Czytaj książkę: «Seewölfe - Piraten der Weltmeere 41»

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Impressum

© 1976/2014 Pabel-Moewig Verlag GmbH,

Pabel ebook, Rastatt.

ISBN: 978-3-95439-298-8

Internet: www.vpm.de und E-Mail: info@vpm.de

Inhalt

Kapitel 1.

Kapitel 2.

Kapitel 3.

Kapitel 4.

Kapitel 5.

Kapitel 6.

Kapitel 7.

Kapitel 8.

Kapitel 9.

1.

Man schrieb den 19. Oktober 1579. Die „Isabella V.“ segelte über Backbordbug bei halbem Wind auf Kurs Ost an der Südküste Hispaniolas entlang. Der Wettergott zeigte sich an diesem Tag von seiner allerbesten Seite. Am tiefblauen Himmel stand die Nachmittagssonne und warf ihre wärmenden Strahlen über das Schiff. Die prall stehenden Segel leuchteten in ihrem Licht, und die Männer hatten es sich zum großen Teil an Deck bequem gemacht.

Der Seewolf ließ seine Blicke über das Schiff wandern. Er gönnte seiner Crew diese Verschnaufpause, schließlich hatten es die vergangenen Stunden in sich gehabt. Die Befreiung der elf Männer aus Falmouth aus dem Kerker Santo Domingos war kein Kinderspiel gewesen. Sollte die Crew sich ausruhen – der Seewolf ahnte, daß ihnen dazu ohnehin nicht viel Zeit bleiben würde. Immerhin hatten sie den Hafen von Santo Domingo mit den schweren, siebzehnpfündigen Culverinen der „Isabella“ regelrecht in Klump geschossen und den Dons wieder eine verheerende Niederlage zugefügt. Das konnte nicht ohne Folgen bleiben.

Hasards Gedanken glitten weiter. Er sah das Mädchen vor sich, das sie ganz überraschend ebenfalls bei den Gefangenen im Kerker gefunden hatten – und unwillkürlich schlug sein Herz etwas schneller.

Gwendolyn Bernice O’Flynn! Die Schwester Dans, dessen Vater sie jetzt ebenfalls an Bord hatten, aufgefischt aus einem treibenden Boot, denn dem alten O’Flynn war es als einzigem gelungen, den Spaniern zu entkommen.

Er sah die Szene wieder vor sich – das fassungslose Gesicht Dan O’Flynns, als er in dem bewußtlosen Mann mit dem Holzbein seinen Vater erkannte.

Der Seewolf straffte sich. Es war eine verrückte Geschichte, dreizehn Engländern aus Falmouth, aus seiner Heimat, hier in der Karibik unter solchen Umständen zu begegnen. Verschleppt und fast schon versklavt von den Spaniern, die Falmouth überfallen hatten.

Und wieder wanderten seine Gedanken zu Gwen. Sie waren gerade noch zur rechten Zeit gekommen, denn Gwen war ein verdammt gut gewachsenes und bildhübsches Mädchen, das diesem Schweinehund von Hafenkommandanten schon längst ins Auge gestochen und ganz bestimmte Wünsche in ihm geweckt hatte.

Bei diesem Gedanken verfinsterten sich seine Züge. Der Teufel sollte jeden Kerl holen, der seine dreckigen Pfoten nach Gwen ausstreckte, ohne daß sie es ihm ausdrücklich erlaubte!

Ben Brighton enterte zum Achterkastell auf und unterbrach die Gedanken des Seewolfs, indem er auf ihn zutrat und vor ihm stehenblieb.

Hasard blickte auf.

„Was gibt es, Ben?“ fragte er seinen Bootsmann, der auf der „Isabella V.“ zugleich die Position eines ersten Offiziers innehatte.

Ben Brighton wies mit einer Kopfbewegung zum Hauptdeck hinunter.

„Es wird Zeit, daß du dich um die Neuen kümmerst. Sie müssen auch offiziell in die Crew eingegliedert werden, wenn es später nicht Schwierigkeiten geben soll. Vielleicht hältst du das für eine überflüssige Formalität, aber glaub mir, ich habe in solchen Dingen einige Erfahrungen gesammelt. Sie müssen wissen, daß sie nicht Gäste an Bord der ‚Isabella‘ sind, sondern wie jeder andere zur Crew gehören.“

Der Seewolf grinste.

