Czytaj książkę: «Der Milliardär und der Mechaniker», strona 4

Czcionka:

Woodside/Kalifornien
Frühlingsbeginn 2000

»Ich spreche über wahre Größe. Ich spreche darüber, der Welt eine Brechstange zu servieren und sie auch einzusetzen«, sagte Larry, während er mit seinem besten Freund Steve Jobs über das Grundstück seines neuen Anwesens in Woodside marschierte, »ich rede nicht über moralische Perfektion. Ich spreche über Menschen, die zu Lebzeiten die Welt am stärksten verändert haben.«

Jobs, der drei Jahre zuvor zu Apple zurückgekehrt war, genoss den verbalen Schlagabtausch und setzte Leonardo da Vinci und Gandhi an die Spitze seiner Liste. Leonardo, ein großartiger Künstler und Erfinder, hatte in brutalen Zeiten gelebt.

Er war Konstrukteur von Panzerwagen, Zinnen, Befestigungswällen und vieler weiterer militärischer Waffen und Befestigungsanlagen für Festungen. Larry scherzte: Wenn Leonardo nicht schwul gewesen wäre, dann hätte er »die perfekte Ergänzung für die Bush-Behörde« sein können. Jobs, der in Indien studiert hatte, zitierte Gandhis Lehre der gewaltlosen Revolution als ein Beispiel, wie es möglich sei, moralisch sauber zu bleiben und dennoch nach dem Wechsel zu streben. Larrys Wahl des großartigsten Menschen der Geschichte hätte im Vergleich zu Gandhi nicht unterschiedlicher ausfallen können: der auf Korsika geborene Heerführer Napoleon Bonaparte. »Napoleon stürzte Könige und Tyrannen in ganz Europa. Er kreierte ein öffentliches und kostenloses Schulsystem und schrieb mit dem Code Napoleon Gesetze, die für jeden galten. Napoleon verwirklichte liberale Ziele mit konservativen Mitteln«, begründete Larry seine Wahl.

Larry und Steve schritten über Larrys 133 546 Qudratmeter großes Grundstück namens Sanbashi, für das allein die Bauplanung vier Jahre und die Bebauung ein weiteres Jahrzehnt in Anspruch genommen hatte. Das Anwesen lag eine Stunde von San Francisco entfernt in einer bewaldeten Umgebung mit bewachten Pferdeställen. Es verfügte über einen von Menschenhand errichteten 12 141 Quadratmeter großen See, sechs Gästehäuser und ein Haupthaus, das in zwei Bereiche unterteilt war. Einer diente der öffentlichen Unterhaltung, der andere war privat. Alles war über mehrere Wege im Freien miteinander verbunden. Der See war erdbebensicher konstruiert worden, indem man ihn aus drei verschiedenen Betonschichten gegossen hatte. Tausende Steine auf dem Grundstück waren von dem japanischen Garten- und Landschaftskarchitekten Shigeru Namba, einem gefeierten Künstler, handverlesen ausgewählt und nach Zen-Prinzipien arrangiert worden. Sie wirkten, als wären sie dort über Jahrtausende hinweg von Gott platziert worden. Die Holzhäuser waren mit japanischer Verzapfung und ohne einen einzigen Nagel konstruiert worden. Das Holz kam aus dem pazifischen Nordwesten über Japan. Weil das beste Holz Nordamerikas beinahe immer von Japanern gekauft wurde, die den Preis dafür zu zahlen bereit waren, flogen Larrys Designer nach Japan, um dieses Holz zurück nach Hause zu bringen. Die Trägerbalken im Holzhaus waren aus Douglastanne aus British Columbia, die Decken bestanden aus Zedernholz, das in Oregon und im Bundesstaat Washington angebaut wurde. Auf den Böden war helles Anegre aus Afrika verlegt. Alle Fenster waren aus Museumsglas gefertigt, das sonst für Gemälde genutzt wurde, um Reflexionen zu vermeiden. Nie zuvor hatte jemand Museumsglas auf diese Weise eingesetzt.

