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Czytaj książkę: «Old Surehand III», strona 17

Czcionka:

Ehe wir aufstiegen, versuchte Apanatschka, von der Frau, welche draußen bei den Pferden stand, ein Wort des Abschiedes zu erlangen, doch vergeblich. Sie kannte ihn nicht und wich vor ihm zurück, als ob er ein ihr feindliches Wesen sei. Erst dann, als wir uns in Bewegung setzten, schien sie aufmerksam zu werden. Sie kam uns eine ganze Strecke nachgelaufen, nahm den grünen Zweig vom Kopfe und rief, ihn fortwährend schwenkend:

»Das ist mein Myrtle-wreath; das ist mein Myrtle-wreath!«

Drittes Kapitel: Im Kui-erant-yuaw

Wir waren durch den gestrigen Ritt von dem Camp nach dem Spring weit von unserer Richtung abgekommen und mußten, um diesen Umweg möglichst gut zu machen, jetzt dahin reiten, wohin wir sonst nicht gekommen wären und wohin wir die nur in unserer Phantasie existierende Bonanza verlegt hatten, nämlich nach dem Squirrel-Creek. Als Dick Hammerdull das hörte, zog er erst ein ernsthaftes Gedicht, lachte aber und sagte:

»Hoffentlich werden sie nicht so albern sein!«

»Wer?« fragte Treskow, der neben ihm ritt.

»Die Tramps.«

»Wieso albern?«

»Daß sie uns nach diesem Creek nachkommen!«

»Da verdienten sie noch mehr Prügel, als sie schon bekommen haben! Sie müssen doch einsehen, daß es diese Bonanza gar nicht giebt.«

»Einsehen? Ich sage Euch, Mr. Treskow, wer solche Pudel schießt, wie die geschossen haben, bei dem kann von Einsicht keine Rede sein. Ich wette, daß sie dieses unser falsches Geld noch jetzt für echte Münze nehmen!«

»Wenn Ihr da recht habt, werden sie uns freilich nachkommen, und da können wir uns nur in acht nehmen, daß sie uns nicht ausfindig machen.«

»Bin ganz und genau derselben Ansicht. Ihr jedenfalls auch, Mr. Shatterhand?«

»Nein,« anwortete ich.

»Ihr denkt, sie kommen nicht hinter uns her?«

»Oh doch! Sie haben zwei Gründe, uns zu folgen.«

»Zwei? Ich weiß nur einen, nämlich die Bonanza. Ihr nehmt wohl auch an, daß sie noch heut an die Existenz dieses Placer glauben?«

»Ja. Diese Menschen halten sich trotz aller ihrer Dummheit für sehr klug, und da wir sie nicht extra darüber ausgelacht haben, daß sie dieser Täuschung Glauben schenkten, sind sie noch vollständig überzeugt, daß die Bonanza wirklich existiert.«

»Aus diesem Grunde werden sie uns also folgen. Und der zweite Grund?«

»Die Rache natürlich.«

»Ja, richtig. Es wird in ihnen wie in Siedetöpfen kochen; daran hatte ich nicht gedacht. Sie werden sich darum mit aller Macht auf unsere Fährte legen und sich alle Mühe geben, uns einzuholen.«

»Was ihnen aber nicht gelingen wird!«

»Nicht? Wohl weil wir bessere Pferde haben als sie?«

»Erstens das. Und zweitens wird eine geraume Zeit vergehen, ehe sie vom Spring aufbrechen können. Das ist ja selbstverständlich.«

»Ja, es wird lange dauern, ehe es einem von ihnen gelingt, sich von den Riemen zu befreien und auch die andern loszumachen.«

»Auf die Squaw, welche allerdings nicht gefesselt ist, können sie sich da nicht verlassen. Wenn sie die auffordern, sie loszubinden, schüttelt sie den Kopf und geht weiter. Und dann, wenn sie frei sind und sich auf die Pferde setzen! Hm!«

Hammerdull verstand dieses Hm! Er ergänzte mich in ausführlicherer Weise:

»Dann geht es auch nicht so schnell, wie sie es wohl wünschen werden. Sie werden grad da, wo der Reiter es am wenigsten sein darf, durch die Prügel höchst empfindlich geworden sein. Wenigstens wünsche ich von Herzen, daß es so ist. Du nicht auch, Pitt Holbers, altes Coon?«

Der Gefragte antwortete:

»Wenn du denkst, lieber Dick, daß sie in der betreffenden Gegend gemütvoller geworden seien, so habe ich nichts dagegen. Ich denke, daß es dir auch nicht viel anders ergehen würde.«

