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Czytaj książkę: «Am Jenseits», strona 20

Czcionka:

Da trat Halef herbei, welcher während des letzten Teiles des Gespräches von Hanneh zu uns gekommen war und den Wunsch des Alten gehört hatte. Er antwortete an meiner Stelle:

»Ich, Hadschi Halef, werde dir sagen, was geschehen soll. Sie sind gefangen, weil sie gestohlen haben; du aber bist ein ehrlicher Mann und also frei. Wir dürfen dich nicht hindern, zu tun, was dir beliebt. Willst du wirklich und auch jetzt noch hinüber zum Ghani?«

»Ja, ich will; unbedingt will ich!«

So steh auf, und gib mir deine Hand! Mögest du nicht bereuen, was du jetzt tust! Ich werde dich hinüberführen.«

Ich sah ihnen nicht nach, sondern stand auf und ging zu Hanneh, weiche den Teppich zum Kaffeetrinken ausgebreitet hatte. Der Perser wurde natürlich eingeladen, mitzutrinken. Als Halef wiederkam, setzte er sich an meine Seite und fragte mich, wie gewöhnlich, wenn er irgend etwas aus eigenem Entschlusse ausgeführt hatte:

»Habe ich es recht gemacht, Sihdi?«

»Ja«, antwortete ich.

»Es freut mich, daß ich deine Zustimmung erhalte; über die Sache selbst freue ich mich nicht. Wir konnten nicht anders, denn der Blinde ist sein eigener Herr, und wir haben kein Recht, gegen seinen Willen über ihn zu verfügen. Was hätten wir mit ihm machen können, wenn er gezwungen gewesen wäre, bei uns zu bleiben?«

»Ihn mit nach Mekka nehmen.«

»Und dort?«

»Ich zweifelte gar nicht daran, daß es uns dort gelingen würde, ihn besser unterzubringen, als er jetzt untergebracht ist.

»Das denke ich auch. Und hätten wir keinen geeigneten guten Platz für ihn gefunden, nun, so gibt es unter den Zelten der Haddedihn genug Raum für einen blinden Mann, dessen Anwesenheit gar keine Opfer fordert. Dieser Münedschi wird nicht lange mehr ]eben; er steht dem Jenseits näher als der Erde. Seine Seele war ja bereits fast an der Brücke. Und was alles hätten wir von ihm noch erfahren können?«

»Bist du neugierig geworden?«

»Nicht neu, sondern wißbegierig.«

»Und glaubst du, daß dieses Wissen dir und deinem Stamme Nutzen bringen würde?«

»Ja, Wenn das Erdenleben eine Vorbereitung für den Himmel ist, so ist es ja Pflicht, jede Gelegenheit zu ergreifen, etwas über das Jenseits zu erfahren.«

»Du meinst, etwas Wahres!«

»Hältst du das, was wir gestern gehört haben, für Täuschung?«

»Ich kann mir darüber heute noch kein Urteil erlauben. Wenn der Blinde zu uns anstatt zu seinem vermeintlichen Wohltäter gehalten hätte, wäre uns wahrscheinlich mehr Stoff zu einem Urteile geboten worden, als wir jetzt besitzen. Wir wollen also den Gedanken an das Jenseits jetzt nicht weiter verfolgen und uns lieber mit dem Diesseits befassen.«

»Ja, das ist für den Augenblick wohl ebenso nötig. Was denkst du, daß zunächst geschehen soll?«

»Wir sind gewillt, die Diebe nicht zu bestrafen, werden sie also freigeben, selbstverständlich den Scheik der Beni Khalid auch. Doch darf das nicht so ohne weiteres geschehen. Wir haben uns sicherzustellen, daß, wenigstens solange wir uns hier befinden, nichts gegen uns unternommen wird. Später dann können wir anderweit für uns sorgen.«

»So schlage ich vor, daß wir den Scheik erst dann loslassen, wenn er geschworen hat, hier nichts gegen uns zu unternehmen.«

»Das werden wir allerdings tun.«

»Sag, Sihdi, gibt es für uns keine andere, keine bessere Gewähr als nur seinen Schwur?«

»Nein; wenigstens ich weiß keine. Du etwa?«

»Nein.«

»Oder Khutub Agha?«

»Auch ich weiß nichts anderes«, antwortete dieser. »Ihr habt mich zu eurem Freund gemacht, und meine Dankbarkeit gehört euch, solange ich lebe. Darum kann es mir nicht gleichgültig sein, ob euch noch fernere Gefahren von seiten der Beni Khalid drohen. Sonst aber wäre ich mit meiner Angelegenheit hier zu Ende. Die gestohlenen Glieder habe ich hier zurückbekommen, und meine Asaker sind auch wieder frei, Wir brauchen also nur aufzusitzen und heimzukehren.«

»Wann wirst du das tun?«

»Wenn auch ihr fortreitet; eher natürlich nicht.«

»Nun, und wir, Sihdi? Wann reiten wir?«

»Wenn die Beni Khalid fort sind«, antwortete ich.

