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Czytaj książkę: «Am Jenseits», strona 25

Czcionka:

»Warum mögen die Beni Khalid wohl von ihrem Wege abgewichen und hierhergeritten sein?« fragte Halef. »Ob das mit uns zusammenhängt, Sihdi?«

»Zunächst wohl mit dem Perser und dann auch mit uns«, antwortete ich. »Mir wird jetzt angst um ihn, und ich wünsche von Herzen, daß meine Vermutung sich nicht bestätigen möge! Die Beni Khalid haben diese ihre neue Richtung in so auffälliger Weise eingeschlagen, daß die Absicht, wir möchten ihnen folgen, für mich bewiesen ist. Wahrscheinlich stecken sie dort an einer verborgenen Stelle dieser Höhe, um uns zu überfallen, wenn wir kommen. Aber es gibt auch wieder einen Grund, grad dies nicht anzunehmen. Ich bin überzeugt, daß es Tawil Ben Schahid nicht eingefallen ist, auf den Kanz el A‘da zu verzichten. Er weiß, daß ihn der Perser hat, von dem er ihn nur dadurch erlangen kann, daß er ihm unterwegs auflauert. Wenn er diese Absicht verfolgt, kann er nicht hier stecken, sondern ist in einem weiten Bogen um den Bir Hilu zurückgeritten, um sich jenseits desselben dem Basch Nazyr in den Weg zu legen. Wir haben es also mit zwei verschiedenen Annahmen zu tun: Entweder sind die Beni Khalid hier, um uns aufzulauern, oder sie sind jetzt nördlich vom Bir Hilu zu suchen.«

»Aus welchem Grunde wären sie da aber hierhergeritten?«

»Des felsigen Bodens wegen, auf welchem die Spuren schwer zu lesen sind. Sie halten unsere Augen nicht für besser als die ihrigen und sind darum überzeugt, daß wir ihre Fährte hier verlieren werden. Zugleich haben sie wohl an den Vorteil gedacht, den sie über uns erringen, wenn sie sich zuerst den Perser holen, denn dadurch kommen sie uns in den Rücken, während wir glauben, sie vor uns zu haben. Es ist auch ein dritter Fall möglich, nämlich der, daß der Scheik seine Leute geteilt hat. Wenn dies geschehen sein sollte, so werden wir von der einen, wahrscheinlich größeren Abteilung hier erwartet, während er selbst mit der andern nach Khutub Agha sucht. Ich werde mir sogleich darüber Klarheit verschaffen. Wir hatten, um ihnen nicht zu nahe zu kommen, jetzt hier an, und ich suche, ob es eine Spur gibt, welche zurück nach Norden führt.«

»Das wird hier auf diesem harten Felsen lange dauern!

»Nein, denn ich gehe bis zur Grenze des Sandes hinüber. Reite ich dieser entlang, so muß ich die Eindrücke, wenn es überhaupt welche gibt, unbedingt finden. Auch lange dauert das nicht, weil ich ja weiß, nach weicher Seite sich Tawil gewendet hat; ich habe also nicht die ganze Höhe zu umreiten.«

»Darf ich mit?«

»Ja. Wir nehmen aber unsere Pferde. Die Kamele sind mir zum Spurensuchen zu hoch. Komm!«

Halef bestieg seinen Barkh, ich meinen Assil Ben Rih. Wir ritten seitwärts ab, bis wir den Sand erreichten, und bogen dann links um, wodurch wir auf die Spur einer etwa nach Norden gerittenen Ben Khalid Schar treffen mußten. Mich zur Seite des Pferdes möglichst tief herunterneigend, um die Augen dem Boden nahe zu bringen, ließ ich meinen Rappen schlank vorwärts fliegen und hatte sehr bald die Genugtuung, ihn anhalten zu müssen, denn wir trafen auf eine sehr deutliche Fährte, weiche von der Höhe hierher und dann in nördlicher Richtung weiterführte. Wir stiegen ab, um sie zu betrachten. Diese Beni Khalid waren so eng zusammen geritten, daß die Einzelspuren nicht auseinander gehalten werden konnten, es gelang uns also nicht, sie zu zählen, doch glaubte ich, der Wahrheit nahe zu kommen, wenn ich über dreißig und höchstens vierzig Reiter schätzte. Diese Zahl war ja auch vollständig ausreichend, den Perser mit seinen zwanzig Soldaten zu überwältigen, zumal Scheik Tawil gewiß annahm, daß der Khutub Agha auf so einen Überfall gar nicht vorbereitet sei.

Jetzt wurde es auch dem Hadschi angst.

»Effendi, deine Befürchtung ist eingetroffen!« sagte er. »Ich wette, daß unser Freund jetzt, in diesem Augenblicke, schon tot ist! Was tun wir? Sage es schnell, sehr schnell!«

»Es kommt alles darauf an, ob er meine Warnung beachtet hat, den Herweg zu meiden. In diesem Falle kann er den Beni Khalid entgangen sein.«

»Ich befürchte, daß er sie nicht befolgt hat, denn er nahm sie nicht so ernst auf, wie du sie meintest. Denkst du, daß er noch zu retten ist?«

»Vielleicht. Wir dürfen keinen Augenblick versäumen. Steig schnell auf! Wir müssen alte umkehren!«

Während wir zu unseren Leuten zurückjagten, teilte ich ihm meinen Entschluß mit:

»Wir reiten so schnell wie möglich nach dem Bir Hilu zurück, nicht auf dem Wege, den wir gekommen sind, denn er bildet einen rechten Winkel, sondern auf der geraden Schnur von hier nach hin. Von dort aus halten wir uns auf der Spur des Persers und werden dann wohl bald erfahren, wie es mit ihm steht. Da ich das Schlimmste befürchte, so reite ich voraus, denn wenn es notwendig ist, halte ich mit meinem Henrystutzen die ganze Beni Khalid-Schar in Schach, und ihr habt hinter mir nur meiner Spur zu folgen.«

»Warum wir hinterher und nicht gleich mit?«

»Weil eure Kamele nicht schnell genug sind; sie müssen ja zurückbleiben!«

»Aber unsere Pferde doch!«

»Ich nehme Maschurah, die Hedschihnstute. Selbst wenn ihr den Pferden das Geheimnis sagt, könnt ihr nicht mit mir fort, denn sie hält länger aus als jedes Pferd. Das ist abgemacht. Sprich also nicht dagegen! Auch bitte ich dich sehr ernstlich, ja keine Fehler zu begehen! Ihr kommt, so schnell ihr könnt, mir immer nach und habt euch dabei stets vor einem plötzlichen Zusammentreffen mit den Beni Khalid zu hüten, denn sie nehmen ihren Rückweg auf alle Fälle über den Bir Hilu, und so ist es möglich, daß ihr schon auf sie stoßt, während ich dem Perser nacheile. Dieses letztere kann allerdings nur dann der Fall sein, wenn sie ihn nicht gefunden haben, weil er meine Warnung befolgt und einen andern Weg gewählt hat. Also, Halef, Schnelligkeit und Vorsicht! Weiter habe ich jetzt nichts zu sagen!«

Wir hatten nun unsere Leute erreicht. Ich schwang mich vom Pferde und sofort in den Sattel des Kameles. Ein kurzer Gruß und ich ritt fort, dem Hadschi die Erklärung dieser meiner Eile überlassend.

Ich ließ Maschurah einige hundert Schritte langsam gehen; dann trieb ich sie an; sie gehorchte; es ging ja zum Brunnen zurück! Wir waren vom Bir Hilu aus erst in gerader Linie zwei Stunden lang, und dann in einem rechten Winkel von ihr aus über zwei Stunden wieder geradeaus geritten. Das machte zusammen einen Weg von ungefähr vier Stunden und eine halbe. Dieser Weg bildete die zwei Katheten eines rechtwinkligen Dreiecks, auf dessen Hypotenuse ich nun zurückkehrte. Sie war also nach der von uns bis jetzt innegehalten Schnelligkeit ungefähr drei Stunden lang. Aber Maschurah griff so erstaunlich aus, daß ich den Bir Hilu schon nach drei Viertelstunden erreichte.

Die Beni Khalid konnten freilich schon hier sein; ich hatte aber keine Zeit, mich von diesem Gedanken aufhalten zu lassen, denn wenn sie sich am Brunnen befanden, so lag grad in der Schnelligkeit für mich der beste Schutz vor ihnen; ich kam an ihnen vorüber, ehe sie nur daran denken konnten, etwas gegen mich zu unternehmen. Der Platz war aber leer, kein Mensch zu sehen!

Maschurah hatte einen wunderbar leichten, elastischen Gang. Ich saß, obwohl ich balancierte, wie in einem unbeweglichen Stuhle. Sie besaß im höchsten Grade die hochgeschätzte Eigenschaft, welche der Beduine mit dem Worte »raumverzehrend« bezeichnet, und dabei ließ sie auch nicht die Spur von Anstrengung bemerken!

Als ich den Brunnen hinter mir hatte, war ich außerordentlich gespannt darauf, ob der Basch Nazyr einen andern Weg eingeschlagen hatte oder nicht. Im ersteren Falle durfte ich hoffen, daß er von den Beni Khalid verfehlt worden sei; im letzteren aber war fast mit Sicherheit anzunehmen, daß sie ihren Zweck erreicht hatten. Bekanntlich waren wir bei unserm Wege nach dem Brunnen östlich ausgewichen. Ich konnte also erst, nachdem ich diesen Bogen abgeschnitten hatte, auf unsere alte Fährte treffen. Dies geschah sehr bald, und da bemerkte ich denn, daß der Perser meine Warnung nicht befolgt hatte; seine Spur führte auf der früheren zurück!

Nun gab es nur noch eine, wenn auch sehr kleine Hoffnung: Wenn er langsam geritten war und der Hinterhalt der Beni Khalid in bedeutender Entfernung von dem Brunnen lag, so war es möglich, daß er sie noch nicht erreicht hatte. Freilich waren seit seinem Fortritte schon über fünf Stunden vergangen, die ich nun einzuholen hatte. Weich ein Glück also, daß der Perser so aufrichtig gewesen war, mir das Geheimnis der Stute mitzuteilen! Denn nur durch die Anwendung desselben konnte ich es ermöglichen, meine Absicht auszuführen.

Ich beobachtete das Hedschihn also sehr aufmerksam, ob es eine Spur von Ermüdung oder Atemmangel zeige. Es ging aber so leicht und frisch, als ob es soeben erst das Nachtlager und die Tränke verlassen habe. Darum gab ich ihm nun das Zeichen. Ich rief zweimal seinen Namen und dann, als es aufhorchte, dreimal das Wort Bubuna. Der Erfolg war, daß es mit den Ohren spielte und in seinem bisherigen Schritt verblieb. Ich wartete eine Weile und wiederholte es dann – – – ganz mit demselben Mißerfolge. Ich hatte ganz genau getan, was mir vorn Khutub Agha gesagt worden war! Hatte er vielleicht bei seiner Mitteilung etwas vergessen?

Es wurde mir heißer und heißer, nicht etwa bloß von der über mir brennenden Sonne, sondern auch weil meine Angst um den Perser in stetem, schnellem Wachsen war. Wie konnte ich ihn retten, wenn mir das Kamel nicht gehorchte! Ich wiederholte den Versuch noch zweimal, doch vergeblich; ich bekam ganz dasselbe Ohrenspiel zur Antwort, weiter nichts! Da dachte ich denn nun endlich an den Umstand, daß mich das Hedschihn ja noch gar nicht kannte. Vielleicht war das schuld an seiner Weigerung! Ich hielt also an, stieg ab, rieb mir die Hand mit den Kamillen ein und hielt sie ihm dann hin. Sie wurde mit Begierde in das Maul genommen und dort festgehalten. Ich hatte nur acht oder zehn Pflanzen bekommen, die schon ganz abgebraucht waren, beschloß aber dennoch, einige davon zu opfern. Maschurah schnappte mit wahrer Wonne zu; ich bekam die Hand frei und stieg wieder auf. Zunächst ließ ich sie eine kleine Strecke langsam gehen; dann trieb ich sie an, und als sie gehorcht hatte, wartete ich nicht länger, den letzten Versuch zu machen:

»Maschurah, Maschurah – – – ! Bubuna,bubuna,bubuna – – —!«

Da bekam ich einen Ruck, der mich fast aus dem Sattel warf, und dann – – – ja, dann ging es los, und aber wie! Ja, es war genauso, wie der Perser gesagt hatte: Die stehende Luft, die wir durchschnitten, wurde für mich zum Winde. Ich war früher einige Male gezwungen gewesen, bei meinem Rapphengste Rih auch das Geheimnis anzuwenden, und muß der Wahrheit nach gestehen, daß es mir jetzt war, als ob Rih damals schneller gewesen sei als das Hedschihn jetzt; ich bin auch jetzt noch überzeugt, daß dies kein Irrtum war; aber es kam nun darauf an, auf wessen Seite die größte Ausdauer war, ob auf der Seite des Pferdes oder des Kameles! Der Basch Nazyr hatte, wie man weiß, dem letzteren den Vorzug gegeben.

Es war jetzt kein Ritt, kein Jagen mehr, sondern ein Fliegen zu nennen. Die Felsengruppen, die es noch gab, schossen förmlich an uns vorüber, Dann kamen wir hinaus auf die steinige Serir, wo ich, um mich eines vaterländischen Ausdruckes zu bedienen, »aufzupassen hatte wie ein Heftelmacher«, um die Fährte, weicher ich folgte, nicht zu verlieren. Doch gehorchte Maschurah trotz der ungeheuern Schnelligkeit jedem meiner Worte und auch der leisesten Berührung mit dem dünnen Metrek (Lenkstab). Auf dieser Ebene brauchte das Hedschihn zehn Minuten, um eine Strecke zurückzulegen, für weiche auf dem Herwege im Schritte eine ganze Stunde notwendig gewesen war. Und diese unbeschreibliche Hast wurde nicht geringer, sondern blieb sich stetig gleich, auch als wir die Serir hinter uns hatten und in den Sand kamen, bei dessen Beschreibung ich vom »Mahlen« der Hufe sprach. Aber er strengte unbedingt mehr an als der Felsenboden. Maschurah begann zu schwitzen.

Dann wuchsen die schon beschriebenen Dünenreihen aus dem Sande empor. An der ersten hatte, wie ich aus den Spuren sah, der Perser aus irgendeinem Grunde längere Zeit gehalten. Es war mir der Gedanke gekommen, das Hedschihn hier verschnaufen zu lassen; aber bei dein Anblicke dieses Halteplatzes unterließ ich es, das Zeichen dazu zu geben, denn durch die hier entstandene Verzögerung war das Zusammentreffen des Basch Nazyr mit den Beni Khalid verzögert worden, und dadurch vergrößerte sich für mich die Möglichkeit, ihn doch noch vorher einzuholen und von ihnen abzulenken.

Es war eine böse Anstrengung, weiche das brave Tier zu überwinden hatte! Auf der einen Seite sich an den steilen Sandbergen in fast rasenden Sätzen emporschnellend, schoß es an der andern mehr rutschend, gleitend und oft dem für uns beide gleich gefährlichen Sturze nahe, wieder hinab, um die nächste Düne in ebendieser Weise zu überwinden. Der Schweiß zeigte sich stärker, schon bildete sich ein weißer Schaumrand an den Lefzen, und – – ja, da hörte ich den ersten, hastigen, lauten Atemstoß. Es war Zeit, innezuhalten!

»Yawahsch, yawahsch, yawahsch!« rief ich.

Maschurah fiel sofort in ein langsameres Tempo, in weichem ich sie aus Vorsicht noch eine ziemliche Strecke gehen ließ, bis sich wieder ruhiger Atem zeigte und der Schaum verschwunden war. Dann hielt ich an, stieg ab, liebkoste sie mit wirklicher Dankbarkeit, denn sie hatte mehr, weit mehr als ihre Pflicht getan, und gab ihr die Datteln, welche ich für Assil Ben Rih eingesteckt hatte. Die Art, wie sie mich dabei ansah, war geradezu rührend. Ein solches Kamelauge hatte ich noch nicht gesehen! Das war nicht die rote Farbe desselben, sondern der Inhalt des Blickes! Es schien, als ob sie mich fragen wolle, ob ich mit ihr zufrieden sei. Wahrlich, der Mensch sollte doch stets beherzigen, daß das Tier auch eine denkende und fühlende Seele besitzt, welche Liebe und Härte vielleicht tiefer empfindet und besser zu unterscheiden weiß, als wir alle denken! Ich habe zum Beispiele Beobachtungen gemacht, welche mir bewiesen, daß der Hund ein schärferer Menschenkenner ist als der Mensch selbst, und wenn das Tier in der Beziehung eine anerkennenswerte Tätigkeit der Seele zeigt, so widerstrebt es mir auch in anderer Beziehung, es für unfähig zu halten. Und doch, wie gefühllos verfährt der Mensch gegen seine Mitgeschöpfe, die ebenso wie er ihr Dasein der Güte des Alliebenden verdanken! Ich glaube nicht, daß er sie dazu geschaffen hat, versengt, verbrüht, verhungernd und verdurstend, an das Marterbrett geschnallt, qualgekrümmt und schmerzheulend auf dem Felde des Tierversuches, der heiligen Vivisektion, zu verenden oder vielmehr, noch lebend schon als Aas behandelt, zu verrecken! Man verzeihe mir diesen unästhetischen, doch wahren Ausdruck! Ich bin ein Menschenfreund und darum auch ein Tierfreund, und beides muß und muß und muß ich sein, weil ich als Christ nicht anders kann! Wer als Tierquäler über diesem Christentum erhaben steht, der mag immerhin über mein schwaches, lächerlich gefühlvolles Herz aburteilen; ich aber bin ganz froh, daß ich grad dieses und kein anderes, auch nicht das seinige, habe! Halef würde sagen: »El Mizan, el Mizan, die Brücke der Gerechtigkeit! Sie mißt auch das kleinste unserer Gefühle!« Und ich gestehe aufrichtig, daß ich, wenn ich ein Jünger der so inbrünstig festgehaltenen, inevitabeln Vivisektion wäre, mich vor dieser Waage fürchten würde! Doch weg von dieser Abschweifung, welche vielleicht Entschuldigung findet, weil sie aus dem Herzen kam!

Ich gab dem Hedschihn noch einige der Bubuna-Pflanzen und stieg dann wieder auf, denn nach dieser höchst notwendigen Schonung des braven Tieres durfte keine weitere Minute versäumt werden. Wir begannen wieder im Schritte, gingen dann in schnelleres Tempo über, worauf ich das Geheimnis wieder wirken ließ. Maschurah gehorchte dieses Mal sofort.

Es tat mir leid, sie zum zweitenmal in dieser Weise anstrengen zu müssen, aber es handelte sich um viele Menschenleben, und so außerordentlich ihre Leistung war, das, was man »Schinden« nennt, das war es denn doch nicht. Sie ging freiwillig; sie trug keine Kandare, kein schmerzendes Gebiß, und sie wurde von keinem Peitschenschlage getrieben.

So flogen wir wieder bergan und bergab wie vorher. Wie oft wich der Sand unter ihren Füßen; wie häufig war sie dem Sturze, dem Überschlagen nahe, ohne daß ich sie, wie bei einem Pferde, mit Hilfen unterstützen konnte! Und doch kam sie wohl zum Straucheln, zum Stolpern, Gleiten, doch aber nicht zum Fall. Sie hielt aus; sie war ein wirklich unbezahlbares Tier!

Da kam ein Augenblick, an welchem eine ungewöhnlich hohe, aber auf dieser Seite nicht steile Düne zu nehmen war. Sie stieg langsam empor, allmählich, und Maschurah fegte im rasenden Laufe hinauf; hätte ich auf dem Herwege gewußt, daß und in welcher Weise ich wiederkommen würde, so wäre ich wohl aufmerksam gewesen, mir die gefährlichen Stellen gut zu merken. Es schwebte mir jetzt eine vor, wo die nördliche Kante einer Düne oben eingefallen war; es gab da einen steilen Sandsturz, den wir, um auf die Höhe zu gelangen, hatten umreiten müssen. Jenseits war es dann um so weniger schroff, fast bequem, hinabgegangen. Sollte das die jetzt vor uns liegende Höhe gewesen sein?! Es ging ja hier auf der südlichen Seite leicht hinan! Herrgott! Dann stand uns ein schwerer Fall bevor!

»Yawahsch, yawahsch, yawahsch!« schrie, nein brüllte ich.

Aber das Hedschihn war schon hinauf; es wollte auch gehorchen, konnte es aber nicht so schnell, wie es erforderlich war. Ja, ein Pferd, welches man an den Zügeln hat, das reißt man auf die Seite, was allerdings auch nicht ungefährlich ist! Aber hier saß ich im hohen Kamelsattel und besaß weder im Metrek noch in der Maulleine ein Mittel, das Tier so rasch von der gefährlichen Richtung abzubringen. Mein Ruf bewirkte zwar sofort eine Verringerung der vorwärtstreibenden Energie, aber doch schon zu spät. Ich sah nicht hinüber nach der nächsten Höhe und auch nicht hinunter in das zwischen ihr und uns liegende Dünental; ich hatte keine Zeit dazu, denn das, was jetzt geschah, vollzog sich in einem einzigen Augenblicke. Ich bemerkte, in dem Momente, als wir die Kante oben erreichten, nur den vor uns gähnenden Sandsturz, weiter nichts, zog das linke Bein auf die rechte Seite und warf mich vorwärts, vom Kamele herab und in das Loch hinunter. Das war das einzige, was ich zu meiner Rettung tun konnte, während das im Schusse befindliche Tier hinaus in die Luft sprang. Nur die Weichheit des hinuntergerollten Sandes, auf den mein Sturz gerichtet war, konnte mich retten!

Ich fiel – – ich fiel und fiel – – fiel tiefer und immer tiefer! Das war kein Fallen mehr, sondern ein langsames, gemächliches Niedersinken, welches gar kein Ende nahm! Ich hatte die Augen zu und fühlte keinen andern Schmerz als nur einen scharfen Druck in den Hand und Fußgelenken. Es war ein ganz eigenartiger Zustand. Hörte denn dieses Sinken gar nicht auf? Weiche Tiefe war es denn eigentlich, in welche ich mich hinunterbewegte? Ich öffnete die Augen, um es zu sehen. Die Lider gehorchten dem seelischen Impulse ohne Widerstreben. Da sah ich – —

Ja, was ich da sah, das brachte mich augenblicklich zu der Überzeugung, daß dieses Gefühl der unaufhörlichen Abwärtsbewegung nicht Wahrheit, sondern Täuschung, daß ich betäubt gewesen war! Nur eines hatte mich nicht betrogen, nämlich der Schmerz an den Händen und den Füßen. Sie waren gebunden, und zwar so fest, daß man jedenfalls alle Gewalt angewendet hatte, um diese Arbeit so gut wie möglich zu machen. Vor mir saß Scheik Tawil Ben Schahid, zu seiner Rechten der Ghani und zu seiner Linken dessen Sohn. Neben dem Vater sah ich den Münedschi, der wach und munter war. Die drei anderen Mekkaner saßen mehr auf der Seite.

Indem ich weiter um mich blickte, sah ich oben den Sandrutsch, in den ich mich hatte werfen wollen. Der Schwung aber, den ich mir gegeben hatte, war im Vereine mit der Beharrungskraft des ungestümen Rittes zu groß gewesen, und so war ich darüber hinausgefallen und den steilen Abhang hinunter in das Tal gerollt. Da lagen die Soldaten zerstreut umher, alle tot, fast jeder in einer Lache von Blut. Der Überfall war den Beni Khalid geglückt, und ich hatte den Ritt zur Rettung des Persers und seiner Leute nicht nur vergeblich, sondern zu meinem eigenen Unheile unternommen. Die Kamele der Soldaten standen nicht weit von uns, und etwas weiter davon lag – – – mein Hedschihn, ganz gemächlich wiederkäuend und mit den roten Augen hell um sich blickend. Es hatte also den Sturz ebenso überstanden wie ich, und zwar wohl nur infolge des tiefen, weichen Sandes, welcher sich grad an und unter der betreffenden Stelle aufgehäuft hatte. Wo aber war der Basch Nazyr?

Als ich den Kopf wendete, um mich nach ihm umzuschauen, sah ich ihn, oder vielmehr nur seine Beine, welche hinter einer niedrigen Sandwehe hervorragten. War auch er tot? Ich nahm an, daß er noch lebte, denn seine Füße waren zusammengebunden wie die meinigen, was bei einem Leblosen doch nicht notwendig ist. Auch saßen fünf Beni Khalid bei ihm, wahrscheinlich um ihn zu beaufsichtigen. Auch das ließ darauf schließen, daß er noch am Leben war. Hinter ihnen lagen Kamele, vielleicht ein Dutzend, weiche den Beni Khalid gehörten. Wo aber waren die andern Menschen und Tiere? Die von uns untersuchte Fährte hatte doch auf wenigstens dreißig schließen lassen! Später wurde es mir klar, daß der Scheik sie fortgeschickt hatte, um möglichst wenig Zeugen für das zu haben, was hier an dieser Stelle geschehen sollte. Auch wollte er den Kanz el A‘da nur für sich allein oder, falls dies nicht zu erreichen war, mit möglichst wenigen Personen zu teilen haben. Warum aber hatte er da die Mekkaner, welche doch den ersten Anspruch darauf erhoben, mit hierhergenommen?

Jedenfalls war die ganze Abteilung der Beni Khalid hier beisammengewesen, um dem Perser aufzulauern. Oben hatten wahrscheinlich Posten gestanden, um seine Ankunft zu melden. Sie waren mit einer Salve von über dreißig Schüssen empfangen worden, und wer dann noch lebte, war, den Basch Nazyr ausgenommen, durch weitere, schnelle Schüsse abgetan worden. Der seinen Soldaten voranreitende Perser hatte ebensowenig wie ich an den Sandrutsch gedacht; er war, wenn auch in weniger gefährlicher Weise, herabgestürzt und den Beni Khalid in die Hände gefallen und sogleich von ihnen in Fesseln gelegt worden.

Man kann sich meine Stimmung denken! Nicht etwa, daß ich mich verloren gab; o nein! Selbst wenn ich nicht meine Haddedihn hinter mir gewußt hätte, wäre es mir nicht eingefallen, der Hoffnung auf Rettung zu entsagen. Aber der Anblick der zwanzig hingemordeten Asaker erfüllte mich mit Grauen. An diesem Scheik der Beni Khalid schien nur das eine Gute zu sein, daß er sein Wort heilig hielt. Weiter aber nichts!

Als er bemerkte, daß ich die Augen geöffnet hatte und mich bewegte, ging ein höhnisch grausames Lächeln über sein von Halefs Peitsche gekennzeichnetes Gesicht. Er deutete mit der Hand auf mich und sagte zu EI Ghani:

»Schau! Er lebt; er hat also den Hals nicht gebrochen! Allah hat mir ihn für meine Kugel aufgehoben. Jetzt muß er sagen, warum er hierhergekommen ist. Wenn er es nicht gesteht, werden wir ihn schon zu zwingen wissen, die Wahrheit zu sagen! Du hast meine Worte gehört. Nun sprich, Hund!«

Diese Aufforderung galt mir. Ich antwortete, ohne auf den Hund! zu achten:

»Ich habe keinen Grund, zu schweigen. Es fiel mir ein, daß ihr auf den Gedanken gekommen sein könntet, den Basch Nazyr zu überfallen und ihm den Kanz el A‘da wieder abzunehmen; da bin ich ihm auf seinem Hedschihn, welches er mir geschenkt hat, nachgeritten, um ihn zu warnen.«

»Allein?«

»Ja. »

»Wo sind die Haddedihn?«

»Auf dem Wege, welcher von hier nach der Ain Bahrid führt.«

»Sie werden dich nicht wiedersehen, aber uns, denn wir holen sie ein, um sie zu vernichten. Also, das Hedschihn, das kostbare, hat er dir geschenkt? Wohl weil du ihm das Leben und den Schatz gerettet haben willst?«

»Ja.«

»So ist es liebreich von dir, daß du es mitgebracht hast. Ich werde es behalten, und eure Pferde, von denen ich gestehe, daß sie ihresgleichen suchen, kommen auch in den Besitz meines Stammes; ihr aber lauft alle in die Krallen des Teufels. Daß dies geschieht, dafür werde ich jetzt sorgen!«

Während er sprach, waren seine Augen und auch die Blicke der Mekkaner ,in einer Weise auf mich gerichtet, daß ich einsehen mußte, bei ihnen keine Spur von Erbarmen zu finden. Der Münedschi horchte aufmerksam auf jedes Wort. Jetzt, als der Scheik schwieg, wendete er sich mit der Frage an ihn:

»Das ist der Effendi aus dem Wadi Draha der hier gefangen vor uns liegt?«

»Ja«, antwortete Tawil.

»Was werdet ihr mit ihm tun?«

»Er wird erschossen, und zwar gleich hier! Hast du etwas dagegen einzuwenden?«

»Nein, gar nichts. Ich stimme vollständig bei. Ich hätte ihm noch einige Bemerkungen zu machen, unterlasse es aber, weil so ein Mensch nicht wert ist, daß ich mit ihm spreche. Ich habe ihm in das Gesicht gespuckt; das ist für ihn genug, um zu wissen, was ich von ihm denke und wie unendlich ich ihn verachte. Während er vorgibt, ein frommes, unschuldiges Lamm zu sein, ist er ein Raubtier, und zwar ein so gefährliches, daß man sich mit seiner Tötung Allahs Lohn verdient. Ihn zu schonen, würde die größte Sünde sein, die ihr auf euch laden könnt. Er gehe also dahin, wohin er gehört: in die Hölle!«

Da ließ sich auch El Ghani hören:

»Das ist ganz so, als ob ich es gesagt hätte! Ich gebe also auch meine Zustimmung und fordere von dir, o Scheik, daß er erschossen wird!«

»So? Ihr stimmt also bei!« fragte der Scheik in einem so ironisch wegwerfenden Tone, daß ich vermutete, das Verhältnis zwischen ihm und seinen ,Gastfreunden‘ sei nicht mehr das frühere. »Es ist prahlerisch und lächerlich, mir eure Einwilligung anzubieten. Ich tue hier, was mir beliebt, und frage nicht, ob es euch paßt oder nicht. Ihr wißt ja, wie wir jetzt zusammen stehen! Bildet euch also nicht ein, daß ich mich nach euren Wünschen richte!«

»Ich wünsche nichts, sondern ich fordere mein Recht! Vor allem verlange ich den Perser für mich! Er hat mir, dem Liebling des Großscherffs, die Schande des Diebstahls frech in das Gesicht geworfen; er ist mir mit Soldaten nachgeritten, wie man einen ehrlosen Verbrecher verfolgt; er trägt die Schuld an der Behandlung und an allen Beleidigungen, die wir am Bir Hilu erduldet haben, er, der von Allah verdammte Schiit, der nicht wert ist, daß ich ihn auch nur mit dem Fuße berühre, um ihn fortzustoßen. Darum verlange ich, der Vollstrecker des Urteiles zu sein. Es darf ihn keine andere Kugel treffen, als nur die meinige!«

»Dagegen habe ich nichts«, lachte der Scheik in einer jeden Gefühlesbaren Weise. »Wenn es dir Spaß macht, ihn mit deiner eigenen Hand in die Hölle zu schleudern, so werde ich dich nicht hindern, es zu tun. Hast du geladen? Du kannst es sofort tun, denn unsre Zeit für hier ist abgelaufen.«

Er stand auf, der Ghani auch. Sollte das im Ernst gemeint gewesen sein? Das wäre ja fürchterlich! Ich erhob meine Stimme, um gegen diesen Mord zu protestieren, erhielt als Antwort aber nur ein höhnisches Gelächter. Da hörte ich, jetzt und hier zum erstenmal, die Stimme des Basch Nazyr:

»Ich bitte dich, gib dir keine Mühe, Effendi! Ich habe schon selbst erfahren, daß jedes Wort umsonst ist. Mein Tod ist beschlossen, und davon geben diese Leute um keinen Preis ab. Ich bin selbst schuld daran, denn ich habe deine Worte in den Wind geschlagen und werde nun dafür bestraft. Aber ich will nicht wie ein armseliges Paket, sondern wie ein Mann sterben. Bindet mir die Füße los! Ich will die Kugel stehend empfangen. Tut mir wenigstens diesen Gefallen! Ich fliehe nicht; ich gehe keinen Schritt von der Stelle, von welcher aus ich durch die Pforte des Todes treten soll!«

Da lachte der Scheik wieder in der schon beschriebenen Weise auf und antwortete:

»Diesen Wunsch werde ich dir gern erfüllen, denn ich bin ein menschenfreundlicher Mann, und es wird ja doch dein letzter sein in diesem Leben!«

Er ging zu ihm hin und gab ihm die Füße frei. Der Perser stand auf, kam langsam auf mich zu und sah mir in das Gesicht. Er mochte auf demselben lesen, was in mir vorging, denn er schüttelte den Kopf und sagte:

»Denk nicht darüber nach, wie mir vielleicht zu helfen wäre! Wir sind nicht zu retten und können nichts tun, als mit Würde sterben. Ich bin nicht nur schuld an meinem, sondern auch an deinem Tode. Hier bitte ich dich nicht um Verzeihung, denn alle Ohren, welche es hier gibt, sind es unwert, solche Worte anzuhören. Aber du wirst nur wenige Minuten nach mir durch die große Mauer, welche Ben Nur uns zeigte, nach Es Setschme, den Ort der Sichtung, kommen, und da erwarte ich dich, um dich auf meinen Knien und mit der Hand zu bitten, mir meine Unbedachtsamkeit zu verzeihen. Wie ich dich kenne, weiß ich, daß ich nicht umsonst bitten werde. Ja?«

»Ich verzeihe dir schon jetzt«, antwortete ich. »Das Leben der Menschen steht in einer höheren Hand, die uns noch im letzten Augenblicke retten und sogar die Kugeln lenken kann. Ihr wollen wir uns anvertrauen!« ‚

»Tut das, wenn es euch beliebt!« lachte der Scheik abermals. »Ich habe aber auch eine Hand, und der entkommt ihr nicht, so wahr euer Es Setschme, der Ort der Sichtung, nichts als Schwindel ist! Aber da ihr glaubt, dort drüben so schön vereinigt zu sein, will ich euch zu Liebe dafür sorgen, daß ihr es schon hier sein werdet. Wir graben jetzt ein Grab, in weiches wir euch nebeneinander legen. Die Leichen der Asaker mögen die Geier fressen, sie bleiben liegen; euch aber sollen nur die Würmer bekommen. Das ist der einzige Unterschied, den wir zwischen zwei Arten von Halunken machen. In der Hölle trefft ihr doch mit ihnen zusammen!«

Seine Beni Khalid machten sich auf seinen Befehl daran, ein Loch in den Sand zu wühlen, nicht weit von uns und grad vor unsern Augen, so daß wir zusehen konnten. Das gab doch einen Aufschub, jetzt kostbar, denn es stand außer allem Zweifel, daß Halef sich der allergrößten Eile befleißigen werde. Ich wußte zwar nicht, wie lange Zeit ich betäubt gelegen hatte, aber da mein Hedschihn sich während derselben so ruhig niedergelegt hatte und von den Beduinen trotz der Erregung, welche unser Erscheinen hatte hervorbringen müssen, gar nicht mehr beachtet worden war, so durfte ich annehmen, daß dieser Zustand der Besinnungslosigkeit von längerer Dauer gewesen sei. Die Hoffnung, daß die Haddedihn noch rechtzeitig zu unserer Rettung eintreffen würden, war also gar nicht ausgeschlossen.