Czytaj tylko na LitRes

Książki nie można pobrać jako pliku, ale można ją czytać w naszej aplikacji lub online na stronie.

Czytaj książkę: «Am Jenseits», strona 16

Czcionka:

Hierauf machte er ihnen eine liebenswürdige Verbeugung und setzte sich dann wieder nieder, vollständig überzeugt, daß er seine Sache gar nicht besser hätte machen können.

Die Mekkaner waren zunächst still; sie hatten den Eindruck des Gehörten erst zu überwinden. Nicht so aber der Scheik der Beni Khalid, welcher, ohne zu berücksichtigen, daß er in unsern Händen war, zornig aufbrauste:

»Was fällt euch ein! Ist etwa der Diebstahl, der euch nur als Vorwand zur Bereicherung dient, schon erwiesen? Und wäre dies der Fall, so seid ihr doch am allerwenigsten die Leute, welche das Recht besitzen, darüber abzuurteilen! Auch habt ihr euer Wort gegeben, daß meinen Gastfreunden, weiche unter meinem Schutze stehen, nichts an Leib und Leben geschehen soll, und wer sein Versprechen nicht hält, der ist ein Schurke. Die Bastonade ist auf alle Fälle unmöglich!«

Da antwortete Halef:

»Ich habe euch zwar verboten, unaufgefordert zu sprechen, will aber in gnädiger Nachsicht meine Peitsche jetzt noch stecken lassen. Wenn du von Schurken redest, so findest du sie nicht bei uns. Wir halten unser Wort, und zwar ganz genau so, wie es gelautet hat. Mehr kannst und darfst du nicht verlangen. Die Bastonade kommt auf die Fußsohle und wird nicht tödlich sein, hat also mit Leib und Leben nichts zu tun.«

»Das ist Lüge! Der Fuß gehört zum Leibe!«

»Wenn dein Leib Sohlen hat, so ist das eine Ausnahme, welche ich ganz gern achte; du wirst also die Bastonade nicht bekommen. Die Mekkaner aber werden wir sehr genau untersuchen. Finden wir, daß sie so wie gewöhnliche Menschen gebaut sind und die Sohlen also nicht am Leibe, sondern an den Füßen haben, so sind sie der ihnen bestimmten Strafe unbedingt verfallen!«

»Das sind Spitzfindigkeiten, die ich mir verbitten muß! Ich mache dich darauf aufmerksam, daß ich die Macht besitze, meine Gäste in Schutz zu nehmen!«

»Wieso?«

»Denke an meine Krieger!«

»Sehr gern! Grad jetzt denke ich an sie, nämlich daß sie gegen uns machtlos sind, weil wir dich als Geisel haben!«

»Und an die Soldaten! Ich lasse sie alle erschießen, sobald nur ein einziger meiner Gastfreunde Hiebe bekommt!«

Da bog sich Halef zu einem der in der Nähe sitzenden Haddedihn und gab ihm einen leisen Befehl. Da Halef mein Nachbar war, so hörte ich die Worte; der Mann sollte die Soldaten holen, weiche dann hier bei uns zu bleiben hatten. Zu gleicher Zeit sah ich einen der aufgestellten Posten kommen. Er meldete, daß ein Ben Khalid gekommen sei, um seinem Scheike eine wichtige Nachricht zu bringen. Er sprach vorsichtigerweise mit so unterdrückter Stimme, daß kein dazu Unberufener seine Worte hörte, Der Hadschi erteilte ihm die ebenso heimliche Weisung:

»Sag dem Ben Khalid, sein Scheik sei zornig darüber gewesen, daß er gestört werden solle; er wünsche, bis morgen früh in Ruhe gelassen zu werden; es sei hier alles in Ordnung, und der Bote möge also wieder gehen.«

Der Haddedihn entfernte sich. Inzwischen war den Mekkanern nun auch die Sprache gekommen. Sie wagten es, Halefs Peitsche wegen, zwar nicht, ihre Interjektionen direkt gegen uns zu richten, sondern warfen sie Scheik Tawil zu, aber bestimmt waren diese Worte doch, von uns gehört zu werden. Da plötzlich wurden sie still; sie richteten ihre Blicke nach der westlichen Felsenecke, um welche jetzt der fortgeschickte Haddedihn mit den Soldaten kam. Jeder von diesen hatte das Gewehr geschultert und führte sein Kamel an der Leine.

Jetzt war es köstlich, das Gesicht unseres kleinen Hadschi zu sehen, welcher mit kaum verhaltener Wonne den Eindruck beobachtete, den das Erscheinen der Asaker auf den Ben Khalid und die Mekkaner machte. Diese waren still, ganz still, und folgten mit vor Überraschung weit geöffneten Augen den Soldaten, welche nach der Stelle gingen, die ihnen als die ihrige zum Lagern angedeutet wurde.