»Früher nicht?«

»Nein.«

»Warum nicht?«

»Du scheinst mich nicht mehr zu kennen, Halef!«

»Was? Wie? Ich dich nicht mehr kennen? Oh, Effendi, was treibst du dafür Allotria! Du weißt doch ganz genau, daß ich dich besser kenne als mich selbst!«

»Nach deiner letzten Frage muß ich das aber bezweifeln, denn du hast einen Brauch vergessen, der so zu mir gehört, wie der Griff zum Säbel.«

»Welchen Brauch?«

»Mich stets und so viel wie möglich rückenfrei zu machen. Dieser Gewohnheit haben wir so viele Erfolge zu verdanken, lieber Halef, daß es mir gar nicht einfallen kann, grad hier, in dieser gefährlichen Wüste, von ihm abzuweichen.«

»Rückenfrei? In Beziehung auf die Beni Khalid?«

»Ja. Wenn wir eher fortreiten als sie, haben wir sie im Rücken und wissen nicht, was sie hinter uns vornehmen. Sind sie aber vor uns, so können wir sie, solange dies nötig ist, derart im Auge behalten, daß es ihnen unmöglich wird, uns ernsthaft zu belästigen. Das siehst du wohl ein?«

»Welche Frage! Wenn ich das nicht einsähe, so wäre ich ein Fluß ohne Wasser, ein Pferd ohne Beine oder eine Feder ohne Tinte und meinetwegen auch eine Hanneh ohne Halef! Nur weiß ich nicht, ob die Beni Khalid darauf eingehen werden.«

»Sie müssen!«

»Wie willst du sie zwingen?«

»Dadurch, daß wir sie nicht an den Brunnen lassen. Wenn sie überzeugt sind, für ihre Kamele kein Wasser zu bekommen, so müssen sie sich beeilen, nach einem anderen Brunnen zu kommen.«

»Wo sie uns aber das Wasser wegnehmen, so daß wir dann, wenn wir hinkommen, keines finden!«

»Das ist meine geringste Sorge. Erstens ist es doch noch gar nicht bestimmt, wohin sie sich und wir uns wenden werden. Die Gegend vor uns ist wasserreicher als die nun hinter uns liegende; wir haben es also sehr wahrscheinlich nicht nötig, grad denjenigen Weg einzuschlagen, den die Beni Khalid reiten. Und zweitens verweise ich dich auf den Bir Hilu hier. Die Beni Khalid waren ja auch vor uns da, und wir haben nicht nur trotzdem Wasser bekommen, sondern wir sind sogar jetzt in der Wüste Herren des Brunnens, daß unsere Gegner ohne unsere Erlaubnis gar nicht herankommen dürfen. Bist du nun zufriedengestellt?«

»Ja, vollständig, Sihdi! Doch, schau hin zu den Mekkanern, wie der Ghani so eifrig in den Blinden hineinspricht! Er wird ihm alles ganz anders erzählen, als es sich zugetragen hat. Wir werden da dem Münedschi in einem Lichte erscheinen, auf welches wir, wenn es die Wahrheit wäre, nichts weniger als stolz sein könnten. Doch sieh, da kommt ein Posten mit einem Ben Khalid. Der Anfang des Endes wird also beginnen!«

Der Haddedihn, welcher den Boten zu uns brachte, sagte, daß die ganze Schar der Beni Khalid im Anrücken sei, um nach dem Brunnen zu gehen. Es hatte Überredung gekostet, sie anzuhalten und zu bewegen, auf die Antwort ihres Scheiks zu warten.

»Was habt ihr als Grund angegeben, daß sie nicht her dürfen?« erkundigte sich Halef.

»Den Willen ihres Scheiks«, lautete die Antwort. »Sie haben also diesen Boten geschickt, der mit ihm sprechen soll.«

»Das war richtig. Wir werden diese Angelegenheit sofort in Ordnung bringen. Gehen wir hinüber zum Scheik?«

Diese Frage war an mich gerichtet; ich antwortete, indem ich aufstand. Der Perser tat dasselbe, und dann schritten wir, gefolgt von dem Ben Khalid, nach dem Brunnen, wo er seinen Scheik gefesselt liegen sah. Dieser rief ihm, noch ehe wir ihn erreicht hatten, zornig entgegen:

»Da kommt nun endlich einmal einer! Konntet ihr euch nicht eher um mich bekümmern?«

Der Mann war sichtlich erstaunt, den Führer seines Stammes als Gefangenen zu finden, sah sich mit unsicheren Blicken um und antwortete:

»Du hast es so gewollt!«

»Das war kein Befehl, sondern nur eine Mitteilung von mir. Diesen Unterschied müßt ihr beherzigen. Wo habt ihr diese Nacht gelagert?«

»Auf dem Platze der Fatasia.«

Wir hatten keinen Grund, den Scheik in seinen Erkundungen zu stören, und hörten mit Vergnügen zu.

