mögen die Krieger der Mimbrenjos ihre Pferde absatteln und weiden lassen. Old Shatterhand und Winnetou aber werden die ihrigen nicht abzäumen.«

Er stieg ab und warf seinem Pferde den Zügel über, ganz so, wie ich mit dem meinigen gethan hatte. Ich sah, daß seine Bestimmung allgemeines Erstaunen hervorrief. Die Mimbrenjos hatten geglaubt, wir würden hier hinter der Waldecke auf den Pferden halten bleiben, um die Yumas zu erwarten und dann plötzlich gegen sie hervorzubrechen. Selbst ihr Häuptling war dieser Ansicht gewesen, denn er fragte Winnetou:

»Warum will mein Bruder die Pferde ganz frei geben? Wir müssen doch, wenn die Yumas kommen, schnell aufsitzen!«

Um den Mund Winnetous zuckte der mir so wohlbekannte Zug von Ueberlegenheit, als er im freundlichsten Tone antwortete:

»Meint mein Bruder, daß die Yumas kommen werden?«

»Ja, denn Old Shatterhand hat es gesagt.«

»Kommen werden sie wohl, aber nicht bis hierher. Sie werden, sobald sie unsere Spuren sehen, umkehren, doch nur zum Scheine. Sobald sie im Osten verschwunden sind, werden sie in einem Bogen wenden, um den Wald zu umreiten und uns von Westen her in den Rücken zu kommen. Wir haben sie also jetzt noch lange nicht zu erwarten und können den Pferden die Freiheit gönnen.«

»Ist auch Old Shatterhand dieser Meinung?« fragte mich der »starke Büffel«.

»Ja,« antwortete ich. »Mein Bruder Winnetou hat meine Gedanken erraten.«

»Aber wenn sie dennoch herankommen bis hierher!«

»So wären sie verloren; darum werden sie sich hüten, es zu thun.«

Als er mich ungläubig anblickte, fuhr ich fort:

»Meinst du, daß die Yumas die Stelle, an welcher ich euch traf, nicht sehen werden?«

»Sie sind nicht blind und werden sie also sehen; aber sie werden nicht wissen, wer wir sind und wie groß unsere Anzahl ist.«

»Du irrst. Sie sehen aus meiner Spur, daß ich freiwillig zu euch gestoßen bin und ihr also Freunde von mir sein müßt. Sie wissen, daß dein Sohn bei mir ist, und können also wohl erraten, wer ihr seid.«

»Aber unsere Zahl!«

»Sie können dieselbe zwar nicht genau berechnen, aber, falls sie ihre Gedanken zusammennehmen, doch wohl ahnen. Als ich auf euch traf, haben deine Krieger auf ihren Pferden nebeneinander gehalten und eine ziemliche Fläche mit Hufspuren bedeckt.«

»Die haben wir ausgelöscht!«

»Aber die Spur des Auslöschens ist vorhanden, und je größern Raum dieselbe einnimmt, desto mehr Personen müssen wir sein. Würden die Yumas sich das nicht sagen, so wären sie wert, die Tracht der alten Weiber zu tragen, und ich bin überzeugt, daß du das noch leichter als sie begreifen wirst.«

Er fühlte sich ein wenig beschämt und antwortete darum schnell.

»Ich habe es längst gewußt und sprach nur, damit meine Krieger es hören möchten. Warum aber sagt Winnetou, daß dein Pferd und das seinige gesattelt bleiben sollen?«

»Er hatte es mir nicht mitgeteilt, und doch weiß ich es, denn die Gedanken des Apatschen pflegen die meinigen zu sein. Er hat gesagt, daß die Yumas versuchen werden, uns zu täuschen, indem sie scheinbar umkehren und uns dann heimlich umreiten. Er will sie dabei beobachten, um sich zu überzeugen, daß seine Vermutung richtig ist, und ich soll ihn dabei begleiten. Darum sollen unsere Pferde, welche die schnellsten sind, gesattelt bleiben.«

»Uff! Meine beiden Brüder haben recht; es mag geschehen, wie sie gesagt haben.«

Winnetou hatte sich während dieser Unterredung nieder- und ich mich zu ihm gesetzt; der »starke Büffel« nahm jetzt bei uns Platz. Seine Leute gaben ihre Pferde frei und lagerten sich in einem Kreise um uns, hatten dabei jedoch acht, daß die Tiere sich nicht etwa über die Waldspitze hinaus entfernten, weil sie da von den sich nähernden Yumas gesehen worden wären. Ein Krieger begab sich nach der erwähnten Spitze, um dort, unter dem Gebüsch verborgen, nach den erwarteten Feinden auszuschauen.