»Nun?« fragte Halef endlich den Scheik. »Du wolltest sie doch erschießen. Da sind sie. Tue es!«

Da schrie ihn dieser im höchsten Grimme an:

»Jil‘an daknak – verflucht sei dein Bart! Du bist ein Betrüger von innen und von außen. Ich mag mit dir nichts mehr zu schaffen haben!«

Wer die Vorliebe Halefs für seinen an Haaren allerdings sehr armen Bart kennt, der kann sich denken, wie sehr er sich durch diesen Zuruf beleidigt fühlte. Er riß seine Peitsche heraus, strich mit ihr pfeifend durch die Luft und antwortete zornig:

»Das glaube ich, daß du nichts mehr mit mir zu schaffen haben willst, denn du mußt nun trotz deiner bergeshohen Dummheit doch einsehen, daß du das Spiel jetzt ganz verloren hast. Was aber meinen Bart betrifft, so hat ihn mir noch niemand schänden dürfen; den deinigen jedoch werde ich bei deinem nächsten schmutzigen Worte dir mit der Kurbadsch so aus dem Gesichte holen, daß auch kein einziges Haar dort sitzenbleibt! Wir sind mit euch vollständig fertig bis zum Morgen. Ihr laßt kein Wort mehr vernehmen, sonst rede ich in der Sprache zu euch, die man nicht nur klatschen hört, sondern auch mit dem Verstande und mit der Haut zu gleicher Zeit versteht! Versucht jetzt zu schlafen! Nach dem Erwachen winkt euch der Morgengruß der Bastonade!«

Diese an die Gefangenen gerichteten Worte konnten wir auch auf uns beziehen, da es nun wirklich Zeit zum Schlafen war. Da galt es freilich, uns gegen die Beni Khalid sicherzustellen, und darum gab Halef in Beziehung auf den Wachtdienst, an welchem sich auch die Soldaten zu beteiligen hatten, so umfassende Befehle, daß wir eine Überrumpelung nicht zu befürchten hatten. Feuermaterial war, wenn sparsam damit umgegangen wurde, zur Genüge vorhanden, um wenigstens einigermaßen Licht zu haben beim Tränken der Kamele, welches, allerdings in Pausen für das Ansammeln des Wassers, während der ganzen Nacht fortgesetzt werden mußte.

Wir drei, Halef, Kara und ich, wollten nicht am Feuer bleiben, sondern wir holten unsere Pferde und führten sie zum Tachtirwan hinüber, um zum Schutze für Hanneh und den Münedschi uns dort niederzulegen. Der Perser kam uns nach, und wir hatten natürlich nichts dagegen, daß er bei uns blieb.

Selbstverständlich wurde das heutige Erlebnis erst noch gründlich durchgesprochen. Der Befriedigtste von uns allen war Khutub Agha. Noch vor kurzer Zeit ein Gefangener und mit geöffneten Adern dem Tode geweiht, war er jetzt frei, befand sich im Besitze der geraubten Gegenstände und hatte die Gewißheit, die Diebe streng bestraft zu sehen. Das Paket lag natürlich bei ihm, denn es wäre ihm nicht eingefallen, sich nur einen Augenblick davon zu trennen.

Zu erwähnen brauche ich wohl nicht, daß Hanneh teils ihres Planes, teils auch ihrer Bastonadenentscheidung wegen von Halef mit den wohlklingendsten Zensuren bedacht wurde. Sie nahm sie als ganz selbstverständlich, weil wohlverdient, entgegen und zog sich dann befriedigt hinter die Vorhänge ihrer Sänfte zurück. Der Münedschi saß mit dem Rücken an den Felsen gelehnt und schlief. Für die Befriedigung seiner leiblichen Bedürfnisse hatte Hanneh während des Abends gern gesorgt. Speise war von ihm nur wenig, Wasser aber öfters genommen worden. Dann hatte er, den Fackelgang zu den Beni Khalid abgerechnet, die ganze Zeit in seinem eigentümlichen traumwachen Zustande und dabei fast immer rauchend, zugebracht. Wie uns Hanneh am nächsten Tage berichtete, war es für sie nicht bequem gewesen, ihm so oft Feuer zu geben. Tabak und Kibritat (Zündhölzer) hatte sie allerdings für ihn genug gehabt; aber da das Aufleuchten der Hölzer nicht zu uns hinüberscheinen durfte, war sie gezwungen gewesen, das Anbrennen hinter der Sänfte vorzunehmen und da die ersten Züge immer selbst zu tun. Auf die Gefahr hin, indiskret zu erscheinen, will ich die hochverräterische Bemerkung machen, daß die Beduininnen im Anzünden eines Tschibuk nicht ganz unbewandert sind und man von Hanneh in keiner Beziehung sagen konnte, sie stehe ihren Stammesgenossinnen nach. Alt, sehr alt und ganz durchsogen freilich war die Pfeife des Blinden, doch weiß ein von Mitleid erfülltes Frauenherz selbst solche, sagen wir einmal, Malpropretäten zu überwinden.

