Czytaj książkę: «Bad Santa»

Czcionka:

Karin Szivatz

Bad Santa

Mörderisch-blutige Weihnachten

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Santas Präsente

Santas Autopanne

Santas Zaubertrank

Santas Sternenzauber

Santas Nachbarhund

Santas Firmenweihnachtsfeier

Impressum neobooks

Santas Präsente

Seit gut zwei Stunden saßen die beiden Kinder mit ihren Großeltern im Wintergarten und spielten Monopoly. Obwohl es Kakao und bunte Weihnachtskekse gegeben hatte, waren die beiden unruhig. Ständig quengelten sie und fragten, wann es nun endlich so weit sei. Doch die Großeltern vertrösteten wieder und wieder.

Doch endlich hörten sie das lang ersehnte Klingeln des Glöckchens. Emily und Tim sprangen von der Couch und stürmten ins Wohnzimmer ohne auf das Spielbrett zu achten, das in hohem Bogen vom Tisch auf den Boden fiel. Das Spielgeld war vergessen, die roten Plastikhotels und die Gefängnisecke; jetzt zählten nur noch der festlich geschmückte Weihnachtsbaum und die bunten Geschenke.

„Das Christkind ist da!“, rief Emily erfreut aus und bremste kurz vor der geschlossenen Wohnzimmertür ihren Sprint ab. Tim war vor Freude so außer sich, dass er gar nicht bemerkte, dass seine Schwester vor der Tür stand und krachte geradewegs in sie hinein. „Au! Spinnst du?“, schimpfte sie und funkelte ihn böse an. Doch schon in der nächsten Sekunde waren ihr Schmerz sowie der Ärger vergessen und sie drückte feierlich die Türklinke hinunter. Als sie die hellen Lichter, die bunten Kugeln und die verführerischen Süßigkeiten am Baum sah, blieb sie vor dem Wohnzimmer stehen und hielt mit großen Augen die Luft an. Auch Tim hatte es die Sprache verschlagen und er stand ebenso still wie seine Schwester. Doch schon nach wenigen Sekunden löste sich ihre Starre und sie stürmten laut jubelnd auf den Baum und die darunter liegenden Geschenke zu. Ihre Eltern standen aneinander gekuschelt in der Ecke beim Fenster und beobachteten mit feuchten Augen ihre beiden Sprösslinge. Auch die Großeltern hatten nun das Wohnzimmer erreicht und waren ebenso glücklich. Sie alle hatten den Kleinen ganz offensichtlich so richtig viel Freude bereitet.

„Eine Autorennbahn!“, rief Tim begeistert, als er das rote Papier mit der weißen Schleife vom größten Päckchen riss. „Und noch dazu die mit den Sportwagen!“ Er sprang auf und hüpfte vor Freude im Kreis. Dann ließ er sich wieder auf die Knie fallen um das nächste Paket zu finden, auf dessen Kärtchen sein Name stand.

„Hier Oma, das ist für dich“, sagte er strahlend und überreichte ihr seinen Fund. Dann kramte er weiter und fand ein hellblaues Päckchen mit einer roten Schleife darauf, auf dem sein Name stand. Eilig riss er das Papier auf und jubelte erneut. Er hatte das Handy bekommen, das er sich seit vielen Monaten gewünscht hatte.

Auch Emily stieß immer wieder Freudenschreie aus, weil sie genau jene Geschenke bekommen hatte, die sie sich gewünscht hatte. Als die beiden Kinder die letzten beiden Pakete öffneten, sahen sich die Eltern verdutzt an. Sie hatten diese Geschenke weder gekauft noch eingepackt, doch sie gingen davon aus, dass die Großeltern noch in letzter Minute die Pakete unter den Baum geschmuggelt hatten. Nun waren sie ebenfalls gespannt, welche Geschenke sich darin verbargen.

Ungeduldig warteten sie, bis ihre Kinder die Päckchen aufgerissen und den Inhalt präsentiert hatten. Und sie nickten zustimmend, denn darin befanden sich jeweils ein weihnachtlicher Pullover mit Rudi, dem Weihnachtsrentier auf der Vorderseite. Und seine rote Nase leuchtete hell auf, wenn man sie drückte. Emily und Tim schlüpften aus ihren Pullovern und streiften die neuen über. Sie passten wie angegossen und waren herrlich weich und warm.