»Pfui! Ich würde mich niemals prügeln lassen!«

»Wenn sie dich erwischten, so bin ich überzeugt, daß sie dich ebenso durchhauen würden, wie sie von dir geprügelt worden sind.«

»Ob ich durchgehauen würde oder nicht, das bleibt sich gleich; das ist sogar ganz und gar egal, denn es versteht sich doch von selbst, daß sie es im Leben nicht fertig bringen, mich zu erwischen.«

»Pshaw! Sie hatten dich doch schon!«

»Halte den Schnabel, und ärgere mich nicht so unnötigerweise! Du weißt, daß ich in dieser Beziehung sehr schwache Nerven habe!«

»Ja; so dick wie Kabeltaue!«

»Haben sie etwa mich allein erwischt? Doch uns alle! Mußt du da mir die Vorwürfe machen, alter Griesgram, du? Das sollte ihnen noch einmal gelingen! Die reine, blaue Unmöglichkeit!«

»Nimm dich in acht! Der Frosch, der am lautesten quakt, wird zu allererst vom Storch gefressen. Das ist eine alte, wahre Geschichte.«

»Frosch! Ich etwa?«

»Ja!«

»Ich, ein Frosch! Hat es schon einmal so eine Majestätsbeleidigung gegeben?! Dick Hammerdull, der Inbegriff alles Erhabenen, alles Schönen und Schlanken, werde mit einem Frosch verglichen! Was giebt es nur gleich für ein Amphibium oder Insekt, mit dem du zu vergleichen bist, altes Heupferd? Ja, Heupferd; das ist das Richtige! Bist du nun zufrieden, lieber Pitt?«

»Yes! Ein Heupferd ist, gegen den Frosch gehalten, ein sehr edles Tier!«

»Möchte wissen, wo da der Adel stecken soll! Uebrigens ist weder von Fröschen noch von Heupferden, sondern von den Tramps die Rede gewesen, die auf der zoologischen Leiter allerdings auch keine höhere Sprosse inne haben. Sie werden, wie wir alle denken, hinter uns her nach dem Squirrel-Creek reiten wollen; aber ob sie ihn finden werden, Mr. Shatterhand?«

»Sicher.«

»Sie wissen aber doch nicht, wo er liegt!«

»Sie haben unsere Fährte.«

»Ich traue ihnen nicht zu, gute Fährtenleser zu sein.«

»Ich auch nicht; aber wir kommen heut den ganzen Tag nur über Prairieland und werden eine Fährte machen, welche man noch morgen deutlich sehen kann. Außerdem vermute ich, daß einer bei ihnen ist, welcher den Weg nach dem Squirrel-Creek kennt.«

»Wer ist das?«

»Der weiße Medizinmann.«

»Tibo taka? Woher sollte dieser imitierte Komantsche ihn kennen?«

»Er ist früher, ehe er zu den Komantschen kam, hier in dieser Gegend gewesen. Ob er sich speziell auf diesen Creek besinnen wird, das kann ich natürlich nicht wissen, aber es ist doch anzunehmen, daß er wenigstens die ungefähre Lage desselben kennt.«

»Well! Aber ob er sich den Tramps anschließen wird?«

»Gewiß!«

»Er hat sich doch mit Old Wabble entzweit, gestern auf der Prairie!«

»Aber heut wieder mit ihm vereinigt! Und wenn dies nicht so wäre, so betrachtet er uns genau ebenso als seine Feinde, wie die Tramps uns als die ihrigen ansehen; es liegt also nichts näher, als daß er sich mit ihnen vereinigt, uns zu folgen.«

»Aber ob sie ihn mitnehmen werden?«

»Ohne Zweifel! Uebrigens macht er keinen Umweg, wenn er mit ihnen reitet, weil er auch nach dem Park von San Louis will.«

»So bekommen wir ihn wohl da oben zu sehen?«

»Mehr, als ihm lieb sein wird!«

»Well, so bin ich befriedigt! Der Kerl hat ein solches Ohrfeigengesicht, daß ich mich auf dieses Wiedersehen herzlich freue. Ich werde ihm mit den Fäusten so in diesem Gesichte herumlaufen, daß meine Fährte noch jahrelang zu lesen sein wird!«

Unser Weg führte, wie schon gesagt, fortgesetzt über ein langsam aber stetig ansteigendes Savannenland. Während wir am Vormittage das Gebirge wie eine ununterbrochene, verschleierte Mauer in der Ferne liegen sahen, rückten wir demselben während unsers schnellen Rittes immer näher; die Schleier fielen, und am Nachmittage waren uns die den eigentlichen Rocky-Mountains vorgeschobenen Sandriesen so nahe gerückt, daß wir die zwischen den sie bedeckenden Wäldern lachsgelb hervorschimmernden nackten Felsenmassen klar und deutlich erkennen konnten.

Es dunkelte bereits, als wir den Squirrel-Creek erreichten, und zwar an einer Stelle, welche uns von früher her bekannt war, so daß wir nicht lange nach einer als Lagerplatz passenden Stelle zu suchen brauchten.

Ich hatte mit Winnetou schon zweimal je eine Nacht hier zugebracht, die Umgebung des Ortes war uns also wohlbekannt. Wir hätten sie zu unserer Sicherheit auch heut gern abgesucht, doch war es schon zu dunkel dazu. Wir ergaben uns dem Zwange zu dieser Unterlassungssünde ohne großes Widerstreben, denn wir hatten schon damals kein Zeichen davon entdeckt, daß jemals ein menschlicher Fuß hierhergekommen sei, und auch jetzt war der Lauf des Squirrel-Creek im allgemeinen noch so unbekannt, daß es keinen Grund gab, anzunehmen, daß sich grad heut und grad hier eine grad uns feindliche Person aufhalten könne.

Der Creek machte einen kurzen engen Bogen und schloß eine rings von Felsen umgebene Lichtung ein, auf welcher wir ein nach Indianerart mehr glimmendes als loderndes Feuer anzündeten. Das gegenüberliegende Ufer war mit dichtem Gebüsch bedeckt, welches sich jenseits wieder in eine Prairie verlor. Zu essen hatten wir genug, weil wir nicht nur unsern Proviant, sondern auch denjenigen der Tramps mitgenommen und ihnen gar nichts davon gelassen hatten. Sie sollten durch die Jagd aufgehalten werden.

Während des Essens lachte Hammerdull einmal laut auf und sagte dann:

»Mesch‘schurs, soeben kommt mir ein außerordentlich guter Gedanke!«

»Dir?« fragte Holbers. »Welche Seltenheit!«

»Hast du nicht gleich wieder deine Hand im Reispudding?! Wenn die guten Gedanken bei mir so selten wären, wie du glauben machen willst, würdest du doch selbst der Blamierte sein!«

»Wieso?«

»Wäre es etwa keine Blamage, daß du, der Ausbund aller Klugheit und Pfiffigkeit, mit einem so dummen Menschen reitest?«

»Ich thue das nur aus Mitleid; da blamiere ich mich nicht.«

»Höre, das Mitleid ist ganz nur auf meiner Seite! Wenn du das nicht anerkennst, so lasse ich dich einfach sitzen!«

»Ja; du lässest mich sitzen und setzest dich mit her zu mir! Aber sag , alter Dick, welchen Gedanken hast du denn gemeint?«

»Ich will die Tramps ärgern.«

»Das ist unnötig. Die ärgern sich schon jetzt mehr als genug.«

»Noch lange nicht genug! Meint Ihr nicht, Mesch‘schurs, daß sie annehmen werden, wir seien gleich nach der Bonanza geritten?«

»Das ist möglich,« antwortete Treskow.

»Nicht nur möglich, sondern ganz sicher ist‘s! Sie werden denken, wir suchen die Stelle sofort auf, um den Fundort so zu verstecken und unkenntlich zu machen, daß er nicht zu entdecken ist. Da müssen wir uns einen großen Spaß mit ihnen machen.«

»Welchen?«

»Wir scharren hier irgend eine Stelle auf und decken sie dann in der Weise wieder zu, daß sie leicht zu erkennen ist und jedermann gleich sehen muß, daß wir hier gegraben haben. Sie werden die Stelle natürlich für die Bonanza halten und sich mit größtem Eifer daran machen, nachzuwühlen.«

»Well! Dann finden sie nichts!« nickte Treskow.

»So meine ich es nicht.«

»Wie denn?«

»Wenn sie bloß nichts finden, so ist auch das nichts anderes, als wenn sie sonst irgendwo am Creek vergeblich suchen. Sie würden nur enttäuscht sein; ich will sie aber ärgern, tüchtig ärgern.«

»So sagt, auf welche Weise!«

»Sie sollen etwas finden.«

»Etwa Gold?«

»Pshaw! Und wenn ich im Golde bis über die Ohren steckte, diese Kerls ließe ich kein Körnchen finden, selbst zum Spaße nicht. Sie sollen etwas anderes finden, nämlich einen Zettel, einen schönen Zettel.«

»Einen beschriebenen?«

»Natürlich! Eben das, was darauf steht, soll sie riesig ärgern.«

»Dieser Gedanke ist freilich gar nicht übel!«

»Ob er übel ist oder nicht, das bleibt sich ganz gleich, wenn es ihnen nur übel dabei wird. Was meinst du dazu, Pitt Holbers, altes Coon?«

»Hm, ich meine, daß die Sache ein ganz guter Spaß ist, den wir uns wohl machen können.«

»Nicht wahr, alter, lieber Freund!« sagte der Dicke in seinem süßesten Tone, weil diese Zustimmung ihn erfreute. »Du bist wirklich zuweilen nicht ganz und gar so dumm, wie du aussiehst!«

»Ja, das ist eben der große Unterschied zwischen mir und dir.«

»Unterschied? Wieso?«

»Ich bin nicht so dumm, wie ich aussehe, und du siehst gescheiter aus, als du bist.«

»Alle Wetter! Bring mich nicht schon wieder in Rage! Du bist nicht nur dümmer, als du aussiehst, sondern du bist sogar noch viel dümmer, als du bist! So, das ist die richtige Meinung, die ich von dir habe!«

»Well! Ueber die Dummheit streiten sich selbst die Götter mit Dick Hammerdull vergebens; das ist eine alte, überall bekannte Sache. Was aber den Zettel betrifft, den die Tramps finden sollen, wo willst du ihn hernehmen? In der Prairie wächst kein Papier.«

»Ich weiß, daß Mr. Shatterhand eine Brieftasche hat.«

»Die willst du wohl haben?«

»Oh, nur ein Blatt!«

»Er wird sich hüten!«

»Nein; er wird mir eins geben!«

»Wenn du das denkst, so weißt du nicht, was ein unbeschriebenes Blatt Papier hier im wilden Westen für einen Wert besitzt!«

»Das weiß ich wohl; aber mein Gedanke ist so köstlich, daß man gar wohl so ein Opfer bringen kann, um ihn auszuführen. Nicht wahr, Mr. Shatterhand?«

»Es fragt sich, ob ich diesen Gedanken auch für köstlich halte,« antwortete ich.

»Ist er es etwa nicht?«

»Nein.«

»Sprecht Ihr im Ernst?«

»Ja. Er ist weder köstlich noch auch nur drollig, höchstens kindlich.«

»Kindlich! Also ist Dick Hammerdull ein kindlicher Kerl?«

»Zuweilen, ja.«

»Oder meint Ihr etwa gar kindisch?!«

»Hm! Wollen nicht Worte klauben! Erstens ist es noch gar nicht so zweifellos sicher, daß die Tramps grad hierher kommen. Sie können durch irgend einen unvorhergesehenen Umstand abgelenkt werden.«

»Und zweitens?«

»Zweitens wären sie geradezu überdumm, wenn sie annähmen, daß wir direkt nach der Bonanza geritten seien. Wenn es hier wirklich eine gäbe, müßten wir sie eher meiden als aufsuchen.«

»Oh, sich das zu denken, dazu sind diese Kerls nicht klug genug.«

»Und wenn es so ist und so wird, wie Ihr denkt, was haben wir davon? Wir sind doch nicht dabei, wenn sie den Zettel finden.«

»Das ist auch nicht nötig. Ich male mir in Gedanken ihre Gesichter so aus, daß ich sie genau so sehe, als ob ich dabei wäre.«

»Was soll dann auf dem Zettel stehen?«

»Das beraten wir. Es muß so sein, daß sie vor Aerger platzen!«

Er war für seine allerdings kindische Idee ganz Feuer und Flamme und bat mich so lange, bis ich ein Blatt aus meinem Notizbuche riß und es ihm mit dem Bleistifte gab. Nun sollte vor allen Dingen beraten werden, was darauf zu schreiben sei. Ich wurde um die Autorschaft angegangen, gab mich aber weder zu ihr noch zur Mitarbeiterschaft her; Treskow und die drei Häuptlinge folgten meinem Beispiele, und so blieben für die große litterarische Arbeit nur Hammerdull und Holbers übrig. Der letztere meinte:

»Du, schreiben kann ich nicht gut; das mußt du machen.«

»Hm!« brummte der Dicke. »Ich habe es gelernt, aber es hat einen großen Haken.«

»Welchen denn?«

»Ich kann nicht lesen, was ich geschrieben habe.«

»Aber andere können es?«

»Andere erst recht nicht!«

»Da sitzen wir freilich im Pfeffer! Na, wenn die Gentlemen hier die Schrift nicht mit aussinnen wollten, so wird wohl einer von ihnen wenigstens so gut sein, sie auf das Papier zu bringen?«

Nach einigen Fragen und Bitten gab sich Treskow dazu her.

»Well; so kann es losgehen!« sagte Hammerdull. »Fang an, Pitt!«

»Ja,« antwortete dieser; »die leichten Sachen übernimmst du stets; aber wenn es einmal etwas recht Schwieriges giebt, da bin allemal ich es, der anfangen soll! Fang lieber selber an!«

»Du wirst doch dichten können!«

»Na, was das betrifft, das kann ich schon! Du aber auch?«

»Mit Vergnügen! Im Dichten bin ich ein ausgezeichneter Kerl.«

Unter »dichten« verstanden sie nach Art vieler Analphabeten nur die Anfertigung eines Schreibens überhaupt. Treskow, der das wohl wußte und sich einen Spaß machen wollte, bemerkte:

»Dichten? Wißt ihr denn auch, daß sich die Zeilen da reimen müssen?«

»Reimen?« fragte Hammerdull, indem er vor Erstaunen den Mund weit öffnete. »Tausend Donner! Daran habe ich ja gar nicht gedacht. Also reimen, reimen muß sich die Geschichte?«

»Natürlich!«

»Wie denn zum Beispiel?«

»Schmerz und Herz, Meer und leer, Geld und Welt, so ungefähr.«

Es wurde englisch gesprochen; also entnahm er seine Reime nicht der deutschen, sondern der englischen Sprache. Ich muß, da ich deutsch schreibe, andere Worte angeben, bringe aber solche, welche ganz desselben Kalibers sind, wie diejenigen, welche Hammerdull nun wählte. Er nickte nämlich sehr eifrig mit dem Kopfe und sagte:

»Wenn es weiter nichts ist! Das kann ich auch! Da will ich zum Beispiel sagen: Hund und Schund, Klapps und Schnapps, Speck und Dreck, Pantoffel und Kartoffel. Das geht doch ganz famos! Wie steht es denn da mit dir, lieber Pitt? Kannst du das auch?«

»Warum nicht? So ein Kerl, wie ich bin!« antwortete der Lange.

»So sag auch mal was!«

»Sofort! Also, jetzt geht es los: Brei und Ei, Rumpf und Strumpf, Syrup und – – und – – Syrup und – – – und – – —und – – —«

»Du, zum Syrup scheint es nichts zu geben; ich finde auch nichts. Sag da lieber etwas anderes!«

»Schön! Also: Paul und Maul, Knabe und Schwabe, Tinte und Flinte, Gustel und Pustel, Kuh und du – —«

Da fiel der Dicke rasch ein:

»Hör auf; hör auf! Wenn du mich mit einer Kuh zusammendichtest, was soll da für ein Reim daraus werden! Aber ich höre schon, daß es gehen wird. Fangen wir also gleich miteinander an!«

»Gleich miteinander? Nein! Wer sich den Gedanken mit dem Zettel ausgesonnen hat, der muß anfangen, und das bist doch du!«

»Well! Da mag es losgehen!«

Er rückte höchst unternehmend hin und her und bemühte sich, seinem Gesichte einen möglichst geistreichen Ausdruck zu geben, erreichte aber gerade das Gegenteil davon. Die Arbeit begann, und was für eine!

Ich habe Holzhacker, Eisengießer, Lastträger, Schiffsfeuerleute, Kesselschmiede und dergleichen im Schweiße ihres Angesichtes arbeiten sehen; aber ihre Anstrengung war das reine Kinderspiel gegen das Aufgebot aller Geisteskräfte, unter welchem Hammerdull und Holbers sich würgten, einige sich reimende Zeilen zusammenzusetzen. Wir sahen und hörten still, aber innerlich lachend, zu. Treskow warf zuweilen einen hilfreichen Brocken in die sprachliche, dicke Suppe, und so kamen nach Verlauf von vielleicht einer Stunde unter Husten, Räuspern, großem Schweiß und Angstgestöhne sechs Zeilen zusammen, welche er auf das Blatt schrieb. Sie wörtlich wiederzugeben, ist rein unmöglich; ich will ihnen hier in deutscher Sprache eine möglichst lesbare Gewandung verleihen:

»Wie sind die Kerle doch so dumm!

Vergebens wühlen sie herum

Und können weder vorn noch hinten

Die goldene Bonanza finden,

Die wir uns doch nur ausgedacht,

Worüber alle Welt jetzt lacht!«

Dick Hammerdull. Pitt Holbers.

Also auch mit der Unterschrift der beiden Angst- und Qualpoeten mußte Treskow das Meisterwerk versehen, und dann machten sie sich an das Aufwühlen des Bodens, welches ihnen, obgleich derselbe sehr steinigt war, viel leichter als das »Dichten« wurde. Sie arbeiteten wohl zwei Stunden lang, bis sie meinten, daß das so entstandene Loch für ihre Zwecke tief genug sei. Das Schreiben wurde hineingelegt, nachdem es so umwickelt worden war, daß es die Feuchtigkeit der Erde nicht anzog, und dann füllten sie die Grube wieder zu. Sie stampften dabei die Steine und die Erde mit den Füßen so fest wie möglich, damit die Tramps sich sehr anzustrengen hätten, und dachten nicht daran, daß ihre eigene Anstrengung noch viel größer sei als die, welche sie diesen Leuten bereiteten.

Daß dieses Graben, Treten, Werfen und Stampfen nicht ohne Geräusch abging, läßt sich denken. Wäre die Gegend, in welcher wir uns befanden, nicht eine so abgelegene und überaus selten besuchte gewesen, so hätten wir den kindischen Scherz gar nicht geduldet. Die Genugthuung, welche Hammerdull schon im voraus empfand, sollte ihm gegönnt werden; aber es gab einen, der sie bezahlen mußte, und dieser eine war, leider nicht zu meinem Vergnügen, ich!

Das Loch war gefüllt; wir saßen rund um das Feuer und unterhielten uns nach alter Gewohnheit nur in halblautem Tone miteinander. Da sah ich, daß Winnetou seine Silberbüchse beim Schloß ergriff und langsam und möglichst unauffällig an sich zog. Zugleich zog er den rechten Fuß an, so daß sich das Knie hob. Es war kein Zweifel, er wollte schießen, und zwar galt es einen Knieschuß, den schwersten, den es giebt; ich habe ihn schon oft beschrieben. Sein Gesicht war nach dem Wasser gerichtet. Er mußte jenseits desselben einen Menschen im Gebüsch entdeckt haben, den er mit seiner Kugel treffen wollte.

Der Knieschuß wird nur in ganz bestimmten Fällen angewendet. Man entdeckt einen Feind, von welchem man aus einem Verstecke heraus beobachtet wird; man muß, um sich selbst zu retten, ihn töten. Nimmt man das Gewehr hoch, um zu zielen, so sieht er das, ist gewarnt und verschwindet. Um dies zu vermeiden, wird der Knieschuß gewählt, so genannt, weil dabei das Knie den Zielpunkt angiebt. Man zieht nämlich den Unterschenkel so weit an sich, bis der Oberschenkel genau so liegt, daß seine Verlängerungslinie über das Knie hinaus die Stelle berühren würde, welche man treffen will. Dann greift man zum Gewehre, was nicht auffallen kann, weil jeder gute und erfahrene Westmann es stets neben sich liegen hat. Jeden Anschein vermeidend, als ob man schießen wolle, spannt man mit dem rechten Daumen den Hahn, legt den Zeigefinger an den Drücker und hebt, natürlich immer nur mit der einen, rechten Hand, den Lauf empor und legt ihn fest an den Oberschenkel, genau in die beschriebene Richtungslinie. Der Lauscher darf, obgleich die Mündung nun auf ihn gerichtet ist, auch jetzt noch nicht ahnen, daß man auf ihn schießen will; er muß durch Finten getäuscht werden: Man senkt die Augenlider, so daß er nicht merkt, wohin man sieht; das Zielen ist dabei freilich schwer, weil es nicht mit offenem Blicke, sondern durch die Wimperhaare hindurch geschieht, und weil man das andere Auge nicht schließen darf, um keinen Verdacht zu erwecken; man gestikuliert mit dem rechten Arme; man dreht den Kopf hin und her; man unterhält sich lebhaft mit den Kameraden; kurz, man thut alles, um bei dem Lauscher die Erkenntnis zu vermeiden, daß man ihn entdeckt habe und auf ihn schießen wolle. Hat nun der Lauf die richtige Lage, so drückt man los.

Das ist der Knieschuß! Er wird die Kameraden auf alle Fälle erschrecken, weil man ihnen nicht hat sagen dürfen, was man vorhat; sie würden durch ihr Verhalten, ihre Gesichter, ihre Blicke, durch das plötzlich eintretende Schweigen den Feind mißtrauisch machen und ihm verraten, daß er gesehen worden ist. Es ist, wie gesagt, der schwerste Schuß, den es giebt. Wenn tausend Meisterschützen sich im Knieschusse üben, so kann es vorkommen, daß nicht ein einziger von ihnen es soweit bringt, daß er, besonders des Abends, seines Zieles sicher ist. Man muß jahrelang unausgesetzt üben, und doch thut es diese Uebung, diese Ausdauer nicht allein, man muß auch dazu geboren sein. Ich habe den Knieschuß von Winnetou gelernt und außer uns beiden kaum zwei oder drei gekannt, denen von ihm eine gute Censur gegeben wurde. Auch sie schossen zuweilen fehl; er aber, der unübertreffliche Meister in allen Waffen des wilden Westens, hat niemals, selbst in der stockdunkelsten Nacht, einen Fehlknieschuß gethan. Ich habe überhaupt, nicht ein einziges Mal erlebt, daß eine seiner Kugeln am Ziele vorübergegangen ist.

Ich halte noch heut meine Waffen hoch. Mein Henrystutzen und mein Bärentöter sind noch jetzt meine wertvollsten Besitztümer. Kostbarer aber noch als sie ist mir Winnetous Silberbüchse, die ich schon, als er noch lebte, stets mit einer gewissen heiligen Scheu betrachtet oder in die Hand genommen habe. Als er erschossen worden war, haben wir ihn hoch zu Roß und mit allen seinen Waffen, also auch mit ihr begraben. Einige Jahre später kam ich mit meinen damaligen Gefährten bei der Verfolgung eines Truppes Ogellallah-Indianer grad dazu, daß die Sioux sein Grab öffneten und berauben wollten. Wir vertrieben sie nach hartem Kampfe. Sie hatten es auf die Silberbüchse abgesehen. Ich konnte natürlich nicht als Hüter seines Grabes stets im Thale des Metsurflusses bleiben, und da zu erwarten war, daß sich die Entweihung des Grabes wiederholen werde, nahm ich die Silberbüchse heraus und sorgte dafür, daß dies überall bekannt wurde. Die Sioux erfuhren, daß die Büchse nicht mehr zu haben sei, und ließen infolgedessen das Grab nun unversehrt. Jetzt hängt dieses herrliche Gewehr neben meinem Schreibtische, und während ich jetzt von ihm erzähle, habe ich es vor meinen Augen und gedenke in tiefer Wehmut dessen, den es nicht ein einziges Mal im Stich gelassen hat und der mein bester, vielleicht mein einziger Freund gewesen ist, das Wort Freund in seiner wahren, edelsten und höchsten Bedeutung genommen!

Ich habe dieser Bemerkung hier mitten in meiner Erzählung eine Stelle gegeben, um einen scheinbaren Widerspruch schon jetzt aufzulösen. Meine Leser wissen, daß Winnetou mit der Silberbüchse begraben wurde; jetzt kaufen sie sich Bilder von mir, unter denen es welche mit der Bezeichnung »Old Shatterhand« mit »Winnetous Silberbüchse« giebt; oder die wißbegierigen Besucher, welche fast täglich mit oft wunderbarer Harmlosigkeit von »Villa Shatterhand« und meiner kostbaren Zeit Besitz ergreifen, sehen dieses Gewehr zwischen Sam Hawkens‘ alter »Gun« und meinem Bärentöter hängen; da giebt es der brieflichen und mündlichen Fragen kein Ende. Man will nicht warten, bis ich in einem spätern Bande erzähle, wie die begrabene Silberbüchse wieder auferstanden ist, und so habe ich denn jetzt den schriftstellerischen Fehler begangen, eine hochgespannte Handlung durch eine nicht hineingehörige Auskunft zu unterbrechen. —

Also Winnetous Gesicht war nach dem Wasser gerichtet und der Lauf des Gewehres nach dem Gebüsche jenseits desselben. Dort steckte jemand, der die Kugel bekommen sollte. Ich legte mich sofort lang, griff nach dem Stutzen und hob mein rechtes Knie auch in die Höhe. Sofort mit Hammerdull ein Gespräch anknüpfend und mich stellend, als ob meine Aufmerksamkeit nur auf diesen gerichtet sei, senkte ich die Augenlider halb und richtete den Blick durch die Wimpern hinüber nach dem Gesträuch. Eben als ich dies that, kam unter einem Alderbusche ein Gewehrlauf zum Vorscheine, der auf mich gerichtet war, und ehe ich die kurze Zeit fand, den Stutzen nach diesem Punkte zu richten, krachte der Schuß, in demselben Augenblicke aber auch Winnetous Silberbüchse. Drüben erscholl ein Schrei; Winnetou hatte getroffen, und ich bekam einen Schlag, der mir das Bein streckte, auf oder an den Oberschenkel.

Die ganz ahnungslos gewesenen Kameraden sprangen auf, ich schnellte auch empor und stieß, während sie eine Menge Fragen hervorhasteten, mit den Füßen das brennende Holz auseinander, so daß das Feuer verlöschte. Das that ich, damit wir für weitere Schüsse keine Ziele böten. Kaum war es dunkel, so sagte der Apatsche:

»Meine Brüder mögen ganz ruhig sein und warten!«

Einen Augenblick später gab es drüben im Gebüsch einen prasselnden Krach, welchem sofort die tiefste Stille folgte. Der Creek war hier an dieser Stelle gewiß zwölf Fuß breit, trotzdem war Winnetou mit einem seiner unvergleichlichen Sätze hinüber- und mitten ins Gesträuch hineingesprungen. Wir lauschten.

Es verging eine lange, lange Zeit, wohl eine halbe Stunde. Mein Bein schmerzte mich, und als ich nach der betreffenden Stelle griff, fühlte ich, daß sie stark blutete. Ich war verwundet. Da ertönte von drüben herüber Winnetous laute Stimme:

»Laßt das Feuer wieder brennen!«

Ich schob die noch glimmenden Reste wieder zusammen, brachte sie durch Anblasen zum Brennen und legte Dürrholz zu. Nun sahen wir ihn drüben am Rande des Wassers stehen. Er hatte das eine Ende seines Lasso in der Hand; das andere war an einem neben ihm liegenden Menschenkörper befestigt. Ohne daß er vorher einen Anlauf nehmen konnte, sprang er, den Lasso festhaltend, wieder zu uns herüber und zog dann den bewegungslosen Körper, der dabei natürlich in das Wasser fiel, nach. Ich half ihm dabei. Während dies geschah, erklärte er uns:

»Ich sah da drüben ein Gesicht und schoß darauf; es war noch ein zweiter Mann dort, den ich nicht sah; der hat auch geschossen. Ich sprang hinüber, um zu erfahren, ob noch mehr Menschen da seien. Ich hörte einen fliehen und huschte ihm nach. Jenseits der Büsche waren fünf Reiter, aber sieben Pferde; der Fliehende eilte hin zu ihnen und sagte, daß er Old Shatterhand erschossen habe, daß aber sein Gefährte von Winnetou getötet worden sei. Es waren Bleichgesichter, ohne einen roten Mann dabei, denn derjenige, welcher nun auf das eine ledige Pferd stieg, sprach ein reines Englisch. Sie warteten noch eine Zeitlang, und als der nicht kam, den Winnetou erschossen hat, sagte der Entflohene: »Er ist tot, sonst würde er kommen oder um Hilfe rufen. Wir müssen fort, denn man wird nach uns Suchen; aber mein Wunsch ist erfüllt und meine Rache gestillt, denn Old Shatterhand ist tot!« Winnetou erschrak über den Tod seines Freundes, kroch zurück, dahin, wohin er gezielt hatte und fand die Leiche des Getroffenen. Er band ihn an den Lasso und gebot, wieder Feuer zu machen. Wie freute er sich, als er sah, daß sein Bruder Shatterhand noch lebt!«

»Wer mögen die Weißen gewesen sein?« fragte Treskow.

»Die Tramps keinesfalls, denn die können noch nicht hier sein.«

Ich bog mich zu dem Toten nieder. Die unfehlbare Kugel des Apatschen war ihm in die Stirn gegangen.

Ich erkannte ihn sofort: es war einer von Toby Spencers Rowdies. Treskow bestätigte dies, nachdem er ihn auch betrachtet hatte; er hatte ihn ja auch bei Mutter Thick in Jefferson-City gesehen. Man hatte jetzt nur auf diese Leiche und auf Winnetou geachtet; jetzt sah dieser dunkelnasse Stellen im Grase, folgte ihnen mit den Augen bis zu mir und rief dann erschrocken aus: »Uff! Mein Bruder ist verwundet, also doch getroffen worden! Das Blut läuft stark. Ist es gefährlich?«

»Ich glaube nicht,« antwortete ich.

»Ist der Knochen verletzt?«

»Nein, denn ich kann stehen.«

»Aber es ist eine seltsame Wunde. In der Lage, welche mein Bruder hier am Boden hatte, konnte er gar nicht an dieser Stelle getroffen werden!«

»Das habe ich mir auch schon gesagt. Es war ein Fehlschuß. Die Kugel hat hier den Felsen getroffen und ist, von ihm abprallend, mir in den Schenkel gedrungen.«

»Das ist nicht gut. Prallschüsse verursachen Schmerzen. Ich werde sofort nach der Wunde sehen!«

»Lieber jetzt nicht gleich. Wir müssen fort!«

»Wegen der sechs Bleichgesichter da drüben?«

»Ja. Unser Feuer brennt wieder. Wenn sie umkehren, können sie uns mit der größten Bequemlichkeit auslöschen.«

»Sie kommen nicht, denn die Stimme dessen, welcher sprach, klang sehr ängstlich. Die Vorsicht treibt uns dennoch fort, vorher aber muß ich die Wunde untersuchen; sie steht schon lange offen; mein Bruder muß schon sehr viel Blut verloren haben; darum können wir es nicht länger hinausschieben, ihn zu verbinden.«