Czytaj książkę: «Seewölfe - Piraten der Weltmeere 19»

Czcionka:

Impressum

© 1976/2013 Pabel-Moewig Verlag GmbH,

Pabel ebook, Rastatt.

ISBN: 978-3-95439-202-5

Internet: www.vpm.de und E-Mail: info@vpm.de

1.

„Da wird geschossen! Verdammt noch mal, da vorn muß die Hölle los sein!“

Unwillkürlich hatte der Seewolf leise gesprochen. Aber das war völlig unnötig, denn jetzt drang auch lautes Geschrei an seine Ohren, das abermals vom Dröhnen abgefeuerter Musketen durchbrochen und übertönt wurde.

Die Männer um Philip Hasard Killigrew verhielten sich mucksmäuschenstill. Es war ihnen rätselhaft, wer da vor ihnen in der Nacht auf der Insel herumballerte.

„Das kann nur beim Dorf der Araukaner sein, Hasard“, sagte Carberry schließlich und schob sein Rammkinn vor. „Das aber würde gleichzeitig bedeuten, daß sich Spanier auf der Insel befinden müssen. Denn die Indianer besitzen keine Feuerwaffen.“

Der Seewolf nickte, während er angestrengt nachdachte. Carberry hatte recht – eine andere Lösung gab es nicht.

Hasards Gruppe, die aus elf Männern bestand, Carberry ausgenommen allesamt aus seiner Crew, verharrte in absoluter Finsternis. Der urwaldähnliche Pflanzenwuchs, der sie umgab, schluckte sogar noch den Schimmer der Sterne.

Ferris Tucker, der neben Hasard stand, stieß eine Verwünschung aus. Aber dann überzog ein Grinsen seine Züge, während er seine riesige Zimmermannsaxt fester packte.

„Wenn das welche von diesen verdammten Dons sind, dann kommen sie mir gerade recht. Ich habe diese Hundesöhne noch nicht vergessen, ganz besonders nicht die Zeit auf der ‚Tortuga‘. Da sind noch ein paar Rechnungen offen. Denen werde ich auf die Zehen treten, bis sie Plattfüße haben!“

Zustimmendes Gemurmel erhob sich. Auch der Seewolf grinste. Mit dieser Teufelsbande ließ sich etwas anfangen. Er dachte flüchtig daran, wie er sie in Spanien von der Galeere heruntergeholt hatte, auf der die Spanier sie in Ketten als Sträflinge monatelang gefangengehalten hatten. Statt Essen hatte es dort oft nur Peitschenhiebe gegeben. Die tiefen Narben auf den Rücken der Männer waren deutliches Zeugnis für die Torturen, die sie auf der „Tortuga“ hatten hinnehmen müssen. Und der Seewolf verstand nur zu gut, daß diese Monate bei keinem von ihnen vergessen waren.

„Hört zu“, sagte er. „Wir werden erstmal erkunden, was da eigentlich los ist. Seid vorsichtig, wenn die Dons das Dorf der Indianer angegriffen haben, dann befinden sie sich auch in der Übermacht. Ich habe keine Lust, in irgendeine Falle oder irgendeinen Hinterhalt zu laufen. Und vergeßt nicht – auch die Indianer könnten uns die Hölle wieder ganz schön anheizen!“

Unwillkürlich tastete er nach der tiefen Wunde, die ihm der Araukanerpfeil mit seiner Knochenspitze gerissen hatte. Von der Augenbraue über die ganze linke Wange. Noch immer brannte sie höllisch.

„Los, vorwärts!“ kommandierte er, und der kleine Trupp setzte sich in Bewegung. Hinter dem Seewolf brach Carberry durch den Pflanzenwuchs. Voraus stampfte Ferris Tukker. Wo notwendig, hieb er mit seiner Axt den Weg durch Lianen und Unterholz frei – eine andere Möglichkeit gab es nicht. Hasard und Carberry unterstützten ihn dabei mit ihren Entermessern.

Es war schwül. Die im Dschungel herrschende Feuchtigkeit trieb ihnen den Schweiß aus den Poren. Irgendwo kreischten Tiere im Dunkel der Nacht, aber immer wieder drangen das Dröhnen der Musketen und das Geschrei der Indianer an ihre Ohren. Hinter Hasard kämpfte sich Dan O’Flynn vorwärts. Ihm folgten der riesige Gambia-Neger Batuti, Ben Brighton, der Kutscher, Stenmark, Smoky, Gary Andrews, Blacky und Al Conroy, der den Schluß der Gruppe bildete. Alle waren bis an die Zähne bewaffnet.

