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Czytaj książkę: «Am Jenseits», strona 15

Czcionka:

»Ich finde keinen Grund, unseren Vorsatz nicht dennoch auszuführen. Die Hauptsache ist die Befreiung der Soldaten. Der Scheik der Beni Khalid pocht darauf, daß sie gefangen sind, und ich freue mich schon jetzt auf sein enttäuschtes Gesicht, welches er uns zeigen wird, wenn er sieht, daß sie im besten Wohlbefinden zu ihm kommen, um ihm den höflichen Besuch der hochachtungsvollen Zuneigung zu machen! Ihre Waffen und Kamele und was ihnen sonst noch alles gehört, das muß man ihnen später doch herausgeben, weil wir sonst den Scheik nicht freilassen würden. Ich bin vollständig überzeugt, daß du das einsiehst!«

»Und ich bin dir außerordentlich dankbar, daß du mir den nötigen Scharfsinn zutraust, der zu dieser Einsicht erforderlich ist!«

»Oh, bitte, bitte! Du machst mich stolz mit dieser deiner Dankbarkeit! Bleiben wir vielleicht noch länger hier?«

»Nein; wir sind fertig. Komm!«

Wir kehrten nach unserem Lagerplatz zurück und gingen da sogleich zu Hanneh hinüber, weiche mit Spannung auf das Ergebnis ihres Vorschlags gewartet hatte.

»Der Effendi ist einverstanden«, berichtete ihr Halef, »vollständig einverstanden! Er war ganz entzückt, als ich ihm den köstlichen Gedanken mitteilte, welche der fruchtbaren Tiefe deines geistigen Vermögens entsprossen ist. Wir sind sofort gegangen, um das Lager der Beni Khalid zu erspähen, und kehren, nachdem uns dies gelungen ist, zu dir zurück, um dich um weitere Erleuchtung zu ersuchen.«

Während er in dieser Weise meine widerstrebende Ansicht in eine begeistert zustimmende verwandelte, richtete ich meine Aufmerksamkeit auf den Münedschi, von dessen Verhalten das Gelingen unseres Planes abhing. Ich konnte hier in dieser Dunkelheit sein Gesicht nicht deutlich erkennen, aber seine im Sitzen gerade Haltung und die Art und Weise, wie er den Worten Halefs zuhörte, sagten mir, daß er wach und geistig munter sei. Dieses bestätigte sich durch die Worte, welche er, als Halef gesprochen hatte, an diesen richtete:

»Ich höre an deiner Stimme, daß du Hadschi Halef bist, der Scheik der Haddedihn, und ich habe erfahren, daß ich mich hier bei Hanneh, deinem Weibe, befinde. Mein Ohr sagt mir, daß jemand mit dir gekommen ist. Wer ist das?«

»Es ist Hadschi Akil Schatir, der Effendi aus dem Wadi Draha«, antwortete Halef.

»So nimm meinen Gruß, Hadschi Akil Schatir Effendi! Du hast Worte der Freundschaft, der Liebe und Barmherzigkeit mit mir gesprochen, bevor und nachdem ich Marrya, deinen Schutzengel, sah. Ihr seid gut und hilfreich zu mir gewesen, dem armen, verlassenen Blinden in der Wüste, und So werde ich tun, was ihr verlangt, und nicht nach dem Grunde dieses eures Wunsches fragen.«

»Welchen Wunsch meinst du?« erkundigte ich mich.

»Hanneh bat mich, in jede Hand eine brennende Fackel zu nehmen und langsamen Schrittes, ohne ein Wort zu sagen, vorwärts zu gehen. Sie versprach mir, daß ich die Ursache dieses Verlangens dann später erfahren werde; jetzt dürfe man es mir nicht mitteilen, weil sonst die dabei gehegte Absicht sehr leicht zu verfehlen sei. Ich tue nie etwas, ohne zu wissen, warum ich es tue; in diesem Falle aber will ich gegen diesen Grundsatz handeln, weil ich weiß, wie sehr ich euch zur Dankbarkeit verpflichtet bin.«

In diesen seinen Worten lag die indirekte Mitteilung, daß Hanneh in ihrem weiblichen Scharfsinne so vorsichtig gewesen war, ihm über die Vorgänge der letzten Stunden nichts mitzuteilen. Das war gut. Ebenso hätte es mich befriedigt, wenn sie das Verlangen, von welchem er sprach, noch nicht an ihn gestellt, sondern gewartet hätte, bis sie unseres Einverständnisses sicher gewesen wäre. Sie war um eine Erklärung ihres Wunsches verlegen gewesen, hatte keine gefunden und sich so allein auf seinen guten Willen verlassen müssen. Das war mir nicht lieb, konnte aber nun nicht geändert werden. Jetzt sagte sie zu mir:

»Du hörst, Effendi, daß ich alles wohl vorbereitet und eingeleitet habe, und da mir Halef sagt, daß auch ihr fertig seid, so brauchen wir mit dem Beginne wohl nicht länger zu warten.«

Indem ich mich nicht fragte, ob diese liebe Ungeduld des Ewig-Weiblichen etwa eine spezielle Eigenschaft nur der Orientalinnen sei, antwortete ich:

»Ja, wir können sofort die Probe machen, ob der Erfolg, den du erwartest, sich einstellen wird.«

»Ich zweifle nicht daran, Sihdi. Wir können also gehen?«

»Wir? Du meinst damit auch dich?«

»Ja. Der Plan ist von mir, und so möchte ich auch gern dabei sein, wenn meine Gedanken zur Wirklichkeit werden. Hast du etwas dagegen?«

»Eigentlich ja. Was wir vorhaben, ist nicht Frauensache. Aber ich will dich nicht um das Vergnügen bringen, auf weiches du dich freust, erwarte aber, daß du stets an meiner Seite bleibst!«

»Ich verspreche dir, dies zu tun!«

»So besorg die Fackeln, Halef! Zehn Haddedihn bleiben mit Kara Ben Halef hier, zur Bewachung derer, welche dort am Feuer liegen. Die anderen gehen mit uns; sie nehmen die Gewehre nicht mit, weit diese hinderlich sein würden, doch die Messer. Ich habe meinen Stutzen, welcher wohl genügen wird, etwaigen Andrang von uns fern zu halten. Ich mit dem Münedschi und du mit Hanneh, wir gehen voraus; die andern folgen hinter uns und tun nichts weiter als das, was wir ihnen sagen!«

Diese Weisungen gab ich deshalb, ohne die Mekkaner zu nennen, weil der Blinde noch nicht wissen durfte, daß sie sich, und gar als Gefangene, bei uns befanden. Kurze Zeit darauf waren wir unterwegs.

Halef führte seine Hanneh, ich den Münedschi am Arme; die Haddedihn folgten uns mit leisen Schritten. Es war ein eigentümliches Unternehmen; ich fühlte etwas wie Scham in mir. Die Anregung dazu hatte allerdings nur von einer Person kommen können, welche mit der Natur noch so direkt in Berührung stand, wie eben unsere Hanneh, und dabei doch so schlau berechnend war wie sie. Ihre Hoffnung stand auf dem Aberglauben der Beni Khalid, und da ich wußte, wie groß er bei den Beduinen im allgemeinen ist, so hatte ich keinen Grund, anzunehmen, daß er grad bei diesem Stamme kleiner sei.

Wir kamen, ohne von irgend etwas auf oder abgehalten zu werden, bei der Stelle an, von welcher aus ich vorhin mit Halef die Beduinen beobachtet hatte, und sahen, daß keine Veränderung inzwischen eingetreten war. Es bekam jeder seine Weisung in Betreff dessen, was von ihm gefordert wurde, und ich muß sagen, daß es unter den Haddedihn keinen gab, der die Sache als ernsthaft oder gar als gefährlich aufgenommen hätte, sie machte vielmehr ihnen allen Spaß. Sie stellten sich hinter uns im Dunkeln auf, den Augenblick erwartend, an welchem sie den Befehl zum Zuspringen erhalten würden. Vor ihnen stand der Münedschi, mit dem Gesichte nicht etwa ganz genau dahin, wohin er gehen sollte, sondern ein wenig nach rechts gerichtet. Warum das? Darum: Wer sich in einem wegelosen Wald verläuft und immer wieder an die Stelle kommt, von welcher er ausgegangen ist, der weiß wohl kaum, weshalb sein Weg einen Kreis bildete. Ganz dasselbe kann einem in der Wüste, in der Prärie, auf jeder pfadlosen Strecke begegnen, wenn die Sonne nicht scheint oder es keine Sterne gibt und man die Zeichen nicht kennt, aus denen die Himmelsrichtung zu ersehen ist. Die Kreislinie, welche man läuft, wird stets nach links gerichtet sein, und zwar deshalb, weil bei den meisten Menschen der Schritt des rechten Fußes oder Beines ein wenig länger als derjenige des linken ist. Dadurch wird der Körper mehr und mehr nach links gedreht, während man doch überzeugt ist, in schnurgerader Richtung zu gehen. Jeder Westmann, jeder Beduine, jeder mit der Wildnis vertraute Mensch weiß ganz gut, wie sehr schwer es ist, auch nur eine halbe Stunde lang einen genau linealen Weg zurückzulegen, wenn die natürlichen Richtungszeichen fehlen.