Wie gewöhnlich vor dem Schlafengehen liebkoste ich meinen lieben Rappen, sagte ihm die gewohnte Sure ins Ohr und hüllte mich dann in den Haik, um einzuschlafen. Es sollte dieser Absicht jetzt noch nicht gelingen, von Erfolg zu sein, denn als der wohlbekannte und vielbesungene Effendi Morpheus eben um den Tachtirwan geschlichen kam, um mir die Augen zuzudrücken, begann der Münedschi sich zu regen, wobei er in eigentümlicher Weise vor sich hinsprach, ungefähr so – es gibt keinen besseren Vergleich wie man die Stimme eines träumenden Vogels hört. Diesen leisen, abgerissenen Lauten folgten die lauteren, besser zusammenhängenden Worte:

»Er ist da – – – ? Ja, ich gehorche dir – – – ich sage es ihm – ich gehe mit ihm – – – führe mich nur !«

Er rückte von dem Felsen ab, bewegte den Kopf wie suchend nach beiden Seiten und fragte:

»Ist Akil Schatir Effendi da?«

»Ja, hier liege ich«, antwortete ich.

»Du liegst? Willst du jetzt schlafen?«

»Ja.«

»Laß deine Seele jetzt nicht schlafen, sondern wach sein! Steigt ein Strahl des Himmels nieder, muß er dich gerüstet finden, ihm dein Inneres zu öffnen und ihn dankbar aufzunehmen!«

»Wie klang das? Das war gebundene Rede! Es war seine Stimme und schien doch nicht die seinige zu sein!

»Steh auf«, fuhr er fort, »und hilf auch mir empor! Ich soll dich führen.«

»Wohin?« fragte ich, indem ich den Hai von mir warf und mich erhob.

»Das weiß ich nicht; frage nicht; du wirst es sehen!«

Ich gab ihm die Hand und richtete ihn auf.

»Komm, folge mir!«

Indem er diese Aufforderung aussprach, ließ er meine Hand wieder los und verließ den Platz, und zwar nicht mit seinen gewöhnlichen suchenden, sondern mit zwar leisen aber dabei festen, sicheren Schritten. Die andern waren auch wieder munter; sie standen auf.

»Sihdi, darf ich mit?« fragte Halef leise.

»Ja.«

»Kara auch?«

»Nein.«

»Aber ich?« fragte der Perser.

»Ich weiß es nicht; es ist so sonderbar; aber kommt ihr beide mit! Kara muß bei der Mutter bleiben.

Der Münedschi ging uns voran, ohne daß ihn jemand führte, stracks von dem Platze fort und in die Wüste hinaus. Seine Haltung war aufrecht, jeder seiner Schritte gewiß und bestimmt, als ob es einen gebahnten, von Schranken eingefaßten Pfad gelte. Es war ganz so, als ob es nicht dunkle Nacht, sondern heller Tag und als ob er nicht blind, sondern sehend sei. Wir folgten ihm mit Staunen.

So ging es weiter und weiter in ungefähr nördlicher Richtung, grad auf die nächste Felseninsel zu, welche im leisen Scheine der Sterne tiefdunkel vor uns lag. Er wich ihr nicht aus und blieb auch nicht hatten, sondern stieg die Steilung langsam aber so sicher empor, wie ich, der Sehende, es wohl am hellen Tage auch nicht sicherer hätte tun können. Dabei brauchte er zum Balancieren nur die eine Hand; die andere hielt er unausgesetzt so, als ob jemand, den wir nicht sahen, neben ihm hergehe, und ihn an dieser Hand gefaßt halte, um ihn zu führen. Bei hohen Schritten schien es sogar so, als ob er gezogen werde. Das konnte ich deutlich sehen, weil ich mich gleich hinter ihm befand. Halef und der Perser folgten mir. Das Überraschendste war, daß wir drei in der Dunkelheit öfters strauchelten, der Blinde aber nicht. Es führte nicht etwa ein Weg, auch nichts dem Ähnliches, hinauf, denn wohl noch nie hatte der Fuß eines Menschen diese hohe Felsengruppe berührt. Es gab Stellen, an denen ich die Hände zu Hilfe nehmen und mich festhalten mußte, ebenso meine beiden Begleiter; der Münedschi tat es nicht. Es war mir unbegreiflich!

