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Czytaj książkę: «Der Schatz im Silbersee», strona 6

Czcionka:

»Bist selber schuld daran! Warum warst du nicht vorsichtiger! Wer sich mit Rafters verfeindet und überdies einen von ihnen geschlagen hat, muß sich vorsehen.«

»Ist wahr. Aber ich hatte damals meine jetzigen Erfahrungen noch nicht. Töteten Rafters mir heut eine Kuh, so schösse ich die Kerls einzeln weg, ohne mich von ihnen sehen zu lassen. Doch weiter! Ich will es kurz machen, denn was nun kommt, kann mit Worten nicht geschildert werden. Es wurde Gericht gehalten; daß ich geschossen hatte, wurde mir als todeswürdiges Verbrechen ausgelegt. Die Halunken hatten sich übrigens über meinen Brandy hergemacht; sie tranken sich einen solchen Rausch an, daß sie nicht mehr Menschen, auch nicht Tiere waren, sondern zur Bestie wurden. Sie beschlossen, uns sterben zu lassen. Als Extrastrafe für den Schlag, den der Anführer von mir erhalten hatte, verlangte er, daß auch wir geschlagen, das heißt tot gepeitscht werden sollten. Zwei stimmten ihm bei, drei waren dagegen; er setzte es aber durch. Wir wurden hinaus an die Fenz geschafft. Die Frau kam zuerst daran. Man band sie fest und schlug mit Knütteln auf sie los. Einer fühlte doch eine Art von Mitleid mit ihr und gab ihr eine Kugel in den Kopf. Den Söhnen erging es schlimmer als ihr, sie wurden buchstäblich totgeprügelt. Ich lag dabei und mußte es mit ansehen, denn ich sollte der letzte sein. Leute, ich sage euch, daß jene Viertelstunde mir zur Ewigkeit geworden ist. Es kann mir nicht einfallen, zu versuchen, euch meine Gedanken und Gefühle zu beschreiben. Die Worte Wut und Grimm sagen gar nichts, es gibt eben kein passendes Wort. Ich war wie wahnsinnig und konnte mich doch nicht rühren, nicht bewegen. Also endlich kam ich an die Reihe. Ich wurde aufgerichtet und angebunden. Die Schläge, welche ich nun erhielt, habe ich nicht gefühlt. Meine Seele befand sich in einem Zustande, in welchem sie auf die körperlichen Schmerzen gar nicht achthaben konnte. Ich weiß nur, daß plötzlich vom Maisfelde her ein lauter Ruf erscholl und daß, als dieser von den Rafters nicht augenblicklich beachtet wurde, ein Schuß fiel. Ich war ohnmächtig geworden.«

»Ach, es kamen zufällig Leute, welche dich retteten!«

»Leute? Nein, denn es war nur einer. Er kannte natürlich die Verhältnisse nicht und hatte gemeint, daß ein Dieb oder sonstiger Verbrecher gezüchtigt werde. Aus der Haltung meines Kopfes hatte er schon von weitem gesehen, daß mein Leben keinen Penny wert sei, wenn er nicht schon aus der Ferne Einhalt thue. Darum sein Ruf und sein Schuß. Er hatte nur einen Warnungsschuß gethan, also in die Luft geschossen, da er nicht geglaubt hatte, es mit Mördern zu thun zu haben. Als er dann rasch herbeikam, erkannte ihn einer der Kerls und rief erschrocken seinen Namen. Feig morden hatten sie gekonnt; aber sie, sechs Personen, es mit diesem einen aufzunehmen, dazu fehlte ihnen der Mut. Sie rannten davon; indem sie das Haus als Deckung benutzten, um nach dem Walde zu entkommen.«

»Dann muß der Ankömmling ein hochberühmter und gefürchteter Westmann gewesen sein.«

»Westmann? Pshaw! Ein Indianer war‘s. Ja, Leute, ich sage euch, daß ein Roter mich rettete!«

»Ein Roter? Der so gefürchtet war, daß sechs Rafters vor ihm davonliefen? Unmöglich!«

»Zweifle nicht! Auch du würdest, wenn du ein böses Gewissen hättest, alles im Stiche lassen, um vor ihm zu entkommen, denn es war kein andrer als Winnetou.«

»Winnetou, der Apache? Good lack! Ja, dann ist‘s freilich zu glauben. Aber war der denn schon damals so bekannt?«

»Er stand freilich erst im Anbeginne seines Ruhmes, aber der eine Rafter, welcher den Namen rief und dann ausriß, hatte ihn wohl schon auf eine Weise kennen gelernt, die ihm ein zweites Zusammentreffen nicht erwünscht sein ließ. Überdies, wer Winnetou nur ein einziges Mal gesehen hat, der weiß, welchen Eindruck sein bloßes Erscheinen macht.«