Sie arbeiteten sich schweigend vorwärts, bis sie endlich auf einen Pfad der Araukaner stießen, der wahrscheinlich zum Dorf führte.

Der Seewolf blieb stehen, und auch der rothaarige Schiffszimmermann ließ seine Axt sinken.

Der Kampfeslärm vor ihnen war lauter geworden. Aber dann hörten sie etwas, was ihnen buchstäblich die Haare zu Berge stehen ließ.

Eine hohe helle Stimme stieß schrille Schmerzenslaute aus. Laute, die sie nicht verstanden, aber die Männer begriffen trotzdem, was dort knapp hundert oder auch nur fünfzig Yards vor ihnen geschah.

Dan sprach es als erster aus.

„Da wird jemand gefoltert!“ stieß er hervor, und seine Stimme vibrierte vor Zorn. Und wie, um seine Worte zu untermalen, ertönten wieder diese entsetzlichen schrillen Schreie, die gleich darauf von lautem Gelächter aus rauhen Männerkehlen übertönt wurden.

Der Seewolf entschloß sich schnell, denn einige der Männer, die gerade gelacht hatten, begannen jetzt auch laut etwas in die Nacht zu grölen.

„Das sind Dons!“ stieß Ben Brighton voller Grimm aus, der genau wie der Seewolf perfekt Spanisch sprach.

„Und ob das Dons sind, Ben!“ knirschte Hasard. Er konnte seinen Grimm kaum noch meistern, denn er hatte genau wie Ben verstanden, was der Spanier gegrölt hatte. Weder der Seewolf noch seine Männer waren zart besaitet, aber das, was Hasard da eben gehört hatte, das trieb sogar ihm das Blut in die Wangen.

„Ferris, Batuti, Ben – mir nach. Die anderen folgen uns, aber seid vorsichtig, ich weiß nicht, wie viele Dons da vor uns sind. Seht zu, daß ihr sie in die Zange nehmt. Carberry – du übernimmst das Kommando!“

Der Profos schob abermals sein Rammkinn vor.

„Die Kerle da sind schon so gut wie in der Hölle. Haut ab, ich bleibe mit den anderen dicht hinter euch. Wenn irgend etwas schieflaufen sollte, pauken wir euch wieder ’raus!“

Der Seewolf nickte nur kurz und verschwand auch schon mit Ferris Tucker, Ben Brighton und Batuti in der Dunkelheit.

Sie brauchten nur wenige Minuten, dann erblickten sie vor sich den Schein eines lodernden Feuers. Von fern drang der Kampfeslärm herüber, er war etwas abgeflaut, wahrscheinlich sammelten die Spanier Kraft zum nächsten Angriff. Um so besser verstanden Hasard und seine Männer, was da vor ihnen auf der kleinen Lichtung geschah, die offenbar von den Araukanern rings um einen kleinen, tempelartigen Bau geschlagen worden war.

Der Seewolf, der wieder kurz stehengeblieben war, huschte weiter. Nach etwa zwanzig Schritten hatte er den Rand der kleinen Lichtung erreicht – und was er da sah, das sträubte ihm die Haare.

Auf der Lichtung, etwa drei Yards vor dem kleinen Tempel, umstanden sechs Spanier ein am Boden liegendes, an vier ins Erdreich geschlagene Pflöcke gefesseltes Araukanermädchen. Einer der Kerle hielt ein glühendes Eisen in der Hand, ein anderer bückte sich gerade und fetzte dem Mädchen mit einem Ruck den letzten Rest der Kleidung vom Körper.

Nur im Unterbewußtsein registrierte der Seewolf, daß die Indianerin ein bildhübsches, gertenschlankes und sicherlich noch sehr junges Mädchen war. Auf einem ihrer Oberschenkel hatte die Araukanerin eine häßliche Brandwunde.

Der Kerl, der das glühende Eisen in der Hand hielt, trat eben an das Mädchen heran, senkte das Eisen und wollte es auf eine ihrer Brüste drücken, aber dazu kam er nicht mehr.