Oben angekommen, blieben wir zunächst stehen, um den vom Steigen schneller gehenden Atem sich beruhigen zu lassen; er nicht. Er kniete nieder und betete leise; dies geschah nicht in der den Muhammedanern bei jedem Gebete vorgeschriebenen Richtung nach Mekka, sondern mit nach Süden gewendetem Gesicht, von ihm als Moslem eigentlich eine schwere Unterlassungssünde. Als er sich wieder aufgerichtet hatte, deutete er auf eine kleine, vor uns liegende Felsenerhöhung und sagte:

»Setze dich auf diesen Stein! Ich werde stehen bleiben, denn nur der Leib ermüdet, der Geist aber kennt keine Verringerung seiner Kraft, und nicht mein Körper, sondern meine Seele ist‘s, die du jetzt zu dir sprechen hören wirst.«

Ich folgte dieser Aufforderung, und Halef und der Basch Nazyr ließen sich auch, und zwar eng neben mir, nieder. Hierauf stand er eine ganze Weile hoch aufgerichtet und unbeweglich da, den Kopf ein wenig zur Seite, als ob er in die Ferne lausche. Wir befanden uns in einer ganz ungewöhnlichen Spannung, der wir aber keine Worte gaben, denn in der ganzen Situation und wohl auch in uns selbst lag Etwas, was uns das Sprechen verbot. Da begann er: »Seid mir gegrüßt, ihr Pilger dieser Erde, gegrüßt in der Sprache dieser eurer Welt! Wenn ich zu euch in unserer Weise spräche, ihr würdet nichts vernehmen, denn euer Ohr hat nur Empfängnis für den Schall, durch Schwingungen der Luft zu euch getragen; wir aber sprechen nicht durch dieses Mittel, und unser Wort ist kein Geräusch, ist Tat!«

Wir horchten höchst verwundert auf, denn das war nicht die Stimme des Münedschi, sondern eine ganz andere. Ich habe Verwandlungskünstler und Stimmenimitatoren gesehen und gehört, deren Leistungen gewiß vortrefflich waren, aber wohl keiner von ihnen hätte es fertiggebracht, nicht nur seine Stimme, sondern auch den Ausdruck derselben so vollständig zu verändern, wie es hiervon dem Münedschi geschah. Hätte ich ihn nicht da vor mir stehen sehen, ich wäre überzeugt gewesen, daß wir von einer ganz andern Person, angesprochen würden, Er fuhr fort:

»Richtet eure Blicke empor zum Himmelszelt! Über und hinter euch stehen die Sterne des Herkules, rechts der Adler und Delphin, links die Schlange und vor euch der Schlangenträger mit dem Ras Alhagua und hunderten von Welten, von denen ihr nur wenige als kleine Punkte erkennt. Darüber hin zieht sich die Saman oghrisi (Milchstraße), bestehend aus noch nie gezählten Himmeln, deren jeder wieder in andre neue Himmel führt. So schaut ihr von euch aus nach allen Seiten hinaus und hinein in Millionen und Milliarden Ewigkeiten und haltet eure kleine, ach wie beschränkte irdische Weisheit doch für klug genug, den Herrn und Schöpfer dieser Welten und Äonen im letzten, höchsten, herrlichsten der Himmel zu entdecken. Ich sage euch: es gibt keinen Himmel, weicher der höchste, der letzte ist. Wie diese Himmel alle doch nur einen einzigen bilden, so ist der Herr auch nur in diesem einen, nicht in einem besonderen zu suchen, und wenn ihr ihn nicht im Mittelpunkte eures irdischen Firmamentes findet, also hier bei euch selbst, so werdet ihr ihn dort in jenen Himmeln auch vergeblich suchen. Ihr findet ihn weder hier noch dort, weil ihr die falschen Augen öffnet, die richtigen aber fest geschlossen haltet. Ihr sucht ihn so, wie ihr nach der Erkenntnis irdischer Dinge trachtet, nämlich mit den Augen eurer Wissenschaft, die doch schon, um nur Irdisches zu sehen, der Brille bedarf. Die Augen des Glaubens aber, welche nie eines Glases bedürfen und bedürfen werden, haltet ihr geschlossen.«

Er machte eine kurze Pause, Bisher hatte er laut, mit voller Stimme gesprochen; nun fuhr er, wie wenn man so recht eindringlich und vertraulich reden will, in unterdrücktem Tone fort:

»Ich habe euch etwas Himmlisch-Wichtiges zu sagen; schenkt mir die Aufmerksamkeit nicht nur eures Geistes, sondern auch eures Herzens! Ihr unterscheidet am Menschen Leib, Seele und Geist; ihr sprecht von Kopf und Herz, vom Verstehen, Fühlen, Erkennen und Wollen, von Vernunft, Verstand und Gefühl. Könntet ihr euch sehen, wie ich euch sehe, indem mein Auge jede innerste Faser eures Körpers und die verborgenste Regung eures Geistes, eurer Seele durchschaut, so würde euch klar werden, wie falsch alle diese Unterscheidungen sind. Der geistige Mensch kann nicht zergliedert werden wie der Körper; er ist nicht mit verschiedenen Kräften und Vermögen tätig, wie der Körper es bald mit den Armen, den Beinen, bald mit den Augen oder den Ohren ist. Selbst wenn ihr diese Tätigkeit nach ihren verschiedenen Weisen und Richtungen bezeichnet, bedient ihr euch falscher Namen. Wie es keine Grenze zwischen Gottes Allmacht, Allweisheit und Alliebe gibt, denn Gott ist Eins, so sind auch bei seinem Ebenbilde, dem Menschen, das Denken, das Fühlen, das Wollen nicht voneinander zu trennen, denn der geistige Mensch ist auch Eins. Doch muß ich mich eurer Weise anbequemen, weit ihr mich sonst nicht verstehen würdet. Hört und merkt euch genau, was ich euch jetzt sage! – – – : Der Mensch ward ein Pilger auf Erden, um ein Bürger des Himmels zu werden. Er hat hier zu säen, um dort ernten zu können. Er hat hier die Augen zu öffnen, um dort sehend zu sein. Er hat hier zu lernen, um dort zu bestehen. Nach seiner Arbeit hier richtet sich dort sein Lohn, denn seine Werke folgen ihm ins Jenseits nach, die guten sowohl wie auch die bösen, und wer hier seiner Trägheit frönt und nicht rastlos und unausgesetzt für den Himmel wirkt, der tritt in jenes Leben mit leeren Händen ein und wird zurückgewiesen werden. Sprecht ja nicht in eurer Bequemlichkeit: Ich hüte mich ja, Böses zu tun und muß also selig werden!‘ Wer so sich nur hütet, von der Arbeit nicht beschmutzt zu werden, wer so hier nur von Gottes Gnade lebt wie ein fauler Sohn vom Reichtume seines Vaters, der erwirbt nichts für die Ewigkeit und tritt dereinst als Bettler vor Gottes Thron. Am Jenseits aber wird der Bettler abgewiesen, denn wer das Mitleid Gottes hier verbrauchte, dem bleibt nichts davon für den Himmel übrig! So ist also das Erdenleben eine Vorbereitung auf das große, einstige Examen. Das Zeit, weiches du als Pilger hier aufschlägst, es sei dir ein Kalyb (Modell) des Hauses, welches dich in jenem Leben erwartet! Du darfst nicht nur, nein, du sollst sogar dir dieses Zelt so fest und sicher wie möglich bauen; du sollst es schmücken und verschönern mit den Gaben, welche dir verliehen sind. Du sollst die Erde mit allem, was sie trägt und bietet, kennenlernen; du sollst die Kräfte, mit denen, und die Gesetze, nach denen Gott hier waltet, wohl mit Fleiß studieren; du sollst die Erscheinungen der irdischen Natur und die Entwickelung des Menschengeschlechtes mit steter Aufmerksamkeit verfolgen und ja nicht versäumen, auch deinen Teil für den auf das Glück dieses Geschlechtes gerichteten Fortschritt beizutragen, aber du darfst dabei nie vergessen, daß du hier eben nur in einem Zelte wohnst, welches Gott, der Herr. von Augenblick zu Augenblick abbrechen kann, um dich hinauf ins ewig feste Haus, ins Vaterhaus, zu rufen!«

Er machte hier wieder eine Pause, während weicher er leise vor sich hinflüsterte, als ob er mit jemand spreche, den wir nicht sehen und nicht hören konnten. Dann sagte er wieder laut:

»So ist also deine Tätigkeit geteilt zwischen hier und dort, du hast nach irdischer Erkenntnis und nach himmlischer zu trachten; die irdische brauchst du für nur kurze Zeit, die himmlische aber für die Ewigkeit, diese letztere ist also unendlich wichtiger als die erstere. Ihr aber handelt in trauriger Verblendung grad umgekehrt! Ihr arbeitet, als ob die Erde und euer hiesiges Leben mit ihr von ewiger Dauer, das Jenseits aber nur der vergängliche, trügerische Traum eines kurzen Schlummers sei. Und wer oder was ist schuld daran? Nur diese eure Verblendung, weiche euch verhindert, einzusehen, daß es zweierlei Erkenntnis gibt. Zur Erkenntnis des Irdischen führt euch die Wissenschaft; die Erkenntnis des Jenseits bietet euch nur der Glaube. Jeder einzelne Gelehrte ist stolz auf seine kleine, irdische Wissenschaft, und der Stolz aller Gelehrten, die es gab und gibt, zusammengenommen, lieferte das Material zu einer Mauer der Einbildung und Überhebung, mit welcher ihr euch umgeben und eingeschlossen habt. Hinter dieser Mauer sitzt ihr als Gefangene eurer Wissenschaft und könnt nun nicht mehr über sie, die immer höher steigt, hinweg und hinaus ins Weite blicken. Das kleine, runde Stück Himmel, welches ihr über euch noch sehen könnt, imponiert euch nicht, weil es eurer Gelehrsamkeit ja so leicht wird, die Luft da oben in Stick und Sauerstoff, und das darin flutende Licht mit einem Stückchen Glas in Farben zu zerlegen. Seht doch ein, daß dies auch noch zur irdischen Erkenntnis gehört und mit der himmlischen nicht im geringsten in Beziehung steht! Und wenn es euch gelänge, die Sonne und alle Planeten, welche sie umkreisen, bis auf ihre Mittelpunkte zu erforschen, so würde das noch kein einziger Schritt zur Erkenntnis des Jenseits sein. Steigt mit eurer Wissenschaft noch über die Bahn der Sonne hinaus, um noch fernere Sonnen, fernere Welten zu berechnen; es wird euch wohl auch das gelingen; aber ihr habt es doch nur immer mit Stoff und Kraft zu tun; die Seele bleibt euch unerforscht. Vor dem Jenseits sinkt eure Wissenschaft, eure Gelehrsamkeit in sich zusammen, denn hier handelt es sich nicht um die irdische, sondern um die himmlische Erkenntnis, zu welcher nur der Glaube führt. Wißt ihr, was Glaube ist?«

Er sprach diese Frage in verstärktem, aufforderndem Tone aus und richtete das Gesicht zu uns nieder, als ob er eine Antwort erwarte. Ich sagte darum, obgleich ich nicht wußte, ob ich ihn unterbrechen dürfe oder nicht:

»Der Glaube ist das geistliche Sehen dessen, was das körperliche Auge nicht sieht.«

Er gab weder eine Zustimmung noch einen Widerspruch, sondern sprach, als ob er meine Worte nicht gehört habe, weiter:

»Dieses Wort hat bei euch nicht die volle Bedeutung des Begriffes, den es ausdrücken soll. Für das, was der Glaube ist, hat keine Erdensprache das richtige, den ganzen Sinn umfassende Wort. Das Wort Glaube bezeichnet bei euch eine Zuversicht ohne den tatsächlichen Beweis; aber bei denen, die nicht in irdischen Leibern wohnen, bedeutet der Glaube eine jeden Irrtum ausschließende Überzeugung, welche auf der innigsten Vereinigung des Glaubenden mit dem Gegenstande des Glaubens beruht und darum nicht das Ergebnis eines auch nur eine Erdensekunde langen oder gar Jahrhunderte in Anspruch nehmenden Forschens ist. Darum steht der Glaube so unendlich hoch über der Wissenschaft. Könnte ich euch ein Beispiel geben, euch dies zu erklären! Hier sitzest du, Hadschi Halef Omar, vor mir. Die Geliebte deines Herzens, Hanneh, ist dein Weib. Glaubst du das?«

Der kleine Hadschi war so ganz Ohr, daß er sich zusammenraffen mußte, um zu antworten:

»Natürlich ist sie es!«

»Sie wohnt bei dir; sie ißt und trinkt mit dir; sie sorgt für dich; sie reitet jetzt mit dir durch die Wüste. Ist sie wirklich dein Weib?«

»Alla l‘Allah! Wehe dem, der mir das nicht glauben wollte, wenn ich es ihm sagte!«

»Du glaubst es; das heißt, du weißt es. Keine Wirklichkeit steht für dich so sicher, so untrüglich bewiesen da wie diese. Da aber kommt der Kadi und fordert von dir Beweise. Du mußt ihm nachweisen, wann und wo ihr geboren seid, wer eure Eltern waren, weichem Glauben ihr angehört, wessen Untertanen ihr euch nennt und an weichem Orte, zu welcher Zeit und vor weichen Zeugen ihr euch zu diesem Bunde vereinigt habt.«

»Er soll nur wagen, zu kommen! Er muß glauben, daß – —«

»Sprich nicht vom Glauben bei ihm!« unterbrach ihn der Münedschi. »Das Überzeugtsein nach solchen Beweisen ist nicht Glaube zu nennen und hat vor dir keinen Wert. Deine Hanneh war das Beispiel, weiches ich euch zeigen wollte. Du bist der Glaube; der Kadi ist die Wissenschaft. Der Gläubige ist in inniger Liebe mit Gott verbunden; er kennt ihn; er lebt in ihm; er wirkt durch ihn und mit ihm. Die Wissenschaft verlangt von Gott einen ausführlichen Urkundenbeweis; sie sieht ihn nicht; sie hört ihn nicht, sie fühlt ihn nicht, weil sie über das Irdische nicht hinüber kann, und dringt über die Mauer ja einmal ein Hauch des Himmels herein, dessen Ursprung der Gelehrte nicht zu erkennen vermag, so spricht er in seiner Verlegenheit von einer Wissenschaft des Verborgenen. Aber was ihm verborgen ist, das ist dem Gläubigen offenbar, denn mag die Wissenschaft behaupten, sie allein könne sehen, es gibt noch ganz andere Augen als die ihrigen, klare, helle, scharfe Augen, die nie und nimmer altern, die ohne Brille im kleinen Sonnenstäubchen und ohne Fernrohr in den unmeßbaren Welten das beglückende Wort der Offenbarung Gottes lesen. Wieviel solche Augen aber gibt es unter den Millionen Menschen, welche auf Erden wandeln? Es sind seit dem Dasein eures Geschlechtes tausend Generationen gekommen und wieder gegangen; der Glaube war für sie das Wort, welches er noch heut bei euch ist. Verschwindend nur ist die Zahl derer, für die er das ist, was er sein soll. Er wurde nicht geübt. Das Organ aber, welches man nicht übt, wird schwächer und immer schwächer; in dieser Schwachheit vererbt und dann noch weniger beachtet, verschwindet es mehr und mehr, und endlich kommt ein Geschlecht, dem es gänzlich mangelt und fehlt. Die Wissenschaft, die Erkenntnis des Irdischen, wurde bevorzugt seit uralten Zeiten. Darum entwickelte sie sich mehr und mehr. Unzählig sind die, welche ihr dienten, weiche sie nährten und pflegten in unausgesetzter Arbeit bei Tag und bei Nacht. So wuchs sie empor zur Riesin, welche hinaufgreift sogar nach den Sternen. Nun wird sie, die trotz dieser Größe von Mauern Umgebene, von ihren Jüngern noch höher gehalten als Gott! Die Erkenntnis des Himmlischen fand nicht dieselbe Pflege, denn zu üben, was sie verlangte, das hielt man für zu schwer. Ja, Kinder Gottes gab es in Scharen; aber die sich so nannten, die waren es nicht. Zuweilen wohl tauchte, hier oder dort, der lebendige Glaube auf; dann ging auch sogleich eine Kraft von ihm aus, weiche Ströme von Segen spendete. Doch kaum war er mächtig geworden, so machte man ihn wieder zum Worte, zum Wahlspruch für irdische Zwecke, zur blutigen Fahnendevise, die man von Schlacht zu Schlacht schleppte, bis er zusammenbrach. Der Wissenschaft gönnte man Frieden, obwohl sie dem Menschen die Werkzeuge des Kampfes verfertigte; den Glauben aber, den friedlichen Sohn des Himmels, der die Liebe, die Versöhnung predigte, verwandelte man in das Zerrbild seiner selbst, kleidete ihn in das Gewand des Hasses und nahm ihn zum Vorwand des Kampfes bis auf den heutigen Tag. So hat man aus dem Worte Glaube‘, allerdings nicht aus ihm selbst, das Gegenteil gemacht von dem, was er ist und für die Menschheit sein soll, und schüttelt höhnisch lächelnd den Kopf, wenn jemand sich unterfängt, zu behaupten, er führe zur höchsten Erkenntnis und sei der einzige Weg zur Wahrheit. Aber der Allweise gab ewige Gesetze, die stetig bestehen und wirken, die nimmer aufhören, auch eure verehrten Kräfte und Stoffe zu lenken und zu beherrschen, und diese Gesetze verbürgen dem Glauben den einstigen Sieg. Nehmt euch nur seiner an, wie ihr euch der Wissenschaft angenommen habt! Widmet ihm denselben Fleiß, dieselbe Arbeit und Tatkraft, die von jeher auf sie verwendet wurden, und ihr werdet sehr bald erkennen, daß er stärker und mächtiger ist als sie. Denn die Wissenschaft ist das Ergebnis nur menschlichen Strebens, der Glaube aber ist göttlichen Geschlechtes; sie belehrt