»Mit den Soldaten?« fragte er weiter.

»Ja.«

»Wo habt ihr sie?«

Seine Augen funkelten bei dieser Erkundigung. Der Bote schlug die Augen nieder und erwiderte höchst verlegen:

»Sie sind fort.«

»Wohin?«

»Das wußten wir nicht; jetzt aber sehe ich, daß sie hier sind.«

»Natürlich sind sie hier, wenn ihr sie entwischen laßt! Ich hielt sie, als ich sie in der Nacht kommen sah, für Geister verstorbener Asaker, denn daß es die unserigen seien, mit ihren Waffen und Kamelen noch dazu, das mußte ich doch für ganz unmöglich halten! Der Scheitan scheint euch blind und taub gemacht zu haben, denn auf eine andere Weise konnte es gar nicht geschehen, daß zwanzig Gefangene einer ihnen so vielfach überlegenen Wächterschar entrinnen. Ihr hattet sie doch gefesselt?«

»Ja.«

»Aber nicht gut bewacht!«

»Sogar sehr scharf! Sie lagen in unserer Mitte. Wir haben keine Vorsicht oder Pflicht versäumt!«

»Das ist nicht wahr! Ohne große Fehler von euch hätten sie nicht entkommen können. Ich werde diesen Fall genau untersuchen und die Schuldigen heim zu den alten Weibern schicken, mit denen sie Pantoffeln machen können, denn zu weiter sind sie ja nichts nütze!«

Da begann der Ben Khalid nun auch einen andern Ton anzuschlagen:

»Wir sind weder alte Weiber noch gehören wir zu ihnen. Ich bin ein Ben Khalid, ein freier Beduine, und nur dem untertan, dem ich gehorchen will! An dem Entkommen der Asaker ist kein einziger von uns schuld, sondern nur die Dschinn, welche in großen Massen kamen.«

»In Massen? Was für Dschinn waren es?«

»Dunkle Gestalten, welche wie Schatten aussahen, aber, wie wir dann wohl bemerkten, keine Schatten waren; ihnen voran kam das gestrige Gespenst.«

»Welches?«

»Der Geist, der hierher kam und sprach.«

»Allah!« rief der Scheik, indem er seine Aufmerksamkeit verdoppelte. »Dieser, derselbe Geist war es?«

»Ja.«

»Und ihr seid natürlich sofort ausgerissen!«

»Nein. Aber er hielt zwei flammende Irrlichter in Händen, aus denen lauter Köpfe lebendiger Teufel hervorsprühten. Wir sind Gläubige des Kuran und fromme Bekenner des Propheten; aber mit Geistern und Teufeln zu kämpfen, das darf uns niemand zumuten!«

»Ich werde bald erfahren, was für flammende Irrlichter das gewesen sind. Hattet ihr denn ein Feuer brennen?«

»Sogar zwei. Erst als der Geist sich dem ersten so weit genähert hatte, daß wir sahen, es sei wirklich dieser Geist, entfernten wir uns, eher nicht.«

»Und ließet die Asaker liegen?!«

»Allerdings. Was hätten wir sonst machen sollen? Dann sahen wir aus der Ferne viele, viele dunkle, schattenhafte Gestalten über den Platz huschen, und als sie fort waren und wir zurückkehrten, fanden wir die Asaker nicht mehr vor; auch ihre Kamele waren weg. Sie sind von den Geistern entführt worden!«

»Ich will dir den größten dieser Geister zeigen. Schau dorthin! Wer sitzt da bei Abadilah, unserm Gaste?«

Der Bote hatte den Münedschi noch nicht bemerkt. Als er ihn nun erblickte, rief er aus:

»Allah behüte mich vor dem neunmal gesteinigten Teufel! Da sitzt er ja! Das ist er! Das ist er!«

»Schau ihn an! Ist das ein Teufel, ein Gespenst oder ein Mensch?«

»Sollte – sollte – ist – – – sollte – ist?«

Der Mann war ganz perplex. Der Scheik schrie ihn an:

»Wenn du jetzt, am hellen Tage, noch nicht weißt, woran du bist, so brauch ich mich allerdings nicht darüber zu wundern, daß ihr in der dunkeln Nacht vor Angst fast den Verstand verloren habt! Er war es gewiß; er muß es unbedingt gewesen sein. Wer weiß, was für Flammen er in den Händen gehabt hat. Abadilah, mein Freund, ich bitte dich, ihn doch einmal zu fragen!«

Der Ghani kam diesem Wunsche nach, indem er sich bei dem neben ihm sitzenden Blinden erkundigte:

»Hast du gehört, was jetzt gesprochen wurde?«

»Ja, jedes Wort«, antwortete der Gefragte, weicher vollständig wach und munter war.

