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IV. Versöhnung mit Teilen der Waldenser – die „Katholischen Armen“

Während die neue Form der „Ketzerbekämpfung“ bei den Katharern bzw. Albigensern (benannt nach der südfranzösischen Stadt Albi) wenig erfolgreich war, griff sie bei waldensischen Gruppen. In Pamiers gelang 1207 in Gegenwart der Bischöfe von Toulouse und Conserans und einiger Äbte der Durchbruch, und eine waldensische Gruppe unter der Führung des Spaniers Durandus von Huesca kehrte zur Kirche zurück.343

Ein Jahr später, 1208, wurde die Rückkehr der Gruppe des Durandus in Rom formell vollzogen. Nach einer eingehenden Glaubensprüfung erhielt die Gruppe, die sich fortan die „Katholischen Armen“ nannte, eine offizielle Bestätigung und Anerkennung. Die „Katholischen Armen“ waren kein religiöser Orden im eigentlichen Sinne, sondern ihre vom Papst genehmigte Regel ist „vielmehr ein erster Versuch, eine Organisationsform zu schaffen für einen Verband kirchlich anerkannter Wanderprediger.“344 Voraussetzung war die Anerkennung der hierarchischen Kirche und der Sakramente, die auch unabhängig von der Würdigkeit des jeweiligen Priesters ihre Gültigkeit haben. Ihre Lebensgewohnheiten konnten sie, d.h. den Verzicht auf Eigentum und Besitz, um von den Gaben der Gläubigen zu leben; als Genossenschaft päpstlichen Rechts erhielten sie auch die Erlaubnis zu predigen, gegen Ketzer aber auch in ihren eigenen Versammlungen („Scholae“, „Schulen“); sie durften auch neue Gesinnungsgenossen, d.h. „Freunde“, wie sie sich gegenseitig nannten, aufnehmen.345

Dieses Entgegenkommen Roms trug schnell Früchte.346 Nachdem Durandus auf dem Rückweg von Rom in Mailand zu wirken begann, erklärten sich ungefähr 100 Waldenserprediger zur Aussöhnung mit Rom bereit, wenn man ihnen das Recht gäbe, in ihren „Schulen“ eigene Versammlungen abzuhalten und ihnen ein beschlagnahmtes Grundstück zurückgäbe. Nach sorgfältiger Prüfung gestattete Innozenz auch dieser Gruppe nach derselben Regel wie Durandus als Wanderprediger im Dienst der Kirche zu wirken.347

Die „Katholischen Armen“ des Durandus haben jedoch nicht nur den Versuch unternommen, Waldenser mit der Kirche auszusöhnen, sondern sie sahen ihre wesentliche Aufgabe in der Bußpredigt, um Menschen für ein glaubwürdiges evangeliengemäßes christliches Leben zu gewinnen. Und dabei waren sie nicht erfolglos.348 Die neubekehrten „Katholischen Armen“ begannen nun nicht zwangsläufig ein Leben als Wanderprediger zu führen; vielmehr – wie z.B. im südfranzösischen Bistum Elne – wollten die „Freunde“ in einem Gemeinschaftshaus miteinander ein religiöses Leben führen, Frauen und Männer getrennt voneinander; sie beabsichtigten sogar eine Kirche und ein Hospital für die Kranken zu bauen.349 Doch verstanden sie diese sozialen Werke der Nächstenliebe mehr als Ergänzung ihrer religiösen Pflichten, wie Fasten, Beten und Predigtgottesdienst.

Die Genossenschaft der „Katholischen Armen“ blieb allerdings nicht lange bestehen.350 Die Entfaltung scheiterte am Widerstand der lokalen kirchlichen Würdenträger, wie z.B. in Spanien, Südfrankreich oder Norditalien. Da die „Katholischen Armen“, mit päpstlicher Erlaubnis zwar, den gleichen Lebensstil pflegten und das gleiche taten wie die verketzerten Waldenser, unterschieden die Bischöfe und Prälaten nicht zwischen ihnen und den Waldensern.351 Sie behielten die alte, rückständige Ketzerpolitik der Kirche bei und durchkreuzten damit immer wieder die Ziele des Papstes.352

Die Spuren der „Katholischen Armen“ lassen sich noch bis 1256 verfolgen; nach 1212 werden sie nicht mehr in den Briefen Innozenz´ III. erwähnt353; 1237 versuchten sie vergeblich in den Provinzen Tarragona und Narbonne von Papst Gregor IX. (1227-1241), als Orden bestätigt zu werden; 1247 entzog ihnen Papst Innozenz IV. (1243-1254) schließlich wieder die Predigterlaubnis; 1256 verschmolz der lombardische Zweig der „Katholischen Armen“ mit den Augustiner-Eremiten.

V. Die Franziskaner

Einen weiteren Wendepunkt stellt die Anerkennung der Gemeinschaft des hl. Franz von Assisi (1181/82-1226) dar:

„Bisher hatte es Innozenz III. immer mit Gruppen von Wander- predigern und religiösen Gemeinschaften zu tun gehabt, die seit langem bestanden und sich betätigten, durch die frühere Politik der Kurie aber aus der Kirche ausgeschlossen und zu Ketzern erklärt worden waren ... . Als Franziskus und seine Genossen an die Kurie herantraten, war es die Frage, ob die gleichen Zugeständnisse: Wanderpredigt, freiwillige Armut und Gemeindebildung, auch einer neu entstandenen Genossenschaft gemacht werden sollten, die noch nicht wie die Waldenser und Humiliaten durch die frühere Politik der Kurie gegen die religiöse Bewegung betroffen worden war, noch nicht durch Ungehorsam gegen päpstliche Verbote in die Gefahr gekommen war, als Ketzerei verfolgt zu werden, und bei der es sich also nicht um Rückgewinnung für die Kirche handelte.“354

In der Anerkennung der Gemeinschaft des Franziskus ging es um sehr viel, nämlich um eine offizielle Bestätigung der Armutsidee und der Wanderpredigt als solche durch die Kirche.

Die „Imitatio“ des armen, wandernden und predigenden Jesus Christus wurde, ausgelöst durch die Schriftlesung von Mt 10, 5-16, zum Lebensprogramm des Franz Bernardone. Ihm schlossen sich Gefährten an. Zu zweit zogen sie durch Stadt und Land und predigten die frohe Botschaft. Da Franziskus eine Lebensform gewählt hatte, die der der verfolgten „Ketzer“ ähnelte, blieben die Bischöfe misstrauisch. Franziskus wollte jedoch von der Kirche anerkannt werden. Deshalb pilgerte er 1206 nach Rom zum Papst.355 Der Papst jedoch entschied nicht sofort, sondern ließ die Gemeinschaft des Franziskus zunächst weiter gewähren. Erst 1210 erhielt Franziskus – mit Hilfe des in Rom weilenden Bischofs von Assisi und des Kardinals Johannes Colonna – von Innozenz die Anerkennung.356 Die Bestätigung wurde jedoch an zwei Bedingungen geknüpft: Franz und seine Gefährten mussten die Tonsur empfangen und zu Klerikern werden. Außerdem mussten Franz und seine Gefährten dem Papst den Gehorsam geloben.357 Weitere Verpflichtungen sowie Regeln über die Lebensgestaltung der Gemeinschaft legte ihnen der Papst nicht auf. Er gab ihnen auch keine schriftliche Erlaubnis zur Predigt bzw. irgendein formelles Privileg. Erst wenn die Genossenschaft größer geworden sei, solle sich Franz wieder an die Kurie wenden, um eine verbindlichere Regelung zu treffen.358

Der Papst gab Franziskus zwar nur eine mündliche Bestätigung, diese war aber faktisch die Anerkennung des evangelisch-apostolischen Lebensideals, wie es in den religiösen Bewegungen hervorgetreten war. Der Papst und die Kurie hatten endlich verstanden, dass ihnen „nicht nur die äußere Handhabe, sondern auch das religiöse Recht fehlte“359, diese Lebensform weiter zu unterdrücken. Erst 1223, Franziskus hatte sich bereits 1220 von der Leitung der Gemeinschaft zurückgezogen, erhielt die Gemeinschaft der Minderbrüder – so nannten sie sich nach ihrer Bestätigung – eine kirchlich-rechtliche Regel. Diese Regel wurde zum Grundgesetz des neuen Ordens.360 Zur gleichen Zeit, als Franziskus um Anerkennung seines Lebensideals bat, wurden auch die Weichen gestellt, die zur Gründung des anderen Bettelordens führte: des Predigerordens des hl. Dominikus (Dominikaner).

302 Zum Beispiel die Hospitaliter vom hl. Antonius (Antoniter), die Hospitaliter vom hl. Geist, die Johanniter; die Laienbruderschaft der Brückenbauer, die an Pilgerstrassen Brücken bauten, die Trinitarier widmeten sich der Befreiung der christlichen Gefangenen aus der Hand der Sarazenen sowie die zahlreichen Gildenbruderschaften. Siehe: Borst 2007, 495f.; Ders. 2004, 265 – 278; Hauschild I 1995, 329 – 332.

303 Vgl. Angenendt 2005. 59f.

304 Grundmann 1977, 79.

305 Vgl. Grundmann 1977, 65.

306 Grundmann 1977, 65.

307 Vgl. Grundmann 1977, 65f.

308 Vgl. Grundmann 1977, 72.

309 Vgl. Grundmann 1977, 91-100.

310 Ausführlicheres zur Versöhnung: Siehe Grundmann 1977, 72 – 91.

311 Grundmann 1977, 71.

312 Vgl. Grundmann 1977, 100.

313 Siehe hierzu dieses Kapitel, II.

314 Grundmann 1977, 81.

315 Vgl. Grundmann 1977, 82.

316 Grundmann 1977, 82.

317 Vgl. Grundmann 1977, 83.

318 Vgl. Grundmann 1977, 78.

319 Vgl. Grundmann 1977, 84.

320 Grundmann 1977, 89f.: Jakob von Vitry, Brief vom Jahre 1216, in Boehmer 1930, 65f.

321 Vgl. Grundmann 1977, 91.

322 Grundmann 1977, 91.

323 Grundmann 1977, 92.

324 Grundmann 1977, 9443. Vgl. Bernhard von Fontcaude (+ 1193), Liber contra Waldenses, PL 204, c. 4 – 5.8; Alanus von Lille (+ 1202), De fide contra hereticos, PL 210, c. 1.

325 Grundmann 1977, 9544. Vgl. Bernhard von Fontcaude (+ 1193), Liber contra Waldenses, PL 204, c. 2; Alanus von Lille (+1202), De fide contra hereticos, PL 210, c. 7-8.

326 Grundmann 1977, 9546. Vgl. Alanus von Lille (+1202), De fide contra hereticos, PL 210, c. 8.

327 Grundmann 1977, 9650. Vgl. Wilhelm von Puy-Laurens, Cronica (Prolog), ed. Beyssier 1904, 119.

328 Vgl. Grundmann 1977, 9954. AlberichL von Troisfontaines, MGScr. XXIII, 878, bezeichnet die Sektierer aus Metz als Waldenser.

329 Vgl. Grundmann 1977, 97: Der Brief des Bischofs ist nicht erhalten. Die Fragen ergeben sich jedoch aus dem Antwortbrief des Papstes an den Bischof und das Kapitel von Metz vom 12. Juli 1299 (PL 214, Sp. 698f.) und aus einem Hirtenbrief an Stadt und Bistum Metz (undatiert, PL 214, 695ff.).

330 Vgl. Grundmann 1977, 98.

331 Vgl. Grundmann 1977, 99.

332 Grundmann 1977, 10055. Vgl. PL 214, Sp. 698f.

333 Vgl. u.a. Hellmeier 2007; Angenendt 2005, 61; Jordan von Sachsten, Anfänge, 2002, 3; Wolter 1999, 219 – 223; Koudelka 1989; Grundmann 1977, 100 – 118.

334 Türkischsprachiges Steppenvolk (vom Kuma-Fluss [im Nordkaukasus]), das im 11. Jh. in Ungarn eindrang; um 1240 wurden die Kumanen z.T. von den Mongolen unterworfen bzw. siedelten sich fest in Ungarn zwischen Theiß und Donau an (Kumanien). Seit 1350 wurden sie christianisiert (vgl. Das aktuelle Wissen-Lexikon, Bd. 12, 2004).

335 Vgl. Koudelka 1989, 15.

336 Grundmann 10262. Vgl. Petrus von Vaux-Cernay, hist. Albigensis, ed. Luchaire 1908, c.3 S. 12.

337 Vgl. Grundmann 1977, 103.

338 Grundmann 1977, 10364. Vgl. Epistel 7, 76, PL 215, Sp. 358ff.

339 Grundmann 1977, 10466. Vgl. Epistel 9, 185, PL 215, Sp. 1024f.

340 Jordan, Anfänge, 2002, 41.

341 Jordan, Anfänge, 2002, 51f.

342 Ein Grund dafür war die nicht gelöste Frage der Frauenklöster: Siehe zweiter Teil, sechstes Kapitel, II.

343 Vgl. Grundmann 1977, 10158. Vgl. Petrus von Vaux-Cernay, hist. Albigensis, ed. Luchaire 1908, c.6 S. 20f.; Wilhelm von Puy-Laurens, Cronica, c.8, ed. Beyssier 1904, 127.

344 Grundmann 1977, 107.

345 Vgl. Grundmann 1977, 109.

346 Vgl. Grundmann 1977, 118: Im Jahre 1210 versöhnte sich die Kirche mit einer anderen Gruppe von Wanderpredigern unter der Führung des Bernard Prim und Wilhelm Arnaldi (Siehe ebd.118-127); im selben Jahr kam vermutlich auch Franz von Assisi mit elf Gleichgesinnten nach Rom, um die Erlaubnis zur apostolischen Predigt und zum Leben in Armut zu erhalten.

347 Vgl. Grundmann 1977, 110f.

348 Vgl. Grundmann 1977, 111.

349 Vgl. Grundmann 1977, 112.

350 Vgl. Grundmann 1977, 115.

351 Vgl. Grundmann 1977, 113.

352 Vgl. Grundmann 1977, 115f.: „In Aragonien werden die Prediger von den Zivilbehörden verfolgt. Fast überall sucht man ihnen die Almosen zu entziehen, von denen sie leben wollten. Immer von neuem wurden sie als Ketzer verdächtigt. Man versuchte ihnen gegen ihren Willen andere Vorsteher aufzudrängen.“

353 Vgl. Grundmann 1977, 116. 136. 140.

354 Grundmann 1977, 128; vgl. Hauschild 1995, 319 – 324.

355 Vgl. Wolter 1999, 224.

356 Franziskus erwies sich bei den Konsultationen als schwieriger Verhandlungspartner: So schlug ihm die Kurie z.B. vor, er und seine Gefährten sollten als Mönche und Eremiten leben und eine der bestehenden Ordensregeln übernehmen. Franziskus lehnte ab. Mit Hilfe von Kardinal Johann Colonna gab die Kurie den Wünschen des Franziskus nach. (Vgl. Grundmann 1977, 129 – 132).

357 Vgl. Grundmann 1977, 129.133.

358 Vgl. Grundmann 1977, 134.

359 Grundmann 1977, 133.

360 Vgl. Wolter 1999, 225.

Sechstes Kapitel
Die religiöse Frauenbewegung

In Belgien, Nordfrankreich und Deutschland war die religiöse Bewegung vor allem eine Frauenbewegung.361 Zunächst entwickelten sich die religiösen Frauenbewegungen – von der Kurie wenig beachtet wegen der Ketzerbewegungen in Südfrankreich und Norditalien – in den Orden und Klöstern, aber ebenso in sektiererischen Kreisen. Wichtig ist, dass die der Ketzerei beschuldigten Bewegungen Nordeuropas einen anderen Charakter aufwiesen als in Südfrankreich. Zwar waren dort auch Katharer oder ähnliche Gruppen, die ein dualistisches Weltbild vertraten, mehr oder weniger stark verbreitet. Doch im Allgemeinen zeichneten sich diese Gruppen durch die Ablehnung der kirchlichen Sakramente, vor allem der Ehe, der Kindertaufe und der Eucharistie aus. Ihr Lebensstil unterschied sich jedoch kaum von dem eines normalen katholischen Christen.362 Es zeigt sich auch hier, dass ein der kirchlichen Ordnung widersprechender Lebensstil zur Verurteilung führte.

Die Frauen fügten sich zunächst in das Ordens- und Klosterleben ein. Vor allem Prämonstratenser und Zisterzienser waren eine Anlaufstelle für fromme Frauen, denn diese Orden verfolgten das gleiche Ziel. Beide Orden boten durch die Gründung von sog. Doppelklöstern Frauen aller Schichten zum ersten Mal die Möglichkeit,

„in strenger Klausur, in unbedingter Verpflichtung zu enthaltsamem, armen, beschaulichen Leben eine Daseinsform im Sinne der die Zeit bewegenden religiösen Ideen zu verwirklichen.“363

Als sich beide Orden jedoch von der Sorge um die religiösen Frauen zurückzogen, mussten die Frauen neue Formen religiösen Lebens finden.364

Es bildeten sich neue Gemeinschaften, die keinem Orden angehörten, keine der Ordensregeln befolgten, aber dennoch in aller Strenge in Keuschheit und Armut lebten und sich dem Gebet und Fasten verpflichteten.365 Aus diesen neuen Gemeinschaften ging das Beginentum hervor. Das höchste Ideal dieser Frauen war die Keuschheit um des Himmelsreiches willen. Da sie deswegen einen ähnlichen Lebensstil wie der verurteilte Ketzer pflegten, waren sie dem Misstrauen und den Angriffen des Klerus – oft hilflos – ausgesetzt. So konnte es passieren, dass eine Frau, die ihre Keuschheit gegen einen aufdringlichen Kleriker verteidigte, von diesem der Ketzerei beschuldigt wurde.366 Aus diesem Grund wurden diese Frauen, da sie einzeln oder in Gemeinschaften in Armut und Keuschheit lebten, „mit demselben Ketzernamen wie die Katharer in Südfrankeich“367 bezeichnet: Beginen.368 Aber auch Männer, wenn sie z.B. den Lebensstil des Klerus kritisierten, mussten mit Anschuldigungen rechnen.369 Die einzige Autorität, die verdächtigten Frauen und Männern vor ungerechtfertigten Angriffen des Klerus Schutz bot, war der Papst in Rom. Er vermochte es, wirksame Gegenmaßnahmen zu ergreifen.370 So erschien 1216 der Augustiner-Chorherr Jakob von Vitry (um 1165 – 1240) in Rom. Der Bischof und spätere Kardinal brachte ein Anliegen vor die Kurie, das „die religiöse Bewegung in Flandern, Frankreich und Deutschland betraf.“371 Er – gerade erst zum Bischof von Akkon gewählt – erwirkte von Papst Honorius III. (1216 – 1227)

„für die ‚frommen Frauen im Bistum Lüttich und in ganz Frankreich und Deutschland‘ die päpstliche Erlaubnis, in Gemeinschaftshäusern zusammenzuwohnen und einander durch gegenseitige ‚Ermahnungen‘ im rechten Tun zu bestärken; das heißt: klösterliche Frauengemeinschaften ohne Anschluss an einen bestehenden Orden und ohne Annahme einer approbierten Klosteregel zu bilden und Erbauungspredigten oder Exhorten in diesen Gemeinschaften zu halten.“372

Schon seit Beginn des 13. Jahrhunderts hatten sich in Nordeuropa zahlreiche außerklösterliche Formen der weiblichen Religiosität gebildet – nicht nur in Belgien, sondern auch in Frankreich, Deutschland (z.B. Köln373, Speyer374); fromme Frauengemeinschaften fanden sich in Thüringen, Böhmen, sogar in England375 und Griechenland.376 Zu dieser Zeit war die Bezeichnung Begine jedoch nicht mehr mit einem Makel behaftet.377

Will man aber den Charakter der religiösen Frauenbewegung in Nordeuropa zu Beginn des 13. Jahrhunderts festhalten, darf man sich – so Grundmann378 – nicht auf das eigentliche Beginentum beschränken, das sich erst im Laufe der Zeit gegenüber anderen Formen der Frauenfrömmigkeit weiter entwickelt hat. Genauso wenig darf man sich auf Kenntnisse über das spätere Beginenwesens beziehen, um daraus auf das Wesen der religiösen Bewegung im 13. Jahrhundert zu schließen. Vielmehr gilt es, „den gemeinsamen Gehalt und die gleichartige Bedeutung der gesamten religiösen Frauenbewegung dieser Zeit“379 in den Blick zu nehmen, um von dorther zu verstehen, wie sich die religiöse Frauenbewegung – durch Maßnahmen der Kurie, der religiösen Orden, z.B. des Dominikanerordens, und der Frauengemeinschaften selbst – zu verschiedenen Organisationsformen weiterentwickelt hat.