euch über das Wesen und die Wechselwirkungen der Stoffe; er aber läßt euch Gott schauen und führt euch zur Gemeinschaft mit ihm. Denkt ja nicht, sie beherrsche mehr Gebiete als er! Im unendlichen Reiche des Glaubens gibt es mehr Provinzen als in ihrem vergänglichen Bezirke; nur liegen die ihrigen dem irdischen Sinne näher als die seinigen; die ihrigen stehen in euern Büchern schon verzeichnet; die seinigen sind noch zu entdecken. Wenn ihr an der Erforschung dieser himmlischen Gebiete in treuer Begeisterung arbeitet, so schärft ihr die seelischen Augen, weiche bisher geschlossen waren; es wächst ihre Übung im Erkennen, und bald werden sie dann schauen, was jetzt für sie noch im Verborgenen liegt. Die Menschheit ist wohlgeübt in irdischen Dingen, aber in himmlischen nicht. Bindet einen eurer Füße herauf, fest an den Körper, und bewegt euch hinfort auf dem andern; der gefesselte wird nach und nach steif, wird verdorren und euch schließlich seinen Dienst, wenn ihr ihn braucht, versagen. So humpelt und springt der Mensch jetzt einbeinig durchs Leben; nur für den irdischen Wandel gerüstet, fehlt ihm für den Pfad zum Jenseits der Fuß. Darum übt euch im Gehen auf diesem himmlischen Wege; er ist nicht so schwierig und eintönig, wie ihr meint! Führt er auch anfangs über rauhe, steinige Strecken, so kommt ihr doch bald durch Gefilde, wie sie euch so herrlich der andere niemals kann bieten, und aufgehen wird euch dann weiter und mehr die erhabene, strahlende Pracht, die jenseits des Zweifels dem gläubigen Blick sich erschließt. Ihr sollt euch ja freuen über das auf der Erde für die Erde Errungene, denn der Kampf mit dem Leben und der Erfolg geistigen Forschens stählen auch die seelische Kraft. Doch bietet der Weg nach dem Jenseits euch noch höhere Freuden, die sich dann am Ziele vergrößern zur seligen, ewigen Wonne. Zwei Pflichten also sind es, zu deren Erfüllung euch der Herr berufen hat: Ihr sollt mit allen euch gegebenen Kräften für das Diesseits und für das Jenseits wirken. Doch sind diese Pflichten eigentlich nicht zwei, sondern nur eine: Ihr sollt im Diesseits für das Jenseits wirken. Und wie wenig ist das doch bisher geschehen! Das Diesseits nahm die Tätigkeit des Menschen so für sich gefangen, daß er jetzt, nach einer Reihe von Jahrtausenden, noch am Beginne des Himmelspfades steht und nicht einmal Es Setschme, den Ort der Sichtung, kennt, der zwischen dem Augenblicke des Sterbens und dem Tore der Himmel sich befindet. Ich schaue in eure Herzen und sehe in ihnen das Verlangen nach dem Lichte jener Welt. Zwar darf ich euch nicht jene Sphären zeigen, in denen Gott mit seinen Seligen wohnt, denn vor dem Glanz der Herrlichkeit dort oben würde euer Auge gleich bei dem ersten Blick erblinden; aber nach diesem Ort der Sichtung, nach diesem Vorhof kann ich eure Seelen führen. Ihr sollt euch meiner Führung anvertrauen und eine kleine Erdenstunde lang am offenen Jenseits stehen. Was ihr dort seht, merkt‘s euch fürs ganze Leben! Ich tue es, um euch eine Ahnung dessen zu geben, was der Glaube, den ich meine und für den ihr nicht das rechte Wort besitzt, zu sehen und zu erreichen vermag, während selbst eurer höchsten Gelehrsamkeit dort der Zutritt streng und für ewig verboten ist. Denn, sage ich euch, am Tage des Gerichtes, welcher für die Verstorbenen eher beginnt und länger währt, als ihr hier unten denkt, wird niemand über den Reichtum seines Geistes, sondern ein jeder nur über die Schätze seines Herzens Rechenschaft abzulegen haben. Es wird nicht zwischen gebildet oder ungebildet, sondern nur zwischen gut oder bös, zwischen Liebe und Lieblosigkeit unterschieden. Ich werde jetzt meinem Freund, durch den ich zu euch spreche, zeigen, was ihr wissen sollt; er sagt es euch, und wenn ihr etwas nicht versteht, so dürft ihr fragen; doch Erkundigungen irdischer Neugierde werden unbeantwortet bleiben.«

Ograniczenie wiekowe:
12+
Data wydania na Litres:
30 sierpnia 2016
Objętość:
590 str. 1 ilustracja
Właściciel praw:
Public Domain