»Weißt du, daß du gestern am Abende hier hüben bei uns am Brunnen gewesen bist?«

»Nein.«

»Daß du da gesprochen hast?«

»Nein.«

»Aber daß du an einem andern Orte warst, das weißt du wohl?«

»Ja.«

»Wo?«

»Den Ort kenne ich nicht. Ich wurde geführt und bekam dann zwei brennende Fackeln in die Hände.«

»Von wem?«

»Von dem Scheik der Haddedihn und dem Effendi aus dem Wadi Draha. Ich bin darauf eingegangen, weil das Weib sagte, es geschehe nur zu meinem Wohle.«

»Hast du gewußt, um was es sich handelt?«

»Nein. Es wurde mir nicht mitgeteilt. Dieser Dieb deines Verzeichnisses und seine Hehler haben mich betrogen und mich schmachvoll hintergangen. Wenn sie aufrichtig gewesen wären, hätte ich es um keinen Preis getan. Allah wird sie strafen!«

»Kannst du dir vielleicht denken, was für Schatten das gewesen sind, welche bei dir gewesen sein sollen?«

»Wahrscheinlich waren es die Verbündeten der Betrüger, die Krieger der Haddedihn, denn auf dem Wege, den ich gehen mußte, hörte ich neben und hinter mir die Schritte vieler Menschen, welche mich begleiteten. Und auf dem Rückwege sagte mir mein Ohr, daß sich Kamele hinter mir befanden. Ich bin zur Ausführung einer Schlechtigkeit benützt worden, von der ich keine Ahnung hatte; aber Allah ist gerecht; er läßt keine Tat ohne Lohn oder ohne Strafe, und ich weiß, daß diese Diebe und Betrüger einst nicht über Es Sfiret,

die Brücke des Todes, hinüberkommen,. sondern in den Abgrund des Verderbens stürzen werden!«

»so ist also jetzt alles erklärt!« zürnte der Scheik. »Das Licht der Fackeln hat eure Phantasie erhitzt und euch Teufelsköpfe vorgeflackert, wo gar keine waren. Die Haddedihn habt ihr für Geister gehalten und seid, vor ihnen ausgerissen, anstatt sie einfach niederzuschießen. Dadurch wurde die Befreiung der Gefangenen möglich, mit denen ich mir hier den Sieg erzwingen wollte und auch erzwungen hätte. Ich werde mit euch abrechnen. Diesen alten, blinden, kindischen und unvorsichtigen Menschen werden wir unschädlich machen müssen, damit wir nicht noch Ärgeres erleben, als schon bisher geschehen ist! Der unerfahrenste Knabe muß meinen Grimm begreifen, daß ich mich dieser Fehler wegen ganz unfähig zum Widerstande in den Händen derer befinde, über die wir hätten lachen können, wenn meine Absichten ausgeführt worden wären. Aber ich schwöre zu Allah und dem Propheten, daß ich ganz gewiß alles nachholen werde, was versäumt worden ist!«

Diese seine Drohung war nicht nur unschädlich für uns, sondern ein abermaliger Fehler, den er beging, denn wenn wir nicht schon entschlossen gewesen wären, uns möglichst sicherzustellen, so hätte nun sie uns zur Vorsicht mahnen müssen. Viel mehr als sie beschäftigte mich die Bemerkung, daß es El Ghani gelungen war, den Blinden von seiner Unschuld und infolgedessen von unserer Bosheit, von unsern schlechten Absichten zu überzeugen. Der Münedschi befand sich schon nach so kurzer Zeit wieder ganz unter dem Einflusse dieses Schurken, den er nicht nur für seinen Wohltäter, sondern überhaupt für den besten Menschen hielt.

Halef hatte der letzten Ausführung des Scheikes mit wohlgefältigem Lächeln zugehört. Jetzt ergriff er das Wort und sagte zu ihm:

»Es freut mich, daß du zur Einsicht gekommen bist und so aufrichtig deine Ohnmacht eingestehst. Wir könnten sie in einer Weise ausnützen, welche dich für alle Zeit an uns denken lassen würde; aber in unserer weithin bekannten und berühmten Güte haben wir den Beschluß gefaßt, mit euch so glimpflich zu verfahren, wie uns die Liebe gebietet, die wir zu allen Menschen und sogar zu unsern Feinden haben.«

»Ich mag eure Liebe nicht!« brauste Tawil Ben Schahid auf.