Der Münedschi sollte nach dem ersten Feuer der Beni Khalid gehen. Er war blind, und konnte es also nicht sehen. Folglich stellte ich ihn nicht front zum Feuer, sondern ein ganz wenig nach rechts gedreht. Die Folge zeigte dann, daß das ganz richtig gewesen war. Er behielt diese Stellung die kurze Zeit bei, während weicher ich mit Halef hinter den Felsen ging, um die beiden Fackeln anzuzünden, was sehr leicht und schnell geschah, weil sie oben ausgefasert waren. Sobald sie brannten, sprangen wir zu dem Münedschi zurück und gaben sie ihm mit der Weisung in die Hände, nun grad vorwärts zu gehen und sie schräg nach oben, damit kein Funke auf ihn fliege, weit von sich abzuhalten. Er tat das und setzte sich langsamen Schrittes in Bewegung.

Diese Übergabe der Fackeln war natürlich so rasch geschehen, daß der Vorgang vom Lager der Beni Khalid aus nicht anders als ein plötzliches Erscheinen zweier Lichter bemerkt werden konnte. Obgleich der Schein dieser beiden flackernden Flammen ein so beweglicher und darum ungewisser war, daß unsere Gestalten nicht von ihm fixiert werden konnten, waren wir doch so vorsichtig, uns niederzuducken, um die Möglichkeit, dennoch gesehen zu werden, gänzlich auszuschließen.

Zunächst hatte es den Anschein, als ob der Blinde viel zu weit nach rechts gehen werde, was Halef zu der besorgten Bemerkung veranlaßte:

»Sihdi, er wird zwischen den Leuten und den Kamelen hindurchgehen, und dies bringt uns um die Hälfte des Erfolges! Wenn alles so gelingen soll, wie wir wünschen, müssen die Beni Khalid ihn genau auf sich zukommen sehen, und dies ist leider nicht der Fall!«

»Diese Sorge ist unnötig«, antwortete ich. »Er wird sich allmählich nach links wenden. Paß nur auf!«

Und wie ich gesagt hatte, so geschah es: Die Linie, welche er ging, neigte sich, als ob unser Wunsch ihm Führer sei, nach und nach dem uns am nächsten liegenden Feuer der Beduinen zu. Ich hatte also ganz richtig gerechnet.

Was die Beni Khalid betrifft, so schienen ihnen die Flammen während der ersten Augenblicke des Brennens entgangen zu sein; aber noch hatte der Münedschi nicht zwanzig Schritte getan, so zeigte sich der Beginn der von uns erwarteten Wirkung. Wir hörten zunächst einige laute, aufmerksam machende Rufe und sahen dann, daß die Beduinen aufsprangen. Zwei so plötzlich in der Finsternis auftauchende Flammen! Was war das? Was hatte das zu bedeuten?! Sie mochten dabei wohl an uns, an die Mekkaner und ihren Scheik denken, aber aus welchem Grunde konnte es einem von den genannten Leuten einfallen, in dieser befremdenden Weise vom Brunnen hierher zu kommen! Sie standen still, erwartungsvoll und stumm. Je mehr der Blinde sich ihnen näherte, desto deutlicher wurde ihnen seine Gestalt. Seine hoch aufgerichtete Figur, seine langsamen, feierlichen Schritte verfehlten ihren Eindruck nicht. Sie wurden bestürzt. Sein ehrwürdiges Gesicht, sein langer, silberweiß glänzender Bart trat immer mehr hervor. Dazu seine wallende Kleidung, welche weit mehr als ein europäischer Anzug geeignet war, ihm ein geisterhaftes Aussehen zu verleihen, das bewegliche Flackern der Fackeln, deren düsterrot glühende Lichter mit hin und her huschenden Schatten wechselten, als ob er von tanzenden, springenden und schleichenden Dschinnen (Geister) umgeben und begleitet werde – – —ihre Bestürzung wuchs und verwandelte sich in Furcht. Jetzt, jetzt erkannten sie sein Gesicht, und die Entscheidung, ob wir unsere Absicht erreichen würden oder nicht, war gekommen. Wenn sie ihre Angst bemeisterten und ihn festnahmen, hatten wir uns im höchsten Grade lächerlich gemacht und unsere Angelegenheit verschlimmert anstatt verbessert!

Aufrichtig gestanden, war ich beinahe überzeugt, daß wir einen Mißerfolg haben würden; nicht so aber die Haddedihn, welche vor Spannung kaum zu atmen wagten und bereit zum schnellen Vorwärtsspringen waren.

»Es gelingt, es gelingt vortrefflich!« raunte Halef seiner Hanneh und mir zu. »Sie haben solche Angst, daß es mir ist, als ob ich sie zittern sähe!«

»Ja, es gelingt!« stimmte sie bei. »Wie schön, daß ihr mich mitgenommen habt! Paßt auf! Nur noch einen Augenblick, so werden sie die Flucht ergreifen!«

Ich zweifelte noch immer; aber die »beste aller Frauen« sollte Recht bekommen; denn gerade jetzt ertönten von den Feuern her die Rufe:

»El Chajal, el Chajal – das Gespenst, das Gespenst! Allah beschütze uns! Reißt aus, reißt aus!«

Hierauf wurden alle vorhandenen Beine, die nicht gefesselt waren, so energisch in Bewegung gesetzt, daß wir nach nur einigen Sekunden keinen einzigen Ben Kahlid mehr sehen konnten. Nun schnellten die Haddedihn vorwärts, Halef an ihrer Spitze; ich folgte ihnen, allerdings etwas langsam. Hanneh sollte eigentlich stehenbleiben, war aber über das Gelingen ihres Planes so enthusiasmiert, daß sie, die gebotene weibliche Zurückhaltung ganz vergessend, sich auch in eilige Bewegung setzte, mir zurufend:

»Mach schnell, Effendi, mach schnell! Haltet den Münedschi auf, sonst läuft er grad in das Feuer hinein!«

Da diese Warnung nicht ganz unnötig war, folgte ich ihr und erreichte den Blinden so, daß er kaum noch zehn oder zwölf Schritte zu tun brauchte, um sein bis zur Erde herabreichendes Gewand in Flammen zu setzen. Als ich ihn angehalten hatte, war Hanneh auch schon da. Ich nahm ihm die Fackeln aus den Händen, übergab ihn ihr und bat sie:

»Führe ihn fort, dahin zurück, wo wir gestanden haben! Ihr dürft uns hier nicht im Wege sein!«

»Aber, Effendi, ich will doch zusehen!« entgegnete sie.

»Das ist unmöglich; das geht nicht so, wie du denkst! Schau, wie alle sich beeilen! Wir müssen schnell sein, denn wenn die Beni Kahlid sehen, was hier geschieht, so kehren sie zurück, und ihr beide könnt euch nicht so rasch entfernen, wie es notwendig ist. Fort, also, fort! Oder willst du uns zwingen, deinetwegen Blut zu vergießen?«

»Das nicht; nein; ich gehe schon!«

Sie nahm den Blinden bei der Hand und entfernte sich mit ihm. Ich hatte, während ich mit ihr sprach, die Fackeln, natürlich mit den Griffen nach unten, to daß sie weiterbrannten, in den Sand gesteckt und nahm den übergehängten vielschüssigen Stutzen vor, um die etwa zurückeilenden Beduinen durch ein ihnen unbegreifliches Schnellfeuer abzuschrecken; aber sie schienen so weit gelaufen zu sein, daß sie das, was jetzt hier vorging, wohl nicht genau sehen konnten.

Das erste, was unsere Haddedihn taten, war natürlich, die Soldaten zu befreien; diese sprangen, sobald sie nicht mehr gebunden waren, auf.

»Nun möchten wir eure Kamele haben«, sagte Halef zu ihnen; »die sind aber in der Dunkelheit nicht schnell genug herauszufinden!«

Es war ein Unteroffizier bei ihnen; dieser antwortete:

»Wir wissen, wo sie sind. Es ist die erste Reihe dort am Felsen. Die andern Reihen gehören den Beni Khalid.«

»Und eure Waffen?«

»Sie stecken mit allem, was man uns sonst noch abgenommen hat, in dem Felseneinschnitte am Brunnen, wohin wir gleich nach unserer Gefangennahme geschafft worden sind.«

Da erkundigte ich mich an Halefs Stelle:

»Seid ihr trotz der Dunkelheit imstande, diesen Ort zu finden?«

»Ja.«

»So nehmt jetzt schnell eure Kamele, und dann holt ihr auch diese Sachen! Hier sehe ich zwei Säcke mit Kameldünger zum Feuern liegen. Nehmt sie mit! Wir brauchen sie!«

Sie taten das und suchten dann ihre Kamele auf. Ich blieb mit Halef noch eine kleine Weile stehen, ohne daß sich ein zurückkehrender Ben Khalid sehen ließ; dann traten wir ihre Feuer aus, nahmen jeder eine der noch brennenden Fackeln und gingen zu Hanneh, weiche mit dem Münedschi wieder bei dem Felsen stand. Wir hatten nur ganz kurze Zeit zu warten, bis die Soldaten mit ihren Tieren bei uns waren. Der Unteroffizier mußte mir die Lage des Felseneinschnittes beschreiben, und da ich daraus entnahm, daß man vom Brunnen aus nicht dahin sehen konnte und uns also von dort aus niemand bemerken könne, brauchten wir die Fackeln nicht auszulöschen und zogen bei ihrem Scheine mit den Kamelen diesem Ziele zu.

Die Stelle lag auf der dem Brunnen entgegengesetzten Seite, nämlich nach Westen, er aber nach Osten. Ich sah, als wir dort ankamen, das Gestein auseinandertreten und eine ziemlich tiefe, aber nicht breite Kluft bilden, in weicher die Asaker mit den Fackeln verschwanden. Sie kamen bald mit ihren Sachen wieder, und ich wies sie an, sich an der Nordseite des Felsens zu lagern und zu warten, bis wir sie holen lassen würden, aber nach Süd und West je einen Posten aufzustellen, um, falls die Beni Khalid ja noch während der Nacht nachforschen sollten, vor einer Überraschung durch sie sicher zu sein. Ich wollte Tawil Ben Schahids wegen der Soldaten nicht gleich mit nach dem Brunnen nehmen, weil ich es für besser hielt, ihm ihre Befreiung jetzt noch zu verschweigen. Nach dieser Anordnung kehrten wir zu unserm Lager zurück, trennten uns aber vor demselben von Hanneh und dem Münedschi, welche im Dunkeln, und also von unseren Gefangenen ungesehen, nach ihrem Ruheplatz hinübergingen.

Der Perser war nicht mit uns gewesen. Er saß mit Kara Ben Halef beisammen und teilte uns mit, daß EI Ghani und Scheik Tawil sich während unserer Abwesenheit außerordentlich widerspenstig benommen hätten und er es für das Beste halte, ihre an Frechheit grenzende Zuversicht dadurch herunterzustimmen, daß wir uns jetzt gleich anschickten, in Beratung über die zu treffenden Strafen zu treten.

»Ja, das soll sofort geschehen«, sagte der kleine, schlagfertige Hadschi. Je eher die Strafe kommt, desto länger wirkt sie, und je länger sie wirkt, desto inniger wird man mit ihr bekannt und desto mehr liebt man sie.«

Da fiel der Scheik der Beni Khalid schnell ein:

»Von einer Strafe kann bei mir nur in dem Sinne die Rede sein, daß ich euch bestrafe, aber nicht ihr mich!«

»Hast du schon vergessen, daß du jetzt nicht sprechen sollst?« wies Halef ihn zurecht. »Wenn du so herzlich wünschest, nicht bestraft zu werden, gut, so werden wir dir zu deinem Glücke nicht hinderlich sein, sondern dir diesen Wunsch sehr gern erfüllen. Du wirst also nicht bestraft, sondern belohnt werden, und zwar mit einer solchen Tracht von Prügeln, daß sie gar nicht auf einmal auf deine Haut zu bringen sind, sondern wir sie in mehrere Portionen teilen müssen! Und wenn du noch einmal redest, ohne um Erlaubnis zu fragen, so sorge ich dafür, daß dir diese Belohnung verdoppelt wird!«

Er schlug dabei in sehr energischer und bezeichnenderweise auf den Griff seiner Peitsche, und da hielt der Scheik es denn doch für geraten, still zu sein. Wir drei aber setzten uns zusammen, um die zwar sehr einfach scheinende, aber doch höchst schwierig zu erledigende Angelegenheit miteinander zu besprechen. Dies geschah selbstverständlich in der Weise, daß weder El Ghani noch der Scheik etwas davon hörten.

Darüber, daß der letztere straffrei ausgehen werde, waren wir gleich anfangs einig. Um so mehr Bedenken verursachte uns der erstere mit seinen Begleitern. Khutub Agha hatte sie nach Meschhed Ali bringen wollen, wo ihnen der Tod, und zwar kein gewöhnlicher, gewiß gewesen wäre. Das durften aber wir nicht zugeben, weil wir an unser dem Scheik gegebenes Versprechen gebunden waren. Er erklärte, daß er darauf verzichte, sie mitzunehmen, aber diesen Ort hier nicht eher verlassen werde, als bis die Beraubung des Heiligtums in der strengsten Weise an ihnen gerächt worden sei.

»Das ist ja eben das, was wir leider nicht zusammenbringen können«, klagte Halef. »Du verlangst die strengste Strafe, also eine Bestrafung am Leib oder gar am Leben, und das ist gegen dieses unser Versprechen. Hätte ich es doch nicht gegeben!«

»Beruhige dich, lieber Halef!« warf ich ein. »Dieser Fehler darf sich nicht über Einsamkeit beklagen; er befindet sich in guter Gesellschaft.«

»Soll das heißen, daß ich auch noch andere gemacht habe?«

»Ja.«

»Welchen zum Beispiel?«

»Als der Scheik der Beni Khalid zum erstenmal unser Gefangener war, hast du als Auslösung gegen ihn nur hier unsern Freund Khutub Agha verlangt; mir aber hätte er auch die Soldaten geben müssen.«

»Die haben wir nun auch!«

»Ja, nun! Das ist aber keine Entschuldigung! Doch lassen wir die Vorwürfe weg! Es handelt sich um eine strenge Bestrafung, aber am Leibe nicht und am Leben nicht. Etwa an Hab und Gut? Er hat ja nichts mit! An der Ehre? Er besitzt keine! Andere Strafarten, die ich vorschlagen könnte, erfordern Zeit, lange Zeit, und die steht uns nicht zu Gebote. Ich muß zu meiner Beschämung gestehen, daß ich keinen Rat weiß.«

»Ist das wahr, Sihdi?« fragte Halef schnell.

»Ja.«

»Du weißt keinen Rat, wirklich keinen?«

»Wirklich!«

»Allah! Allah! Mein Sihdi und Effendi weiß einmal keinen Rat! Jetzt können wir uns in die Teppiche des letzten Gebetes einnähen lassen, denn der letzte Tag bricht an!«

»Scherze nicht; mir ist die Sache ernst!« verwies ihn der Perser. »Wenn ich heimkehre, ohne die Diebe mitzubringen, so muß ich wenigstens sagen können, daß sie nach der Größe ihrer Missetat bestraft worden sind. Euer Versprechen macht mir dies aber unmöglich!«

»Zürne nicht!« bat Halef. »Es gibt bei jeder Verlegenheit einen Weg, ihr zu entgehen, also auch bei dieser. Es gehört zwar Klugheit dazu, aber glücklicherweise kenne ich den Ort, wo ich sie zu suchen habe. Was man im Selamitik (Empfangs oder Herrenzimmer) nicht findet, das muß man im Harem (Frauengemach) suchen, und da mein Effendi keinen Rat weiß, werde ich zu Hanneh gehen!«

Er sprang so schnell auf, daß ich ihn nicht halten konnte, und eilte fort. Er war vollständig überzeugt, daß Hanneh helfen könne und auch helfen werde, und diese seine Überzeugung steckte mich an. Richtig! Als er schon nach kurzer Zeit zurückkehrte, nahm er seinen Sitz mit einem wonnevollen Lächeln wieder ein und sagte:

»Ich habe mich nicht geirrt, denn Hanneh, der schlaue Inbegriff sämtlicher Klugheiten, war augenblicklich mit einer Auskunft da.«

Er sah uns erwartungsvoll an, ob wir in Worte der Bewunderung ausbrechen würden, und als wir aber gar nichts sagten, fragte er mich:

»Willst du denn nicht wissen, was sie gesagt hat, Sihdi?«

»Jawohl will ich es wissen!«

»Du fragst mich aber doch nicht!«

»Gut, so frage ich dich jetzt. Welches Mittel hat sie geraten?«

»Ihr Mittel heißt Bastonade. Ist das nicht großartig?«

»Findest du es so?«

»Natürlich! Und du?«

»Nicht! Du kannst doch sicher sein, daß wir beide, nämlich Khutub Agha und ich, auch schon an die Bastonade gedacht haben!«

»Aber nicht in der richtigen Weise!«

»Wieso?«

»Ihr habt folgendermaßen gedacht: Die Mekkaner dürfen nicht an Leib und Leben gestraft werden; die Bastonade aber trifft den Leib und kann sogar, wenn der Hiebe zu viele fallen, tödlich wirken; folglich dürfen wir sie nicht in Anwendung bringen. Nicht wahr, so waren eure Gedanken?«

»Wenigstens die meinigen, ja.«

»Das ist aber falsch, vollständig falsch! Hanneh, die scharfsinnigste aller Frauen, macht das viel besser. Beantworte mir die Fragen, die ich an ihrer Stelle an dich richte! Wenn die Bastonade nicht tötet, ist sie da eine Strafe am Leben?«

»Nein.«

»Du ziehst die Pantoffel an die Füße; sind sie da eine Bekleidung für den Leib?«

»Eigentlich nicht.«

»Was eigentlich! Du kannst die Pantoffel nicht an den Leib ziehen und wirst sie auch nicht als Leibbinde anlegen. Sie gehören nur an die Füße. Weiter: Wohin bekommt man die Bastonade?«

»Auf die Fußsohlen.«

»Wird da der Leib bestraft?«

»Ja, denn die Füße sind ein Teil des Leibes.«

»Nein! Sie sind ein Teil des menschlichen Körpers, aber nicht des Leibes. Lautet aber unser Versprechen etwa so, daß die Mekkaner nicht an Körper und Leben bestraft werden sollen?«

»Nicht an Leib und Leben«, antwortete ich sehr ernsthaft, obgleich seine Art und Weise mich innerlich belustigte.«

»Nun gut! Hanneh hat also vollständig recht, wenn sie sagt: Wenn ihr ihm die Bastonade in der Weise gebt, daß er nicht daran stirbt, so handelt ihr nicht gegen euer Versprechen, denn er bekommt sie nicht auf den Leib, sondern auf die Sohlen seiner Füße, welche zwar Teile des Körpers, aber nicht des Leibes sind. Nun, Effendi, was denkst du nun? Bewunderst du nicht die Folgerichtigkeit der unübertrefflichen weiblichen Gedanken, welche ich euch jetzt aus meinem Tachtirwan herübergeholt habe?«

»Ja, ich zolle ihnen meine Bewunderung.«

»Schön! Da aber Bewunderung zugleich Anerkennung bedeutet, so liegt in diesen Worten die Zustimmung, weiche wohl auch du, Khutub Agha, mir nicht verweigern wirst!«

Der Perser erteilte seine Einwilligung nur zu gern:

»Ich danke dir, Hadschi Halef, ich danke dir von ganzem Herzen! Erst schien es, als ob diese verruchten Diebe sich hohnlächelnd hinter eurem Versprechen verbergen könnten, und ich hatte schon den stillen Entschluß gefaßt, sie auf meine eigene Faust zu bestrafen, was mir niemand verbieten kann, weil ich mich durch kein Versprechen verpflichtet habe, ihnen nichts zu tun. Um so mehr freut es mich, daß die Blume deines Herzens uns diese schöne und hochwillkommene Erleuchtung gespendet hat, und es kann mir

gar nicht in den Sinn kommen, mit meiner Einwilligung auch nur einen Augenblick zu zögern. Diese diebischen Schänder des Heiligtums sind um sostrafbarer, als sie ihr Verbrechen als unsere Gäste und Abgesandte des Großscherifs begangen haben, und es versteht sich darum ganz von selbst, daß wir uns nicht etwa für einen milden Grad der Bastonade entscheiden!«

»Das fällt uns nicht ein!« stimmte Halef sehr gern bei. »So viel wie möglich, das ist der Grundsatz, weicher uns zu leiten hat, wenn wir die Zahl der Hiebe bestimmen.«

»Ganz recht; so viel wie möglich! Die meisten aber hat der Ghani zu bekommen, weil er der Urheber des Verbrechens und zugleich der boshafteste von ihnen allen ist. Da wir über diesen Punkt unter uns wohl sehr einig sind, bitte ich dich, Hadschi Halef, mir zu sagen, welches Quantum du für jeden einzelnen bestimmst.«

»Einzeln? Hm! Am liebsten wäre es mir, wenn jeder einzelne die ganze Summe bekäme, weil da jeder das, was er zuviel erhalten hat, den andern zurückgeben könnte, was eine unaufhörliche Bastonade zur Folge hätte. Die Bestimmung, weiche du von mir verlangst, ist schwer zu treffen. Möglichst viel, aber keiner darf daran sterben! Ich schlage also zunächst eine Probebastonade vor, durch welche wir erfahren, wieviel Hiebe jeder von ihnen aushalten kann. Wenn wir das dann wissen, ist die Zahl der Schläge leichter zu bestimmen.«

»Das ist wohl wahr«, lächelte der Perser. »Leider aber würde dieser Versuch uns um die eigentliche Vollstreckung bringen, weil wir zu lange auf die Heilung der Sohle warten müßten, und dazu haben wir ja keine Zeit!«

»So nehmen wir die Probe gleich als Vollziehung und beschäftigen uns mit jedem Paar der Sohlen so lange mit hingebender Aufmerksamkeit, bis wir sehen, daß seine Zufriedenheit den höchsten Grad erreicht hat.«

»Das ist das einzig Richtige; ich stimme bei!«

»Ich natürlich auch, da es doch mein eigener Vorschlag ist! Und du, Sihdi? Was sagst du dazu?«

»Ich gebe auch meine Einwilligung«, antwortete ich, da dieses Urteil mir ein Einschreiten immer offenließ.

»Ich danke dir!« nickte mir der Hadschi freundlich zu. »Schon dachte ich, du würdest in deiner bekannten, nur allzuoft geübten Milde deine Stimmt gegen diesen unsern ebenso gerechten wie weisen Beschluß erheben. Wir sind also einig, und nun fragt es sich nur noch, wann die Bestrafung vorgenommen werden soll. Ich stimme für jetzt gleich.«

»Ich auch«, erklärte der Basch Nazyr.

»Ich nicht«, sagte ich.

»Warum nicht?« fragte Halef.

»Weil jetzt der nötige Effekt fehlen würde. Ein Exempel muß am hellen Tage und vor den Augen sämtlicher Krieger der Beni Khalid statuiert werden.«

»Das ist richtig, ganz richtig, außerordentlich richtig!« belobte mich der Hadschi, ohne sich zu sagen, daß mich ein heimlicher Grund zu diesem Vorschlage veranlaßt haben könne. Jetzt bist du so, genau so, wie ich mir meinen Effendi immer wünsche! Du bist zu meinem größten Leidwesen so oft der Meinung gewesen, daß man das Ebenbild Gottes‘ nicht durch Prügel schänden und beleidigen dürfe; ich aber sage dir, daß für einen Menschen, der sich dieses Ebenbildes entäußert hat, grad nur die Prügel die allein richtige Bestrafung bildet. Der Verbrecher ist und bleibt im allgemeinen ein Mensch, und so soll die Strafe menschlich sein; aber wenn zu seiner Tat sich noch besondere Unmenschlichkeiten gesellen, so ist der Stock die allein richtige Antwort darauf. Es kommt auch auf die Art und Weise an, in welcher gegen das Gesetz gehandelt wird, und ich bin überzeugt, daß viele, viele Roheiten, Frechheiten und Schamlosigkeiten unterbleiben würden, wenn die Betreffenden überzeugt wären, daß darauf die Prügel die unbedingte und unvermeidliche Folge sei. Ja, wir warten bis früh, weil da das den Mekkanern gereichte Gericht durch die vielen auf sie gerichteten Augen die verschönernde und verfeinernde Würze bekommt. Aber dagegen wirst du doch nichts haben, daß ich ihnen schon jetzt mitteile, wie freundlich wir für ihre Morgenunterhaltung sorgen werden? Ich setze sie durch diese zarte Rücksicht in den Stand, die lieblichen Wohlgeschmäcke der Bastonade schon jetzt in Gedanken mit Wonne vorauszugenießen!«

»Das magst du tun; ich will dich gar nicht hindern.«

»Da erhob er sich von seinem Sitze, was mir die Überzeugung gab, daß er beabsichtigte, seine Mitteilung in eine schöne, rhetorisch tadellose Form zu kleiden. Das war ja seine geliebte Spezialität. Sich an die Mekkaner wendend«, sprach er mit lauter Stimme, um auch von Hanneh drüben gehört und verstanden zu werden:

»Ihr habt den aus drei erlauchten Richtern bestehenden Ars odassi es Sahra (Oberster Gerichtshof der Wüste) jetzt hier vor euch versammelt gesehen. Diese edlen und erhabenen Rechtsgelehrten, vor denen es kein Ansehen der Personen und keinen nachträglichen Justizmord gibt, sind mit den Augen ihres Geistes und den Blicken ihres Scharfsinnes in die moralischen Tiefen des von euch begangenen Diebstahles eingedrungen. Sie haben die Vervorfenheit eurer Herzen, die Verwahrlosung eurer Seelen, die Unzulässigkeit eurer Absichten und die große Strafbarkeit der Ausführung so vollständig durchschaut und so vollkommen erkannt, daß eure Schuld in ihrem ganzen, zur Rache fordernden Umfange vor ihnen liegt. Da jede Schuld, also auch die eurige, gesühnt werden muß und dieser Gerichtshof dazu berufen ist, nicht nur die Art und Weise sondern auch die Höhe der durch euer Verbrechen herausgeforderten Strafe erst zu bestimmen und dann an euch vollziehen zu lassen, so neige ich mich in Freundlichkeit zu euch nieder, um euch den von uns gefällten Urteilsspruch zunächst vor die Füße und dann euch in die Herzen zu legen. Wir haben nämlich beschlossen, euch das Andenken an die Beraubung des Kanz el A‘da so tief und unauslöschlich auf die Fußsohlen zu zeichnen, daß ihr euch nie darüber beklagen könnt, für euer späteres Dasein keine liebe Erinnerung daran von uns mitbekommen zu haben. Da diese Eingrabung der Denkzeichen bei Beginn des Morgens und im Beisein sämtlicher Krieger der Beni Khalid von unserer Seite gewiß mit dem größten Nachdrucke vorgenommen wird, so sind wir überzeugt, daß ihr sie dann von eurer Seite mit derjenigen Tiefe des Verständnisses und des Gefühles entgegennehmen werdet, welche unbedingt nötig ist, wenn unser dabei gehegter Wunsch in Erfüllung gehen soll, auch später in der Ferne mit euch und euern Gedanken in steter und ununterbrochen schöner geistiger Beziehung zu bleiben!«