Der Seewolf stieß einen Schrei aus, der fast den hölzernen Tempel erzittern ließ. Dann warf er sich auf den Spanier, rammte ihm sein Entermesser durch das Lederwams in den Leib und katapultierte ihn gleichzeitig gegen die Außenwand des hölzernen Tempels. Im Nu hatte der Seewolf sein Entermesser wieder aus dem Körper des Spaniers herausgerissen, wirbelte herum und schlug die scharfe Klinge dem nächsten in die Schulter.

In diesem Moment stürmte Ferris Tucker heran. Mit einem wahrhaft satanischen Gebrüll schmetterte er seine überlange Axt dem nächsten auf den Helm. Der Schlag war mit solcher Kraft geführt, daß der Spanier trotz des Helms mit gespaltenem Schädel zu Boden sank.

Batuti und Smoky warfen sich unterdessen auf die anderen drei Spanier, die sie aus weit aufgerissenen Augen anstarrten, unfähig, den Schock zu überwinden, den das plötzliche Auftauchen jener Fremden, die dazu noch Weiße waren wie sie selber, in ihnen hinterlassen hatte.

Aber dann griffen sie zu ihren Waffen. Und nun zeigte sich, daß diese Spanier zu einer kampfgewohnten Truppe gehörten, die Tod und Teufel nicht fürchtete. Sie hatten keine Ahnung, wer die Angreifer waren, aber sie rissen ihre Musketen, ihre Degen und ihre Hellebarden hoch.

Batuti, der gerade einen von ihnen an der Wand des Tempels mit seinem Entermesser festnageln wollte, wurde von einem mörderischen Hieb in den Rücken getroffen. Sein zum tödlichen Stoß erhobener Arm verharrte in der Luft, dann fiel er kraftlos herab.

Ben Brighton fegte den Spanier, der ihn eben mit einem wütenden Ausfall seiner Hellebarde in arge Bedrängnis brachte, mit ein paar wuchtigen Hieben zur Seite und deckte den bewußtlosen Batuti mit seinem Körper.

Der Seewolf sprang den beiden zu Hilfe, aber in diesem Moment waren Carberry und die anderen zur Stelle.

Ihre Messer blitzten im Schein des lodernden Feuers auf. Einer der Spanier stieß einen schrillen Todesschrei aus, dann herrschte plötzlich wieder Stille. Nur das Keuchen der Männer und Knistern der Flammen waren zu hören.

Stumm umstanden die Männer das Araukanermädchen, dann beugte sich Ferris Tucker zu ihr hinunter, zog sein Messer und zerschnitt die Fesseln. Behutsam hob er die Araukanerin auf und trug sie auf seinen starken Armen in den Tempel.

Hasard ließ ihn gewähren, aber noch bevor er sich darüber klarwerden konnte, was nun mit der Indianerin geschehen sollte, riß ihn ein lauter Schrei aus seinen Überlegungen.

Ferris Tucker erschien totenblaß mit der Araukanerin auf den Armen wieder auf der Lichtung vor dem Tempel. Beim Seewolf blieb er stehen.

„Diese Bestien!“ stieß er erbittert hervor. Gleichzeitig bettete er die Araukanerin wieder behutsam auf den Boden neben das Feuer. Dann winkte er den Kutscher heran.

„Los, kümmere dich um die Brandwunde auf dem Oberschenkel. Und sorg dafür, daß die Kleine etwas anzuziehen kriegt – und wenn einer von uns seine Hosen auszieht. Klar?“

Der Kutscher nickte nur und kniete sich neben dem Mädchen nieder.

Unterdessen stürmten die anderen in den Tempel. Dort bot sich ihren Augen ein entsetzliches Bild. Ein junger, gutgewachsener Indianer hing dort an einem Seil, das die Spanier offenbar an einem hervorstehenden Balken befestigt hatten, so genau ließ sich das wegen der herrschenden Dunkelheit, die nur von dem draußen brennenden Feuer ein wenig aufgehellt wurde, nicht erkennen. Er war gefoltert worden, aber nicht nur mit glühenden Eisen, sondern auf noch viel schlimmere, unmenschliche Weise.

Der Seewolf spürte, wie sich sein Magen zusammenkrampfte. Nur mit Mühe unterdrückte er den Brechreiz.

Wortlos verließ er den Tempel. Noch im Ausgang drehte er sich herum.