„Greif mal, Oma, wie weich mein Pullover ist“, prahlte Timmy und hielt ihr seinen rechten Unterarm hin. Seine Großmutter fühlte die Wolle und lächelte. „Wirklich! So weich wie eine Perserkatze… hoffentlich beginnt der Pullover nicht zu schnurren“, scherzte sie und nahm auf dem breiten Sofa Platz. Ihre beiden Enkel waren ihr ganzes Glück auf dieser Erde.

Großvater setzte sich neben sie und nahm ihre Hand. „Schöne Weihnachten, meine Liebe!“, hauchte er und küsste ihre mit Altersflecken übersäte Hand.

„Iiiiihhhhh!“, rief Timmy angewidert und drehte sich demonstrativ von den beiden weg. „Nehmt Euch doch ein Zimmer!“

Oma und Opa lachten ebenso wie Emily und deren Eltern. Der Weihnachtsfrieden hatte sich über die kleine Familie gelegt und ließ nun alle Herzen im gleichen Rhythmus schlagen.

Nachdem sie zu Tisch gegangen waren stand Emily noch einmal auf und wollte ihren neuen Rudi-Pulli ablegen. „Der ist ganz schön warm, ich schwitze schon darunter. Außerdem möchte ich ihn nicht gleich schmutzig machen“, verkündete sie und packte ihn am Halsausschnitt, um ihn über den Kopf zu ziehen. Doch der Pullover bewegte sich nicht. Sie versuchte es erneut am Halsausschnitt, doch sie zog erfolglos daran herum. Dann nahm sie einen Ärmel, doch auch dieser bewegte sich nicht. Nun wurde sie panisch und riss direkt daran, aber er saß wie mit der Haut verwachsen an ihrem Arm fest. „Mama“, brüllte sie und zog damit die Aufmerksamkeit der ganzen Familie auf sich. „Der geht nicht ab! Der ist an mir festgewachsen!“

Sie strampelte mit den Beinen, sprang im Wohnzimmer herum, riss und zog und wand sich, doch der Pullover bewegte sich keinen Millimeter. Ihr kleines Gesicht hob sich hoch rot von ihrem blonden Haar ab und ihr verzweifelter Ausdruck veranlasste ihre Mutter, ihr Glas fallen zu lassen und zu ihr zu stürmen.

Timmy sah seine Schwester mit großen Augen an, löste sich aber alsbald aus der Starre und wollte seinen Pullover ebenfalls so schnell als möglich los sein. Auch er zog am Halsausschnitt, doch auch sein Pullover ließ sich ebenfalls keinen Millimeter von seinem Körper wegziehen. Er kreischte laut auf, zog wie von Sinnen an verschiedenen Stellen des Pullovers, doch er saß fest, als wäre er an dem kleinen Körper angeschweißt.

Die Großeltern stürzten sich auf ihren Enkel, um ihm bei seinen verzweifelten Versuchen zu helfen, doch auch sie waren machtlos. Die Eltern rissen panisch an Emilys Weihnachtsgeschenk herum, doch auch sie konnten es nicht vom Leib ihrer Tochter ziehen.

Der Großvater rannte daraufhin in die Küche und kam mit einer großen Schere zurück. Vorsichtig versuchte er, sie am Halsausschnitt am Rücken zwischen Timmys Haut und Pullover zu schieben, doch es war unmöglich, auch nur die Spitze einen halben Zentimeter hineinzubringen. Dann versuchte er es an beiden Ärmelöffnungen, doch es war ebenso vergebens.

Die Kinder heulten nun schon lautstark und die Tränen kullerten über ihre bereits dunkelrot verfärbten Gesichter. „Es wird immer heißer!“, rief Timmy verzweifelt. „Und der Pullover wird immer enger. Es tut hier schon richtig weh!“ Er zeigte auf seine Oberarme, die beinahe schon so dünn wie die Unterarme waren. Sein Vater nahm das unschuldige Gesicht in seine Hände, küsste ihn wortlos auf die heiße Stirn und rannte davon. Seine Mutter drückte ihn an sich und begann laut zu weinen.

Der Großvater war mittlerweile wieder in die Küche gestürmt um nach dem schlanksten und schärfsten Messer zu suchen. Damit versuchte er erneut, den Pullover von Timmy zu schneiden. Als dies nicht gelang, schrie er Emily an: „Jetzt hör doch endlich auf zu heulen! Wir tun, was wir können. Komm her, vielleicht kann ich ja deinen Pullover runterschneiden.“

Daraufhin wurde das kleine Mädchen noch nervöser und sie zappelte nur noch herum. Großvater hatte Angst, sie mit dem Messer zu verletzten und klemmte sie deshalb zwischen seinen Beinen ein. Doch auch bei diesem Pullover war der alte Mann der Verlierer.