Sie saßen am See unter der ausufernden alten Eiche und turmhohen Mammutbäumen. Larry wiederholte seine Argumente gegenüber Steve. »Napoleon hat das moderne öffentliche Bildungswesen erfunden, öffentliche Museen und das moderne Rechtssystem. Und er hat die staatlich geförderte religiöse Diskriminierung beendet.« Und als wäre das noch nicht genug gewesen, sagte Larry, hätte er die Ghettos geräumt und den Juden Gleichheit vor dem Gesetz gegeben. »Napoleon hat Angriffskriege geführt, um Könige und Tyrannen zu stürzen. Er hatte keine Wahl. Sie konnten nicht dazu überredet werden, von ihrem Thron zu steigen.«

Steve hatte das alles schon einmal gehört und war doch nicht zu überzeugen. »Die Napoleonischen Kriege sind nach Napoleon benannt worden. Es ist keine wirklich gute Sache, wenn viele Kriege nach dir benannt werden«, konterte Steve und machte lange Pausen zwischen den Sätzen. Das war so seine Art. »Im Gegensatz dazu waren Gandhis Methoden moralisch und seine Erfolge erheblich. Er hat Indien zur Unabhängigkeit geführt.«

»Ja«, sagte Larry, »Indien hat seine Unabhängigkeit bekommen. Und damit einhergehend einen völkermörderischen Bürgerkrieg zwischen Hindus und Muslimen. Auf beiden Seiten sind unzählige Menschen abgeschlachtet worden.« Jobs merkte an, dass Gandhi in den Hungerstreik getreten sei, um den Krieg zu stoppen. »Ja, und für seine selbstlosen Einsätze ist Gandhi wie Lincoln erschossen und zum Märtyrer gemacht worden«, sagte Larry, »Amerikas größter Präsident hat sich an einem Krieg beteiligt, in dem mehr als 600 000 Menschen ihr Leben verloren. Er ignorierte die Verfassung und setzte den Habeas-Corpus-Grundsatz außer Kraft. Er setzte die Einberufung in Gang, um die Reihen der Unionsarmee aufzufüllen. Nach der Schlacht von Gettysburg musste er Truppen nach New York City entsenden, um die Aufstände gegen die Einberufungen niederzuschlagen. Sogar der heilige Lincoln war bereit, Zuflucht in der Gewalt zu suchen, um die Nation von der Sklaverei reinzuwaschen und die Nordstaaten zu schützen. Er konnte dem Süden die Abspaltung und die Sklaverei nicht ausreden. Die Erkenntnis ›Gewalt hat noch nie ein Problem gelöst‹ ist Unsinn.«

Larry und Steve hatten sich in Technologiekreisen kennengelernt. Sie waren seit ihrem ersten privaten Treffen Mitte der 1980er-Jahre Freunde. Steve hatte ein Haus in Woodside gekauft, das nur einen Hügel hoch von Larrys Haus entfernt lag. Sein Vorgarten begann, wo Larrys Anwesen endete. Eines Morgens, kurz nachdem Steve eingezogen war, war Larry vom Geschrei kreischender Vögel geweckt worden. Es waren Pfauen. Larry stapfte den Hügel hinauf und klopfte an die Tür, die von Steve geöffnet wurde.

»Steve, sind das deine Pfauen?«, fragte Larry.

»Ja, sie haben mich auch aufgeweckt. Sie sind wirklich laut, nicht wahr?«, antwortete Steve. »Sie waren ein Geburtstagsgeschenk. Ich weiß nicht, was ich mit ihnen machen soll. Ich hasse sie.«

Larry war ein Tierliebhaber und unterstützte Rettungsstationen für Tiere in aller Welt. Er entwarf mit Steve einen Plan für den Umzug der Geburtstagsvögel. Der Plan war einfach. Steve sollte einfach alle Schuld auf seinen nachtaktiven Nachbarn schieben, der sich darüber beschwert hatte, bei Sonnenaufgang von den schreienden Pfauen geweckt worden zu sein. Der seines Schlafes beraubte Nachbar hätte sogar damit gedroht, Rezepte für Pfauengerichte nachzuschlagen. Die Situation sei ernst und ließe Steve keine Wahl. Er lebte nun einmal in einer pfauenfeindlichen Umgebung und musste die Vögel zu ihrer eigenen Sicherheit loswerden.

Steve hielt den Plan für eine großartige Idee und führte ihn perfekt aus.