„Mit der allgemeinen religiösen Bewegung ihrer Zeit hat die Frauenbewegung das Ziel einer christlichen Lebensgestaltung in evangeliengemäßem Sinne gemein, das sie vor allem durch freiwillige Armut und Keuschheit zu erreichen glaubt.“380

Von der als häretisch verurteilten Armutsbewegung unterscheidet sich die religiöse Frauenbewegung hauptsächlich durch den Verzicht auf die apostolische Wanderpredigt und auf Polemik gegen den Klerus.

Die religiösen Frauenbewegungen entstanden vermutlich nicht aus emanzipatorischen oder sozialen Gründen; zu den Gemeinschaften gehörten auch nicht ausschließlich Frauen aus den untersten Schichten bzw. Frauen, die aufgrund des Männermangels infolge der Kreuzzüge keine Ehe eingehen konnten und nach einer anderen „Versorgung“ Ausschau halten mussten. Zur religiösen Frauenbewegung gehörten vielmehr alle Schichten der Bevölkerung, besonders aber die oberen Schichten. Reiche und adlige Frauen suchten nach neuen Möglichkeiten, ein intensives religiöses Leben zu führen:

„Die Zisterzienserinnen in Belgien wie in Deutschland kamen zum allergrößten Teil aus dem Adel oder aus dem städtischen Patriziat; dass sie nicht Nonnen wurden, um dadurch ‚versorgt‘ zu sein, lässt sich selbst aus den dürftigen Zeugnissen, die wir über diese Klöster haben, hinreichend erweisen.“381

Auch für Jakob von Vitry sind die Ursachen für die Entstehung der religiösen Frauenbewegung und von Beginengemeinschaften allein religiöser Natur:

„Er habe, betont er, viele Frauen darunter gesehen, die den Reichtum ihrer Eltern verschmäht und die Ehe mit vermögenden und vornehmen Männern ausgeschlagen hatten, um in Armut, von der Arbeit ihrer Hände lebend, dürftig in Nahrung und Kleidung, sich ganz ihren religiösen Zielen zu widmen.“382

Man kann in dieser Haltung durchaus einen Protest gegen die „Folgeerscheinung der Anfänge des Kapitalismus“383 sehen:

„Es kann kein Zufall sein, dass die religiöse Armutsbewegung sich am kräftigsten und eigenartigsten in jenen Gebieten entfaltet hat, in denen im 12. Jahrhundert auch der Handel und die Industrie die bedeutendsten Fortschritte gemacht haben: in der Lombardei, in Südfrankreich und in Belgien. Überall in diesen Ländern hat sich die Idee der freiwilligen christlichen Armut zugespitzt zu der Losung, auf die Nutznießung ‚unrecht erworbenen Gutes‘ zu verzichten und stattdessen von der Arbeit seiner Hände oder aber von Almosen zu leben.“384

Man würde die religiöse Frauenbewegung jedoch falsch einschätzen, sähe man in ihr ausschließlich eine gezielt agierende Protestbewegung:

„Die Idee der freiwilligen Armut hat, auch außerhalb der Klöster, zu wirken begonnen und weite Kreise erfasst, als von solchen wirtschaftlich-sozialen Ursachen noch gar nicht die Rede sein konnte, und sie hat ihre Polemik zuerst nicht gegen wirtschaftliche, sondern gegen kirchliche Erscheinungen gerichtet: der innere Widerspruch zwischen Lebensweise des Klerus und den Forderungen der Evangelien ist der erste Anstoß ihrer Entfaltung.“385

Auch wenn die Motivation dieser Frauen nicht leicht auszumachen ist386, das Grundanliegen war und blieb ein religiöses Leben: Es kann – mit Dinzelbacher gesprochen – „kein Zweifel bestehen, dass persönliches Heilsstreben ein, wenn nicht überhaupt der ausschlaggebende Beweggrund für die meisten jener Frauen war.“387

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