„Lass mich los!“, kreischte Emily hysterisch. „Ich bekomm’ keine Luft mehr! Und meine Hände tun ganz schrecklich weh! Helft mir doch!“

Die Mutter hob die kleinen Hände ein wenig in die Höhe um sie besser begutachten zu können und tatsächlich waren die Hände beider Kinder fast blutleer, beinahe weiß. Nun wich auch ihr das Blut aus dem Gesicht und sie holte mit ernster Miene ihr Handy vom Esstisch. „Ich rufe den Notarzt an“, flüsterte sie mehr zu sich selbst als zu jemand anderem und wählte 144. Nachdem sie ihren Namen und die Adresse durchgegeben hatte, schrie sie nur ins Telefon, dass die Hände ihrer Kinder gleich absterben würden, legte auf und wählte die Notrufnummer der Feuerwehr. Auch unter der Nummer 122 gab sie nur mit der Bitte, so rasch als möglich zu kommen, Name und Adresse an. „Es geht um Leben oder Tod“, schrie sie noch als Abschluss und warf dann das Handy zur Seite. Dann riss sie zwei Fenster auf und drängte ihre Kinder davor. „Tief einatmen, Hilfe ist unterwegs.“

Wie zum Hohn tanzten zarte Schneeflocken leise vom Himmel und erfreuten die Kinder in der Umgebung an diesem Weihnachtsabend. Doch Tim und Emily nahmen sie nicht wahr. Sie kämpften um ihr Leben während andere Kinder vor die Haustür liefen um die weißen Winterboten mit der Zunge aufzufangen.

In der Zwischenzeit war der Vater aus der Garage zurückgekehrt und hielt eine Blechschere in der Hand. „Damit müsste es gehen“, keuchte er zuversichtlich und setzte sie an der Ärmelöffnung von Timmys Pullover an. Doch auch sie ließ sich keinen Millimeter unter die Wolle schieben. Er fluchte und versuchte an mehreren Stellen mit aller Kraft, die Schere unter das Gewebe zu bringen, doch er war chancenlos. Die Großmutter, die die ganze Zeit über wie eine Salzsäule beim Tisch gestanden hatte, kam nun auf Emily zu und hielt ein brennendes Streichholz an den Pullover. Doch noch ehe sie damit die Fasern berühren konnte, schlug es ihr die Enkeltochter aus der Hand und kreischte: „Nicht anzünden, das … tut … weh!“ Die letzten drei Worte kamen jedoch nicht mehr zusammenhängend, sondern abgehackt, weil sie dazwischen immer wieder nach Luft schnappen musste.

Timmy, der mittlerweile etwas ruhiger geworden war, starrte seine Mutter an. „Ich… bekomme…keine…Luft…mehr“, keuchte er schwerfällig. „Der…Pullover…wird…immer…enger.“ Die letzten beiden Worte waren kaum noch zu vernehmen, so leise hatte das Kind gesprochen. Die Erwachsenen liefen nun heulend im Zimmer herum und wussten nicht, wie sie den Kleinen helfen konnten. Erst als sie die Sirene eines Einsatzwagens hörten, schöpften sie neuen Mut.

Der Großvater lief sofort auf die Straße hinaus, stellte sich mitten auf die Fahrbahn und schwenkte ein weißes Handtuch aus der Küche. „Hierher!“, rief er aufgeregt, „hierher! Wir brauchen Hilfe! Die Kinder ersticken!“

Der Notarzt sprang aus dem Wagen, noch ehe dieser am Straßenrand gehalten hatte und lief ins Haus. Dort fand er die beiden Kinder auf dem Boden liegend nach Luft ringend. Ohne zu zögern öffnete er seine Tasche und holte zwei Beatmungsschläuche heraus, die er ihnen mit geübten Handgriffen in die Kehlen steckte und versuchte, mit einem schwarzen Ballon Luft in die nach Sauerstoff schreienden Lungen zu blasen. Doch so fest er und der Notarztsanitäter die Ballone auch drückten, sie konnten die beiden nicht beatmen. Die Pullover hatten die kleinen Brustkörbe regelrecht eingeschnürt, ja direkt einbetoniert.

Entgeistert sah er die Eltern an, dann zückte er ein Skalpell und versuchte, die Maschen des Pullovers zu durchtrennen. Doch es fühlte sich an, als ob er auf Stein schneiden würde. Die Kinder röchelten indes nur noch und ihre fahlen Gesichter färbten sich langsam blassviolett.

„Herrgott!“, fluchte der Notarzt leise. „Das gibt‘s doch nicht!“ Erneut versuchte er, Luft, dieses Mal mit Sauerstoffzusatz, in die kleinen Lungen zu pressen, doch es war vergebens.

Mittlerweile war auch die Feuerwehr eingetroffen, die ihr Glück mit einer Blechschere, allerdings mit einer großen, hydraulischen, versuchten. Sie legten die Schenkel der Schere an Timmys Oberarm an und hofften, damit die Wolle zerschneiden zu können. Der Motor surrte leise und stetig, jedoch entstand nicht die kleinste Lücke.

Der Notarzt fühlte währenddessen den Puls der Kinder und bekam rote Backen. „Sie werden schwächer, was sollen wir tun?“

Hilflos blickte er in die Runde, sah aber nur in ratlose, verzweifelte Gesichter. Der weitere Versuch, sie zu beatmen schlug ebenso fehl wie jeder weitere seitens der Feuerwehr. Die Eltern sowie die Großeltern schrien, weinten, liefen im Wohnzimmer herum und flehten Gott an, den Kleinen zu helfen.

Doch ihr Flehen war umsonst. Die Pullover wurden enger und enger und die Eltern sowie die Großeltern mussten mitansehen, wie sie die Knochen der Kinder zermalmten. Als eine Rippe nach der anderen brach, knackte es dumpf in den kleinen Brustkörben. Die Wirbel wurden einzeln gequetscht und letztendlich zerbröselten sie wie eine ausgetrocknete Sandburg. Die Augen traten aus den kleinen Höhlen heraus und blickten leblos in die Unendlichkeit des Todes. Die Eltern drückten verzweifelt schreiend die kleinen Körper ihrer Kinder an sich, doch es fühlte sich an, als hätten sie eine mit Beton gefüllte Puppe in den Armen. Die Großeltern saßen dicht an sie gedrängt und hielten die Beinchen ihrer Lieblinge, die nun nie mehr wieder über die Wiese laufen würden. Ihr Schmerz war ebenso groß wie der von Emily und Timmy, ehe sie von den flauschigen Maschen zermalmt wurden.

Bad Santa hatte die ganze Szene vom Anfang an von seinem Schlitten vor dem Fenster aus beobachtet und grinste nun hämisch. „Nun ist es vollbracht“, flüsterte er. „Vielen Dank, meine Lieben. Ihr habt mir ein Schauspiel der Sonderklasse geliefert. Das war ein wirklich besonderes Weihnachtsgeschenk von Euch an mich. Eine größere Freude hättet Ihr mir nicht machen können!“

Schon die ganze Zeit über lag auf seinem rotbäckigen Gesicht ein fieses Lachen. Die Angst, der Schmerz und die Trauer der sechs Tölpel im Wohnzimmer erfüllte sein schwarzes Herz mit Freude. Und er konnte gar nicht verstehen, weshalb seine beiden Rudi-Pullover nur ihm und nicht auch den anderen sehr viel Freude gebracht hatten.

HO HO HO!

Liebe Weihnachtsgrüße von Rudi!

Santas Autopanne

Die blinkenden Lichter, die den Schnee seit beinahe einer Stunde beleuchtet hatten, erstarben. Die beiden ineinander verkeilten Fahrzeuge waren auf dem Weg in die Verwahrstelle und die unzähligen Protokolle gleich vor Ort diktiert worden. „Vielen Dank, Kathi, ab jetzt kommen wir allein zurecht. Dass so etwas auch immer während der Feiertage passieren muss, wenn ohnehin jede Dienststelle heillos unterbesetzt ist.“

„Ja, das ist eben das ungeschriebene Gesetz der Polizei. Aber ich habe es gern getan. Wenn ihr wieder mal etwas braucht, funkt mich an! Es war nett, mit Euch zu arbeiten. Schöne Weihnachten, auch Euren Familien!“

Kathi stapfte durch den Schnee zu ihrem Dienstauto, klopfte sich die weiße Pracht von der Kleidung und setzte das Fahrzeug vorsichtig in Bewegung. Obwohl die Lüftung auf Hochtouren lief, konnte sie nur wenig durch die Frontscheibe sehen. Sie hasste die strengen Winter in dieser Region, liebte aber dafür die drei anderen Jahreszeiten umso mehr. Deshalb blieb sie auch hier und ging nicht weg, wie so viele aus ihrem Freundes- und Bekanntenkreis. Sie hatten ihre Heimat verlassen um sich in sonnigeren Gegenden niederzulassen. Einige davon vermisste sie schmerzlich, andere dafür wieder gar nicht.

Als sie das Ortsschild hinter sich gelassen hatte, schnappte sie sich das Funkgerät. „Wagen drei an Zentrale. Ich bin am Weg zurück zur Dienststelle, der Auftrag ist erledigt.“

„Zentrale an Wagen drei, verstanden!“

Nun konnte sie sich wieder auf die kaum noch sichtbare Straße unter der Schneedecke konzentrieren, doch sie spürte, wie die Müdigkeit langsam in sie kroch und sich breitmachte. Der Einsatz in der Nachbargemeinde hatte sie ziemlich viel Energie gekostet. Noch dazu war es ihr dritter Nachtdienst in Folge. Sie hoffte nur noch, dass es bald sieben Uhr morgens war und sie sich endlich ausschlafen konnte.

Es war der Heilige Abend und eine solche Nacht versprach zumeist, ruhig zu verlaufen. Doch dass die Ausnahmen eigentlich die Regel sind, war mit der Anforderung aus dem Nachbardorf eindeutig bewiesen. Sie war um zweiundzwanzig Uhr losgefahren und in Kürze würde die Uhr Mitternacht schlagen. In sieben Stunden würde sie nach Hause gehen und am Abend mit ihrem Freund Weihnachten nachfeiern; auf ihre ganz spezielle Weise.

Während sie auf der einsamen Landstraße dahinkroch, gönnte sie sich ein paar Gedanken an den kommenden Abend mit Paul. Sie hatte sich eine rote Corsage mit weißem Kunstpelz gekauft, dazu rote Netzstrümpfe und eine sexy Weihnachtsmütze. Damit würde sie unter dem hell beleuchteten Weihnachtsbaum das perfekte Geschenk abgeben.

Während sie sich diese Szene ausmalte, entdeckte sie am rechten Waldrand zwei schwache, rote Lichter; als ob dort ein Wagen zu stehen gekommen wäre.

„Nicht auch das noch!“, seufzte sie leise und tastete sich vorsichtig an den Wagen heran.

Im Scheinwerferlicht konnte sie eine mächtige Gestalt ausnehmen, die ein Weihnachtsmannkostüm trug. Der Mann kam erleichtert auf sie zu. „Sie schickt der Himmel!“, eröffnete er ihr und schien tatsächlich erleichtert zu sein. „Mein Wagen ist liegen geblieben und ich kann den Grund dafür nicht finden.“ Er deutete auf die offene Motorhaube und zuckte kopfschüttelnd mit den Achseln.

„Wäre es vermessen Sie zu bitten, mich zum nächsten Bahnhof mitzunehmen? Ich fürchte nämlich, dass ich heute keinen Pannendienst mehr ergattern werde. Um diese lahme Schrottkiste kümmere ich mich dann morgen, heute ist es einfach schon zu spät und zu vor allem auch zu kalt.“

Kathi musste ihre Augen vor den herabfallenden Schneeflocken schützen, während sie zu ihm aufblickte. „Wenn Sie mit dem Bahnhof von Gatlin zufrieden sind, kann ich sie mitnehmen.“

Der Weihnachtsmann lächelte, ließ die Motorhaube seines Wagens zufallen und hievte einen großen Jutesack von der Rückbank in den Streifenwagen. Dann nahm er auf dem Beifahrersitz Platz und rieb sich die roten Finger. „Jedes Jahr um diese Zeit überlege ich, in den Süden zu ziehen, doch wenn der Frühling kommt, kann ich es mir ganz und gar nicht mehr vorstellen. Der Mensch ist eben ein Gewohnheitstier.“

Kathi nickte wissend und nahm das Funkgerät zur Hand. „Wagen drei an Zentrale. Ich befinde mich auf der Great Ocean-Road und habe einen Weihnachtsmann mit an Bord. Sein Wagen hat bei Kilometer zweiundzwanzig schlapp gemacht. Ich nehme ihn bis zum Bahnhof mit und komme dann unverzüglich aufs Revier. Over and out.“

„Zentrale an Wagen drei, verstanden. Over and out.“

Kathi lenkte den Wagen wieder langsam vom Straßenrand auf die schneebedeckte Landstraße.

„Vielen Dank, dass du mich mitgenommen hast, mein Kind“, sagte der Weihnachtsmann mit sanfter Stimme und zog seinen rechten, weißen Handschuh straff. „Es ist ziemlich kalt und bis zur nächsten Stadt sind es gut und gern sieben Kilometer! Ohne dich wäre ich hier auf der Straße jämmerlich erfroren! Ich bin jetzt schon ganz steif.“

Kathi lächelte ohne die Augen von der Straße zu nehmen. Sie hatte sehr wohl registriert, dass er von der förmlichen Sie-Form zur freundschaftlichen Du-Form gewechselt hatte. Doch sie störte sich nicht daran. Immerhin tobte dichtes Schneetreiben rund um den Wagen und sie musste sich darauf konzentrieren, nicht von der Fahrbahn abzukommen.

„Es sind noch fast neun Kilometer; diese Straße scheint kein Ende zu nehmen. Und wer hier eine Panne hat, der muss auf sein Glück oder Gott vertrauen. Vor allem in Nächten wie diesen kommt kaum ein Auto vorbei. Sie hatten echt Glück, denn ich hatte einen Einsatz im Nachbarort. Die Kollegen brauchten meine Unterstützung.“

„Lassen wir das ‚Sie’ weg, ok? Ich bin Santa und wie heißt du, mein Kind?“

„Ich bin Kathi. Kathrin Leonor Jones. Eigentlich Officer Jones, aber am Land nehmen wir das nicht so genau. Wolltest du denn noch Geschenke verteilen, Santa? Dein Sack sieht ja noch ziemlich voll aus.“ Mit einer knappen Kopfbewegung deutete sie auf den Rücksitz des Polizeiwagens.

Santa sah ihn lächelnd, ja beinahe zärtlich an und nickte. „Zwei Familien warten noch auf ihre Geschenke. Und ich gehe davon aus, dass vor allem die Kinder sehr traurig wären, käme ich nicht noch am heutigen Abend vorbei. Aber damit wird es wohl nichts werden, denn zu Fuß brauche ich bis in die frühen Morgenstunden. Aber vielleicht könntest du mich rasch zu ihnen bringen? Es dauert auch nur einen kurzen Moment.“

Kathi schien zu überlegen, doch Santa setzte seinen Monolog fort. „Es dauert wirklich nicht lange. Ich schleiche mich durch die Hintertür ins Haus, lege die Geschenke unter den Baum und schon bin ich wieder zurück. Kannst du dich noch an die Weihnachten deiner Kindheit erinnern? An dieses Lodern in deinem Herzen, wenn der Christbaum hell erstrahlte und all die bunt verpackten Geschenke, die nur darauf warteten, von dir aufgemacht zu werden?“

Ein Strahlen huschte über das Gesicht der jungen Polizistin, gefolgt von einem Lächeln. „Ich dürfte das zwar nicht, aber wer ist am Heiligen Abend schon so streng? Heute können wir auch mal ein Auge zudrücken, was das Gesetz anlangt; vor allem, wenn es um Kinder geht.“

Santa lehnte sich zufrieden nach hinten und verschränkte seine Hände vor dem dicken Bauch. „Du bist echt nett, du hast ein gutes Herz“, flüsterte er. „Der Weihnachtsmann wird dich sicher dafür belohnen!“

Den Rest des Weges erzählte er ihr von zwei anderen Familien, denen er bereits an diesem Abend einen Besuch abgestattet hatte und erwartete keine Antwort, da der Schneefall immer dichter wurde und die Sicht somit immer stärker eingeschränkt war. Kathi musste ihre ganze Konzentration auf das Fahren lenken und war Santa für sein Einfühlungsvermögen mehr als dankbar. Jeder andere wäre unsensibel genug gewesen, um einen Dialog zu fordern.

Die Lichter der Kleinstadt waren erst in einem Abstand von nur wenigen Metern zu erkennen, weshalb Kathi mit knapp dreißig Stundenkilometern durch die Nacht kroch. Die Uhr am Armaturenbrett zeigte halb eins an. Zu dieser Zeit sollte eigentlich jeder im warmen Bett sein, dachte sie sehnsüchtig, wurde jedoch in diesem Gedankengang unterbrochen.