Wären Winnetou und ich nicht bei den Mimbrenjos gewesen, so hätten dieselben sich wohl alle auf die Lauer gelegt. Sie wollten sich zwar nichts merken lassen, doch sah ich es ihnen an, daß sie innerlich nicht so ruhig waren, wie es den Anschein hatte. Winnetou hingegen schien gar nicht mehr an die Yumas zu denken; sie konnten in der nächsten Minute erscheinen, und er wollte sie beobachten, dennoch zog er seine Friedenspfeife hervor, was auf die Zeremonie des Begrüßens deutete, welche stets eine umständliche ist und viel Zeit in Anspruch nimmt. Ich wunderte mich darum nicht darüber, daß die Mimbrenjos ihn erstaunt anblickten. Er aber nahm, ohne dies zu beachten, den schön gestickten Tabaksbeutel vom Gürtel, stopfte das mit Kolibrifedern geschmückte Kalumet und sagte, zu mir gewendet:

»Weil wir so schnell verschwinden mußten, konnten wir meinen weißen Bruder nicht sofort begrüßen; nun aber haben wir Zeit, und er mag mit uns die Pfeife rauchen, welche der Freunschaft und dem Frieden gewidmet ist.«

Als er beschäftigt war, den Tabak anzubrennen, kam der Wachtposten eiligst herbeigerannt und meldete in einem so dringenden Tone, als ob wir uns in äußerster Gefahr befänden:

»Die Yumas kommen; ich sehe sie! Sie kommen so schnell, daß sie sogleich hier sein werden!«

Die uns umgebenden Krieger sprangen auf; ihr

Häuptling machte auch schon Miene, aufzustehen; da strafte Winnetou den Meldenden in ernstem Tone:

»Was fällt dem Mimbrenjo ein, Winnetou zu stören, welcher im Begriffe steht, die Pfeife des Friedens anzubrennen! Was ist wichtiger, der heilige Rauch des Kalumets, oder das Erscheinen einiger Yumahunde, welche sogleich vor Angst wieder umkehren werden?«

Der Mann stand wie angedonnert da und senkte den Kopf. Winnetou fügte hinzu:

»Der Mimbrenjo mag an seinen Platz zurückkehren und die Feinde beobachten, um mir später, wenn wir Old Shatterhand begrüßt haben, zu melden, daß sie verschwunden sind!«

Der Rote schlich von dannen; seine Kameraden konnten nichts anderes thun, als sich wieder setzen, obgleich es für sie jedenfalls keine kleine Aufgabe war, ihre Aufregung zu bemeistern. Ihr Häuptling war wohl im stillen froh, daß er wenigstens nicht ganz aufgesprungen war und sich in unsern Augen nicht so sehr wie sie blamiert hatte.

So gewiß war Winnetou seiner Sache! Es gab doch immerhin die Möglichkeit, daß die Yumas kein Bedenken fanden, ihren Ritt unbeirrt fortzusetzen; in diesem Falle wären wir zwar nicht gerade von ihnen überrascht und unvorbereitet getroffen, aber doch bei einer Zeremonie gestört worden, deren Unterbrechung stets als ein böses Omen, ja beinahe als eine Schande betrachtet wird.

Das Rauchen der Friedenspfeife ist so oft beschrieben worden, daß ich wohl unterlassen kann, es hier zu thun; ich will aber erwähnen, daß es sehr lange dauerte, ehe das wiederholt gefüllte und in Brand gesetzte Kalumet durch so zahlreiche Hände von Mund zu Mund gegangen war. Winnetou, der »starke Büffel« und ich waren jeder zu einer Rede gezwungen, welche stehend gehalten wurde. Wir thaten sechs Züge aus der Pfeife und bliesen den Rauch gegen den Himmel, die Erde und die vier Hauptwindrichtungen; die andern Indianer brauchten nur zwei Züge zu thun und den Rauch ihren beiden Nachbarn ins Gesicht zu blasen.