»Aber er hat die Kerls entwischen lassen?«

»Einstweilen, ja. Oder hättest du es etwa anders gemacht? Aus ihrer eiligen Flucht erkannte er zwar, daß sie ein böses Gewissen hatten, aber die eigentlichen Umstände wußte er doch nicht. Dann sah er mich hängen und die losgebundenen Leichen, die er vorher nicht hatte bemerken können, am Boden liegen. Nun wußte er freilich, daß ein Verbrechen geschehen war; aber er konnte den Fliehenden nicht nach, weil er sich vor allen Dingen meiner anzunehmen hatte. Dabei war auch gar nichts versäumt, denn ein Winnetou weiß seine Leute auch später mit Sicherheit zu finden. Als ich erwachte, kniete er neben mir, gerade wie der Samariter in der heiligen Schrift. Er hatte mich von den Fesseln und dem Knebel befreit, verbot mir aber, zu sprechen, eine Untersagung, auf welche ich nicht achtete. Ich fühlte wahrhaftig keine Schmerzen und wollte auf und fort, um mich zu rächen. Er gab das nicht zu, schaffte mich und die Leichen in das Haus, wo ich mich, falls die Rafters es sich einfallen lassen sollten, wiederzukommen, leicht ihrer erwehren konnte, und ritt dann zum nächsten Nachbar, um eine pflegende und helfende Hand zu holen. Ich sage euch, daß dieser Nachbar über dreißig Meilen von mir wohnte und daß Winnetou noch nie in dieser Gegend gewesen war. Er fand ihn doch, obgleich er erst des Abends dort ankam, und brachte ihn und den Knecht gegen Morgen zu mir. Dann verließ er mich, um die Spuren der Mörder zu verfolgen. Ich mußte ihm heilig versprechen, nicht eigenmächtig zu handeln, da dies zwecklos sei. Er blieb über eine Woche aus. Ich hatte indessen meine Toten begraben und dem Nachbar Auftrag gegeben, meinen Besitz zu verkaufen. Meine zerschlagenen Glieder waren noch nicht heil; aber ich hatte mit wahren Schmerzen auf die Rückkehr des Apachen gewartet. Er war den Rafters gefolgt, hatte sie des Abends belauscht und gehört, daß sie nach dem Smoky-hill-Fort wollten. Gezeigt hatte er sich ihnen nicht, ihnen auch nichts gethan, da die Rache nur die meine war. Als er sich von mir verabschiedet hatte, nahm ich die Büchse, stieg auf das Pferd und ritt fort. Das Übrige wißt ihr bereits oder könnt es euch denken.«

»Nein, wir wissen es nicht und denken es uns auch nicht. Erzähle nur weiter, erzähle! Warum ist Winnetou nicht mit dir gegangen?«

»Jedenfalls weil er noch andres und Besseres zu thun hatte. Oder hatte er vielleicht noch nicht genug gethan? Und weitererzählen werde ich nicht. Ihr könnt euch denken, daß mir das kein Vergnügen sein kann. Die fünf sind ausgelöscht, einer nach dem andern; der sechste und schlimmste ist mir entkommen. Er war Rafter und ist vielleicht noch bei diesem Geschäfte; darum bin ich auch Rafter geworden, weil ich denke, daß ich ihn auf diese Weise am sichersten einmal treffen kann. Und nun – – behold! Was für Personen sind denn das?«

Er sprang auf, und die andern folgten seinem Beispiele, denn soeben waren zwei in bunte Decken gehüllte Gestalten aus dem Dunkel des Waldes in den Lichtkreis des Feuers getreten. Es waren Indianer, ein alter und ein junger. Der erstere hob beruhigend die Hand und sagte: »Nicht Sorge haben, denn wir nicht Feinde sind! Arbeiten hier Rafters, welche schwarzen Tom kennen?«

»Ja, den kennen wir,« antwortete der alte Blenter.

»Er für euch fort, um zu holen Geld?«

»Ja, er soll kassieren und kann in einer Woche wieder bei uns sein.«

»Er noch eher kommen. Wir also bei richtige Leute, bei Rafters, welche wir suchen. Feuer klein machen, sonst weit sehen. Und auch leise sprechen, sonst weit gehört werden.«

Er warf die Decke ab, trat an das Feuer, riß die Brände auseinander, verlöschte sie und ließ nur einige weiterbrennen. Der junge Indianer half ihm dabei. Als das geschehen war, warf er einen Blick in den Kessel, setzte sich nieder und sagte: »Uns Stück Fleisch geben, denn wir weit geritten und nicht gegessen; großen Hunger haben.«

Sein so selbständiges Beginnen erregte natürlich das Erstaunen der Rafters. Der alte Missourier gab demselben Ausdruck, indem er fragte: »Aber, Mann, was fällt dir ein! Wagst dich zu uns heran, sogar des Nachts und obgleich du ein Roter bist! Und thust genau so, als ob dieser Platz nur dir gehörte!«

»Wir nichts wagen,« lautete die Antwort. »Roter Mann muß nicht sein schlechter Mann. Roter Mann sein guter Mann. Bleichgesicht wird das erfahren.«

»Aber wer bist du denn? Du gehörst jedenfalls nicht einem Flußlands- und Prairiestamme an. Nach deinem Aussehen muß ich vielmehr vermuten, daß du aus Neumexiko kommst und vielleicht ein Pueblo bist.«

»Komme aus Neumexiko, bin aber kein Pueblo. Bin Tonkawahäuptling, heiße »der große Bär«, und dies mein Sohn.«

»Was, »der große Bär«?« riefen mehrere Rafters überrascht, und der Missourier fügte hinzu. »So ist dieser Knabe also »der kleine Bär«?«

»So richtig!« nickte der Rote.

»Ja, das ist etwas andres. Die beiden Tonkawabären sind überall willkommen. Nehmt euch Fleisch und Met, ganz wie es euch beliebt und bleibt bei uns, solange es euch gefällt. Was aber führt euch denn in diese Gegend?«

»Wir kommen, um Rafters warnen.«

»Warum? Gibt es für uns eine Gefahr?«

»Große Gefahr.«

»Welche denn? Sprich!«

»Tonkawa erst essen und Pferde holen, dann reden.«

Er gab seinem Sohne einen Wink, worauf dieser sich entfernte, und nahm sich dann ein Stück Fleisch aus dem Kessel, welches er mit solcher Ruhe zu verzehren begann, als ob er sich daheim in seinem sichern Wigwam befände.

»Pferde habt ihr mit?« fragte der Alte. »Des Nachts hier im finstern Walde? Und dabei habt ihr uns gesucht und auch wirklich gefunden! Das ist wirklich eine Art Meisterstück von euch!«

»Tonkawa hat Augen und Ohren. Er weiß, daß Rafters stets wohnen am Wasser, am Fluß. Ihr sehr laut reden und großes Feuer brennen, welches wir sehen sehr weit und riechen noch weiter. Rafters sehr unvorsichtig, denn Feinde haben es leicht, sie zu finden.«

»Es gibt hier keine Feinde. Wir befinden uns ganz allein in dieser Gegend und sind auf alle Fälle stark genug, uns etwaiger Feinde zu erwehren.«

»Missouri-Blenter sich irren!«

»Wie, du kennst meinen Namen?«

»Tonkawa stehen lange Zeit da hinter Baum und hören, was Bleichgesichter sprechen; auch hören deinen Namen. Wenn Feinde nicht da, so nun doch kommen. Und wenn Rafters unvorsichtig, dann werden besiegt sogar von wenigen Feinden.«

Jetzt hörte man Hufschlag im weichen Boden. Der kleine Bär brachte zwei Pferde, band sie an einen Baum, nahm ein Stück Fleisch aus dem Kessel, und setzte sich neben seinen Vater, um zu essen. Dieser letztere hatte seine Portion verzehrt, schob das Messer in den Gürtel und sagte: »Nun Tonkawa sprechen, und Rafters dann wohl mit ihm Friedenspfeife rauchen. Der schwarze Tom hat viel Geld. Tramps kommen, ihm aufzulauern und es ihm abzunehmen.«

»Tramps? Hier am schwarzen Bärenflusse? Da wirst du dich wohl irren.«

»Tonkawa nicht irren, sondern genau wissen und es auch erzählen.«

Er berichtete in seinem gebrochenen Englisch das Erlebnis auf dem Steamer, war jedoch zu stolz, dabei über die Heldenthat seines Sohnes ein Wort zu erwähnen. Man hörte ihm natürlich mit der größten Spannung zu. Er erzählte auch, was nach der Flucht der Tramps geschehen war. Er hatte kurz nach ihnen mit seinem Sohne im kleinen Boote das Ufer des Arkansas erreicht und war da bis zum ersten Tagesgrauen liegen geblieben, da er des Nachts nicht der Fährte zu folgen vermochte. Diese war dann sehr deutlich gewesen und hatte, Fort Gibson vermeidend, zwischen dem Canadian und dem Red-fork nach Westen geführt, um dann wieder nach Norden einzulenken. Während einer der nächsten Nächte hatten die Tramps ein Dorf der Creekindianer überfallen, um sich Pferde zu verschaffen. Am Mittag des nächsten Tages waren die beiden Tonkawa wandernden Choctowkriegern begegnet, von denen sie sich zwei Pferde gekauft hatten. Doch war durch die beim Pferdehandel gebräuchlichen Zeremonien eine so lange Zeit in Anspruch genommen worden, daß die Tramps einen Vorsprung von einem ganzen Tag bekommen hatten. Sie waren dann über den Red-fork gegangen und über die offene Prairie nach dem schwarzen Bärenflusse geritten. Den Tonkawa war es gelungen, ihnen nahe zu kommen. Nun lagerten die Tramps auf einer kleinen Lichtung am Flußufer, und die Tonkawa hatten es für notwendig gehalten, zunächst die Rafters aufzusuchen, um diese zu benachrichtigen.

Die Wirkung dieser Erzählung ließ nicht auf sich warten. Man sprach nun nur noch im leisen Tone und löschte das Feuer ganz aus.

»Wie weit ist der Lagerplatz dieser Tramps von hier aus entfernt?« fragte der alte Missourier.

»So viel, was die Bleichgesichter eine halbe Stunde nennen.«

»Alle Wetter! Da können sie zwar unser Feuer nicht gesehen, aber doch den Rauch gerochen haben. Wir sind wirklich zu sicher gewesen. Und seit wann liegen sie dort?«

»Eine ganze Stunde vor Abend.«

»Dann haben sie gewiß auch nach uns gesucht. Weißt du nichts darüber?«

»Tonkawa nicht dürfen beobachten Tramps, weil noch heller Tag. Sogleich weiter, um Rafters zu warnen, denn – —«

Er hielt inne und lauschte. Dann fuhr er in noch viel leiserem Tone fort. »Großer Bär etwas sehen, eine Bewegung an Ecke von Haus. Still sitzen und nicht sprechen. Tonkawa fortkriechen und nachsehen.«

Er legte sich auf den Boden nieder und kroch, sein Gewehr zurücklassend, dem Hause zu. Die Rafters spitzten die Ohren. Es vergingen wohl zehn Minuten, dann ertönte ein schriller, kurzer Schrei, ein Schrei, den jeder Westmann kennt – der Todesschrei eines Menschen. Nach kurzer Zeit kehrte der Häuptling zurück.

»Ein Kundschafter der Tramps,« sagte er. »Tonkawa hat ihm das Messer gegeben, von hinten in das Herz getroffen. Wird nicht sagen können, was hier gesehen und gehört. Aber vielleicht noch ein zweiter da. Wird zurückkehren und melden. Drum schnell machen, wenn weiße Männer wollen vielleicht belauschen Tramps.«

»Das ist wahr,« stimmte der Missourier flüsternd ein. »Ich werde mitgehen und du wirst mich führen, da du den Ort kennst, an welchem sie lagern. Jetzt haben sie noch keine Ahnung davon, daß wir von ihrer Gegenwart wissen. Sie fühlen sich also sicher und werden über ihr Vorhaben sprechen. Wenn wir uns gleich aufmachen, erfahren wir vielleicht, welche Pläne sie haben.«

»Ja, aber ganz leise und heimlich, damit, wenn etwa noch zweiter Kundschafter da, er nicht sehen, daß wir gehen. Und nicht Flinte mitnehmen, sondern nur Messer. Gewehr uns im Weg sein.«

»Und was machen inzwischen die andern hier?«

»In Haus hineingehen und still warten, bis wir zurückkehren.«

Dieser Rat wurde befolgt. Die Rafters begaben sich in die Blockhütte, wo sie nicht beobachtet werden konnten; der Missourier aber kroch mit dem Häuptling eine Strecke weit fort, und erst dann erhoben sich die beiden, um am Flusse abwärts zu gehen und womöglich die Tramps zu belauschen. Der schwarze Bärenfluß kann die Grenze jenes eigentümlich hügeligen Landes genannt werden, welches man mit dem Namen Rolling-Prairie, die rollende Prairie, bezeichnet. Es erhebt sich da Hügel neben Hügel, fast einer genau so wie der andre, getrennt durch Thäler, welche einander ebenso gleichen. Das geht durch den ganzen Osten von Kansas. Diese rollende Prairie ist wasserreich und gut bewaldet. Aus der Vogelschau könnte man diese unendlich aufeinander folgenden Hügel und Thäler mit den rollenden Wogen eines grüngefärbten Meeres vergleichen. Daher der Name, aus dem man erkennt, daß unter Prairie nicht stets ein ebenes Gras- oder Wiesenland zu verstehen ist. In dieses weiche, humusreiche Hügelland haben sich die Wasser des schwarzen Bärenflusses tief eingefressen, so daß seine Ufer bis dahin, wo sie die rollende Prairie verlassen, meist steil und dabei bis an das Wasser mit dicht stehenden Bäumen bewachsen sind. Das ist oder vielmehr war ein rechtes, echtes Wildland, denn in neuerer Zeit ist die rollende Prairie verhältnismäßig dicht bevölkert und von den Sonntagsjägern ihres Wildstandes beraubt worden.

Da, wo die Rafters ihren Arbeitsplatz aufgeschlagen hatten, fiel das hohe Ufer unweit des Blockhauses steil zum Wasser hinab, was höchst vorteilhaft war, da es die Anlegung sogenannter Schleifen ermöglichte, das sind Rutschbahnen, auf denen die Rafters die Stämme und Hölzer ohne große Anstrengung an das Wasser bringen können. Glücklicherweise war das Ufer vom Unterholze frei, aber dennoch war es nicht leicht, dasselbe in der Dunkelheit zu beschreiten. Der Missourier war ein alter gewandter und viel erfahrener Westmann; dennoch wunderte er sich über den Häuptling, der ihn bei der Hand genommen hatte und nun geräuschlos und so sicher zwischen den Bäumen dahinschritt und die Stämme so sicher zu vermeiden wußte, als ob es heller Tag sei. Unten hörte man das Rauschen des Flusses, ein sehr vorteilhafter Umstand, da dasselbe ein etwa mit dem Fuße erzeugtes Geräusch unhörbar machte.

Blenter befand sich seit längerer Zeit hier. Er arbeitete nicht als Rafter, sondern als Jäger und Fleischmacher und kannte die Gegend ganz genau. Um so mehr mußte er die Sicherheit anerkennen, mit welcher der Indianer, der sich zum erstenmal und zwar auch nur seit dem Anbruch der Dunkelheit hier befand, bewegte.

Als etwas über eine Viertelstunde vergangen war, stiegen die beiden in ein Wellenthal hinab, welches den Lauf des Flusses durchkreuzte. Auch dieses war mit Bäumen dicht bewachsen; es wurde durch einen leisen murmelnden Bach bewässert. In der Nähe der Stelle, wo derselbe sich in den Fluß ergoß, gab es einen baumfreien Platz, auf dem nur einige Büsche standen. Dort hatten sich die Tramps gelagert und ein Feuer angebrannt, dessen Schein den beiden Männern schon in die Augen fiel, als sie sich noch unter dem Wipfeldache des Waldes befanden.

»Tramps ebenso unvorsichtig wie Rafters,« flüsterte der Tonkawahäuptling seinem Gefährten zu. »Brennen großes Feuer, als ob sie braten wollten ganzen, großen Büffel. Roter Krieger stets nur kleines Feuer machen. Flamme nicht sehen und ganz wenig Rauch. Wir da sehr leicht hinkommen und es so machen können, daß uns nicht sehen.«

»Ja, hinkommen können wir,« meinte der Alte. »Aber ob so nahe, daß wir hören können, was sie sprechen, das ist noch fraglich.«

»Wir ganz nahe, wir hören werden. Aber einander beistehen, wenn Tramps uns entdecken. Angreifer totstechen und schnell in Wald hinein.«

Sie gingen bis an die letzten Bäume vor und sahen nun das Feuer und die um dasselbe lagernden Leute. Hier unten gab es mehr Stechmücken, die gewöhnliche Plage der Flußläufe dieser Gegenden, als oben im Lager der Rafters. Wohl aus diesem Grunde hatten die Tramps ein so mächtiges Feuer angebrannt. Seitwärts standen die Pferde. Man sah sie nicht, aber man hörte sie. Sie wurden so von den Moskitos geplagt, daß sie, um diese von sich abzuwehren, in immerwährender Bewegung waren. Der Missourier hörte das Stampfen ihrer Hufe; ja, der Häuptling vernahm sogar das Peitschen ihrer Schwänze.

Nun legten sie sich auf die Erde nieder und krochen nach dem Feuer hin. Dabei benutzten sie als Deckung die Büsche, welche auf der Lichtung standen. Die Tramps saßen nahe am Bache, dessen Ufer mit dichtem Schilfe bewachsen war; das letztere reichte bis an das Lager hin.

Der vorankriechende Indianer wendete sich dem Schilfe zu, welches die beste Gelegenheit zum Verbergen bot. Dabei entfaltete er eine wahre Meisterschaft in Beziehung auf die Kunst des Anschleichens. Es galt, durch die hohen, dürren Halme zu kommen, ohne das im Schilfe fast unvermeidliche Geräusch zu verursachen. Auch durften sich die Spitzen desselben nicht bewegen, weil dadurch leicht die Entdeckung herbeigeführt werden konnte. Der alte Bär vermied diese Gefahr dadurch, daß er sich einfach den Weg schnitt. Er legte mit dem scharfen Messer das Schilf vor sich nieder und hatte dabei noch Aufmerksamkeit für den Missourier übrig, um diesem das Nachfolgen zu erleichtern. Dieses Niedersicheln des harten Schilfes geschah so unhörbar, daß sogar der Alte das Fallen der Halme nicht vernehmen konnte.

So näherten sie sich dem Feuer und blieben erst dann liegen, als sie sich so nahe bei den Tramps befanden, daß sie deren Gespräch, welches freilich nicht leise geführt wurde, hören konnten. Blenter war nicht zurückgeblieben, sondern hatte sich neben dem Häuptling Platz gemacht. Er überflog die vor ihm sitzenden Gestalten und fragte leise: »Welcher ist denn der Cornel, von welchem du uns erzählt hast?«

»Cornel nicht da, er fort,« antwortete der Indianer flüsternd.

»Wohl auch, um nach uns zu suchen?«

»Ja; es können fast nicht anders sein.«

»So ist er jedenfalls derjenige, den du erstochen hast?«

»Nein, er es nicht sein.«

»Das hast du doch nicht sehen können?«

»Bleichgesicht sehen nur mit Augen, Indianer aber sehen auch mit Händen. Meine Finger hätten Cornel gewiß erkannt.«

»So ist er nicht allein, sondern in Begleitung eines andern gewesen, und diesen andern hast du erstochen.«

»Das sehr richtig. Nun hier warten, bis Cornel zurückkehren.«

Die Tramps unterhielten sich sehr lebhaft; sie schwatzten von allem möglichen, nur nicht von dem, was den beiden Lauschern interessant gewesen wäre, bis dann doch einer sagte: »Soll mich wundern, ob der Cornel richtig vermutet hat. Es wäre ärgerlich, wenn sich die Rafters nicht mehr hier befänden.«

»Sie sind noch da, und zwar ganz nahe,« antwortete ein andrer. »Die Axtspäne, welche das Wasser hier angeschwemmt hat, sind noch ganz neu; sie stammen von gestern oder höchstens vorgestern.«

»Wenn das richtig ist, so müssen wir wieder zurück, weil wir den Kerls hier so nahe sind, daß sie uns bemerken werden. Und sehen dürfen sie uns doch nicht. Mit ihnen haben wir eigentlich nichts zu schaffen, sondern wir wollen nur den schwarzen Tom und sein Geld abfangen.«

»Und werden es nicht bekommen,« fiel ein dritter ein.

»Warum nicht?«

»Weil wir es so dumm angefangen haben, daß es unmöglich gelingen kann. Meint ihr etwa, daß die Rafters uns nicht bemerken werden, wenn wir eine Strecke zurückgehen? Sie müßten geradezu blind sein. Wir lassen hier Spuren zurück, welche gar nicht zu vertilgen sind. Und ist unsre Anwesenheit verraten, so ist es aus mit unsrem Plan.«

»Gar nicht! Wir schießen die Kerls nieder!«

»Werden sie sich hinstellen und ruhig auf sich schießen lassen? Ich habe dem Cornel den besten Rat gegeben, bin aber leider von ihm abgewiesen worden. Im Osten, in den großen Städten, geht der Bestohlene zur Polizei und überläßt es dieser, den Dieb ausfindig zu machen; hier im Westen aber nimmt jeder seine Sache in die eigene Hand. Ich bin überzeugt, daß man uns wenigstens eine Strecke weit verfolgt hat. Und wer sind diejenigen gewesen, die sich auf unsre Fährte gesetzt haben? Jedenfalls nur diejenigen unter den Passagieren, welche sich auf so etwas verstehen, also Old Firehand, der schwarze Tom und höchstens noch diese sonderbare Tante Droll. Wir hätten auf sie warten sollen, und es wäre uns sehr leicht gewesen, Tom sein Geld abzunehmen. Statt aber das zu thun, haben wir diesen weiten Ritt gemacht und sitzen nun hier am Bärenflusse, ohne zu wissen, ob wir es bekommen werden. Und daß der Cornel jetzt bei Nacht im Walde herumläuft, um die Rafters zu suchen, das ist ebenso dumm. Er konnte bis morgen warten und – – «

Er hielt in seinem Raisonnement inne, denn derjenige, von welchem er sprach, kam in diesem Augenblicke unter den Bäumen hervor und auf das Feuer zugeschritten. Er sah die Blicke seiner Leute neugierig auf sich gerichtet, nahm den Hut vom Kopfe, warf ihn auf den Boden und sagte: »Bringe keine gute Nachricht, Leute, habe Unglück gehabt.«

»Welches? Was für eins? Inwiefern?« fragte es rundum. »Wo ist Bruns? Warum kommt er nicht mit?«

»Bruns?« antwortete der Cornel, indem er sich niedersetzte. »Der kommt überhaupt nicht wieder; er ist tot.«

»Tot? Bist du des Teufels! Wie ist er verunglückt? Denn getötet kann ihn doch niemand haben.«

»Wie klug du bist?« antwortete der Anführer dem Frager. »Freilich ist der arme Teufel nur verunglückt, aber durch ein Messer, welches man ihm in das Herz gestoßen hat.«

Diese Nachricht brachte eine große Aufregung hervor. Jeder fragte nach dem Wie und Wo, und vor lauter Fragen konnte der Cornel gar nicht zur Antwort kommen. Darum gebot er Ruhe. Als diese eingetreten war, berichtete er: »Ich nahm gerade Bruns und keinen andern mit, weil er der beste Sucher ist oder vielmehr war. Er hat sich in dieser Eigenschaft auch gut bewährt, denn seine Nase führte uns zu den Rafters.«

»Seine Nase?« fragte derjenige, welcher die Gewohnheit zu haben schien, für die andern den Sprecher zu machen.

»Ja, seine Nase. Wir vermuteten die Gesellschaft natürlich weiter aufwärts und schlugen also diese Richtung ein. Dabei mußten wir sehr vorsichtig sein, da wir sonst leicht gesehen werden konnten. Aus diesem Grunde kamen wir nur langsam weiter, und es wurde dunkel. Ich wollte umkehren, aber Bruns gab das nicht zu. Wir hatten mehrere Spuren gesehen, aus denen er schloß, daß wir dem Flößplatze nahe seien. Er meinte, wir würden die Rafters riechen, da sie schon wegen der Stechfliegen ein Feuer haben mußten. Diese Ansicht bewahrheitete sich, denn es roch endlich nach Rauch, und auf der Höhe des Ufers gab es einen leichten Schein wie von einem Feuer, dessen Licht durch Büsche und Bäume dringt. Wir kletterten hinauf und konnten nun das Feuer vor uns sehen. Es brannte vor einem Blockhause, und um die Flamme saßen die Rafters, ihrer zwanzig, gerade so viel wie wir. Um sie zu belauschen, schlichen wir uns näher. Ich blieb unter einem Baume liegen, und Bruns machte sich hinter das Haus. Wir hatten noch gar nicht Zeit gefunden, auf das Gespräch zu achten, als plötzlich zwei Kerls kamen, nicht Rafters, sondern Fremde. Ratet einmal, wer sie waren. Doch nein, ihr kommt doch nicht auf das Richtige. Es waren nämlich die beiden Indianer, der große und der kleine Bär, vom »Dogfish«.

Die Tramps zeigten sich über diese Nachricht sehr erstaunt, sie wollten derselben keinen Glauben schenken. Geradezu betroffen aber wurden sie, als sie erfuhren, was der Häuptling den Rafters erzählt hatte. Dann fuhr der Cornel fort: »Ich sah, daß der Rote das Feuer ganz auslöschte, und dann wurde so leise gesprochen, daß ich nichts mehr verstehen konnte. Ich wollte nun gern fort, mußte aber selbstverständlich auf Bruns warten. Plötzlich hörte ich einen Schrei, so entsetzlich, so fürchterlich, daß er mir durch Mark und Bein ging. Er kam von der Blockhütte her, hinter welcher Bruns steckte. Mir wurde bange um ihn, und ich schlich mich also um das Lager nach der Hütte. Es war so dunkel, daß ich mich vorwärts tasten mußte. Dabei traf ich mit der Hand auf einen menschlichen Körper, welcher in einer Blutlache lag. Ich fühlte an der Kleidung, daß es Bruns war, und erschrak auf das heftigste. Er hatte im Rücken einen Stich, welcher gerade ins Herz gedrungen sein muß, war also tot. Was konnte ich thun? Ich leerte seine Taschen, nahm sein Messer und seinen Revolver zu mir und ließ ihn liegen. Als ich dann wieder nach vorn kam, bemerkte ich, daß die Rafters sich in die Blockhütte zurückgezogen hatten, und machte mich nun schnell aus dem Staube.«

Die Tramps ergingen sich in Ausdrücken rohen Mitleids über den Tod ihres Gefährten, doch der Anführer machte denselben ein Ende, indem er sagte: »Laßt das jetzt sein! Wir haben keine Zeit dazu, denn wir müssen fort.«

»Warum?« wurde er gefragt.

»Warum? Habt ihr denn nicht gehört, daß diese Roten unsern Lagerplatz kennen? Natürlich werden sie uns überfallen wollen, wahrscheinlich am Morgen. Da sie sich aber sagen müssen, daß wir den Toten vermissen und infolgedessen Verdacht schöpfen werden, so ist es möglich, daß sie noch eher kommen. Lassen wir uns überraschen, so sind wir verloren. Wir müssen also sofort weiter.«

»Aber wohin?«

»Nach dem Eagle-tail.«

»Ach, um uns die Eisenbahnkasse zu holen. Auf das Geld der Rafters sollen wir also verzichten?«

»Leider. Es ist das Klügste, und —«

Er hielt inne und machte mit der Hand eine Bewegung der Überraschung, welche die andern nicht verstanden.

»Was ist‘s? Was hast du?« fragte ihn einer. »Sprich weiter.«

Der Cornel stand, ohne zu antworten, auf. Er hatte nahe an der Stelle gesessen, wo die beiden Lauscher lagen. Diese befanden sich nicht mehr nebeneinander wie vorher. Als nämlich das Auge des alten Missouriers auf den Cornel gefallen war, hatte sich seiner eine ganz ungewöhnliche Aufregung bemächtigt, welche sich bei dem Klange der Stimme des Genannten noch gesteigert hatte. Er blieb nicht ruhig liegen, sondern schob sich weiter und immer weiter im Schilfe vor. Seine Augen glühten, und es schien, als ob sie aus ihren Höhlen treten wollten. In dieser Erregung vergaß er die nötige Vorsicht; er achtete nicht darauf, daß sein Kopf fast ganz aus dem Schilfe ragte.

»Nicht sehen lassen!« raunte ihm der Häuptling zu, indem er ihn faßte und zurückzog.

Aber es war schon zu spät, denn der Cornel hatte den Kopf gesehen. Darum unterbrach er seine Rede und war rasch aufgestanden, um den Lauscher unschädlich zu machen. Er verfuhr dabei mit großer Schlauheit, indem er sagte: »Es fiel mir eben ein, daß ich dort bei den Pferden noch – – doch, kommt ihr beide einmal mit!«

Er winkte den zwei Männern, welche an seiner Rechten und Linken gesessen hatten. Sie standen sogleich auf, und er flüsterte ihnen zu: »Ich verstelle mich nur, denn da hinter uns liegt ein Kerl, jedenfalls ein Rafter, im Schilfe. Sieht er, daß ich es auf ihn abgesehen habe, so läuft er davon. Sobald ich mich auf ihn werfe, packt ihr ihn auch sofort. Auf diese Weise bekommen wir ihn gleich so fest, daß er sich gar nicht wehren und mich verwunden kann. Also – – vorwärts!«

Bei dem Worte vorwärts, welches er nun laut ausrief, drehte er sich blitzschnell um und that einen Sprung nach der Stelle, an welcher er den Kopf gesehen hatte.

Der Tonkawahäuptling war ein äußerst vorsichtiger, erfahrener und scharfsinniger Mann. Er sah den Cornel aufstehen und mit den beiden flüstern; er sah, daß der eine derselben eine unwillkürliche Bewegung nach rückwärts machte. So gering und fast unbemerkbar diese Bewegung war, dem großen Bär verriet sie doch, um was es sich handle. Er berührte den Alten mit der Hand und flüsterte ihm zu. »Schnell fort! Cornel dich sehen und dich fangen. Schnell, schnell!«

Zu gleicher Zeit wendete er sich um und schnellte sich, ohne sich vom Boden zu erheben, fort und hinter den nächsten Busch. Das war das Werk von höchstens zwei Sekunden, aber schon ertönte hinter ihm das »Vorwärts« des Cornels, und als er zurückblickte, sah er diesen sich auf den Missourier stürzen, welchem Beispiele die beiden andern Tramps augenblicklich folgten.

Ograniczenie wiekowe:
12+
Data wydania na Litres:
30 sierpnia 2016
Objętość:
750 str. 1 ilustracja
Właściciel praw:
Public Domain

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