„Nehmt ihn herunter. Legt ihn auf den Boden. Wir haben jetzt keine Zeit, ihn zu begraben, aber wir werden das später tun. Kümmern wir uns erstmal um das Mädchen, vielleicht erfahren wir von ihr noch etwas.“

Als der Seewolf an das Feuer trat, hatte der Kutscher gerade die häßliche Wunde auf dem Oberschenkel der Araukanerin verbunden. Das Mädchen war wieder bei Bewußtsein, sie sah den Seewolf aus ihren großen, fast schwarzen Augen an. Ihm kam es vor, als werfe sie ihm einen langen, prüfenden Blick zu. Der Kutscher hatte ihre Blößen notdürftig mit seiner Jacke bedeckt.

Die Araukanerin setzte sich auf. Mit einer Hand zog sie die Jacke fest um ihren Körper, so daß sie schließlich wie eine Art kurzer Rock wirkte. Die andere führte sie zur Stirn und verneigte sich leicht gegen Hasard. Dann geschah wieder etwas völlig Überraschendes.

Ganz plötzlich sprang sie auf und war in der Dunkelheit verschwunden, noch bevor der Seewolf irgend etwas dagegen unternehmen konnte.

Dan, der eben aus dem kleinen Tempel ins Freie trat, sah das. Sofort warf er sich mit einem Riesensatz nach vorn, um die Indianerin noch zu erwischen, aber der Seewolf packte zu und hielt ihn fest.

„Laß sie, Dan. Wenn sie das mit angesehen hat, was da drinnen geschehen ist, dann hat sie mehr durchgestanden, als mancher von uns in seinem ganzen bisherigen Leben. Laß sie, sie wird in ihrem Dorf berichten, auf welche Weise sie gerettet wurde, und das kann uns sowie Matt und Pete nur nutzen, falls die beiden in die Gefangenschaft der Araukaner geraten sein sollten.“

Die Männer bildeten einen Kreis um den Seewolf. Und in diesem Moment brach beim Dorf der Araukaner wieder der Kampfeslärm los. Musketen donnerten, Menschen schrien, nur daß diesmal alles schon viel lauter war als vorher.

Der Seewolf hatte seinen Entschluß sehr schnell gefaßt.

„Wir sehen nach, was dort geschieht. Wir werden den Araukanern helfen, wenn das noch möglich ist. Und vor allen Dingen müssen wir wissen, mit wie vielen Dons wir es hier zu tun haben.“

Die Männer setzten sich in Bewegung. Der Pfad, der offenbar zum Dorf führte, verbreitete sich. Der Seewolf war sich im klaren darüber, daß die Spanier diesen Pfad vielleicht auch kannten und sie auf diese Weise sehr leicht in eine Falle geraten konnten. Aber er vertraute gleichfalls darauf, daß die Spanier ja von ihrer Anwesenheit gar nichts wissen konnten. Gar nichts wußten, das hatten eindeutig die Reaktionen der sechs getöteten Spanier bewiesen, die das Mädchen und den jungen Indianer gefoltert hatten.

Sie brauchten nicht lange, dann hörte der Dschungel plötzlich auf. Vor ihnen, auf einer großen Lichtung, lag das Dorf der Araukaner. Es war umgeben von hohen Palisaden, deren Pfähle in gefährliche Spitzen ausliefen. Vor dem Palisadenzaun befand sich ein breiter Schutzgraben, der mit Wasser gefüllt war. Und überall im Dorf flackerten Feuer, aber auch draußen auf der Lichtung.

Hasard und seine Männer verbargen sich am Rande der Lichtung. Die ganze Gegend wimmelte nur so von Spaniern, die eifrig damit beschäftigt waren, Bäume zu fällen, mit denen sie offenbar später den breiten Schutzgraben überbrücken wollten.

Der Seewolf knirschte mit den Zähnen.

„Diese Kerle wollen das Dorf stürmen!“ sagte er. „Wenn ihnen das gelingen sollte, dann wird es keiner der Indianer überleben. Ich habe verdammt den Eindruck, daß es sich bei dieser Aktion um eine Strafexpedition handelt.“

Er spähte umher. Es war schwer, die Anzahl der Spanier zu schätzen. Aber je länger er die Dons beobachtete, desto mehr wurden es. Hin und wieder eröffneten sie wütendes Musketenfeuer auf die Palisaden und wurden dafür mit einem Hagel von Pfeilen überschüttet.

„Mann, das sind über hundert Spanier!“ flüsterte Carberry. „Mindestens, vielleicht sogar zweihundert. Hölle und Verdammnis, woher kommen die bloß? Ganz gleich, was wir auch tun, gegen die haben wir paar Mann nicht die geringste Chance. Und ich fürchte, die Araukaner auch nicht!“

Hasard nickte. Der Profos hatte recht.