„Im Kreisverkehr musst du rechts wegfahren und dann gleich wieder rechts abbiegen. Es ist das Haus mit der Nummer sieben, gleich am Anfang der Straße. Dort wohnen Jenny und Davis, zwei überaus reizende Kinder…“

Kathi nickte stumm und hielt eine Minute später vor dem Haus. „Ich bin in wenigen Minuten wieder hier“, versprach er, nahm seinen Jutesack von der Rückbank und stapfte rasch durch den Schnee rund um das Haus herum. Als er verschwunden war, lehnte sich Kathi zurück und schloss kurz die Augen. Die Fahrt hatte ihr mehr abverlangt als sie gedacht hatte. Sie hoffte nun inständig, dass das zweite Haus, das Santa noch besuchen musste, ganz in der Nähe liegen würde.

Sie erschrak, als kalte Luft in den Wagen strömte. Santa war unbemerkt zurückgekehrt und verstaute seinen Sack wieder auf der Rückbank. Womöglich war sie kurz eingenickt, denn sie hatte ihn nicht kommen sehen. Sie rieb sich rasch den Schlaf aus den Augen und startete den Motor.

„Wohin soll es jetzt gehen?“, fragte sie und war erfreut, dass sie nur ein paar Straßen weiter fahren musste.

Vor dem Haus der Remingtons hielt sie an und sah Santa wieder nach, wie er hinter dem Haus verschwand. Es gibt ja doch noch gute Menschen auf dieser Erde, dachte sie und stellte sich die leuchtenden Augen der Kinder am nächsten Morgen vor. Kurz blitzten auch Erinnerungen an ihre Weihnachtsmorgen auf, an denen sie mit klopfendem Herzen die Treppe ins Wohnzimmer gerannt war und vor lauter Staunen den Mund nicht mehr schließen konnte. Gleichzeitig wurde sie von einem wohlig-warmen Gefühl durchflutet. Es kam ihr so vor, als würde die Sonne in ihr aufgehen und sie von innen heraus wärmen.

Sie hing ihren Gedanken nach und war dem Mann mittlerweile sogar dankbar, dass sie sich nun an all die wunderbaren Weihnachtsabende erinnerte. Ohne diese Begegnung wären die Erinnerungen daran verblasst und irgendwann für immer weg und verloren gewesen.

Sie konnte nicht sagen, wie lange sie gewartet hatte, aber im Auto wurde es langsam kühl. Vermutlich hatte er noch alle Kekse aufgegessen und die Milch ausgetrunken, die die Kinder für ihn in die Nähe des Baumes gestellt hatten.

Mit einem Lächeln startete sie den Motor, als der mächtige Mann den Sack wieder auf die Rückbank und gleich darauf sich selbst auf den Beifahrersitz hievte.

Dann kroch sie förmlich zum Bahnhof, um den Weihnachtsmann abzusetzen. Doch noch ehe sie ihn aus dem Wagen steigen ließ, bedankte sie sich im Namen der Familien, die er noch in dieser Nacht aufgesucht hatte, um die Kinder glücklich zu machen. „Jeder andere wäre bei diesem Wetter wohl zu Hause geblieben. Schön, dass es noch Menschen wie dich gibt, die sich von nichts abhalten lassen, um anderen eine Freude zu bereiten.“

Mit einer herzlichen Umarmung verabschiedete sich Kathi von dem großen, schweren Mann und lenkte den Wagen völlig übermüdet zum Revier.

„Hi Leute, alles klar?“, fragte sie schleppend und ließ sich in ihren Stuhl fallen.

Sandy rollte ein kleines Stück von ihrer Telefonanlage weg und sah ihre Kollegin an.

„Du hast auch schon mal besser ausgesehen. Was ist denn los?“

Kathi seufzte tief und ließ ihren Kopf zur Seite fallen. „Die Nachtdienste fallen mir im Moment ziemlich schwer; ich kann mich kaum noch auf den Beinen halten. Und das Fahren bei dem dichten Schneetreiben fordert unheimlich viel Energie. Dabei hatte ich vorhin ein unglaublich nettes Erlebnis mit einem Weihnachtsmann.“

In diesem Moment strahlte ihr Gesicht und sie setzte sich gerade in ihren Stuhl, ehe sie von der herzerwärmenden Begegnung mit dem gütigen Mann erzählte.

Sandy legte den Kopf schief und lächelte. „O ja… es ist wirklich toll, dass es noch Menschen wie deinen Santa Claus gibt. Da wird mir richtig warm ums Herz. Die Menschheit ist ja doch noch nicht verloren! Aber jetzt solltest du dich kurz hinlegen, du siehst wirklich nicht gut aus. Manny und ich schmeißen den Laden schon. Heute ist sowieso nichts mehr los.“

Kathi bedankte sich und schleppte sich in den Gemeinschaftsraum, in dem zwei Feldbetten standen. Sandy scherzte noch ein wenig mit ihrem Kollegen und rollte wieder zum Telefon, als es klingelte. Dann drückte sie den blinkenden Knopf und nahm den Anruf einer alten Dame entgegen, die glaubte, Lichtstreifen am Horizont gesehen zu haben und sich nicht sicher war, ob es nicht ein UFO gewesen sein könnte.

Manny prostete ihr mit seiner Kaffeetasse zu und reinigte seine Dienstwaffe weiter. Während seiner neun Dienstjahre in diesem gottverlassenen Dorf hatte er sie kein einziges Mal benutzt; dabei würde er sich nur zu gerne ein kleines Duell mit einem richtig fiesen Gangster liefern. Nur des Nervenkitzels wegen.

Er stellte sich das Duell wie bei Billy the kid vor und natürlich ging er dabei als Sieger hervor. Also ganz anders als er es in der Polizeischule gelernt hatte und auch dreimal im Jahr im Ausbildungszentrum trainierte.

Während er die Waffe wieder zusammensetze, riss ihn der schrille Ton des Notrufs aus seinen Duell-Träumen.

„Polizeinotruf Gatlin, was kann ich für Sie tun?“, meldete sich Sandy und hielt den Kugelschreiber bereit.

Sie lauschte kurz, sah ängstlich zu ihrem Kollegen hinüber und hielt den Atem an. Ihre Körperspannung verriet, dass es sich um einen richtigen Notfall handelte und Manny legte den Gurt mit seiner Dienstwaffe um. Sandy notierte eine Adresse und wiederholte diese. „Moreview-Drive 7. Es sind die Hendersons, vier Personen. Und sie sind Mister Black von gegenüber. Ronald Black. Vielen Dank für die Information! Eine Streife wird in wenigen Minuten bei Ihnen sein. Gehen Sie bitte in ihr Haus zurück und verschließen Sie die Tür. Öffnen Sie nur unseren Beamten und halten Sie die Telefonleitung frei, falls wir noch Informationen von Ihnen brauchen. Vielen Dank für ihren Anruf und fassen Sie bitte bei ihrem Nachbarn nichts an!“

Sandy schnellte von ihrem Bürostuhl hoch, stürmte ins Hinterzimmer und pochte an die Tür. „Kathi, Kathi, wach auf! Da hat jemand einen Doppelmord gemeldet! Komm schnell! Ich weiß echt nicht, was ich davon halten soll, aber es klang ziemlich ernst. Eigentlich sehr ernst. Ihr müsst euch das auf alle Fälle ansehen!“

Manny starrte sie mit weit geöffneten Augen an; unwillkürlich hielt er den Atem an. In diesem Augenblick stürmte Kathi aus der Tür und prallte gegen ihren Kollegen. Im Nu hatte sie ihre Jacke angezogen und Sandy die Karte mit der Adresse aus der Hand gerissen. „Ich fahre und du erzählst mir alles am Weg“, rief sie Manny zu und war auch schon beim Einsatzwagen.

Während sie das Blaulicht einschaltete und weit schneller fuhr als es der miese Zustand der Straßen eigentlich erlaubte, fragte sie ihn nach der Adresse.

„Moreview-Drive, Hausnummer sieben. Die Familie heißt…“

„Moreview-Drive 7? Ist das dein Ernst?“, brüllte Kathi und widerstand nur schwer der Versuchung, die Adresskarte selbst zu lesen. Sie musste sich auf die Straße konzentrieren, auf der zwischenzeitlich noch etliche Zentimeter des glatten Schnees hinzugekommen waren.

„Ja!“, brüllte Manny zurück, ohne eigentlich zu wissen, weshalb. „Was ist damit? Kennst du die Hendersons?“ Er konnte seine Aufregung nicht verbergen.

Darmowy fragment się skończył.

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