»Du wirst sie nehmen müssen und ihr nicht widerstehen können, ganz gleichgültig, ob du willst oder nicht!« »Und daß ich meine Ohnmacht eingestanden habe, davon weiß ich nichts. Noch habe ich meine Krieger, die euch vielfach überlegen sind!«

»Die fürchten wir nicht! Zunächst sind wir in der Überlegenheit und werden dafür sorgen, daß wir sie auch behalten.«

»Ich verlange, augenblicklich freigelassen zu werden. Wenn ihr euch weigert, dies zu tun, so schicke ich diesen meinen Ben Khalid, den sie jetzt zu mir gesandt haben, mit dem Befehle zu ihnen zurück, sofort gegen euch zu den Waffen zu greifen!«

»Versuche es doch, ihn fortzuschicken! Wenn er es wagen wollte, diesen Platz ohne unsere Erlaubnis zu verlassen, würden wir ihn durch eine Kugel für immer hier festhalten!«

»Allah zerschmettere dich!« zischte der Scheik, der ja doch wußte, wie recht der kleine Hadschi hatte.

Dieser nahm keine Notiz von dieser Verwünschung und fuhr fort:

»Ich werde dir jetzt sagen, was unsere Nachsicht und Milde über euchbeschlossen hat. Khutub Agha, unser Freund, hat die Einbrecher in den Kanz el A‘da von Meschhed Ali verfolgt, um sie zu ergreifen und nach der heiligen Stadt der Schiiten zu bringen, wo sie keine andere Strafe als nur diejenige des Todes erwarten würde. Nun aber hat er sich entschlossen, davon abzusehen. Er wird sie also nicht mitnehmen, sondern laufen lassen, wie man häßliches Gewürm laufen läßt, mit dem man sich nicht besudeln mag. Wir hatten über

sie die Bastonade beschlossen, sehen aber auch hiervon ab, eben weil wir gar nicht weiter mit dem Schmutze, in welchem sie starren, in Berührung kommen wollen. Hast du alles gehört, was ich jetzt sagte?«

»Sprich nur immer weiter!« forderte ihn der Scheik auf. »Ich werde dir dann, wenn du fertig bist, sagen, was ich dir zu sagen habe.«

»Schön! Ich gehorche dir, du mächtiger Gebieter dieses Lagers! Die Diebe sind also abgetan für uns; nun kommt die Reihe an dich. Auch dich werden wir freilassen. Bist du damit einverstanden?«

»Weiter!«

»Ist dir das noch nicht genug?«

»Es ist nicht nur genug, sondern mehr als genug, nämlich der Arglist und Verschlagenheit, die euch ja schon von Anbeginn dieser ganzen Angelegenheit gekennzeichnet hat! Wie schön und wie ergreifend du von eurer Güte und eurer Milde doch zu sprechen weißt! Aber ich kenne den Abgrund der Verworfenheit, welcher hinter dieser angeblichen Nachsicht gähnt! Ihr seht von der Bestrafung der Diebe ab, weil ihr nur zu gut wißt, daß sie nicht gestohlen haben, sondern vollständig unschuldig sind. Erst wurde ihnen das Verzeichnis entwendet, und nun es euch gelungen ist, auch die Gegenstände selbst an euch zu raffen, wollt ihr mit ihnen verschwinden und euch mit der vorgegebenen Milde den Rückzug decken, So ist‘s, ihr Schurken; anders nicht!«

Ein höhnisches Lachen folgte diesen Worten, die so viel Unverschämtheiten enthielten, daß Halef rasch zu mir sich wendete und mit zornblitzenden Augen fragte:

»Sihdi, jetzt kann es doch keine Sünde sein, ihm mit der überzeugenden Entgegnung meiner Peitsche zu antworten!«

»Wir schlagen nicht, Halef!« erwiderte ich.

»Gut! So will ich meinen Grimm beherrschen!«

»Sprich nicht von Grimm!« lachte der Ben Khalid wieder. »Du weißt ganz genau, daß ihr die Diebe seid, und kannst also unmöglich zornig sein. Was du Grimm nennst, ist nur der Ärger darüber, daß ich euch durchschaue, und die versteckte Scham, der du nicht erlaubst, deine Wangen vor meinen Augen rot zu machen.‘ Dazu kommt die Feigheit, die verächtliche Angst vor unserer bekannten, wohlbewährten Tapferkeit!«

»Feigheit? Angst?« fragte Halef in größtem Erstaunen.

»Ja, Furcht habt ihr, Furcht, vom Herzen herab bis in die Spitzen eurer Füße!«

»Vor wem?«

»Vor uns. Das sagte ich so eben!«

»Furcht? Angst? Feigheit? Allah w‘ Allah!

»Mensch, ich fordere dich auf, mir diese freche Behauptung zu beweisen!«

»Der Beweis liegt darin, daß ihr unsere Freunde, die Mekkaner, freigeben wollt.«

»Das tun wir doch aus Güte, nicht aus Angst!«

»Leugne nicht! Du weißt doch nur zu gut, was ausgemacht worden war: Es sollte um sie gekämpft werden! Jetzt gebt ihr sie ohne Kampf frei. Ist das nicht Feigheit?!«

Der Hadschi konnte seinen Zorn kaum bemeistern. Er mußte sich die größte Mühe geben, möglichst ruhig zu antworten:

»Das ist eine Verdrehung der Tatsachen, weiche du dir ausgesonnen hast, um prahlen zu können!«

»Ich habe nicht geprahlt, sondern die Wahrheit gesagt!«

»Nein, sondern die Lüge! Es ist nicht beschlossen worden, um die Freigebung der Diebe zu kämpfen, sondern der Kampfpreis war der Besitz ihrer Personen. Sie befanden sich bei euch, und wir wollten sie haben. Darum wurde festgestellt, daß sie dem Sieger gehören sollten. Jetzt aber handelt es sich nicht um ihre Personen, denn die haben wir ja, sondern um ihre Freilassung. Eigentlich könnten nun wir, nämlich wir, wir, auch verlangen, daß um ihre Freiheit gekämpft werde, aber sie sind unsere Gastfreunde nicht, und so haben wir nicht wie du die Pflicht, sie zu beschützen. Wenn wir sie unbestraft entkommen lassen, tun wir das also aus Barmherzigkeit, nicht aus Angst. Das ist doch so klar, daß man darüber kein Wort zu verlieren braucht.«

»Du ereiferst dich ohne Erfolg! Es bleibt bei dem, was ich gesagt habe: Es sollte um sie gekämpft werden, und weil ihr Angst vor unserer Tapferkeit hattet, so versuchtet ihr, sie durch feige Hinterlist in eure Gewalt zu bringen; was euch leider auch gelungen ist. Und nun ihr euch wohl sagen müßt, daß ich sie, und sei es mit Hilfe der Gewalt, von euch zurückfordern werde, gebt ihr sie uns freiwillig wieder, aber das Eigentum des Ghani wollt ihr behalten!«

Wie ich meinen kleinen, mutigen Hadschi kannte, dem Feigheit das Allererbärmlichste auf Erden war, stand jetzt eine Übereilung von ihm zu befürchten, darum wollte ich schnell das Wort ergreifen; aber er sah das und forderte mich auf:

»Du bist jetzt still, Effendi; ich bitte dich! Einen solchen Vorwurf läßt kein Krieger der Haddedihn auf sich sitzen!«

Da klang es hinter uns:

»Auch keine Frau der Haddedihn!«

Ich drehte mich um. Da stand Hanneh mit blitzenden Augen und dunkel geröteten Wangen. Die erregte Verhandlung war so laut geführt worden, daß sie drüben an der andern Seite des Brunnenplatzes alles gehört hatte. Nun war sie eilends herübergekommen, um auch ihrerseits die beschimpfende Anschuldigung energisch zurückzuweisen, ein Vorgang, dessen Ungewöhnlichkeit eine augenblickliche Stille hervorbrachte. Tawil Ben Schahid war der erste, der sie unterbrach.

»Ein Weib, ein Weib!« höhnte er. »Das beweist die Wahrheit dessen, was ich gesagt habe, denn wir hören nun ja, daß bei den Haddedihn die Frauen mutiger als die Männer sind!«

Da ergriff Hanneh des Hadschi Arm, zog ihn mit einem kräftigen Ruck zu sich heran und sagte:

»Halef, weißt du, was ich jetzt von dir verlange?«

»Ja«, antwortete er.