In diesem Moment zuckte Dan, der neben den beiden lag, heftig zusammen. Vor Aufregung versagte ihm fast die Stimme.

„Da, da an den Palisaden!“ sagte er. „Pete und Matt! Die kämpfen mit den Araukanern gegen die Dons, sie leben, Hasard!“

Dan deutete aufgeregt in eine ganz bestimmte Richtung, und da sahen es die anderen auch: Hinter den Palisaden, wahrscheinlich auf einer Art Wehrgang, standen Pete Ballie und Matt Davies, der Mann mit dem Eisenhaken am rechten Unterarm.

Der Seewolf atmete auf. Sie lebten tatsächlich. Zugleich bestärkte ihn diese Entdeckung in seinem Entschluß, den er im stillen bereits gefaßt hatte.

Es gab keine andere Möglichkeit, sie mußten Drake verständigen und Hilfe anfordern. Es wäre reiner Selbstmord gewesen, gegen diese Übermacht der Spanier auch nur etwas zu versuchen. Aber wie lagen die Dinge wirklich? Hatten die Spanier noch weitere Truppen gelandet? Konnten sie sich rasch Verstärkung beschaffen, wenn das nötig werden sollte? Gerieten Drake und seine Männer dadurch etwa in eine ausweglose Falle?

Hasard überlegte schnell, und ebenso schnell entschloß er sich auch.

„Blacky – Smoky! Ihr beide verständigt den Kapitän. Aber beeilt euch, und haltet vor allem die Augen auf. Es könnten noch mehr Trupps von diesen verdammten Dons über die Insel streifen. Lauft ihnen ja nicht in die Finger, vor allen Dingen laßt euch auf keinen Kampf ein. Ich und die anderen bleiben hier, ihr führt die Männer, die Drake uns schickt, hierher!“

Blacky und Smoky verschwanden. Sie beeilten sich höllisch, denn sie hatten gesehen, wie schlimm es um das Dorf der Araukaner und damit auch um Pete Ballie und Matt Davies stand.

2.

Kapitän Drake hatte seine Kammer im Achterkastell der „Golden Hind“ verlassen und stand an der Steuerbordreling. Voller Unruhe horchte er auf das Schießen, auf den Kampfeslärm, der deutlich vernehmbar bis zu ihm von der Mocha-Insel, die etwa zwanzig Meilen nördlich von Valdivia vor der chilenischen Küste lag, herüberdrang.

Aber es war nicht allein Sorge, sondern auch Ärger. Natürlich war ihm nicht entgangen, daß der Seewolf und seine Teufelsbraten die „Golden Hind“ in geradezu bemerkenswerter Schnelligkeit und Einhelligkeit verlassen hatten, nachdem der Kutscher, der zweite Koch der „Golden Hind“, über Bord gefallen war. Obendrein befand sich auch noch Carberry, der Profos, in dem Boot, mit dem die Kerle zur Insel gepullt waren. Seitdem war diese ganze Teufelsbande verschwunden und blieb es auch.

Drake lauschte wieder auf das heftige Schießen. Dabei spähte er unaufhörlich über die dunkle Wasserfläche, um eventuell das längst überfällige Boot zu entdecken. Wenn dem Seewolf und seinen Männern etwas passiert war, wenn die Indianer sie überfallen und möglicherweise umzingelt hatten, dann saß auch er, Francis Drake, ganz schön in der Patsche. Denn diese Teufels-Crew war durch nichts zu ersetzen.

Zorn stieg in ihm hoch. Er dachte daran, daß er ausdrücklich jede Suche nach den beiden verschollenen Männern Hasards, nämlich Pete Ballie und Matt Davies, verboten hatte. Nicht, weil er diese beiden tapferen und hervorragenden Seeleute einfach ihrem Schicksal überlassen wollte – dergleichen lag Drake fern –, sondern weil das Risiko, das eine Suchaktion auf der Mocha-Insel mit sich brachte, einfach zu groß war.

Und nun wurde Drake das Gefühl nicht los, daß dieser Hasard Killigrew, dieser schwarzhaarige Teufel, die ganze Mann-über-Bord-Geschichte nur inszeniert hatte, um auf diese Weise dennoch ungehindert eine solche Suche durchführen zu können.