„Ich glaube, deine Sorge ist unberechtigt, Ben. Die Männer kennen mich – der alte O’Flynn und Big Old Shane sind seebefahrene Leute. Die fünf Fischer wissen ebenfalls, wie es auf einem Schiff zugeht. Blieben die Handwerker, der Stadtschreiber und Gwen.“

„Über das Mädchen brauchen wir nicht zu reden. Daß sie Gast an Bord der ‚Isabella‘ ist, versteht sich doch von selbst.“

Der Seewolf ließ ein leises Lachen hören.

„Na, Ben, wenn du dich da nicht gründlich irrst. Ich kenne Gwen, die ist nicht dazu geschaffen, einfach so an Bord herumzusitzen, die feine Dame zu spielen und sich von uns bedienen zu lassen – o verdammt, da haben wir die Bescherung ja schon!“

Ben Brighton fuhr herum, und mit ihm auch die Köpfe etlicher Männer aus der Crew, denn Gwendolyn Bernice O’Flynn betrat soeben das Hauptdeck, gefolgt von Dan, und das Bürschchen grinste von einem Ohr bis zum andern. Gwen hatte sich ihrer Frauenkleider entledigt und trug jetzt Männerkleidung. Eine Hose, die wie angegossen paßte, und dazu eine Bluse, genauer gesagt ein Hemd, das ihr wegen seiner attraktiven hellgrünen Farbe nicht nur hervorragend stand, sondern ihre Figur erst richtig zur Geltung brachte.

Der Seewolf starrte das Mädchen an, er konnte einfach nicht anders. Das rotblonde, schulterlange Haar Gwens flog im Wind, als sie jetzt langsam mit Dan zum Vorderkastell hinüberging, auf dem es sich der alte O’Flynn mit Big Old Shane und Ed Carberry bequem gemacht hatte.

Auch die drei Männer starrten das Mädchen an, das da in Männerkleidern auf sie zukam. Sogar Ferris Tucker, der hünenhafte Schiffszimmermann, ließ vor Überraschung fast seine riesige Axt fallen.

Und noch ein Mann starrte dem Mädchen nach, aber das bemerkte in der allgemeinen Aufregung niemand. Er hatte sich von allen anderen abgesondert. Ein dürrer Kerl mit einem Geiergesicht und grauen Augen, die sich beim Anblick Gwens unwillkürlich verengt hatten, einem Ziegenbart und schmalen, nahezu blutleeren Lippen. Seine Hände, die wie Krallen wirkten, umklammerten dabei unwillkürlich einen der Belegnägel der Nagelbank, vor der er stand.

Der alte O’Flynn war aufgesprungen. Trotz seines Holzbeins bewegte er sich dabei absolut sicher. Seine Stirn zog sich unheildrohend zusammen, scharfe Falten erschienen über der Nasenwurzel.

„He, Gwen, bist du total verrückt geworden?“ fauchte er seine Tochter an. „Was soll dieser verdammte Mummenschanz? Sofort ziehst du dir wieder Kleider an, so, wie es sich für ein Mädchen in deinem Alter gehört.“

Dan stellte sich vor seine Schwester und hielt sie mit einer Bewegung seiner Rechten zurück.

„Soll sie vielleicht in Lumpen hier herumspazieren, damit ihr jeder bis in die Eingeweide gucken kann?“

„Dan!“ Die Stimme seiner Schwester wies das Bürschchen unmißverständlich zurecht. Aber Dan war nicht zu bremsen.

„Ach was, wir auf der ‚Isabella‘ sind nicht zimperlich. Wir sagen, wie es ist. Außerdem kannst du dich in deinen Mottensegeln hier an Bord bei Schlechtwetter sowieso nicht bewegen, die erste Bö pustet dich in den Großmars. Deshalb habe ich dir die Hose und das Hemd besorgt. Unser Segelmacher wird dir aus Segeltuch noch eine Jacke nähen, und damit basta. Außerdem wird hier an Bord jede Hand gebraucht, mit dir werden wir da auch keine Ausnahme machen.“

Ed Carberry, der anfangs gegrinst hatte, sprang nun ebenfalls auf. Er trat auf Dan zu.

„He, Freundchen, du könntest dein Maulwerk ruhig ein bißchen mehr bremsen, oder ich ziehe dir die Haut in Streifen von deinem Affenar ...“ Erschrocken hielt er inne. „Ich meine, Miß, hä, ich würde Ihrem Bruder ...“

Dan lachte lauthals.

„Damit du weißt, Gwen, was er mit mir vorhat: Er will mir die Haut in Streifen von meinem Affenarsch abziehen, und nun, nun wird da wohl nichts draus, was?“

Dan lachte wieder, während seine Schwester ihn etwas ratlos und verlegen ansah.

Das war der Moment, in dem der Seewolf sich einschaltete. Er hatte zusammen mit Ben Brighton die Szene vom Achterkastell aus beobachtet, und auch für ihn war die Situation absolut neu. Er spürte nur, daß es leicht Ärger geben konnte, wenn sie auf Gwen und das, was sie tat, nicht gehörig aufpaßten. Jedenfalls glaubten sie das, weil niemand Gwen wirklich gut genug kannte.

„Schluß jetzt, Dan“, sagte er nur. „Ich bitte mir aus, daß ihr in Gegenwart Gwens weniger ruppig sprecht. Schließlich haben wir mit ihr eine junge Lady an Bord unseres Schiffes. Natürlich wird sie nicht arbeiten, sie ist Gast auf der ‚Isabella‘. Daß sie Männerkleidung tragen muß, wird sich wohl nicht ändern lassen, denn wir sind hier auf weibliche Garderobe nicht eingerichtet. Aber alles andere ...“

Gwen, die bisher zu allem geschwiegen hatte, blickte den Seewolf jetzt aus ihren grünen Augen an. Es war ein Blick, der sogar diesen harten Mann erstarren ließ.

„Kommt nicht in Frage, Mr. Killigrew“, sagte sie leise, aber doch für jeden verständlich. „Ich werde hier an Bord meine Pflicht tun wie jeder andere. Ich werde hier kein Drohnendasein führen. Wo immer ich mich nützlich machen kann, da werde ich das tun. Sie sind der Kapitän, aber ich glaube nicht, daß Sie diesen, meinen ausdrücklichen Wunsch nicht respektieren werden.“

Ihr Gesicht überzog plötzlich ein schelmisches Lächeln.

„Oder ist der berühmte Seewolf so ein Unhold, daß er eine junge Lady einfach an Bord seines Schiffes einsperrt, damit sie nur ja nicht irgendwo mit Hand anlegen kann? Denn das müßte er schon tun, um sie daran wirklich zu hindern!“

Hasard sah sie an, dann überzog auch seine Züge ein Lächeln.

„Also gut, ich hatte mir das zwar anders vorgestellt, aber versuchen wir es mal auf Ihre Art, Gwen. Ich glaube nicht, daß es unter meinen Männern auch nur einen gibt, der Sie nicht respektiert. Ihn würde im übrigen der Teufel holen, und zwar auf der Stelle.“

Er deutete eine leichte Verneigung an und wandte sich an Carberry.

„Ed, alle neuen Leute auf die Kuhl. Sofort. Ich will ein paar Takte mit ihnen reden!“

Ed Carberry nickte. „Aye, aye, Sir.“ Er drehte sich um, und im nächsten Moment dröhnte seine gewaltige Stimme über das Schiff: „Los, alle Neuen auf die Kuhl, aber ein bißchen Tempo, oder ich mache euch Feuer unter dem Hintern!“

Dan warf seinem Vater einen Blick zu, und er sah, wie der alte O’Flynn in sich hineingrinste. Die Kerls auf der „Isabella“ waren eine Bande nach seinem Geschmack, ho, auf diesem Schiff ließ es sich leben.

Er marschierte nach achtern, und er bewegte sich mit seinem Holzbein erstaunlich schnell. Dan und Gwen begleiteten ihn, aber Ed Carberry fischte sich Dan heraus.

„He, seit wann bist du denn neu auf diesem Schiff? Die Neuen auf die Kuhl habe ich gesagt, ist das klar?“

Aber diesmal geriet er bei Dan gerade an den Richtigen.

„Nun halt doch endlich einmal deine Gorillaschnauze, du narbiger Affe!“ fauchte er den Profos an. „Wenn ich auf die Kuhl will, dann gehe ich auch dahin, ob es dir paßt oder nicht.“

Er riß sich los und ließ den verblüfften Carberry zurück.

„Wie – was? Gorillaschnauze, narbiger Affe? Also das, das ist doch ...“

Ferris Tucker tauchte neben ihm auf und lachte.

„Ed, das Bürschchen mausert sich so langsam. Junge, Junge, bin nur gespannt, wann er mich wieder einen rothaarigen Affen nennt, dann ...“

Ferris warf einen verliebten Blick auf seine Pranken, aber jeder an Bord wußte, daß er niemals imstande gewesen wäre, Dan ernsthaft zu verprügeln, dazu hatte er den Jüngsten der „Isabella“-Crew viel zu sehr ins Herz geschlossen.

Auch Ed Carberry grinste, sein anfänglicher Ärger war verflogen.

„Du hast völlig recht, Ferris. Das Kerlchen hat sich ganz schön herausgemacht. Muß nur hin und wieder eins mit dem Tauende über die Achtergalerie kriegen, sonst wird er uns zu übermütig.“

Ferris blieb plötzlich stehen, und Carberry wohl oder übel auch, denn der rothaarige Hüne hatte ihn am Arm gepackt und hielt ihn fest.

„Paß ein wenig auf mit Tauende und so, Ed. Der Junge hat seine Rolle als Bürschchen endgültig satt. Er will als vollwertiger Mann behandelt werden, und, verdammt noch mal, das ist er ja auch schon längst. Wir werden ein wenig auf ihn aufpassen, aber sonst laß ihn man, oder du wirst noch mal dein blaues Wunder mit Dan erleben! Das ist ein guter Rat, Ed!“

Carberry starrte ihn aus schmalen Augen an.

„Hä? Wie, was?“ fragte er dann. „Was soll das heißen, Ferris? Das Bürschchen halte ich mir vorläufig noch mit dem kleinen Finger vom Leib, wenn ich will. Dem ziehe ich jederzeit noch die Haut in Streifen von seinem Affenarsch, wenn ich das will.“

„Hör auf mich, oder laß es auch bleiben. Ich habe dich gewarnt, Ed, der Junge befindet sich jetzt in einer Phase, in der er in dieser Hinsicht keinen Spaß mehr versteht. Ich habe da neulich so eine Sache erlebt, abends, auf dem Hauptdeck, und sein Vater stand dabei. Und genau das ist es. Dan will seinem Vater zeigen, daß er inzwischen ein Mann geworden ist.“

Sie waren weitergegangen und auf der Kuhl angelangt. Carberry hatte die Stirn gerunzelt, wollte etwas fragen, aber dabei fiel sein Blick auf jenen Mann, der ihm schon ein paarmal unliebsam aufgefallen war. Der Kerl mit dem Geiergesicht und den messerscharfen Lippen hockte immer noch auf der Nagelbank und traf nicht die geringsten Anstalten, sich zur Kuhl hinüber zu bewegen, obwohl sich die anderen und ein Teil der Crew dort längst versammelt hatten.

„He, Ferris!“ Carberry blieb abermals ruckartig stehen. „Was ist denn mit der Type da drüben los? Der Kerl hat wohl Kakerlaken in den Ohren, was?“

Carberry setzte sich in Bewegung und ging zu dem Mann mit dem Geiergesicht hinüber.

„Bist du taub? Der Seewolf hat befohlen, daß sich alle Neuen auf der Kuhl versammeln. Das gilt auch für dich. Und wenn du jetzt nicht blitzartig die Beine bewegst, bringe ich dir eigenhändig bei, wie schnell hier an Bord der ‚Isabella‘ die Befehle des Kapitäns ausgeführt werden. Also, was ist?“

Carberry hatte diesmal nicht gebrüllt, sondern seine Stimme war gefährlich leise gewesen. Das allein schon hätte den Fremden warnen sollen, aber er kannte den einstigen Profos der „Golden Hind“ eben nicht.

Statt der Aufforderung Carberrys so schnell wie möglich Folge zu leisten, verzog er verächtlich die Mundwinkel.

„Hören Sie zu, Mister: Ich hatte nicht die Ehre, Sie kennenzulernen. Und deshalb halte ich es für völlig unangebracht, daß Sie mich duzen. Mehr noch, ich verbitte mir das ein für allemal. Und was die Befehle Ihres Seewolfs angeht, so interessieren sie mich nicht. Er hat mir nichts zu befehlen. Wenn er mir etwas mitzuteilen hat, dann mag er sich zu mir bemühen. Ich hätte nachher sowieso nach ihm geschickt, weil ich ihn sprechen muß.“

Carberry glaubte, nicht recht gehört zu haben. Er war viel zu verblüfft, um sofort aus der Haut zu fahren, wie es eigentlich seine Art war. Statt dessen starrte er den Geiergesichtigen aus schmalen Augen an, aber der ließ ihm keine Zeit zu langen Überlegungen.

„Ich habe mir es soeben anders überlegt. Richten Sie dem Seewolf aus, daß ich ihn sprechen will!“ schnarrte er. „Sofort! Es ist überhaupt eine Ungeheuerlichkeit, daß dieser sogenannte Kapitän es nicht für nötig befunden hat, sich um mich und meine Wünsche zu kümmern, das wird ihm noch eine Menge Ärger einbringen, wenn wir wieder in England sind. So, verschwinden Sie, holen Sie jetzt endlich diesen Seewolf her!“

Carberry schüttelte unwillkürlich den Kopf. Ihm war in diesem Moment zumute, als segele die „Isabella“ bei achterlichem Wind rückwärts.

Langsam drehte er sich um, während sein zernarbtes Gesicht anzuschwellen schien.

„Ferris, hast du das gehört?“ fragte er und zweifelte immer noch an seinem Verstand. „Diesen Armleuchter hier interessiert gar nicht, was der Seewolf befiehlt, er will statt dessen ...“

In Carberry schoß die Wut explosionsartig hoch. Er riß einen Tampen aus der Nagelbank und zog dem Mann mit dem Geiergesicht blitzschnell ein paar über. So gekonnt und so kräftig, daß der senkrecht in die Luft sprang und einen lauten, schrillen Schrei ausstieß, der über alle Decks schallte.

Aber Carberry war jetzt nicht zu bremsen.

„Was?“ brüllte er, und Ferris Tukker hatte das Gefühl, als müsse jeden Augenblick die Großrah vom Mast herabkommen. „Du dreimal geteerter Affenarsch bist immer noch nicht auf der Kuhl? He, warum haben wir dich nicht bei den Spaniern gelassen, die hätten dich am offenen Feuer geröstet! Solche Typen wie dich haben die Dons besonders gern. Mann, wenn du jetzt nicht verschwindest und dich beim Seewolf persönlich meldest, dann ziehe ich dir die Haut in Streifen ab, falls du dann überhaupt noch welche hast!“

Wieder pfiff der Tampen durch die Luft und traf klatschend die Kehrseite des Geiergesichtigen. Er vollführte abermals einen Luftsprung, sauste dann aber wie ein geölter Blitz über das Hauptdeck zwischen den Culverinen hindurch und befand sich Sekunden später schon auf der Kuhl, hinter sich den immer noch brüllenden und tampenschwingenden Carberry.

Der Seewolf flankte über die Schmuckbalustrade. Dann packte er mit der einen Hand den Neuen, mit dem anderen Arm blockte er Carberry ab.

„Was geht hier vor?“ fragte er scharf. „Ed, bist du total verrückt geworden? Warum prügelst du diesen Mann quer über Deck? Antwort, verdammt noch mal!“

Die eisblauen Augen des Seewolfs hatten sich zornig zusammengezogen, er funkelte Carberry an.

Aber der Profos dachte gar nicht daran, sich einschüchtern zu lassen.

„Was hier los ist, fragst du?“ brüllte er. „Dieser Dreckskerl sagt mir doch glatt ins Gesicht, daß ihn die Befehle des sogenannten Seewolfs nichts angingen. Im Gegenteil, wenn er ihm etwas mitzuteilen habe, dann möge er gefälligst zu ihm kommen! Das sagt mir dieser Kerl, als ich ihn aufforderte, deinen Befehl zu befolgen und zur Kuhl hinüberzugehen.“

Carberry holte Luft.

„Damit das klar ist, Hasard, ein für allemal: Solange ich an Bord dieses Schiffes bin, werden deine Befehle befolgt, und zwar blitzartig und ohne jeden Widerspruch. Wer das nicht tut, den holt der Teufel. Was denkst du lausige Kakerlake eigentlich, wer du bist?“ brüllte er den Mann mit dem Geiergesicht in einer Lautstärke an, daß sogar den Männern der „Isabella“-Crew, die sich ebenfalls auf der Kuhl versammelt hatten, das Grinsen augenblicklich verging. Sie alle wandten dem Fremden, den niemand von ihnen bisher kennengelernt hatte, ihre Blicke zu.