Da die beiden Männer nun wieder gut ausgeschlafene Nachbarn waren, begannen sie, mehr Zeit miteinander zu verbringen. Sie unternahmen gemeinsame Spaziergänge durch Woodside, gingen zusammen im Castle Rock State Park Fahrradfahren, den sie gleichermaßen als ihren Mini-Yosemite-Park schätzten. Und sie verbrachten gemeinsame Familienferien in Koona Village auf Hawaii. Ihre »Wer ist der Größte?«-Unterhaltung hatten sie schon öfter geführt. Steve hatte Alexandre Gustave Eiffel vorgeschlagen, der den gleichnamigen Turm gebaut hatte; Arthur Rimbaud, den französischen Poeten aus dem 19. Jahrhundert; Bob Dylan, von Rimbaud beeinflusst; und Sokrates, von dem Steve sagte, dass er seine gesamte Technologie gegen einen Nachmittag mit ihm eintauschen würde. Sie debattierten auch über die Rolle der Gründer großer Religionen, darunter Jesus Christus und Mohammed. Steve sagte gern, dass die Beatles seine Management-Vorbilder waren. Vier Jungs, die sich gegenseitig in Schach hielten und etwas Großartiges produziert hatten. Larry mochte Galileo Galilei und Winston Churchill. »Winston Churchill hat die westliche Zivilisation gerettet«, sagte Larry und wusste, dass sein Freund Churchills Methoden nicht guthieß. »Churchill hat Hitler von der Invasion in England abgehalten. Die englische Bevölkerung wurde nicht versklavt wie so viele andere. Klar, er hat das geschafft, indem er viele deutsche Flugzeuge abgeschossen und die deutsche Flotte versenkt hat. Nicht jedes Problem kann mit Reden gelöst werden.«

Steve und Larry hatten herausgefunden, dass sie viele Gemeinsamkeiten hatten. Beide hatten Adoptiveltern. Jobs biologische Mutter war Joanne Schieble, eine Studentin, die einst mit einem syrischen Studenten und Muslim namens Abdulfattah »John« Jandali zusammen gewesen war. Ihre Eltern erhoben Einspruch gegen die Beziehung, und Steve wurde bei seiner Geburt zur Adoption freigegeben. Larrys biologische Mutter war Florence Spellman, eine unverheiratete Siebzehnjährige, die eine Affäre mit einem italoamerikanischen Piloten der US-Luftwaffe hatte. Sie bemerkte ihre Schwangerschaft erst, als er bereits wieder in Übersee war. Sie fragte ihre Tante und ihren Onkel, Lillian Spellman Ellison und Louis Ellison aus Chicago, ob sie Larry in ihre Obhut nehmen könnten, als er neun Jahre alt war. Larry sah seine biologische Mutter wieder, als er 48 Jahre alt war. Seinen Vater lernte er trotz einiger Bemühungen nie kennen. Jobs war Mitte 20, als er seine biologische Mutter traf. Er entschied sich dafür, seinen Vater nicht kennenzulernen, obwohl er wusste, wer dieser war. Beide betrachteten ihre Adoptiveltern als ihre richtigen Eltern. Beide waren laut Larrys Eingeständnis Zwangsneurotiker, und beide waren antiautoritär. Sie teilten die Verachtung für herkömmliche Ansichten und das Gefühl, dass die Menschen Gehorsam und Intelligenz zu oft gleichsetzten. Beide hatten nie einen College-Abschluss gemacht. Steve war besonders stolz darauf, dass er das Reed College in Portland im Bundesstaat Oregon schon nach zwei Wochen wieder verlassen hatte, während andere wie Larry und ihr Rivale Bill Gates Monate oder sogar Jahre für ihren Schulabbruch gebraucht hatten.

Neben Microsoft hatten Larrys und Steves Unternehmen zu jener Zeit schon Formen angenommen. Sie waren aufgestiegen, wieder gefallen und beide wieder aufgestiegen. Beide Männer hatten ihre Unternehmen mit einer Idee begründet, die nicht ihre war. Im Juni 1977 gründete Larry mit zwei Männern, Bob Miner und Ed Oates, die Firma Software Development Laboratories. Ziel war es, das erste breit angelegte relationale Datenbanksystem einzuführen, das Informationen schneller und besser verarbeiten würde als alles andere auf dem Markt. Eine Handvoll Akademiker, angeführt von den IBM-Forschern Ted Codd und Don Chamberlin in San José und einer Gruppe Professoren an der Universität von Berkeley, hatten Arbeiten frei veröffentlicht, in denen sie erklärten, wie ihr relationales System funktionierte.

Zum ersten Mal konnten Daten wie Tabellen gehandhabt werden. IBM hatte keine Eile, diese neue Idee in den Massenmarkt einzuführen. Larry aber wohl. In ganz ähnlicher Weise und etwa zur gleichen Zeit war Steve Jobs zu einem Besuch in die Forschungszentrale von Xerox in Palo Alto eingeladen, um dort einen Blick auf die Technologie zu werfen. Darunter war eine kleine Schreibmaschine mit kleinen Bildern und Symbolen und etwas, das sich Maus nannte und mit dem man Dinge auf dem Bildschirm anklicken konnte. Sowohl Steve als auch Larry wurde von einer Reihe Neinsagern erklärt, dass die Technologie für den kommerziellen Markt unbrauchbar sei. Beide aber machten weiter und fanden Wege, sie zum Funktionieren zu bringen.

Die Freunde teilten auch ihre Freude am Lachen. Während ihrer gemeinsamen Familienferien auf Hawaii erzählte Steve gern lustige Geschichten und genoss es insbesondere, sich über Larrys persönliche Beziehungen lustig zu machen. Oft hatte Steve Mühe, seine eigenen Geschichten zu Ende zu erzählen, weil er so heftig lachen musste, dass er nicht mehr sprechen konnte. Mit bemerkenswerter Anstrengung fand er dann jedoch seine Fassung zurück und versuchte die Geschichte zu beenden. Dabei scheiterte er aber regelmäßig, weil er einen erneuten Lachanfall bekam, noch schlimmer als zuvor. Das passierte immer und immer wieder aufs Neue, bis alle nur noch unkontrolliert schrien vor Lachen, ohne die geringste Idee zu haben, wie die Geschichte denn nun zu Ende gegangen war.

Beim Blick auf Larrys See mit seinen massiven Blausteinfelsen der Sierras entlang der Ufer wurde Steve ganz still. Ein Amerikanischer Graureiher landete auf einem flachen und leicht von dem glitzernden Wasser umspülten Brocken und ließ eine Stockenten-Familie auseinanderstieben. Auf der anderen Seite des Sees standen noch mehr spektakuläre Eichen und Redwood-Mammutbäume. Vor ihnen wuchsen Japanische Ahornbäume mit ein paar verbliebenen Herbstblättern in Granat- und Bernsteintönen. Die lieblichen Klänge des Wassers waren überall. Gärten waren Larrys liebste Kunstform, ein Zusammenwirken von Gott und den Menschen, eine Skulptur, die niemals gleich blieb.

Schließlich machte Steve, der nie vorschnell Komplimente verteilte, eine Geste in Richtung der Schönheit um sie herum und sagte: »Warum kaufen Menschen Kunst, wenn sie doch ihre eigene Kunst erschaffen können?«

Larry dachte einen Moment lang nach und antwortete: »Nun ja, Steve, nicht jeder kann seine eigene Kunst erschaffen. Du kannst es. Das ist ein Geschenk.«

Larry war ein unersättlicher Leser. Er verbrachte viel Zeit damit, Wissenschaft und Technik zu studieren. Doch sein Lieblingsfach war Geschichte. Er lernte mehr über die menschliche Natur, Management und Führungsqualitäten aus Geschichtsbüchern denn aus Business-Ratgebern. Während einer lebendigen Dinner-Diskussion hörte sein Freund Tony Blair, der damalige britische Premierminister, ihm verwundert zu und bemerkte: »Larry, du liest zu viele Geschichtsbücher.« Larry hatte gerade ein Zitat aus David Fromkins »A Peace to End All Peace« abgeschlossen, in dem es darum ging, wie das Abkommen, das den Ersten Weltkrieg beendet hatte, gleichzeitig die ersten Samen für den Völkerstreit im Mittleren Osten legte. Larry, der ein Fan von Tony Blair war, nahm das als Kompliment.