Drake war normalerweise ein ruhiger Mann, der eher zur Besonnenheit als zu Zornesausbrüchen neigte. Aber in diesem Moment kochte es in ihm. Es war nicht das erstemal, daß der Seewolf sich seinen Befehlen nicht nur widersetzte, sondern ihnen einfach zuwidergehandelt hatte. Allerdings immer mit dem Erfolg, daß Drake an ernstliche Bestrafung gar nicht mehr denken konnte.

Schon einmal hatte es schwere Differenzen zwischen ihm und dem Seewolf gegeben, als nach einer blutigen Schlacht am Blackwater Batuti, der riesige Gambia-Neger, vermißt wurde und er, Drake, die Suche nach dem Verschollenen aus Sicherheitsgründen schließlich abgebrochen hatte.

Das war sogar so weit gegangen, daß Killigrew und Captain Norris sich fast geschlagen hätten, und er – Drake – einen Kampf zwischen den beiden nur noch mit einem Machtwort hatte verhindern können. Gleichzeitig aber hatte er gespürt, daß der Seewolf im Innern gar nicht daran dachte, nachzugeben. Und verdammt noch mal, wahrhaftig hatten zwei seiner Leute trotz des Verbots diesen Batuti weiterhin gesucht und auch gefunden.

Aber nicht nur das, Batuti hatte sogar einen Gefangenen mitgebracht und an Bord geschleift. Einen spanischen Capitan, dessen Aussage später sogar entscheidend für den glücklichen Ausgang ihres Kampfes am Blackwater und für die Vernichtung des dort angelegten Waffendepots geworden war.

An all das – mußte Drake denken, während der Zorn über diesen neuerlichen Ungehorsam des Seewolfs und seiner Teufelsbande mehr und mehr von ihm Besitz ergriff. Stutzig wurde er nach wie vor durch den Umstand, daß diesmal sogar Carberry, der Profos, ein ihm unbedingt treu ergebener Mann, mitgespielt hatte. Das verstand Drake absolut nicht und ließ ihn unsicher werden.

Wieder drang das Knattern von Musketen zu ihm herüber.

Drake spürte, wie ein Kribbeln seinen Körper überlief. Natürlich konnte er diesen schwarzen Satan und seine Männer nicht dort drüben auf der Insel von den Indianern massakrieren lassen. Das aber zwang ihn zu etwas, was er hatte vermeiden wollen: Er mußte gegen die Araukaner kämpfen, statt sie in ihrem Krieg gegen die Spanier zu unterstützen!

Dieser Gedanke war es, der bei Drake endgültig das Faß seines Zorns zum Überlaufen brachte. Er warf einen Blick zum Hauptdeck hinunter, dorthin, wo Mac Pellew, der Koch der „Golden Hind“, seine Kombüse hatte.

Drake wußte, daß Mac Pellew stets über alles informiert war, was sich an Bord abspielte oder auch nur anbahnte. Mac Pellew gehörte zu jenen Männern, die buchstäblich das Gras wachsen hörten. Er hatte zwar gemeldet, er sei schuld daran, daß der Kutscher über Bord gefallen war, weil er ihn aufs Schanzkleid gejagt hatte, um Abfall ins Wasser zu kippen. Aber irgendwie war die Sache oberfaul.

Sein Entschluß war gefaßt. Er würde dem alten Griesgram noch einmal auf den Zahn fühlen. Und zwar gehörig, danach würde er wahrscheinlich wissen, was sich an Bord seines Schiffes abgespielt und sogar ein Mann wie Carberry sich gegen seine ausdrückliche Order aufgelehnt hatte.

Drake verließ das Achterkastell. Er registrierte, daß einige Männer der Besatzung an der Steuerbordreling standen, zur nahen Mocha-Insel hinüberstarrten und auf den immer wieder anschwellenden Kampfeslärm horchten. Unter ihnen gewahrte er auch den Bordgeistlichen, Francis Fletcher, der auf ein paar Leute einredete.

Drake zögerte einen Moment. Er traute diesem Fletcher nicht. Er wußte, daß dieser Bursche gegen ihn intrigierte, wo immer es ging. Und Drake war dagegen auch so gut wie machtlos, denn ohne ganz schwerwiegenden Grund konnte er es nicht wagen, Hand an den Bordgeistlichen der „Golden Hind“ zu legen.