»Wirst du es tun?«

»Man soll mich fortan den feigsten Hund der Erde nennen, wenn ich es nicht tue!«

»Und weißt du, weiche drei ich meine?«

»Natürlich uns, die wir zum Kampf bestimmt gewesen sind!«

»Ja, ich bin Hanneh, die Tochter der Atheibeh, die Frau des obersten Scheiks der Haddedihn vom Stamme der Schammar. Man hat uns den Vorwurf der Furchtsamkeit in das Gesicht geschleudert, obgleich dieser großsprecherische Scheik der Beni Khalid von meinem Knaben zur Erde geworfen und überwältigt worden ist wie ein kraftloser Greis, dessen Schwachheit die einzige Eigenschaft ist, die ihm das Leben gelassen hat. Wir werden diese Niederträchtigkeit zurückweisen und bestrafen, und ich will haben, daß außer Omar Ben Sadek mein Gatte und mein Sohn es sind, in deren Hände man diese Aufgabe legt! Wir wollen nichts, gar nichts von diesen Menschen. Wir leisten Verzicht auf alles, was wir bisher errungen haben, sogar auf die gestohlenen und wiedererlangten Glieder. Wir kämpfen um sie; aber wer uns nach unserm Siege noch als Diebe bezeichnet, den geben wir den Hyänen und Schakalen zu fressen. Ich, das Weib, habe gesprochen; nun mögen die Männer handeln!«

Sie trat zurück, um nun nur noch zuzuhören. Die Wirkung ihres unerwarteten Auftretens und ihrer, ich möchte sagen, flammenden Worte war eine tiefe, eine durchschlagende. Es war für einige Zeit rundum so still wie in einer Moschee, welche soeben erst geöffnet wird. Auch ich konnte mich diesem Einflusse nicht entziehen. Im Grunde war ich allerdings ganz und gar nicht damit einverstanden, daß alles, was wir bis jetzt erreicht hatten, wieder auf das Spiel, oder richtiger gesagt, auf die Entscheidung der Waffe gesetzt werden sollte; aber es war für uns, die Männer, gradezu unmöglich, uns zu dieser mutigen, ehrliebenden und entschlossenen Frau in Widerspruch zu stellen, die nicht an ihre Gatten und nicht an ihre Mutterliebe dachte, und sodann kannte ich ja die drei Personen, um weiche es sich auf unserer Seite handelte, so genau, daß es mir nicht einfiel, Angst zu haben. Halef stellte seinen Mann wie selten einer, das wußte ich; Omar Ben Sadek hatte sich so oft bewährt, warum sollte dies nicht auch jetzt wieder geschehen? Seine körperliche und geistige Spannkraft war noch ganz dieselbe. Und Kara Ben Halef? Nun, er war zwar noch jung und konnte also keine so reiche Erfahrung hinter sich haben wie wir; aber er hatte in seinem Vater den besten Lehrmeister gehabt, den es für ihn geben konnte, und sooft ich bei den Haddedihn gewesen war, hatte auch ich ihn täglich und mit Fleiß vorgenommen und mich über seine Gelehrigkeit, Geschicklichkeit, Kraft und Ausdauer nicht nur stets zu freuen, sondern oft sogar zu wundern gehabt. Er hatte viele jener Griffe, Kniffe und Schlauheiten von mir gelernt, welche auch im ehrlichsten Kampfe erlaubt sind und die eigentliche Übermacht über einen sonst ganz ebenbürtigen Gegner verleihen. Sein Vater war schon zu alt, als daß ich ihm diese Vorteile hätte beibringen können; ein desto geeigneterer Erbe war der Sohn geworden, und so hatte ich also auch keine Veranlassung, um Kara bange zu sein.

Niemandem konnte der Vorschlag Hannehs so willkommen sein wie dem Scheik der Beni Khalid, dem er die Hoffnung wiedergab, in den Besitz der kostbaren Gliedernachbildungen zu gelangen. Er wartete auch nicht, bis Halef, dem dies doch nun eigentlich zukam, das Wort wieder ergriff, sondern kam ihm zuvor:

»Also doch noch Kampf! Die Frau gibt den Männern den Mut! Und nicht nur um die Mekkaner soll es gehen, sondern auch um den Schatz der Glieder! Wahrscheinlich aber fehlt euch der Mut, ihn gegen uns einzusetzen!«

Es war, als ob Halef jetzt plötzlich ein ganz anderer geworden sei. Seine zornige Aufregung hatte nun, da es einen festen Entschluß und eine sichere Entscheidung für ihn gab, jener kalten Ruhe Platz gemacht, welche gegen den nicht so kalten Widersacher den Sieg verleiht. Es war ein selbstbewußtes, überlegenes Lächeln, welches um seine Lippen spielte, als er in beinahe gleichgültigem Tone antwortete:

»Ja, wir kämpfen auch um den Schatz der Glieder, und du sollst die Bedingungen vernehmen, von denen wir auf keinen Fall abgehen werden. Bis du mit ihnen einverstanden, so liegt es in euern Händen und an eurer Tapferkeit, uns wieder abzunehmen, was wir jetzt besitzen. Nimmst du sie aber nicht an, so bleibt es, wie es jetzt ist!«