Zwei durften sich nicht mitbeteiligen, nämlich die beiden Knaben des Häuptlings. Sie gehörten nicht zu den Kriegern, hatten noch keine Namen und standen in der Ferne außerhalb des Kreises. Die Aufnahme in den Stand der Krieger ist, wie schon früher erwähnt, an sehr strenge Bedingungen geknüpft, von deren Erfüllung nur in sehr seltenen Fällen und auf ganz besondere Veranlassung oder Empfehlung abgesehen wird. Ebenso umständlich geht es her, wenn ein neuer Krieger zum erstenmale die Friedenspfeife rauchen soll. Eigentlich muß er sich den heiligen Thon dazu selbst aus den roten Steinbrüchen holen; die südlich wohnenden Stämme können diese Bedingungen freilich nicht erfüllen, machen dafür jedoch andere Anforderungen, deren Erfüllung kaum weniger schwierig ist.

Der Mann, welcher das Wagnis unternimmt, solche Bedingungen und Anforderungen zu umgehen, muß einen großen Namen haben und seiner Sache sehr sicher sein; er begiebt sich in die Gefahr, sein Leben zu verlieren, oder wenigstens für immer ausgestoßen zu werden. Dennoch war ich entschlossen, das Wagnis zu unternehmen, und ich glaubte, daß der Erfolg kein für mich nachteiliger sein werde.

Es galt nämlich dem älteren Sohne des Häuptlings, welcher sich so brav benommen hatte. Er war der Ueberzeugung gewesen, daß er bei mir schneller als sonst zu einem Namen kommen werde – nun wohl, er sollte sich nicht getäuscht haben.

Als Winnetou die Friedenspfeife von dem letzten der Indianer zurückerhielt und den Beutel auch wieder an den Gürtel hängen wollte, nahm ich ihm beides aus der Hand und sagte:

»Mein roter Bruder wolle mir sein Kalumet erlauben. Es hat einer den Rauch der Pfeife nicht getrunken, welcher doch würdig ist, sie als einer der ersten in die Hand zu bekommen.«

Meine Worte erregten zwar Verwunderung, doch keine allzugroße, weil man glaubte, ich meine den Wachtposten, welcher sich nicht bei uns, sondern in der Waldspitze befand und also nicht mitgeraucht hatte. Daß ich nicht nur an ihn dachte, sondern ihn sogar einen der ersten nannte, war allerdings etwas, was ihnen sonderbar vorkommen mußte. Ich stopfte die Pfeife, stand auf, schritt aus dem Kreise hinaus, ergriff die Hand des Knaben, führte ihn an meinen Platz, in den Kreis zurück und sagte dann, mich rundum wendend:

»Hier steht Old Shatterhand. Meine roten Brüder mögen hören und sehen, was er spricht und thut. Wer dann nicht mit ihm einverstanden ist, mag mit ihm kämpfen um das Leben und um den Tod!«

Es trat eine tiefe, erwartungsvolle Stille ein. Aller Augen hingen wie gebannt an mir und an dem Knaben. Die Hand des letzteren zitterte in der meinigen; er ahnte, was für ein wichtiger Augenblick gekommen sei.

»Mein junger Bruder mag mutig und auf der Stelle, ohne Zögern, thun, was ich ihm sagen werde!«

Diese Worte raunte ich ihm leise zu und er antwortete ebenso leise:

»Ich werde befolgen, was Old Shatterhand mir gebietet.«

Jetzt setzte ich die Pfeife in Brand, that den ersten Zug, blies den Rauch gen Himmel und sagte:

»Diese Wolke des heiligen Rauches geht zum Manitou, dem großen, guten Geiste, welcher alle Gedanken kennt und die Thaten des ältesten Kriegers und des jüngsten Knaben verzeichnet. Hier sitzt Nalgu Mokaschi, der berühmte Häuptling der Mimbrenjokrieger; er ist mein Freund und Bruder, und mein Leben ist sein Eigentum. Und hier steht neben mir sein Sohn, an Jahren ein Knabe, an Thaten aber ein alter Krieger. Ich fordere ihn auf, meinem Beispiele zu folgen und dem großen Manitou den heiligen Rauch des Kalumets zu geben.«