Drake wußte, daß er seit der Hinrichtung Sir Thomas Doughtys in Port St. Julian in Fletcher einen unversöhnlichen Feind hatte. Es war bereits zu mehreren Zusammenstößen zwischen ihm und dem Geistlichen gekommen, die um so gefährlicher waren, weil Fletcher nie mit offenem Visier kämpfte, sondern wahrscheinlich Berichte verfaßte, die er nach der Rückkehr der „Golden Hind“ in England gegen ihn, den Kapitän dieses Schiffes, verwenden würde.

Der Seewolf hatte Drake schon mehrfach vor Fletcher gewarnt, mehr noch – die Männer Hasards bewachten diesen Mann, belauerten ihn förmlich, um seine Aktivitäten schon möglichst im Keim zu erstikken. Keine leichte Aufgabe bei diesem aalglatten Kerl, der sich ständig hinter seinen Bibelsprüchen und seiner Frömmelei verschanzte!

Das brachte Drake wieder zu seinem eigentlichen Problem. Denn Hasards Männer waren von Bord, drüben auf der Mocha-Insel! Entschlossen setzte er seinen Weg fort, nicht, ohne mit einem zufriedenen Blick aus Fletchers Augen bedacht zu werden.

Drake stieß die Tür zur Kombüse auf. Und richtig, wie er vermutet hatte, war auch Mac Pellew noch wach. Er starrte Drake an, und sein Gesicht wurde noch um einige Grade mißmutiger als sonst. Er liebte derartige Besuche in seinem Reich gar nicht. Erst recht nicht, wenn sie Schwierigkeiten versprachen.

„Kapitän?“ Unüberhörbar lag in diesem Wort, das Frage und Feststellung zugleich war, die ganze Mißbilligung des Kochs über die unerwartete Störung.

Unerwartete Störung?

Drake mußte unwillkürlich lächeln. Nein, unerwartet kam Mac Pellew sein später Besuch bestimmt nicht. Aber es gehörte zu den Eigenschaften des Kochs, daß er meisterhaft zu schauspielern verstand. Denn dieser hagere, wie ausgemergelt wirkende und dennoch knallharte Bursche war auf seine Weise ein mindestens so schwieriger Fall wie der Seewolf.

„Mr. Pellew“, sagte Drake, und sofort begann der Koch, Löcher in die Kombüse zu starren. „Mr. Pellew, ich will von Ihnen wissen, was wirklich mit dem Kutscher passiert ist. Der Mann hat also beim Überbordwerfen von Abfällen die Balance verloren und ist ins Wasser gestürzt. Um ihn zu retten, verschwand Mr. Killigrew mitsamt seiner ganzen Crew. Außerdem noch Carberry. Bis jetzt ist keiner der Männer wieder aufgetaucht, aber statt dessen ist da drüben auf der Insel der Teufel los. Mr. Pellew, wenn Sie mir etwas dazu zu sagen haben, dann ist es Ihre Pflicht, alles, aber auch alles zu sagen. Es geht um das Leben von Mr. Killigrew und seinen Männern. Es geht aber außerdem um die ‚Golden Hind‘. Sie wissen so gut wie ich, daß ich Mr. Killigrew und seine Männer nicht entbehren kann, auf keinen Fall.“

Mac Pellew stand da wie zur Salzsäule erstarrt. Kein Muskel in seinem Gesicht zuckte. Er starrte einfach Löcher in die Luft, aber er traf nicht die geringsten Anstalten, Drake überhaupt etwas auf diese Frage zu antworten. Wieder stieg in Drake der Zorn hoch.

„Mr. Pellew“, begann er abermals, aber diesmal klang seine Stimme eine Spur schärfer, „tun Sie jetzt bloß nicht so, als wüßten Sie nichts. Sie sind an Bord der ‚Golden Hind‘ der Mann, der sogar die Kakerlaken husten hört. Verdammt noch mal, Pellew, Sie müssen mir helfen, verstehen Sie das nicht, oder wollen Sie das nicht begreifen? Also ’raus mit der Sprache: Killigrew und seine Männer haben die ganze Sache mit dem Kutscher nur in Szene gesetzt, weil sie Pete Ballie und Matt Davies suchen wollten, suchen und befreien. So verhält es sich doch?“

Drake trat noch näher an Mac Pellew heran und erreichte damit wenigstens, daß der Koch ihn anblickte. Aber in seinen Augen war keine Spur von Furcht. Im Gegenteil, Drake bemerkte die Aggression, den Trotz, der plötzlich in ihnen funkelte.