Larrys Lieblings-Geschichtsbuch war »The Age of Napoleon« von Will und Ariel Durant. Er hatte es bereits mehrere Male gelesen. Wie sein Kumpel Steve und wie Larry selbst war Napoleon ein Außenseiter gewesen, dem man gesagt hatte, dass er es niemals zu etwas bringen würde. Im Alter von zehn Jahren war er von Korsika zur Militärschule in Brienne-le-Château in Nordmittelfrankreich geschickt worden. In den Berichten seiner Lehrer stand geschrieben, dass er Englisch mit einem »schrecklich starken italienischen Akzent« spreche. Und obwohl die anderen Kinder ihn nicht mochten, hatte er eine außergewöhnlich hohe Meinung von sich selbst. Seine Lehrer bemerkten aber auch eine gute Eigenschaft: Er war außerordentlich gut in Mathematik. Er war ein italienisches Kleinstadtkind (Korsika stand einst unter italienischer Herrschaft) und so ganz anders als die gebildeten Pariser, mit denen er zur Schule ging. Mit anderen Worten: Er war ein Mann, der etwas zu beweisen hatte, ein zwanghaft Besessener, der – während seine Marschälle in den Nächten vor den Schlachten feierten und tranken – durcharbeitete. Larry wunderte sich gegenüber Steve: »Er verteilte die Landkarten der Gegend auf dem ganzen Fußboden seines Zeltes. Dann verbrachte er die ganze Nacht mit Planungen und detaillierten Anweisungen an seine Kommandeure. Zum Abendessen wählte er gebratenes Hühnchen, weil er dann beim Essen nicht aufhören musste zu arbeiten.«

»Was mich interessiert«, fuhr Larry fort, »ist die Tatsache, wie der größte General der Geschichte gleichzeitig der fähigste Administrator der Geschichte sein konnte. Der Schöpfer von Gesetzen, Gerichten, Schulen, Museen und all den Institutionen, die Frankreich damals und heute prägen. Wie kann ein Mann das alles schaffen?«

Als er seinen Freund anschaute, kam ihm der Gedanke, dass hier so ein Mann war, der ebenfalls über diese Kombination von Talenten und Willen verfügte. Nur, dass Steve seine Schlachten mit Microsoft und nicht mit England schlug.

Steve und Larry debattierten über alles. Auch über Musik und Kunst. Als Larry sagte, dass der Songtext von Paul Simons »The Boxer« brillant sei, lachte Steve und sagte, Larry würde »den Unterschied zwischen Güte und Größe nicht kennen«. »Dylan«, sagte Jobs, »ist das Genie unserer Zeit.« Es hörte nie auf. Keiner der beiden gab nach. Beide genossen das Beisammensein.

Bevor sich die Wege von Larry und Steve trennten, erwähnte Larry die kürzlich mit der SAYONARA gewonnenen Regatten und sprach über den America’s Cup, auf den er sich vorbereitete. Steve war an den Materialien und den Innovationen interessiert. Am Mylar, das auf den Segeln verwendet wurde. Oder auch an den Eigenschaften der Kohlefasern im Rumpf. Larry sprach über die guten Zeiten, die er beim Segeln und bei den Regatten im Mittelmeer und in der Karibik gehabt hatte. Ein Teil seiner Aufgabe – so sah er es – bestand darin, seinen Freund mit Booten und Flugzeugen in Versuchung zu führen, sodass er mehr Spaß und mehr Zeit hätte. Steve war immer besorgt über allzu auffälligen Konsum. Er mochte Autos und Motorräder, gab aber nie viel Geld aus. Er liebte es, Dinge zu entwerfen und immer weiter zu entwickeln, um sie noch brauchbarer und noch schöner zu gestalten.

Larry war im Jahre 2000 im Vorstand von Apple, als er die Idee hatte, Steve, der damals für einen Dollar im Jahr arbeitete, einen 40 Millionen Dollar teuren Gulfstream-V-Jet zu geben, damit er seine Familienwochenenden auf Hawaii effektiver gestalten könnte. (Der Vorstand gab Steve auch Anteile im Wert von zehn Millionen Dollar mit einer weiteren Optionsgarantie für 2001.) Umgehend begann Steve daraufhin damit, das Interieur für sein neues Flugzeug zu entwerfen. Er studierte Larrys Gulfstream V und verbesserte dessen Design. Als er bemerkte, dass Larry einen Knopf zum Öffnen und einen weiteren zum Schließen einer Tür hatte, entschied Steve sich für einen einzigen Umschalter, der in seinem Flugzeug beides erledigen würde. Steve vertauschte neben vielen anderen Dingen auch die Platzierung von Waschbecken und Dusche im Badezimmer seines Flugzeugs. Larry räumte ein, dass Steves Umgestaltungen Verbesserungen darstellten. Larry war sich sicher, dass er seinen Freund auch für die Anziehungskraft des Meeres begeistern könnte. Er lieh ihm sein Boot für Familienferien. Steve kehrte nach zehn Tagen an Bord von KATANA zurück und schwärmte: »Niemand stört dich auf dem Boot. Du kannst lesen, denken und den Himmel betrachten, wie er seine Farben am Ende eines Tages verändert.« Schon bald zeigte Steve Larry Zeichnungen für sein wunderschönes neues Boot, das AQUA heißen sollte.

So sehr sie beide Kunst und Design liebten, war Larry doch überzeugt, dass nichts, was die Menschheit je erschaffen würde, es mit der Schönheit der Natur würde aufnehmen können. Als er an einer Gruppe von zwei Dutzend zart knospenden Kirschbäumen in seinem Garten in Woodside vorbeiging, sagte Larry: Die Gefühle, die Blüten in ihm weckten, bezeichneten die Japaner mit dem Ausdruck »mono no aware«, was sich grob mit der »Vergänglichkeit aller Dinge« übersetzen lasse.

Wenn man ihn nötigte, dann sagte Larry, dass das wohl schönste von Menschenhand erschaffene Objekt ein Segelboot wäre. Aber nur, wenn es in seinem natürlichen Element in Wind und Wellen sei.

St. Francis Yacht Club
Sommer 2000

Larry musterte die Männer in ihren Club-Blazern und Krawatten, die im Nordwest-Saal des St. Francis Yacht Clubs mit Blick auf die Bucht von St. Francisco beisammensaßen. An seiner Seite war Bill Erkelens, der im St. Francis aufgewachsen war und hier segeln gelernt hatte, wo sein Vater Mitglied war. Larry war etwa 1995 in den St. Francis eingetreten, als man ihm zu seinem Leidwesen – er war kein Vereinsmensch – erklärt hatte, dass er ohne Mitgliedschaft in einem Verein nicht an großen Regatten teilnehmen könnte. Nun, da er um den America’s Cup kämpfen wollte, brauchte er wieder einen Yacht-Club.

Nach den Cup-Regeln wetteifern Clubs und nicht Einzelpersonen um die älteste Sporttrophäe der Welt. Die meisten nahmen an, dass der St. Francis Larry in seinen Bemühungen unterstützen würde. Ein Modell seiner SAYONARA, die bis dahin fünf Maxi-Weltmeisterschaften gewonnen hatte, war dort ausgestellt. Larrys Tochter Megan besuchte die gleiche Schule wie die Tochter des künftigen Kommodore Charles Hart. Im America’s Cup 2000 hatte der St. Francis Yacht Club ein Team namens AmericaOne mit Skipper Paul Cayard unterstützt. Das Team war bis ins Louis-Vuitton-Cup-Finale vorgedrungen, unterlag dort aber der italienischen Prada Challenge. Im Sommer war der Nachlass von AmericaOne für rund sieben Millionen Euro an Larry verkauft worden. Darunter befanden sich Ausrüstung, Begleitboote, Werkstattcontainer und die beiden Yachten, die von Paul Cayard im letzten Cup gesegelt worden waren. Als Teil des Deals würde Paul Cayard Mitglied im Oracle Racing Team werden. Das Team würde die Yachten im Training einsetzen, während die neuen Yachten gebaut wurden. Mit dem Kauf der AmericaOne-Bestände und der Verpflichtung der Talente hatte Erkelens, der die Verhandlungen für Larry führte, dem St. Francis Yacht Club eine Art »Vorkaufsrecht« eingeräumt. Die Gespräche zwischen beiden Parteien waren weiter geglitten wie ein Boot an einem warmen Sommertag: reibungslos und ohne Zwischenfälle. Die optimistischen Prognosen hielten sich bis in den Herbst, als sich beide Seiten auf ein Treffen einigten.