Bei den letzten Worten gab ich dem Knaben die Pfeife in die Hand. Er führte sie sofort zum Munde, that einen langen Zug und blies den Rauch gegen den Himmel. Dies war von mir eine Kühnheit und von ihm ein Wagnis, für welches freilich nicht er, sondern ich verantwortlich gemacht werden mußte. Die Folge zeigte sich sofort. Das war noch nie dagewesen; ein Knabe ohne Namen raucht die Friedenspfeife! Die Indianer standen auf und erhoben laute Rufe. Auch der Häuptling sprang auf und starrte mich an. Nur Winnetou blieb ruhig sitzen. In seinem ehernen Gesichte war weder eine Spur von Zustimmung noch von Mißbilligung zu lesen. Ich winkte mit der Hand Schweigen, ergriff die Pfeife wieder, that die bereits beschriebenen fünf weiteren Züge und gab sie dem Knaben zurück, der, zu allem entschlossen, schnell dieselben Züge that. Da aber erhob sich lautes Gebrüll; Ausrufe des Zornes schwirrten durcheinander. Man hielt das, was ich that, für ein Verbrechen an den heiligen Gewohnheiten der Nation. Aller Augen blitzten mir zornig entgegen; man ballte die Fäuste; man zog die Messer, und von den Ausrufen, welche ich hörte, wiederholte sich besonders der eine: »Ein Knabe, der keinen Namen hat!«

Auch der Häuptling war, obgleich es sich um seinen eigenen Sohn handelte, keineswegs einverstanden mit mir. Er nahm den Knaben bei der Schulter, schob ihn von mir weg und rief:

»Was wagt Old Shatterhand! Wäre er ein anderer, so würde ich ihn auf der Stelle niederschlagen! Einem Knaben, der keinen Namen hat, das Kalumet geben, darauf steht der Tod. Der Stamm wird dich richten, obgleich du mein Freund und Bruder bist. Ich habe nicht die Macht, dich zu verteidigen.«

Als er zu sprechen begonnen hatte, waren seine Leute ruhig geworden. Sie wollten hören, was er sagte. Jetzt ging ein beifälliges Murmeln der Zustimmung durch ihre Reihen. Der Knabe stand jetzt neben seinem Vater und blickte trotz der drohenden Haltung der Krieger voll Vertrauen zu mir auf. Eben wollte ich antworten, da stand Winnetou auf, winkte mit der Hand, ließ sein Auge mit einem langen, festen Blicke von Gesicht zu Gesicht schweifen und sagte mit seiner sonoren Stimme, welche man weithin hörte, selbst wenn er sie nicht anstrengte.

»Der »starke Büffel« hat nicht die Macht, Old Shatterhand zu verteidigen? Wer hat davon gesprochen, daß er seiner Macht bedarf? Wäre eine Verteidigung nötig, so würde Winnetou für seinen weißen Bruder kämpfen; aber wer wagt es, zu sagen, daß Old Shatterhand sich nicht selbst zu helfen vermag? Was er gethan hat, ist eine seltene That, doch wird er sie verantworten. Nur einer, der keinen Namen hat, ist von der Pfeife des Friedens ausgeschlossen. Hat dieser Knabe wirklich keinen Namen? Fragt Old Shatterhand! Er wird es besser wissen als die Mimbrenjokrieger.«

Sein Scharfsinn führte ihn auf das Richtige: Es wäre mir nicht eingefallen, dem Jünglinge die Friedenspfeife zu reichen, wenn ich nicht einen Namen für ihn bereit gehabt hätte.

»Der Häuptling der Apatschen hat recht!« rief ich laut. »Wessen Pfeife haben wir geraucht? Die seinige! Wer also hat das Recht, mir Vorwürfe zu machen? Nur er allein! Thut er es? Nein, denn er kennt mich und weiß, daß Old Shatterhand nicht ohne Ueberlegung handelt. Ist er, den ihr einen Knaben nennt, etwa von einem fremden oder gar feindlichen Stamme? Nein; er gehört dem eurigen an! Also müßtet ihr eigentlich stolz darauf sein, daß Old Shatterhand das Kalumet mit dem Sohne eures Häuptlings teilt. Statt dessen geratet ihr in Zorn. Ich sage euch, daß ich mich sehr über euch zu wundern habe!«

»Er hat keinen Namen!« rief man mir zu.

»Wer behauptet das?«

»Wir alle und ich auch!« antwortete mir der »starke Büffel«. »Ich bin der Vater dieses Knaben und weiß also, ob er einen Namen hat.«

»Ich weiß es besser, obwohl ich nicht sein Vater bin. Wie lange war er fort von euch? Was ist inzwischen geschehen? Was hat er gethan und vollbracht? Weißt du das? Du schweigst. So sage mir hier vor diesen deinen Kriegern, ob Old Shatterhand das Recht hat, jemandem einen Namen zu geben!«

»Old Shatterhand hat es.«

»Würdest du dich etwa wegen eines Namens von mir beleidigt fühlen?«

»Nein. Jeder Krieger der Mimbrenjos würde gern und mit Stolz seinen bisherigen Namen hergeben, um dafür einen von Old Shatterhand zu empfangen.«

Da nahm ich den Knaben wieder bei der Hand und rief mit lauter Stimme:

»Ihr habt die Worte eures Häuptlings vernommen; hört nun auch, was ich euch jetzt sage! Hier steht Old Shatterhand und neben ihm sein junger Freund und Bruder Yuma Shetar. Er wagte sein Leben für mich; ich gebe das meinige für ihn. Seht her! Es sind erbeutete Waffen, welche er trägt. Yuma Shetar wird ein großer Krieger seines Stammes sein.«

Yuma Shetar heißt zu deutsch »Yumatöter«. Die Augen meines jungen Freundes leuchteten auf und füllten sich doch mit Feuchtigkeit. Winnetou trat zu ihm heran, legte ihm die Hand auf die Achsel und sagte:

»Yuma Shetar, das ist ein stolzer Name. Old Shatterhand hat ihn dir gegeben, also mußt du ihn verdient haben. Winnetou freut sich, dich Yuma Shetar nennen zu dürfen; er ist dein Freund und wird mit dir gern das Kalumet rauchen. Gieb es her!«

Er nahm dem jungen Manne die Pfeife ab, zündete sie an und wechselte sie mit ihm ganz in derselben Weise, wie ich es gethan hatte. Der Häuptling stand schweigend dabei. Ich sah seine Lippen vor großer Bewegung zittern. Die Mimbrenjos machten jetzt ganz andere Gesichter. Winnetou hatte Yuma Shetar bei der einen Hand ergriffen; ich nahm ihn bei der andern und sagte:

»Die Krieger der Mimbrenjos sehen hier drei Brüder, welche treu zu einander halten, Winnetou, Yuma Shetar und Old Shatterhand. Der »Yumatöter« ging mit mir in Todesgefahr; er folgte mir, um mich zu retten, als die Yumas mich gefangen hatten und ich am Marterpfahle sterben sollte. Er stand zur Stunde der Befreiung an meiner Seite und tötete zwei ihrer Krieger, als sie mich wieder ergreifen wollten. Er geleitete mich bis an die

Stelle, an welcher ich mich jetzt befinde. Ich habe ihn gesehen mutig im Kampfe, schlau und besonnen im Verfolgen der Feinde. Mancher alte Krieger hätte das nicht vermocht, was er gethan hat. Darum bin ich er, und er ist ich, und Winnetou, der Häuptling der Apatschen, hält treu zu ihm und mir. Wer ihn beleidigt, beleidigt uns und mag jetzt hervortreten. Oder kommt auch alle her! Wir sind bereit, für ihn mit euch zu kämpfen.«

Da konnte sich der alte Häuptling doch nicht mehr halten. Er stieß einen unartikulierten Ruf des Entzückens aus, riß sein Messer aus dem Gürtel und schrie:

»Yuma Shetar heißt der tapfere Krieger, dessen Vater ich bin; hört ihr es? Yuma Shetar! Old Shatterhand, das große Bleichgesicht, hat ihm diesen Namen gegeben, und Winnetou, der berühmteste Apatsche, hat sich seinen Freund und Bruder genannt. Wer ist unter euch, der etwas gegen diesen Namen hat? Wer will noch darüber zürnen, daß Old Shatterhand die Pfeife des Friedens mit Yuma Shetar trank? Wer? Er komme her zu mir und ziehe sein Messer! Ich werde ihm die Seele aus dem Leibe schneiden und sein stinkendes Fleisch den Geiern zum Fraße geben!«

Einen Augenblick lang herrschte tiefes Schweigen; dann rief einer »Yuma Shetar!« und »Yuma Shetar, Yuma Shetar!« brüllten alle nach, gar nicht an die Yumas denkend, welche sich in der Nähe befanden. Sie kamen herbei, um dem neuen und jüngsten Genossen die Hände zu schütteln. Ihre vorherige Mißbilligung hatte sich in das Gegenteil verkehrt. Der alte Häuptling nahm meine beiden Hände und wollte eine Danksagung beginnen, wurde aber von Winnetou bedeutet:

»Mein Bruder mag später sagen, was sein Herz empfindet; jetzt ist nicht mehr Zeit dazu. Der Tag hat

sich geneigt, und es will finster werden. Dort steht der Späher, welcher mit uns reden will. Es wird Zeit sein, an die Beobachtung der Feinde zu gehen.«

Der Posten stak allerdings nicht mehr im Gebüsch, sondern stand vor demselben. Daraus war zu schließen, daß er nichts mehr zu beobachten hatte, doch wagte er infolge des scharfen Verweises, welchen er vorhin erhalten hatte, es nicht, eigenmächtig herbeizukommen. Erst als Winnetou ihm einen zustimmenden Wink gab, kam er näher und meldete:

»Die Yumas kamen, sind aber wieder in der Richtung zurückgeritten, in welcher sie gekommen waren.«

»Wie weit kamen sie heran?«

»Es kamen zwei als Kundschafter heran und blieben an der Stelle, wo wir Old Shatterhand trafen, halten. Sie warteten, bis alle Yumas kamen, welche lange Zeit die Stelle untersuchten. Die Feinde ritten nur noch eine kleine Strecke weiter, um unsere Fährte zu betrachten; dann kehrten sie langsam wieder um.«

Winnetou nickte ihm zu und wendete sich dann an den Häuptling:

»Der »starke Büffel« hört, daß ich recht gehabt habe. Die Yumas sind umgekehrt, doch nur, um uns irre zu führen. Die Krieger der Mimbrenjos mögen hier bleiben, bis ich mit Old Shatterhand wiederkehre.«

Wir beide stiegen auf und ritten fort, eben als es so dunkel geworden war, daß man die Hufstapfen der Pferde nur noch schwer zu erkennen vermochte. Also in die dunkle Nacht hinein, um einen Feind zu beobachten, den wir nicht sehen konnten und von dem wir nur wußten oder vielmehr vermuteten, daß er sich nicht mehr in der Richtung befand, nach welcher er sich entfernt hatte.

Wie oft hatte ich mit Winnetou solche Ritte ins

scheinbar Blaue unternommen, und stets waren wir durch den geradezu bewundernswerten Instinkt des Apatschen an das richtige Ziel geführt worden! Ich freute mich darauf, heute seinen oft fast verblüffenden Scharfsinn wieder einmal nach so langer Zeit bewundern zu können.

Die Yumas waren nach Osten zurückgeritten; es fiel uns aber nicht ein, ihnen in dieser Richtung zu folgen, denn ich war ebenso überzeugt wie Winnetou, daß sie sehr bald wieder umgekehrt seien. Man denke sich einen Wald von ungefähr zwei Reitstunden Länge und etwa einer halben Stunde Breite. Der Wald zog sich ziemlich genau von Ost nach West.

An seiner Südseite, nahe am östlichen Ende, lag die Buschecke, hinter welcher wir die Mimbrenjos zurückgelassen hatten. Es stand also zu erwarten, daß die Yumas, aus der östlichen in die westliche Richtung zurückgekehrt, den Wald an seiner langen nördlichen Seite umreiten, nach Süden umbiegen und dann an der südlichen Seite entlang gehen würden, um uns von Westen her in den Rücken zu kommen. Wir wollten auf sie treffen, ihnen folgen und sie beobachten. Deswegen bogen wir, am südöstlichen Ende des Waldes angelangt, nach Norden um und ritten am Walde hin, bis wir das nordöstliche Ende erreicht hatten. Dort blieben wir halten.

Wir hatten bis jetzt nicht gesprochen; lange Reden und Erklärungen gab es nicht zwischen uns. Jetzt fragte ich kurz:

»Du weiter, oder ich?«

»Wie Old Shatterhand will,« antwortete der Apatsche.

»So mag Winnetou weiter reiten; er hat ein schärferes Ohr als ich.«

»Das Gehör des »Blitzes« wird das Ohr meines Freundes unterstützen. Welches Zeichen geben wir uns?«

»Den gewohnten Adlerschrei nicht, denn in dieser Gegend giebt es keine Adler.«

»So mag Old Shatterhand den Puma nachahmen, welchem man des Nachts hier leicht begegnen kann!«

Nach diesen Worten ritt er davon, so leise, daß man den Tritt seines barfußen Pferdes nicht zu hören vermochte. Wir trennten uns, weit wir nicht wußten, ob die Yumas sich nahe an den Wald halten würden oder nicht; daher mußte einer von uns sich weiter als der andere von demselben entfernen. Natürlich bildete der Rand des Waldes keine schnurgerade Linie, sondern zahlreiche Windungen, denen die Yumas sicher nicht folgen würden. Wir mußten die von ihnen eingeschlagene Linie vermuten, uns denken, wozu der Instinkt der Erfahrung gehörte. Postierten wir uns zu nahe oder zu weit ab, so gingen sie vorüber, ohne von uns bemerkt zu werden. Und doch verloren wir über diese Schwierigkeiten kein einziges Wort, ebenso wie ich gar nicht gefragt hatte, ob wir uns trennen würden. Es verstand sich das ganz von selbst, und dann mußte ein jeder sich sozusagen auf seine eigene »Nasenspitze« verlassen.

Ich ritt noch langsam ein Stück, soweit ich dachte, vom Walde fort und stieg dann ab, um mich in das Gras zu legen. Mein Pferd begann sofort, sich Gras abzuraufen.

»Hatatitla, iteschkusch – Blitz, leg dich!« sagte ich ihm.

Es streckte sich sofort im Grase aus, ohne von nun an einen Halm zu berühren. Das Geräusch des Rupfens hätte mich verhindert, in die Ferne zu hören. Ich lag hart neben dem Pferde, um es besser beobachten zu können. Winnetou hatte gesagt, daß das Gehör des »Blitzes« mein Ohr unterstützen werde, und ich wußte allerdings, daß ich mich in dieser Beziehung auf das Pferd verlassen konnte.

Das kluge Tier lag mit dem Kopfe nach Osten, woher ich die Yumas erwartete. Es hob denselben von Zeit zu Zeit und sog die Luft langsam und prüfend durch die Nüstern ein. Da – wir mochten wohl eine Viertelstunde so gelegen haben, verwandelte sich der erst leise Atemzug des Pferdes plötzlich in ein stärkeres Schnauben; es legte die Ohren vor und gab dem Kopfe jene charakteristische Haltung, welche auf Spannung deutet. Ich legte das meine auf den Boden, konnte aber nichts hören.

Jetzt schnaubte das Pferd lauter, aber nicht ängstlich, wie es beim Nahen eines Raubtieres gethan hätte. Es kamen Menschen. Ich legte die Hand auf die Nase des Pferdes und drückte sie nieder; darauf wußte ich, daß das Tier nun keinen Laut mehr von sich geben und sich auch, selbst falls man schießen sollte, nicht bewegen werde, und das dank der indianischen Dressur, die es von Winnetou erhalten hatte.

Wenn ich von Dunkelheit spreche, meine ich damit natürlich keine ägyptische Finsternis. Man konnte mehrere Schritte weit sehen, und es war nur zu wünschen, daß die Linie, welche die Nahenden inne hielten, nicht etwa geradewegs über meinen Körper führte. Die Befürchtung, welche ich in dieser Beziehung hegte, traf beinahe ein. Ich hörte den dumpfen Schall von vielen Huftritten im Grase; sie kamen näher und näher und, wie es schien gerade auf mich zu. Dann sah ich die dunkle Masse der Reiter und Pferde; ich konnte nicht mehr auf und fort, weil ich gesehen worden wäre. Ich schmiegte mich dicht und lang an mein Pferd und hielt demselben die Nase fest auf die Erde nieder.

Jetzt kamen sie, glücklicherweise doch nicht so nahe, wie ich erst befürchtet hatte. Vielleicht dreißig Schritte entfernt ritt der erste an mir vorüber; ihm folgten die andern, nicht einfach hinter, sondern zu mehreren neben-

nebeneinander reitend. Ich konnte die Gesichter gar nicht und die Gestalten nur undeutlich erkennen, aber die Zahl stimmte ungefähr: es waren die Yumas.

Zuletzt kamen noch zwei Nachzügler, welche sich etwas weiter links hielten, als die andern und mir also weit näher, vielleicht fünfzehn Schritte näher kamen. Die Gestalt meines Pferdes und mein eigener Körper bildeten eine sich von dem kurzen Grase abhebende Masse, welche aus solcher Nähe gesehen werden konnte, ja fast gesehen werden mußte. Und richtig, da geschah es – – die Kerls hielten ihre Pferde an und blickten zu mir herüber. Es mußte etwas geschehen, aber was? Blieb ich ruhig liegen, so kamen sie ganz gewiß herbei. Ich mußte sie erschrecken, sie fortjagen. Da war das mit Winnetou verabredete Zeichen das beste. Freilich, wenn sie mich dann wirklich für einen Kuguar hielten und auf mich schossen! Meine Hoffnung stand aber darauf, daß sie nicht schießen würden, weil der Schall von hier aus leicht zu den Mimbrenjos dringen konnte.

Jetzt wendete der eine schon sein Pferd zu mir herüber. Ich richtete mich halb auf, um mir die Größe des Tieres, dessen Stimme ich nachahmen wollte, zu geben, und brüllte kurz und zornig wie ein Puma, welcher sich verteidigen will. Der Mann ließ einen Ruf des Schreckens hören und riß sein Pferd zurück; als ich dann das Gebrüll wiederholte, machten sich beide schleunigst auf und davon, den andern nach. Gott sei Dank, die verzweifelte List war gelungen! Wie leicht hätte mein Gebrüll alle Yumas zurücklocken können!

Kaum waren sie fort, und ich hatte eben mein Pferd wieder bestiegen, so kam Winnetou geritten.

»Wo?« fragte er kurz.

»Da, vor uns.«

»Warum hat mein Bruder zweimal gebrüllt? Einmal genügte.«

»Weil die Yumas mich liegen sahen und ich sie davonscheuchen mußte.«

»Uff! Dann hat Old Shatterhand viel Glück gehabt.«

Nun wurde eine lange Zeit kein Wort gesprochen. Wir ritten schweigend hinter den Roten her. Wir waren zwei Personen, sie aber so viele. Wenn wir uns ihnen so nahe hielten, daß wir sie noch unbestimmt erkennen konnten, vermochten sie uns nicht zu sehen. Unsere Huftritte konnten sie keinesfalls hören.

So ging es zwei Stunden lang am nördlichen Waldesrande hin; dann wurde am westlichen nach Süden umgebogen. Winnetou sprach meine eigenen Gedanken aus, als er jetzt sagte:

»Da sie nicht wissen, wo sich die Mimbrenjos befinden, werden sie nun bald lagern und Späher aussenden.«

»Mein Bruder hat recht. Dann reiten wir schnell voran, um den Kundschaftern zuvorzukommen.«

Bald war bei der geringen Breite des Waldes die südwestliche Ecke desselben erreicht; die Yumas hielten an, und wir thaten natürlich nicht nur dasselbe, sondern ritten, um auch die zufälligste Begegnung zu vermeiden, ein Stück wieder zurück.

»Old Shatterhand mag mein Pferd halten,« meinte dann Winnetou. »Ich muß sehen, wie die Yumas lagern.«

Er stieg ab und huschte fort; ich blieb zurück, vielleicht vierhundert Schritte von den Roten haltend. Hören konnte ich nichts von ihnen, auch nichts sehen, da sie sich wohl hüteten, ein Feuer anzuzünden. Sie ahnten nicht, daß die Mimbrenjos, vor denen sie sich so in acht nahmen, zwei Stunden von ihnen entfernt waren.