Big Old Shane, der riesige Waffenmeister und Schmied von Arwenack, der ebenfalls zu den Befreiten gehörte, sagte mit seiner grollenden, dunklen Baßstimme in die momentan herrschende Stille hinein: „Carberry hat völlig recht, Hasard. Ich würde jetzt auch gern erfahren, was für eine hochgestellte Persönlichkeit wir denn hier vor uns haben, wenn er glaubt, daß er deine Befehle nicht zur Kenntnis zu nehmen braucht! Also, Mister, haben Sie die Güte und stellen Sie sich uns mal vor!“

Der Seewolf ließ Carberry los. In seinen Augen wetterleuchtete es.

„Ich warte“, sagte er eisig. „Ich will jetzt wissen, wer Sie sind.“

Der Geiergesichtige, dessen Züge noch immer schmerzverzerrt wirkten, versuchte, sich hoch aufzurichten.

„Ich bin Baldwyn Keymis, Friedensrichter von Falmouth. Ich bin vom Lordkanzler in dieses Amt eingesetzt worden, und ich verlange von Ihnen, Kapitän, daß Sie diesen Mann hier, der es gewagt hat, gegen mich die Hand zu erheben, sofort in Eisen schließen lassen. Danach werden Sie mir eine Kammer im Achterkastell zuweisen, mir eine meinem Amt entsprechende Sonderverpflegung servieren lassen und die junge Dame da zu meiner persönlichen Bedienung abstellen. Sollten Sie meine Wünsche ignorieren, werden Sie in England erhebliche Schwierigkeiten zu erwarten haben. Außerdem verlange ich, daß Sie auf dem schnellsten Wege nach England segeln.“

Keymis hatte das alles mit seiner arrogant schnarrenden Stimme mehr hervorgestoßen als gesprochen. Der Seewolf hingegen hatte sich nicht gerührt. Kein Muskel in seinem Gesicht zuckte.

„Können Sie sich legitimieren, Mr. Keymis?“ fragte er statt dessen kalt, während die Männer seiner Crew bereits zu murren begannen. Aber mit einer Handbewegung brachte er sie zum Verstummen.

„Legitimieren?“ schnarrte der Friedensrichter aufgebracht. „Sie selbst haben mich und die anderen aus dem Kerker der Spanier geholt und stellen dann solche dummen Fragen. Fragen Sie die Kerls, fragen Sie das Weibsbild da, die können Ihnen bestätigen, daß ich der vom Lordkanzler eingesetzte Friedensrichter von Falmouth bin. Das wird Ihnen dann ja wohl genügen!“

Dan stand plötzlich vor dem Friedensrichter und hielt ihm seine Faust unter die Nase.

„Hast du Schweinekerl eben Weibsbild zu meiner Schwester gesagt?“ fragte er drohend. „Und bedienen soll sie dich?“ fauchte er außer sich vor Wut. „Auf so was wie dich haben wir auf der ‚Isabella‘ gerade noch gewartet. Strecke auch nur den kleinen Finger nach meiner Schwester aus, du lausiger Federfuchser, dann kann dich dein Lordkanzler bei den Fischen suchen, kapiert?“

Um Hasards Mundwinkel zuckte es. Er hatte Dan selten so wütend gesehen, und er selbst verspürte auch heftigen Ärger über diesen aufgeblasenen Kerl, der sich Friedensrichter von Falmouth nannte. Aber andererseits mußte er wirklich einen Teil seiner Wünsche respektieren, alles andere wäre höchst unklug gewesen. Auch wenn seine Crew ihn vielleicht nicht verstehen würde.

Wieder murrten seine Männer, die inzwischen beinahe vollständig auf der Kuhl versammelt waren und die Neuen wie ein Kordon umgaben.

Einer der fünf Fischer trat auf den Friedensrichter zu.

„Es stimmt, du bist Baldwyn Keymis, der Friedensrichter von Falmouth. Aber das hat hier, an Bord der ‚Isabella‘, keine Bedeutung. Ich begreife nicht, warum du deinen Rand so aufreißt. Hast du eigentlich vergessen, daß der Seewolf und seine Männer uns vor dem sicheren Tode unter spanischer Tyrannei bewahrt haben? Wenn ich du wäre, würde ich das Maul halten und alles tun, damit wir sobald wie möglich wieder in England sind.“

Der Mann trat zurück. Er hatte schon weißes Haar, und Hasard wußte, daß er George Garrett hieß. Seinen Worten folgte lautstarke Zustimmung, und Keymis warf giftige Blicke um sich. Aber er dachte gar nicht daran, dem Rat des Fischers zu folgen.

„Also, was ist, erhalte ich nun endlich Antwort?“ schnarrte er. „Und wird dieser Kerl da“, er deutete auf Carberry, „jetzt in Ketten gelegt oder nicht?“

Der Seewolf trat hart an den Friedensrichter heran.

„Schluß jetzt mit dem Theater“, sagte er. Aber der Klang seiner Stimme ließ nicht den geringsten Zweifel daran, daß das Maß endgültig voll war. „Auf meinem Schiff wird kein Mann meiner Besatzung in Eisen gelegt, schon gar nicht, wenn er nichts verbrochen hat, was eine solche Maßnahme rechtfertigen würde.“

„Nichts verbrochen?“ fuhr der Friedensrichter auf den Seewolf los. „Der Kerl da hat es gewagt, gegen mich die Hand zu erheben, er hat mich geschlagen, er hat ...“

„Er hat genau das getan, was ich auch getan hätte, Mr. Keymis!“ donnerte Hasard ihn an, denn jetzt riß ihm endgültig die Geduld. „Ich bin der Kapitän dieses Schiffes, Mr. Keymis, und mein Wort ist hier an Bord Gesetz! Meine Befehle werden befolgt, sofort und ohne Widerrede. Von allen, auch von Ihnen.“

Hasard funkelte ihn an.

„Dennoch werde ich Ihren Rang respektieren. Sie beziehen eine Kammer im Achterschiff und sind vom Dienst an Bord befreit. Extraverpflegung gibt es nicht, Sie werden haargenau das essen, was alle erhalten, mich eingeschlossen.“

Er drehte sich zu Ben Brighton herum.

„Ben, du gibst Keymis deine Kammer. Gwen wird ebenfalls im Achterkastell untergebracht, und zwar in der Gästekammer. Wenn Gwen an Bord etwas tun will, dann soll es mir recht sein, inwieweit und auf welche Weise, das bleibt ihr überlassen.“

Er wandte sich wieder den Männern zu, die auf der Kuhl standen.

„Nun zu euch! Ihr wißt, daß wir nach England noch einen weiten Weg vor uns haben. Seit wir uns diese Galeone kaperten, fahren wir mit einer zu kleinen Besatzung, das hat uns sogar schon mehrfach in Gefahr gebracht. Ich begrüße daher die zahlenmäßige Verstärkung meiner Besatzung sehr. Auf uns warten Piraten, Stürme, wahrscheinlich auch noch spanische Schiffe, die alles daransetzen werden, uns unsere Beute wieder abzujagen. Deshalb verlange ich von jedem, daß er seine Pflicht tut, daß er sich so schnell wie möglich mit der ‚Isabella‘, mit der notwendigen Seemannschaft und mit allem übrigen vertraut macht. Ein Teil von euch wird von Ferris Tucker und Al Conroy an den Geschützen ausgebildet, andere werden der Steuerbord- oder Backbordwache zugeteilt. Ben Brighton, Carberry, Ferris Tucker und Smoky werden sich darum kümmern. Es wird an uns allen selber liegen, ob und wann wir England wieder erreichen!“

Er sah die neuen Männer seiner Besatzung scharf an.

„Das bedeutet aber, daß ihr alle ab sofort unter meinem Kommando steht und die Bordgesetze für euch alle gelten.“

Die Crew brach in wildes Gebrüll aus, in das die neuen Leute mit einstimmten. Nur der Friedensrichter sah hochmütig auf die Männer – und dem Seewolf entging das nicht.

„Ben, schaff mir diesen Kerl jetzt aus den Augen“, sagte er leise. „Ich habe mit der Crew noch zu reden.“

Sein Bootsmann nickte nur, dann wandte er sich an den Friedensrichter.

„Wenn Sie mir jetzt also bitte zu Ihrer Kammer folgen wollen, Mister“, sagte er, nicht ohne Spott in seiner Stimme.

Baldwyn Keymis nickte arrogant. Endlich begannen die Dinge sich so zu entwickeln, wie er sie haben wollte. Aber sie würden sich noch ganz anders entwickeln, darauf konnte dieser verfluchte Seewolf jetzt schon Gift nehmen.

Er sagte jedoch nichts. Nur an das Mädchen dachte er noch und warf ihr einen Blick zu, ehe er Ben Brighton auf das Achterkastell folgte. Es war kein guter Blick.

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18+
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ISBN:
9783954392988
Wydawca:
Właściciel praw:
Bookwire
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