»Dann heraus mit ihnen! Ich will sie hören!«

»Zuerst verlange ich, daß, die Entscheidung mag fallen wie sie will, alle Schimpf und andere beleidigende Reden vermieden werden. Wir sind, nämlich ihr sowohl wie wir, Männer, aber keine Knaben, welche im Bewußtsein ihrer Ohnmacht Worte an die Stelle der Taten setzen.«

»Ich stimme bei!«

»Sodann findet der Kampf auf der da draußen liegenden Sandebene statt, wo kein Felsen deine Beni Khalid und meine Haddedihn hindert, zuzuschauen. Beide Stämme stehen einander gegenüber; die Zweikämpfe gehen in der Mitte vor sich. Diese finden einzeln statt, zwischen drei Beni Khalid und drei Haddedihn. Gewonnen hat der Stamm, auf dessen Seite die Mehrzahl der Sieger ist. Ihm gehört der Schatz der Glieder, welcher bis dahin in unserer Verwahrung bleibt. Die Besiegten haben den Brunnen sofort zu verlassen und also ihre Reise fortzusetzen. Als Zeit stellen wir euch die nächsten drei Stunden zur Verfügung; wenn sie vorüber sind, muß auch die Sache ausgetragen sein. Ist dir das recht?«

»Ja; da setze ich aber voraus, daß ich jetzt freigelassen werde!«

»Habe keine Sorge um deinen geliebten Körper! Wir können ihn nicht brauchen und geben ihn dir zurück. Doch mußt du vorher die zwischen euch und uns getroffene Vereinbarung auf dein Hamail (aus Mekka stammender und darum besonders heilig gehaltener Kuran) beschwören.«

»Ich bin bereit dazu!« »In diesem Schwur ist vor allen Dingen eingeschlossen, daß beide Parteien für den ganzen heutigen Tag auf Hintergedanken verzichten!«

»Für später aber nicht?« fragte der Scheik schnell.

»Nein. Wir fürchten uns ja nicht.«

»So bin ich auch hiermit einverstanden. Aber ich hoffe, daß dieser Kampf keine Spielerei sein, sondern um das Leben gehen soll!«

»Natürlich! Macht nur ihr Ernst; dann ist es ja sehr gleichgültig, ob wir nur zu spielen brauchen oder nicht!« »Mit welchen Waffen soll er geführt werden?«

Da antwortete mein kleiner, in solchen Dingen gradezu einziger Halef in unendlich gleichgültigem, nachsichtigem Tone:

»Das ist uns einerlei, wirklich ganz und gar einerlei! Wir überlassen also diese Bestimmung euch. Suche die drei tüchtigsten Beni Khalid heraus, und jeder von ihnen mag diejenige Kampfesart bestimmen, in weicher er am geschicktesten ist. Wir sind es nicht gewöhnt, uns über solche Nebensachen die Köpfe zu zerbrechen!«

»Stelle dich nicht so stolz und siegesgewiß! Der Schakal, welcher am ärgsten bellt, wird am ehesten von dem Geier zerrissen! Ich bin bereit, zu schwören!«

Halef zeigte sich in seiner Noblesse sofort bereit, doch ergriff nun auch ich einmal das Wort, um in Hinsicht auf die Ehrlichkeit des Kampfes und unsere Sicherheit noch einige Bedingungen zu stellen, auf welche Tawil Ben Schahid einging, um seiner Fesseln so schnell wie möglich entledigt zu sein. Als dann alles so lückenlos verabredet worden war, daß für uns auch die geringste Überbevorteilung seitens der Beni Khalid ausgeschlossen erschien, banden wir ihn los. Halef setzte sich ihm gegenüber. Der Kuran wurde zwischen sie gelegt, und dann schworen sie, die Hände darauf haltend, jeder für sich und die Seinen, die eingegangenen Bedingungen ehrlich und treu zu halten. Dann hing sich der Scheik sein Hamai wieder um den Hals und stand auf, um sich zu entfernen. Ehe er das aber tat, wendete er sich noch einmal nach uns um und sagte:

»Ich habe noch nie mein Wort gebrochen und werde es auch heut halten; aber wehe euch, wenn ihr dem eurigen nicht treu bleibt! Ich werde schon in kurzer Zeit einen Boten senden, um euch mitteilen zu lassen, welche Waffen gewählt worden sind. Aber daß ihr es mit den drei Siegessichersten meiner Krieger zu tun haben werdet, das kann ich euch schon jetzt sagen. Ich gebe euch den Rat, immer schon jetzt drei Gruben zu machen, in die unsere Gegner zu liegen kommen, ohne eine Kijahma, eine Auferstehung von den Toten, zu erleben wie der Münedschi gestern!«

Ograniczenie wiekowe:
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Data wydania na Litres:
30 sierpnia 2016
Objętość:
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