Nach dem ersten Austausch von Höflichkeiten setzten sich die Männer an einen langen Tisch, wo Getränke gereicht wurden. Larry nahm ein Mineralwasser. Die Diskussion landete bei Larrys Namensgebung für die Yacht, einem Punkt, der schon in einer früheren Diskussion zwischen Kommodore Bruce Munro und Erkelens Thema gewesen war. Munro schlug den Namen »The Spirit of San Francisco« vor. Larry, der bislang wenig Gedanken an die Namensgebung verschwendet hatte, sagte, dass er das Boot wahrscheinlich »Oracle« nennen würde. Zu seiner Überraschung wurde ihm gesagt, dass dieser Name »zu kommerziell« sei. Er verfolgte die Diskussion, in deren Verlauf weitere Vorschläge wie »Gold Rush« und »Spirit of ’49« gemacht wurden. Er nickte und katzbuckelte hin und wieder vor Namen, die er als schrecklich empfand. Dann dachte er bei sich: »Ach du meine Güte, ich kann noch nicht einmal den Namen für mein Boot aussuchen.« Er war außerdem fassungslos über den Kommentar »zu kommerziell«. Er wusste von Vereinen und Yacht-Clubs, in denen Segeln auf den Amateurgedanken reduziert und kommerzielle Werbung verboten war. Doch der America’s Cup war kein solches Rennen. Zumindest nicht in den letzten Jahrzehnten. In den ersten 100 Jahren waren die Kosten im America’s Cup von reichen Männern getragen worden, die man als sogenannte Corinthians bezeichnete – vermögende Hobby-Segler. Doch Mitte der 1970er-Jahre hatte sich das Bild durch einen neuen Typus verändert. Es war Dennis Conner selbst, der in den 1980er-Jahren das Amateurmodell verdrängte und ein neues System einführte. Nun wurde das ganze Jahr über trainiert. Profis absolvierten Testserien und führten kommerzielles Sponsoring ein. Das veranlasste Ted Turner zu der Beschwerde, dass er nicht dieses Maß an Zeit zum Training habe.

Schließlich sagte Larry in schwermütigem Ton: »Ich verstehe das nicht. Ich kann den Namen für mein Boot nicht selbst aussuchen?« Dabei gab es doch sogar ein America’s-Cup-Team, das nach einem Schuhhersteller-Team benannt worden war.

Larry wurde versichert, dass der St. Francis Yacht Club einen Namen finden würde.

Larry und Erkelens schauten sich an. Für einen Moment blendete Larry in die Tage seiner Kindheit zurück. Damals war er zu arm und zu jüdisch, um in den Chicago Yacht Club aufgenommen zu werden. Der einzige Weg in den Club hätte damals für ihn über einen Job als Kellner oder Tellerwäscher geführt.

Sie räusperten sich und fuhren fort. Erkelens und Larry wollten besprechen, was geschehen würde, falls sie den Cup gewinnen und nach Hause bringen könnten.*

Larry wollte eine Garantie, dass sein Team den Cup in der Bucht von San Francisco verteidigen würde. Nach den Cup-Regeln hat der verteidigende Yacht-Club das Recht, den Verteidiger auszusuchen. Larry hatte die Sorge, dass der St. Francis Yacht Club ein anderes Syndikat zur Verteidigung auswählen könnte. Eines, das vom »Lieblingssohn« Paul Cayard geführt werden könnte. Dieser gutaussehende charismatische Mann war der Stolz der Bucht und ein ausgezeichneter Segler. 1998 war Cayard der erste Amerikaner, der das Whitbread Round the World Race gewonnen hatte. Und Cayard hatte bereits in einer Handvoll America’s-Cup-Teams ge segelt: 1983, 1987, 1992, 1995 und für den St. Francis Yacht Club im Jahre 2000.

Larry hatte in seinen ersten Rennen auf SAYONARA mit Paul gesegelt. Er war kein Fan von ihm und beschied Erkelens irgendwann, dass er Cayard niemals wieder auf dem Boot haben wollte. Doch Cayard war Teil des Paket-Deals und eine der geplanten Führungsfiguren. Zumindest zu diesem Zeitpunkt.

»Larry, nicht du gewinnst den Cup«, sagte der Vizekommodore Steve Taft, der selbst zwei Cup-Kampagnen gesegelt hatte. »Der St. Francis Yacht Club gewinnt den Cup. Genau wie der New York Yacht Club vor uns, so werden auch wir entscheiden, wer den Cup verteidigt.« Taft und andere erklärten Larry, dass sie voraussichtlich eine Qualifikationsserie ausschreiben würden, wenn sie den Cup gewännen, um den künftigen Verteidiger zu ermitteln. Und dass es Larry freistünde, daran teilzunehmen. Larry wusste, dass die Art und Weise der Auswahl des Verteidigers seitens des New York Yacht Clubs eine persönliche und politische und keineswegs nur eine sportliche Entscheidung sein konnte, nach der das aussichtsreiche Boot ausgewählt würde. Der New York Yacht Club, der den Cup zwischen 1851 und 1983 innehielt und ihn 25-mal verteidigt hatte, behandelte die Regatta wie sein Eigentum.

Den Cup zu gewinnen war seit Jahrzehnten ein Traum des St. Francis Yacht Clubs. Für einige Mitglieder war er zur Obsession geworden. Der Club hatte in den Jahren 1987 und 2000 zwei Syndikate unterstützt. Die Begierde war so stark, dass Club-Mitglieder sogar schon einen provisorischen Regattakurs für den etwaigen Tag entworfen hatten, an dem der Club die Cup-Rennen in die Bucht bringen würde. Die Boote würden ein Dreieck segeln und vor Fisherman’s Wharf starten. Von dort ging es hoch zur Golden Gate Bridge, zu einer Marke nördlich von Alcatraz und dann zurück zum Fisherman’s Wharf.

Seit seiner Premiere war der America’s Cup von den elitärsten Clubs gewonnen worden, zu denen lange Zeit auch der St. Francis Yacht Club zählte. Er war das wahre Zentrum der feinen Gesellschaft San Franciscos. Der Eisenbahnbaron C. Templeton Crocker war einer seiner ersten Kommodores gewesen. Unter seinen heutigen VIP-Mitgliedern waren Persönlichkeiten wie Roy Disney, stellvertretender Vorsitzender des Unternehmens Walt Disney, George Gund, Besitzer des Eishockey-Teams der San José Sharks, Fritz und Lucy Jewett, Langzeit-Fans des America’s Cups, und Ray Dolby, milliardenschwerer Gründer der Dolby Laboratories. Hier waren auch die Weltklassesegler Jeff Madrigali, Paul Cayard und Bob Billingham zu Hause. Und ein Nachwuchsprogramm, das auf die Ausbildung künftiger Champions ausgerichtet war.

Erkelens, der einigen Männern gegenübersaß, mit denen er hier segelnd groß geworden war, wusste, dass sie Larry auch im Falle eines Cup-Sieges und des möglicherweise folgenden Sieges in einer Verteidigerserie immer noch beiseitedrängen konnten, falls sie nicht miteinander auskamen. Es gab da eine Redensart rund um den New York Yacht Club aus den frühen Cup-Zeiten: »Britain rules the waves; America waives the rules.« (Dt.: »England beherrscht die Wellen; Amerika lässt die Regeln außer acht.«). Eine der ersten Regeln, die der New York Yacht Club nach seinem Sieg im Jahre 1851 festlegte, war diese: Alle Wettstreiter mussten die Abmessungen und Design-Details ihrer Boote vorlegen. Das war so, als hätte man die anderen Teams aufgefordert, ihre sportlichen Pläne offen darzulegen. Der St. Francis Yacht Club hatte seine eigenen Regeln. Und was ein Ausschuss genehmigte, konnte der nächste ebenso gut wieder ändern. Der Club hatte zwei Spitznamen: »St. Frantic« (dt.: St. Hektik) aufgrund seiner berühmt-berüchtigten hektischen Mitglieder und – aus jüngerer Zeit – »St. Fancy« (dt.: St. Nobel). Erkelens war sicher, dass sein Boss keine 100 Millionen US-Dollar von seinem privaten Geld ausgeben würde, wenn er keine Garantien erhielte. Sie mussten sich Rechte erkämpfen. Larry erklärte, dass er den Club-Vorstand nicht kontrollieren wolle, dass er aber im Falle eines Sieges definitiv auch die Rolle des Verteidigers übernehmen wolle. Er und Erkelens schlugen vor, einen Vorstand innerhalb des St.-Francis-Vorstands zu installieren, der sich ausschließlich mit America’s-Cup-Angelegenheiten beschäftigen sollte. Sie schlugen vor, zwei ihrer eigenen Teammitglieder in diesem Club-Vorstand zu platzieren. Der St. Francis würde ebenfalls zwei seiner Mitglieder nominieren. Diese vier würden dann ein fünftes Mitglied wählen. So hätten beide Seiten das gleiche Maß an Kontrolle. Der Vorschlag wurde ebenso abgelehnt wie der Name »Oracle« für das Boot. Auch unter Druck war der St. Francis Yacht Club nicht bereit nachzugeben. Das wäre ja, als würde man in San Franciscos »Bohemian Club« für Herren plötzlich auch Frauen einlassen.

Larry, bekleidet mit einem braunen Anzug und einem schwarzen Rollkragenpullover, wurde im Verlauf des Gesprächs immer unbehaglicher zumute. Sein Anzug hatte keine Messingknöpfe, und er trug auch keine Krawatte mit Flaggen oder Schiffen darauf. Er trug überhaupt keine Krawatte. Und er hatte auch keinen Spaß daran, dort zu sitzen und sich sagen zu lassen, wie der America’s Cup funktionierte.