„Also, Sir, ich hab Ihnen das alles ja schon einmal erklärt. Der Kutscher hätte sich ja nur mit einer Hand am Want festzuhalten brauchen. Aber genau das hat er nicht getan, und deswegen sauste er ins Wasser. Dan O’Flynn und Batuti sind dem Kutscher nachgesprungen. Wie Sie wissen, kann der Kutscher ja nicht schwimmen, Sir. Dann wurde das Boot sofort besetzt. Anschließend sah ich noch, wie dieses Boot unter dem Kommando von Mr. Killigrew hinter dem Heck hervorschoß. Aber inzwischen hatte die starke Strömung Dan, Batuti und den Kutscher schon so weit in die Dunkelheit abgetrieben, daß von ihnen nichts mehr zu sehen war. Bestimmt sind sie den dreien gefolgt und haben sie nicht sofort finden können, zumal Carberry dauernd etwas davon in die Nacht brüllte, daß er dem verdammten Kutscher schon beibringen werde, wie man Abfälle über Bord schütten könne, ohne gleich ins Wasser zu fallen, und daß er ihm die Haut von seinem Affenarsch in Streifen abziehen würde. Natürlich konnte Mr. Killigrew dadurch bestimmt die Rufe der drei nicht hören. Es sollte mich wirklich nicht wundern, wenn sie die drei erst bei der Insel wiedergefunden haben, und dann wurden sie vermutlich von den Araukanern überfallen und mußten um ihr Leben kämpfen. Ja, Sir, mehr weiß ich nicht, und wenn Sie den alten Mac Pellew dafür an der Großrah aufknüpfen lassen!“

Mac Pellew klappte den Mund zu. Und das sah so endgültig aus, daß Drake unwillkürlich die Hände ballte.

„Mr. Pellew!“ stieß er drohend hervor, aber da geriet er gerade an den Richtigen.

„Ich will Ihnen noch etwas sagen, Sir!“ fauchte der Koch. „Jeder Mann vom Vordeck weiß, daß diese Seewölfe und dieser schwarzhaarige Satan eine ganz verdammte Bande sind, die wie Pech und Schwefel zusammenhalten. Wer sich mit einem von ihnen anlegt, der legt sich mit allen an. Und das ist gut so. Jeder Kapitän sollte froh sein und dem Himmel danken, wenn er eine solche Bande von Kerlen an Bord hat. Kein vernünftiger Kapitän kann erwarten, daß ausgerechnet die Seewölfe die Hände in den Schoß legen, wenn zwei von ihnen von den Indianern geröstet und verspeist werden. Die nicht, die ganz bestimmt nicht. Denn wenn sie das täten, dann taugten sie einfach nichts, Sir. Und wenn der Kapitän eines Schiffes eine Anordnung gibt, dann muß er sich von vornherein überlegen, ob er diese Anordnung auch durchsetzen kann. Aber so ein Rudel wie diese Seewölfe, also von denen läßt sich jeder einzelne lieber hängen, als daß er den anderen im Stich läßt. Und das ist richtig so. Denken Sie mal an Blackwater, an Batuti. So, Sir, tun Sie mit dem Mac Pellew, was Sie wollen. Ich weiß gar nichts – was ich Ihnen jetzt gesagt habe, das war meine Meinung, Sir, und auf die hatten Sie ja schließlich ein Anrecht, die wollten Sie doch wohl wissen, oder etwa nicht? Sie sollten wirklich froh sein, Männer wie die Seewölfe an Bord der ‚Golden Hind‘ zu ...“

Drake trat den Rückzug an. So wütend hatte er den Koch noch nie erlebt. Es war völlig zwecklos, weiter in ihn zu dringen. Und wenn selbst ein Mann wie Carberry zu dem Seewolf hielt, dann hatte Mac Pellew vielleicht sogar recht.

Er sah nicht mehr, wie Mac Pellew hinter ihm her grinste. Dazu war es zu dunkel, und das spärliche Licht der Deckslaternen reichte dazu auch nicht aus.

Darmowy fragment się skończył.

399 ₽
10,68 zł

Gatunki i tagi

Ograniczenie wiekowe:
18+
Objętość:
110 str. 1 ilustracja
ISBN:
9783954392025
Wydawca:
Właściciel praw:
Bookwire
Format pobierania: