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Czytaj książkę: «Im Lande des Mahdi II», strona 22

Czcionka:

»Sprich nicht so!« fiel ich ihm in die Rede. »Allah hat es gefügt. Ihm allein hast du zu danken. Fühlst du dich stark genug, den Ritt nach Faschodah auszuhalten?«

»Ja. Hätte ich doch sonst durch die Wüste dahinmarschieren müssen! Die schwere Arbeit hat meine Muskeln gestählt. Du brauchst um mich keine Sorge zu tragen. Wann werden wir in Faschodah sein?«

»Ich hoffe, in vier Tagen dort anzukommen.«

»Und Ibn Asl ist dort?«

»Sehr wahrscheinlich.«

»Dann wehe ihm! Ich werde mich rächen. Ich werde ihn nicht etwa dem Mudir übergeben, sondern ich will – —«

»Erlaube, daß ich dich unterbreche! Zerbrich dir nicht den Kopf mit dem Gedanken, wie du dich an ihm rächen willst. Du bist nicht der einzige, der mit ihm abzurechnen hat. Ich werde dir davon erzählen. Jetzt wollen wir ruhen. Wir haben einen weiten Ritt vor uns, und ich denke, daß besonders du des Schlafes nicht entbehren darfst.«

»Ich schlafen? Effendi, welch ein Gedanke! Einer, der tot war und wieder lebend wurde, soll im Augenblicke des Erwachens an den Schlaf denken! Nein, nein! Wenn ich auch wollte, ich könnte nicht schlafen. Schlaft aber ihr. Ich will hier sitzen, still und ohne mich zu regen, und die Seligkeit durchkosten, das Firmament und den Himmel Allahs über mir zu haben und tausend und abertausend Sterne in mir aufgehen zu fühlen.«

»Nun wohl, ich sehe allerdings ein, daß du viel, viel lieber wachen als schlafen willst. So wache; aber wecke uns beide, kurz ehe der Tag zu grauen beginnt, später ja nicht, damit wir die Takaleh beobachten können. Und paß gut auf diesen Baqquara auf; er darf uns ja nicht etwa entkommen.«

»Effendi, was das betrifft, so kannst du dich auf mich verlassen. Er ist der Gesandte Ibn Asls, der mein Teufel war. Wer von diesem Menschen kommt, der hat von mir keine Nachsicht und kein Erbarmen zu erwarten. Ich würde mich eher töten als ihm die Freiheit geben.«

Nach dem, was er durchgemacht hatte, mußte ich freilich überzeugt sein, daß ich für den Baqquara keinen bessern Wächter haben könne; darum legte ich mich nieder, hüllte mich in meinen Haïk und schlief ohne Sorgen ein. Er war sehr pflichtgetreu, denn als er mich und Ben Nil weckte, war es noch nicht Morgen, sondern die Sterne begannen eben erst zu erbleichen.

Im Einschlafen war mir ein Gedanke gekommen, den ich jetzt zur Ausführung brachte. Ich wünschte, die Takaleh zu belauschen, um zu wissen, was ich von ihnen zu denken und zu erwarten hatte. Zu Lande war dies, wenn vielleicht auch möglich, aber doch höchst gefährlich; es mußte also zu Wasser geschehen. Aber wie? Selbst wenn es einen Kahn hier gegeben hätte, hätten wir uns desselben nicht bedienen dürfen, also mußte ein Floß gewählt werden, aber ein solches, welches die Augen nicht auf sich zog. Es durfte keine künstliche, sondern es mußte eine natürliche Gestalt haben. Ich beschloß, eine kleine, schwimmende Insel zu bauen, was gar nicht schwer war, denn Material dazu war mehr als genug vorhanden. Um mir dasselbe auszuwählen, ging ich mit Ben Nil näher an das Wasser.

Da sah ich die borstig behaarten Triebe und gefiederten Blätter zahlreicher Ambagsträucher emporragen. Dieser Ambag giebt das vortrefflichste Material zu Flößen. Das Holz ist so leicht, daß ein Floß, welches drei Männer hält, sehr leicht von einer Person getragen werden kann. Da das Wasser mit der Zeit in das Mark, welches sehr schwammig ist, eindringt und dann das Floß zum Sinken bringt, ist ein solches Fahrzeug für eine längere Fahrt freilich nicht zu gebrauchen; für kürzere Zeit aber oder gar für meinen Zweck konnte ich gar nichts Geeigneteres finden. Eine Eigentümlichkeit dieses Ambag ist übrigens, daß er stets die Papyrusstaude begleitet.

Daneben stand zähgrasiges Andropogon giganteus und auch Hibiscus cannabinus, beides ganz vortrefflich, die drei bis vier Meter langen Ambagstämme zu verbinden. Um dem Floße ein inselartiges Aussehen zu verleihen, besetzten wir es rundum mit hohen Omm-Sufah-Büscheln. Einige starke Aeste, an welche wir Schilf breit banden, mußten als Ruder dienen. Diese Arbeit war so leicht und ging so schnell, daß wir fertig waren und das Floß im Wasser hatten, noch ehe es völlig Tag geworden war. Dieses Fahrzeug trug mich und Ben Nil mit Leichtigkeit. Hafid Sichar mußte bei den Kamelen und dem Baqquara bleiben.

Beim Grauen des Tages konnte ich mich zu meiner Freude davon überzeugen, daß sich auf unserer Fährte das Gras vollständig wieder aufgerichtet hatte. Der Platz, an welchem wir geschlafen hatten, lag hinter Büschen gut versteckt, und so konnte ich überzeugt sein, daß die Takaleh, selbst wenn sie nach uns suchen würden, uns nur durch einen bloßen Zufall finden konnten.

Wir bestiegen das Floß und ruderten es zunächst über den kleinen See, der eigentlich nur ein Teich zu nennen war. Als wir den größeren erreichten, mußten wir vorsichtig sein, denn wir näherten uns dem Lagerplatze der Takaleh. Wir ruderten das Floß so langsam vorwärts, daß es schien, als ob es nur von dem Morgenwinde getrieben werde. Wer nicht besonders und sehr scharf acht auf dasselbe gab, bemerkte gar nicht, daß es sich bewegte. Auch die Ruder waren nicht zu sehen, denn wir hatten die Omm-Sufah-Büschel so angebracht, daß sie dieselben verdeckten.

Die Takaleh schienen eine sehr schlafsüchtige Gesellschaft zu sein. Wir näherten uns ihrem Lagerplatze mehr und mehr und hörten doch nicht das mindeste von ihnen. Es war schon ganz hell. Dennoch wagten wir es, uns bis an das Ende des Sees zu rudern, wo der Nid en Nil, plötzlich enger werdend, die Furt des Schattens bildete. Dort legten wir an. Wären wir hier ausgestiegen, so hätten wir mit fünfzig oder sechzig Schritten das Lager erreichen können, und dennoch war es, die verschiedenen Tierstimmen natürlich nicht in Mitrechnung gezogen, rundum so still, als ob kein Mensch vorhanden sei. Wir lugten zwischen den Schilfbündeln hindurch, vergeblich; es war auch niemand zu sehen. Eben wollte ich aufstehen, um einen besseren Ueberblick zu bekommen, da wurde es plötzlich laut und lebendig. Ich hörte eine Stimme erschrocken rufen:

»Erwacht, ihr Schläfer, erwacht; es ist ein Unglück geschehen!«

Einige Augenblicke der Stille traten ein; dann folgte ein Gewirr von vielen Stimmen; man lief fort, nach allen Richtungen; man kehrte zurück; man rief, schrie, fluchte, fragte und antwortete. Es war schwer, das, was einzelne sagten, deutlich zu unterscheiden; ich konnte nur soviel entnehmen, daß man die Flucht Hafid Sichars, das Fehlen des Baqquara und das Nichtvorhandensein der drei Kamele bemerkt hatte. Jeder schien eine andere Meinung darüber zu haben und gerade diese zur Geltung bringen zu wollen. Der Lärm, welcher dadurch entstand, konnte mit nichts besser als mit einer Spatzenkirmes verglichen werden, welcher nur dadurch ein Ende gemacht wurde, daß der Hauptspatz, nämlich Schedid, in donnerndem Tone rief.

»Still, ruhig, ihr Schwätzer! Redet keine Dummheiten, sondern laßt uns diesen sonderbaren Fall mit Scharfsinn und Ruhe untersuchen.«

Nun, ich war neugierig, zu welchem Resultate es der Scharfsinn dieser Leute bringen werde. Der Baqquara war fort; man rief nach ihm, aber er kam nicht. Hafid Sichar war fort; man rief nach ihm, aber er kam nicht. Die drei Kamele waren fort; man suchte nach ihnen, aber man fand sie nicht. Da diese beiden Menschen und diese drei Tiere zu gleicher Zeit als abwesend entdeckt worden waren, so war man der Ansicht, daß sie auch zu gleicher Zeit miteinander fortgegangen seien. Da aber Kamele Menschen nicht zu entführen pflegen, sondern gewöhnlich der umgekehrte Fall stattfindet, so nahm man auch hier an, daß die Kamele von den beiden fehlenden Männern fortgeschafft worden seien. Der eine von diesen zweien war frei, der andere gefangen, angebunden gewesen. Dieser letztere hatte ohne die Hilfe des ersteren nicht fortgekonnt, folglich mußte der Baqquara Hafid Sichar losgebunden haben, um ihn zu befreien und mit Hilfe der Kamele fortzubringen.

»Dieser Verräter, dieser Hund!« schrie Schedid zornig. »Darum bot er sich selbst und freiwillig an, Wache zu halten!«

»Er ist vielleicht gleich in der Absicht, Hafid Sichar zu befreien, hierher gekommen,« meinte ein anderer.

»Natürlich!« stimmte ein dritter bei. »Was er gesagt hat, war alles Lüge, alles Flunkerei.«

»Er war ein Schurke,« behauptete ein vierter; »die beiden Senussi aber waren brave Leute.«

»Sie waren sogar heilige Männer!« schrie ein fünfter. »Wie haben wir den frommen und gelehrten Mudir beleidigt, und zwar um eines solchen Schuftes willen! Er wird die Strafe Allahs auf uns herniederrufen.«

»Das hat er schon gethan,« ließ sich eine sechste Stimme hören, »und eben darum hat Allah uns diesen schweren Verlust gesandt. Hätten wir diesen heiligen Männern geglaubt, so wäre das Unglück nicht geschehen.«

»Mir fehlt mein Schlauch!« schrie plötzlich einer.

»Seht nach, ob noch andere Sachen fehlen!« gebot Schedid.

»Mein Schlauch fehlt auch!« rief ein anderer.

»Auch meiner, und mein Kamel dazu!«

»Mein Kamel ist auch fort, und das deinige ebenso, o Schedid!« brüllte es zornig von weiter her.

»Was?« fragte der Anführer. »Mein Kamel soll fehlen, mein teures Abu Havas-Hedschihn?«

»Ja. Da haben wir die Tiere alle zusammengetrieben. Sieh her! Du kannst sehen, daß du gerade die drei besten Kamele nicht siehst.«

»O Allah, o Hölle, o Teufel! Das Verderben über diesen verfluchten Baqquara! Seine Spur müssen wir zu entdecken suchen.«

»Ja, lauft, sucht, ihr Männer!« befahl Schedid. »Sucht nach allen Seiten, diesseits und jenseits der Furt! Nur drei oder vier mögen da bleiben, um die Sklaven zu bewachen!«

Man gehorchte diesem Befehle, und darum wurde es für einige Zeit still.

»Effendi,« kicherte Ben Nil mir zu, »wenn wir das gewußt hätten, so hätten wir alle Gefangenen und alle Kamele entführen können. Wir sind viel, viel zu vorsichtig gewesen.«

»Ja, wir hätten alles fortschaffen können. Aber warum uns damit schleppen, da Schedid es uns gewiß nach Faschodah bringen wird! Es ist uns alles über Erwarten geglückt. Nun bin ich neugierig, ob sie, wenn sie mit Suchen fertig sind, ihre irrige Ansicht ändern werden.«

»O nein, denn diese Leute scheinen mit Blindheit geschlagen zu sein.«

Er hatte Recht. Die nach allen Richtungen ausgesandten Männer kehrten zurück, und das Resultat war, daß keiner etwas gefunden hatte. Nördlich vom Wasser, welche Richtung der Baqquara, falls er wirklich an der Mischrah Omm Oschrin wohnte, eingeschlagen haben mußte, war keine Spur von ihm zu finden gewesen. Er mußte also nach Süden geritten sein. Aber diejenigen, welche nach dieser Richtung gesucht hatten, behaupteten, daß auch dort keine Fährte zu entdecken sei. Darum watete Schedid selbst durch die Furt, um darüber nachzuforschen. Er kehrte nach einiger Zeit wetternd und fluchend zurück und erklärte:

»Es ist wirklich nichts zu finden. Was wird der Mek und was wird In Asl sagen, wenn wir ihnen sagen müssen, daß gerade dieser Hafid Sichar entkommen ist! O Allah, wie werden wir von diesen beiden empfangen werden!«

Da meinte einer, der jedenfalls der klügste von allen war.

»Während so kurzer Zeit verwischt sich keine Spur; das solltest du bedenken, o Schedid!«

»Was willst du damit sagen?« fragte der Genannte.

»Wo keine Spur ist, da ritt kein Kamel. Ist rundum keine Fährte zu sehen, so ist der Baqquara noch gar nicht fort, sondern irgendwo versteckt mit Hafid Sichar und den Kamelen. Du wirst doch zugeben, daß er sehr schlau gehandelt hat. Die Frömmigkeit und Heiligkeit der beiden Senussi war ihm im Wege; er hielt sie für gefährlich für sich; darum klagte er sie an; darum erfand er ein Märchen, um sie für sich unschädlich zu machen. War das nicht klug, nicht schlau?«

»Sehr listig sogar!«

»Nun, so darfst du ihm zutrauen, daß er später ebenso schlau gehandelt hat. Er mußte sich sagen, daß wir seine Spur entdecken würden; darum machte er lieber keine, indem er in der Nähe blieb und sich versteckte, um zu warten, bis wir fort seien.«

»Allah akbar! Daran habe ich gar nicht gedacht. Du kannst sehr recht haben. Auf, ihr Männer, um nach dem Verborgenen zu suchen. Forscht überall, aufwärts und abwärts, rechts und links, hüben und drüben vom Wasser!«

Jetzt wurde die Sache für uns etwas weniger angenehm. Blieben wir mit unserem Floße hier liegen, so konnte ein kleiner Zufall uns verraten. Wir hatten übrigens genug gehört; darum stießen wir ab und ruderten zurück, aber so langsam, daß nur einer, welcher den Blick minutenlang auf uns gerichtet hielt, bemerken konnte, daß unsere Insel sich bewegte. Und daß man derselben eine so scharfe Aufmerksamkeit widmen werde, das stand nicht zu erwarten, denn es gab in dem See mehrere wirkliche, mit Schilf bewachsene Inseln, wodurch das Dasein der unserigen weniger auffällig wurde.

Wir sahen mehrere Takaleh wieder durch die Furt gehen. Man suchte an beiden Ufern. Wenn man die Nachforschung auch nach dem andern See, an dessen Ende unser Lagerplatz war, hin erstreckte, konnte dieser letztere noch entdeckt werden. Aber zu fürchten brauchten wir diesen Fall ganz und gar nicht. Wurden wir bemerkt, dann doch jedenfalls nur von einigen wenigen Männern, vor denen sich zu fürchten die reine Lächerlichkeit gewesen wäre. Ehe sie die übrigen herbeibrachten, waren wir auf unseren Tieren schon soweit fort, daß wir uns in vollster Sicherheit befanden. Lieber freilich war es mir, wir wurden nicht entdeckt. Es paßte sehr gut in meinen Plan, daß man der Geschichte von dem fremden Effendi keinen Glauben mehr schenkte; dies mußte aber sofort anders werden, wenn man erkannte, daß der Baqquara nicht unehrlich gehandelt habe, sondern mit Hafid und den Kamelen selbst entführt worden sei.

Unsere Fahrt ging über den größeren See nur langsam von statten; aber als wir den kleineren erreicht hatten, waren wir den Takaleh aus den Augen und ruderten schneller. Bald legten wir bei dem Lagerplatze an und stiegen aus. Wir waren lange fort gewesen; darum hatte Hafid Sichar sich in Unruhe wegen uns befunden; er war froh, als er uns jetzt zurückkehren sah. Wir erzählten ihm, was wir gesehen und gehört hatten, und dann stieg ich, um eine etwaige Annäherung zeitig bemerken zu können, auf einen nahen Baum, dessen dichtes Blätterwerk mich vollständig verbarg und mir aber doch den Ausguck nach allen Richtungen erlaubte.

Nach einiger Zeit sah ich drüben am nördlichen Ufer zwei Takaleh, welche suchend an demselben hinschritten. Sie konnten nicht herüber, uns also nicht gefährlich werden. Aber bald darauf kamen diesseits drei andere, welche von Busch zu Busch, von Baum zu Baum schritten und hinter jedes Strauchwerk blickten. Wenn sie nur noch zwei Minuten in dieser Weise fortsuchten, mußten sie uns finden. Ich glitt schnell vom Baume herunter, verließ unsern Lagerplatz und ging ihnen, natürlich ohne mich sehen zu lassen, eine kurze Strecke entgegen. Es gab da ein dichtes Gebüsch, bis zu dessen Spitzen sich scharfes Dornwerk rankte. Aller Erwartung zufolge mußten sie da vorüberkommen; ich kroch also hinein.

Es dauerte nicht lange, so kamen sie, sahen erst in ein benachbartes Gesträuch und wendeten sich dann nach meinem Versteck.

»Es ist vergebens,« sagte einer von ihnen. »Hier hüben sind sie nicht. Kehren wir wieder um!«

»Nur noch einige Schritte, bis dort zu der Ecke, an welcher der Subakh steht!« lautete die Antwort.

O weh! Auf jenem Subakh hatte ich soeben gesessen, und hinter dieser Ecke befand sich unser Lagerplatz! Jetzt waren sie nur noch fünf Schritte von meinem Buschwerk entfernt. Ich griff in die schwachen Stämmchen, bewegte sie, als ob ein Tier sich da, wo ich mich befand, vom Boden erhebe, und versuchte, jenes knurrende Pfauchen nachzuahmen, welches ein in seiner Ruhe gestörtes Raubtier hören läßt. Dann rollte ich mit der Zunge in möglichst tiefem Tone, röchelte dazu durch die Nase und stieß darauf einen kurzen, heiseren Schrei aus, bei welchem der Wüstenbewohner, wenn er ihn hört, in den Stoßseufzer ausbricht:

»Der Löwe ist erwacht. Allah beschirme uns vor dem Würger der Herden!«

Ich hatte auf einsamen Ritten aus Langeweile oft versucht, das Gebrüll des Löwen nachzuahmen. Es richtig wiederzugeben, dazu sind die menschlichen Stimmwerkzeuge unfähig, aber eine Aehnlichkeit läßt sich doch erreichen. Das war auch jetzt der Fall. Die drei Takaleh prallten, als sie mich hörten, ganz entsetzt zurück.

»Eine Löwe, ein Löwe!« schrie einer von ihnen. »O Allah, o Beschützer, o Erhalter des Lebens, bewahre uns vor – —«

Die Fortsetzung dieser Worte konnte ich nicht hören, weil der Kerl, während er in dieser Weise zeterte, so schnell davon rannte, daß er bei dem letzten Worte schon nicht mehr zu sehen war. Und seine beiden Gefährten, welche noch flinkere Beine besaßen, waren ihm sogar schon weit voran. Da hörte ich hinter unserer Ecke Ben Nils lachende Stimme:

»Effendi, die kommen nicht wieder! Was bringst du doch alles fertig! Jetzt hast du dich sogar in einen Löwen verwandelt! Das zornige Knurren und Pfauchen voran war vortrefflich. Es klang ganz genau so, als ob ein Löwe aus dem Schlafe gestört worden sei. Aber dann das Brüllen war weniger gut. Man hörte, daß es aus keinem Löwenrachen kam.«

»Weil du wußtest, wer dieser Löwe war!«

»Jawohl. Den Takaleh aber ist es ganz naturgetreu erschienen. Sie werden sich nun hüten, den Subakh und unsere Ecke zu untersuchen. Als du fortgingst und dort in das Loch krochst, dachte ich, daß uns dies gerade verraten könnte. Ich wußte ja nicht, daß du den »Herrn mit dem dicken Kopfe« spielen wolltest. Nun aber bin ich froh, daß du es gethan hast. Wie bist du denn auf diesen Gedanken gekommen, Effendi?«

»So, wie einem in der richtigen Lage der richtige Gedanke kommen muß: ganz unerwartet und ohne langes Suchen.«

Ich war inzwischen zurückgekehrt und sah, daß Ben Nil sein Messer in der Hand hatte. Auf meinen fragenden Blick erklärte er:

»Als die Takaleh kamen, sagte ich diesem Baqquara, daß ich ihn, falls er den leisesten Laut hören lasse, sofort erstechen werde. Nun sind sie fort. Wollen wir nicht aufbrechen?«

»Nein. Ich will sie erst fortlassen.«

Aber wir versäumen damit eine kostbare Zeit. Du weißt, wie eilig wir es haben, nach Faschodah zu kommen!«

»Diesen Zeitverlust holen wir mit unseren guten Kamelen bald wieder ein. Ich muß wissen, wie wir zu reiten haben, damit diese Takaleh nicht auf unsere Fährte stoßen. Da sie einen Löwen in ihrer Nähe vermuten, werden sie sich nicht lange mehr an der Furt aufhalten, denn sie müssen annehmen, daß das Raubtier diese Furt als Wechsel benutzt. Ich werde sie beobachten.«

Um dies zu thun, stieg ich wieder auf den Baum und nahm dieses Mal mein Fernrohr mit. Ich konnte mit Hilfe desselben über beide Seen hinwegblicken; aber die Bäume und Sträucher der Ufer, hinter denen sich die Karawane befand, verhinderten mich, zu beobachten, was die Leute thaten.

Nach vielleicht einer halben Stunde bemerkte ich eine Bewegung oben an der Furt, und dann sah ich den Zug am diesseitigen Ufer unter den Bäumen hervorkommen und sich südwärts hinaus in die Wüste wenden. Eine Abteilung der Reiter war voran, die andern hinterdrein; die Gefangenen marschierten in der Mitte. Ich verfolgte die Karawane mit dem Rohre, bis sie am Horizonte verschwunden war. Dann richtete ich das Teleskop ohne eine bestimmte Absicht, ganz unwillkürlich, nach Norden und nach Osten. Dort, in letzterer Richtung, bewegten sich einige Punkte. Waren das Tiere oder Menschen? Sie näherten sich, aber nicht gerade auf uns zu, sondern in südwestlicher Richtung, so daß dieselbe mit derjenigen der Karawane im Süden von uns zusammenstoßen mußte. Die Gestalten waren selbst durch das Rohr zu klein, als daß ich hätte bestimmen können, wer oder was sie seien. Und sie wurden noch kleiner und immer kleiner, bis ich sie gar nicht mehr sehen konnte. Jetzt stieg ich vom Baume herab.

Gestern abend hatte ich die Züge Hafid Sichars nicht deutlich erkennen können; jetzt am Tage sah ich, daß er eine große Aehnlichkeit mit seinem Bruder besaß. Er bat mich, ihm die Mumienhand zu zeigen, und als ich dieser Aufforderung nachgekommen war, erklärte er, daß er sie erkenne, und daß sie wirklich die Hand der Pharaonentochter sei, die er gemeint habe. Darauf öffnete ich meinen wasserdichten Gürtel, nahm die beiden unadressierten Briefe heraus, welche sein Bruder mir in Siut gegeben hatte, und sagte:

»Diese Briefe brachte mir Ben Wasak in den Palast des Pascha nach Siut. Er sagte mir, daß ich sie nach meiner Ankunft in Chartum öffnen solle.«

»So sind sie dein Eigentum,« sagte er, indem er sie in die Hand nahm, um sie zu betrachten. »Stecke sie wieder ein, und öffne sie, wenn du nach Chartum kommst!«

»Ich hätte lieber Lust, sie dir jetzt zum Oeffnen zu übergeben. Ich glaubte damals, und infolgedessen dein Bruder auch, daß ich direkt nach Chartum gehen würde. Es ist aber anders gekommen. Ich mußte nach dem Lande der Fessarah; es ist inzwischen eine nicht unbedeutende Zeit vergangen, und wer weiß, welchen wichtigen Inhalt diese Briefe haben. Es ist vielleicht besser, wenn wir ihn kennen lernen.«

»So öffne sie jetzt!«

»Nein, du! Ich bin noch nicht in Chartum.«

»So werde ich sie aufmachen. Es könnte doch etwas darin stehen, was uns zu wissen Vorteil bringt.«

Er öffnete die Umschläge. Sie enthielten je einen offenen Empfehlungsbrief und eine Anweisung auf ein Chartumer Haus.

»Hat mein Bruder dich gekannt, ehe du zu ihm nach Maabdah kamst?« fragte Hafid Sichar.

»Nein.«

Er sah mich mit einem langen, großen Blicke an, und seine Augen glänzten feucht, als er dann sagte:

»Das, das that mein Bruder für mich, und ich glaubte, er habe mich ganz aufgegeben. Diese Anweisungen sagen Mehr, als du denkst. Sie sind von hohem Betrage. Er muß vorher alles mögliche, mich zu entdecken, aufgeboten haben. Er sah dich zum erstenmale und gab dir solche Briefe mit! Du mußt ihm als ein sehr ehrlicher und vertrauenswerter Mann erschienen sein. Bedenke, daß du ein Christ und ihm vollständig Fremder warst! Was hättest du mit dem vielen Gelde gemacht?«

»Dir gegeben, sobald ich dich fand. Stecke die Empfehlungen und Anweisungen ein; sie gehören dir! Wir werden zusammen bleiben, bis du zu deinem Bruder kommst, und falls ich etwas bedarf, werde ich es dir sagen.«

»Gut! Unter dieser Bedingung werde ich die Papiere behalten. Aber wohin soll ich sie stecken, da ich keine Taschen habe?«

Es war wahr; er hatte keine einzige Tasche, da er, der reiche Mann, nur mit einem, noch dazu ziemlich defekten Lendenschurze bekleidet war.

»Du wirst gleich Taschen haben,« antwortete ich. »Dieser Baqquara ist von deiner Statur. Ihr werdet eure Anzüge wechseln. Du nimmst den seinigen, und er bekommt den deinigen.«

»Wage das!« fuhr mich der Baqquara an. »Ich bin ein freier Ben Arab und gehe nicht nackt!«

»Vorher war er gefangen, und du warst frei; darum ging er nackt, und du trugst Kleider. Jetzt bist du gefangen, und er ist frei; folglich wechselt auch die Kleidung.«

»Ich dulde es nicht!«

»Ben Nil, schneide Stöcke ab zur Bastonnade!«

»Schlagen, mich schlagen?« schrie der Baqquara auf. »Mir die Bastonnade, mir? Wer giebt dir das Recht dazu?«

»Der Vicekönig. Ich stehe hier an Stelle des Reïs Effendina. Aber selbst wenn dies nicht der Fall wäre, würde ich thun, was mir beliebt. Du bist ein Verbündeter meines Todfeindes, der mir nach dem Leben trachtet. Du selbst hast gestern abend direkt gegen mich gesprochen und gehandelt. Mit welchem Rechte? So frage ich dich ebenso, wie du nach meinem Rechte fragst. Mit dem Rechte des Stärkern! Nach dem Gesetze der Wüste und Steppe. Ich rate dir: Wenn dir deine Fußsohlen lieb sind, so füge dich freiwillig meinem Befehle! Ich habe dir die Freiheit gegen ein offenes Geständnis geben wollen; du bist nicht auf meinen Vorschlag eingegangen und hast es dir also nur selbst zuzuschreiben, wenn die Folgen davon dich nicht gerade in Entzücken versetzen. Herunter mit dem Anzuge!«

Ben Nil wollte ihm den Haïk ausziehen, aber er wehrte sich. Da machte ich nun Ernst. Er wurde vor dem Baume auf den Bauch gelegt und mußte die Unterschenkel von den Knieen an aufwärts heben. Sie wurden an den Stamm gebunden, so daß er sich nicht bewegen konnte. Dann setzte Hafid Sichar sich ihm auf den Rücken, damit er liegen bleiben mußte, und Ben Nil schnitt einen fingerstarken Stock vom Busche. Gleich beim ersten Hiebe schrie der Gezüchtigte grell auf; beim zweiten jammerte er:

»Laß ab, laß ab, Effendi! Ich will gehorchen. Diese Bastonnade kann kein freier Arab Baqquara aushalten!«

»Du konntest sie dir ersparen. Laß dir die beiden Streiche zur Lehre dienen!«

Er wurde losgebunden, und nun ging der Kleiderwechsel ohne weiteres von statten. Dann rüsteten wir uns zum Aufbruche. Für die Menschen war noch Wasser vorhanden; für die Kamele wurden die Schläuche aus dem Nid en Nil gefüllt. Dann stiegen wir auf und verließen den Ort, von welchem ich nicht geahnt hätte, daß ich an demselben den von seinem Bruder so lange vergeblich gesuchten Hafid Sichar finden würde.

Wie schon erwähnt, sollten die Takaleh unsere Fährte nicht sehen; deshalb hatte ich sie voranziehen lassen. Dennoch folgten wir zunächst der ihrigen, um später von derselben abzubiegen. Als wir ungefähr eine Viertelstunde geritten waren, sahen wir von links her eine zweite Fährte kommen. Sie stammte jedenfalls von denjenigen Wesen, welche ich als kleine Punkte durch das Fernrohr am östlichen Horizonte gesehen hatte, und hier war der Punkt, an welchem sie auf die Spuren der Takaleh gestoßen war.

»Wer mag das gewesen sein?« meinte Ben Nil. »Es sind so kleine Stapfen.«

Ich stieg ab und hieß auch ihn absteigen, denn er sollte sich im Fährtelesen üben. Was er von und bei mir lernte, konnte ihm später wohl von Nutzen sein. Ich wußte gleich beim ersten Blicke, woran ich war, doch forderte ich ihn auf:

»Sieh dir diese Spuren genau an! Von weichen Tieren können sie eingetreten worden sein?«

»Das – das sind wohl Esel gewesen?« sagte er, mich fragend anblickend.

»Ja, Esel,« nickte ich ihm befriedigt zu. »Und wie viele?«

»Vier oder fünf.«

»Nein, sondern nur drei. Wenn man die Zahl der Tiere wissen will, muß man sein Augenmerk nur auf die Summe der Eindrücke eines bestimmten Beines richten. Wer die Spuren aller Hufe zählt, wird irre. Nehmen wir zum Beispiel den rechten Vorderhuf. Du erkennst den Eindruck an mehreren Zeichen, vor allen Dingen daran, daß er nach außen, also nach rechts, mehr konvex ist als nach innen, nach links. Zieh dann die Verschiedenheit der Eindrücke dieser rechten Vorderhufe zu Rate, so wirst du die Zahl der Tiere haben.«

»Ja, es waren nur drei Esel,« sagte er, nachdem er die Spur von den gegebenen Gesichtspunkten aus noch einmal genau betrachtet hatte.

»Was trugen die Esel? Reiter oder Lasten? Oder ging einer von ihnen vielleicht frei?«

»Woran erkennt man es?«

»An der Tiefe der Eindrücke, an der Regelmäßigkeit des Ganges und aus andern, mehr durch den Zufall gegebenen Zeichen. Je schwerer ein Tier beladen ist, desto tiefer drückt sich sein Fuß in den Sand. Ein Lasttier wird meistenteils vorn leichter als hinten gehen. Ein Reittier hat einen unregelmäßigeren Gang als ein Saumtier, weil es mehr von dem Willen seines Reiters abhängig ist, während das Lasttier ruhig seinen Gang fortgeht. Komm ein Stück auf dieser Fährte weiter, so siehst du, daß jeder der Esel einmal rechts, einmal links, einmal in der Mitte gegangen ist. Das kommt bei Saumtieren nicht oder nur höchst selten vor; sie haben also Reiter getragen. Was für Reiter mögen das gewesen sein?«

»Wie kann ich das wissen! Ich habe sie nicht gesehen, und da sie im Sattel saßen, konnten sie von sich keine Spuren zurücklassen.«

»Und doch ist nichts leichter als das. Auf Eseln reitet hier nur eine ganz bestimmte Art von Leuten.«

»Meinst du, es seien Dschellab gewesen?«

»Ja, da nur ein Dschellabi, ein Händler, sich in dieser Gegend des Esels bedient. Also soviel wissen wir. Wo kamen sie her? Das interessiert uns nicht; aber wohin sie wollen, das möchten wir wissen, da wir sie vor uns haben und sie vielleicht einholen werden.«

»Kannst du auch das aus den Spuren lesen?«

»Nein, wenigstens jetzt noch nicht, da ihre Fährte sich von hier aus mit derjenigen der Takaleh vereinigt hat. Gehen wir weiter!«

Wir nahmen unsere Kamele bei den Halftern und führten sie; die beiden andern waren im Sattel geblieben und folgten uns. Nach einiger Zeit erweiterte sich die Spur zu einer breiten, sehr zertretenen Stelle, um dann in der bisherigen Schmalheit und Weise wieder fortzugehen.

»Hier haben die Dschellab die Takaleh eingeholt,« erklärte ich, »und die letzteren sind eine Weile halten geblieben, um die ersteren zu empfangen und auszufragen. Vielleicht erzählt uns diese breite Stelle noch mehr. Ich will sie einmal genauer untersuchen.«

Mir schien nämlich, als ob die Mehrzahl der Takaleh nicht halten geblieben, sondern ohne Unterbrechung fortgeritten sei. Ich zählte und verglich die einzelnen Eindrücke, fand sogar die Spuren mehrerer menschlicher Füße und erklärte dann den andern:

»Es sind nur fünf Takaleh halten geblieben; die andern ritten weiter. Diese fünf sprachen längere Zeit mit den Dschellab, wobei die letzteren von ihren Eseln gestiegen sind. Dann ritt man in Gemeinschaft den Vorausgegangenen nach. Diesen Halt hier nahm man vor, um sich gegenseitig zu begrüßen und auszufragen.«

»Werden die Dschellab nicht von den Takaleh feindlich behandelt werden?« fragte Ben Nil.

»Bis jetzt giebt es. noch keinen Anhaltspunkt, welcher uns veranlassen könnte, auf Feindseligkeit zu schließen; aber die Takaleh befinden sich jedenfalls in keiner guten Stimmung, und so haben die Händler, wenn es nicht noch andere Gründe geben sollte, wenigstens deshalb wohl Ursache, vorsichtig zu sein. Gehen wir noch ein Stück weiter, ehe wir aufsteigen.«

Eben wendete ich mich wieder vorwärts, als Ben Nil, mit der Hand nach derselben Richtung deutend, sagte:

»Schau, Effendi, da vorne, seitwärts von der Fährte, sitzt eine Hyäne.«

»Und daneben haben zwei andere sich in den Sand gelegt,« fügte Hafid Sichar hinzu.

Ich beschattete die Augen mit der Hand, um besser sehen zu können, und rief, ein Unglück ahnend, im nächsten Augenblicke:

»Das sind keine Hyänen, sondern Menschen. Die fünf Takaleh werden doch nicht etwa über die Händler hergefallen sein! Kommt schnell fort von hier und mit hin!«