Czytaj książkę: «Die Anatomie des Schicksals», strona 3

Czcionka:

Das Schicksal ist sinnlich.

Wir machen es selbst.

Diese Erkenntnisse könnten wunderschön sein, schon weil sie naturwissenschaftlich belegen, dass Gutes im Sinne etwa von Respekt vor der Umwelt Gutes bewirkt. Sie sind aber auch besorgniserregend angesichts der Respektlosigkeit, mit der wir die Natur behandeln. Denn in diesem holistischen System, in dem alles mit allem zusammenhängt, drängt sich eine bange Frage auf: Wie wird, wenn wir uns nicht rasch und gründlich ändern, dieses von uns selbst hervorgerufene Schicksal uns und die nächsten Generationen noch bestrafen?

Von der Puppe zum Puppenspieler

Also: Woraus besteht es nun wirklich, unser Schicksal?

Um sich dem großen Ganzen zu nähern, braucht es eine Bestimmung der Begrifflichkeiten und auch eine moderne Interpretation, wenn nicht sogar eine Neudefinition.

Der Duden sagt: »Schicksal – von einer höheren Macht über jemanden Verhängtes, ohne sichtlich menschliches Zutun sich Ereignendes, was jemandes Leben entscheidend bestimmt.« Vielleicht nicht ganz flockig beschrieben, aber im Sinn: Hier werkt ein Überwesen, und der Mensch ist machtlos. Höhere Gewalt kann man nicht beeinflussen.

Na ja. Das definieren wir bald neu.

Der Brockhaus sagt über das Schicksal: »Die Erfahrung, dass vieles, was dem Menschen widerfährt oder was sich in der Welt und Geschichte ereignet, nicht Resultat menschlichen Wollens und Handelns, sondern ihm von außen auferlegt ist.«

Auch das stimmt nicht mehr. Hier braucht es eine Definitionsänderung.

Wir werden sie im Laufe des Buches herausarbeiten und dann Wikipedia schenken.

Denn: Der Mensch kann das Schicksal aus eigenem Willen und Antrieb bis zu einem gewissen Grad verändern.

Der Mensch wird von der Puppe zum Puppenspieler.

Kein NPC mehr sein, darum geht es. NPC steht für Non Player Character und bezeichnet Figuren in Computerspielen, die kurzzeitig auftauchen und nichts zum Game beitragen. Sie stehen nur herum oder gehen im Kreis. Elektronische Statisten ohne Plan und Bedeutung.

Das Schicksal ist der Ablauf von Ereignissen im Leben eines Menschen. Manche sind unveränderbar wie das der Venus. Manche sind veränderbarer, als wir dachten.

Im Sprachgebrauch finden sich verschiedene Nuancen. Die passiven Formulierungen lauten: »Er wurde vom Schicksal zu etwas bestimmt.«

Sprich Fremdeinwirkung. Oder: »Das Schicksal nahm seinen Lauf.« Ja eh. Oder: »Einen Schicksalsschlag erleiden.« Ja, leider! Oder: »Das Schicksal meint es gut mit ihm.« Da kommt Freude auf. »Eine Laune des Schicksals.« Wie nett. Oder: »Sein Schicksal meistern.« Handwerklich gesehen, mit dem zurechtzukommen, was einem auferlegt worden ist.

Jedenfalls folgt das alles noch der alten Definition: Da kann man nichts machen, das ist halt so.

Allerdings gibt es auch aktive Phrasen. Zum Beispiel: »Das Schicksal herausfordern.« Na, trau dich. Oder: »Sein Schicksal in die Hand nehmen.«

Diesem aktiven Umgang mit dem Schicksal geht immer ein elektrischer Impuls voraus. Ein Gedanke ist da. Das Neue dabei ist: Dieser Gedanke, dieser elektrische Impuls, kann auch von der Umwelt mitbeeinflusst werden. Bösartigkeit und das, was dann Katastrophen hervorruft, wird in Zukunft nicht mehr im schwarzen Kleid der Pest daherkommen. Der bösartige Gedanke des Menschen wird es ins Leben bringen. Der böse Gedanke ruft Schicksalsschläge hervor. Weil Gedanken zu Worten werden, und Worte zu Taten.

Ein radikaler Islamist, der seinen Auftrag bekommen hat, schnallt sich eine Sprengstoffweste um und macht sich auf den Weg.

Ein sehr zorniger Mensch steigt in einen Lastwagen und lenkt ihn in eine Fußgängergruppe.

Ein junger Mann steht in einem Labor und mischt Substanzen für eine Sache zusammen, die er sich schon lange überlegt hat.

Vier Mädchen kesseln eine Schulkollegin ein, reißen sie zu Boden und treten ihr ins Gesicht, mit voller Kraft.

Ein Mann glaubt, dem Auftrag Gottes zu folgen, und steckt ein Messer in die Hosentasche, bevor er sich auf den Weg zu seiner Schwester macht.

Eine Frau wartet auf die nächste U-Bahn, das gefällt einem Mann nicht, und als die Garnitur in die Station einfährt, stößt er sie auf die Gleise.

Zwei Jugendliche kommen an einem Obdachlosen vorbei, sie deuten auf ihn, lachen ihn aus und zünden ihn an.

Eine Frau denkt auf dem Weg in die Arbeit an ihren untreuen Freund, übersieht eine Stopptafel und überfährt ein Kind.

Jemand wünscht sich, dass jemand anderer stirbt.

Alles Gedanken, die etwas auslösen. Die ein Schicksal ändern.

Es ist, während ich das hier schreibe, noch gar nicht lange her, dass US-Präsident Donald Trump den Befehl zum Angriff auf den Iran gab. Kurz darauf, vielleicht zehn Minuten später, war da der Gedanke: Nein, wir machen es nicht. Ein Gedanke hat die Rakete gestoppt. Oder der Gedanke, der John F. Kennedy bewogen hat: Jetzt greifen wir Kuba an. Und dann, im letzten Moment, der andere Gedanke: Nein, wir machen es nicht. Ein Gedanke hat den Dritten Weltkrieg gestoppt.

Doch Gedanken, das haben wir gelernt, sind gelenkt durch Kräfte, die wir selbst manipulieren.

Der Nahe Osten findet keinen Frieden, weil den Menschen dort der Gedanke fehlt, der die Schicksalhaftigkeit der Situation sofort ändern würde. Denn den beiden dortigen abrahamitischen Religionen, dem Islam und dem Judentum, fehlt jener Zugang, den die dritte abrahamitische Religion, das Christentum, sehr wohl hat. Der Gedanke der Bergpredigt. Wenn du auf die Rechte eine kriegst, dann handle nicht Auge um Auge und Zahn um Zahn, sondern dann halte auch die Linke hin. Dieser Gedanke war für die Schicksalhaftigkeit Europas und die gesamte Entwicklung fundamental, selbst wenn da immer wieder Fehler gemacht wurden. Aber dieser Gedanke bewirkte, dass es nach dem Dreißigjährigen Krieg letzten Endes einen Westfälischen Frieden gab. Den gibt es im Nahen Osten vielleicht nie. Der Gedanke der Bergpredigt ist ein wahrer Goldschatz von einem Gedanken, was Schicksal und schicksalhafte Katastrophen betrifft und deren Abwehr oder Abwendung.

Der Gedanke heißt Vergebung.

Und er geht auf das holistische Prinzip zurück. Das Schicksal ist ein Prozess. Ein Werdeprozess, der sich erst entwickelt und über den Menschen seit Jahrtausenden nachgedacht haben.

Wir sehen das bei den drei Nornen.

Sie sind nicht zu verwechseln mit den drei Moiren. Die drei Nornen sind ihr Pendant im Germanischen, eigentlich die Raunenden. Sie raunen vor sich hin, und im Raunen definieren sie das Schicksal.

Urd ist die weiße Norne, das Gewordene, die Vergangenheit, das, was aus der Urzeit hinüberwirkt. Unsere Väter und die Sünden unserer Väter, aber auch das, was sich im Kosmos, im Universum und auf der Erde ereignet hat, wir kommen später darauf zurück.

Die zweite Norne heißt Verdandi, die rote Norne, die Werdende, die Gegenwart. Und die dritte ist die schwarze Norne, Skuld, das Werden-Sollende, die Zukunft, das, was uns künftig erwartet.

Urd, Verdandi und Skuld klingen nach Figuren aus Herr der Ringe oder Game of Thrones. Sie wohnen an der Wurzel der Weltenesche Yggdrasil. Ein Brunnen, ein Schicksalsquell. Aus ihm heraus begießen sie den heiligen Weltenbaum. Auch sie spinnen die Fäden des Schicksals, die sie von Frigg erhalten, der Allmutter und Frau von Allvater Odin. Erstmals erscheinen sie, als das glückliche Leben der Götter sein Ende findet. Götterdämmerung. Älter als die Götter selbst sind nur die Riesen.

Nornen weben nicht nur das Schicksal, sie werfen auch Los-Stäbchen, wie beim Mikado. Damit orakeln sie über das Leben der Menschen. Schon bei der Geburt sind sie anwesend. Sie sehen jedes Schicksal voraus. Sie schauen Karma-Fernsehen, sozusagen. Nur: Wir können dabei aktiver mitspielen, als man das früher gedacht hat.

Die Anatomie des Karmas

Apropos. Das wird gerne verwechselt: Karma ist nicht gleich Schicksal. Das Wort stammt aus dem Sanskrit und bedeutet Arbeit, Aktion. Und würde auch für dieses Leben, unabhängig von einer Wiedergeburt, gelten.

Der Dalai Lama sagt: »Karma ist das Gesetz von Ursache und Wirkung, das den Kreislauf der Wiedergeburten beherrscht. Doch dieser Begriff ist schwer zu verstehen, wenn man nicht an das Phänomen der Wiedergeburt glaubt. Alles, was wir in der Abfolge unserer Lebenszeiten je gedacht oder getan haben, zeitigt – in Verbindung mit der dahinterstehenden Absicht – positive oder negative Auswirkungen. Dieses grundlegende Prinzip gilt im größeren Maßstab auch für Völker oder Länder.«

Jedes Handeln erzeugt Karma. Ziel ist es paradoxerweise, kein Karma aufzubauen. Es kommt also nicht drauf an, viele Katzenbabys zu retten oder alten Frauen über die Straße zu helfen und damit das Karmakonto auf der Habenseite aufzufüllen. Im Gegenteil, am besten ist, eben kein Karma mehr zu haben. Erst dann kann der Kreislauf der Wiedergeburten durchbrochen werden. Nur wer frei ist von allen Wünschen und Begierden, die ihn ans irdische Dasein binden, kann den Kreislauf kappen. Erst dann ist ein Mensch zur Gänze erwacht, sein moralisches Handeln vollendet und die höchste Form von Tugendhaftigkeit erreicht. Kein Hass, keine Gier, keine Verblendung. Es gibt nur noch heilsames Tun. In unseren Breiten und im Rest der Welt wird das schwer werden, aber bitte.

Der Buddhismus verwendet für Karma auch den Begriff Prägung. Entscheidend ist die karmische Prägung einer Tat, eines Gedankens. Die Absicht, die dahintersteckt. Denken als Handlungsform steht über körperlichem Handeln oder der Rede. Es gibt drei verschiedene Arten von Karma: Karma, das zu Lebzeiten reift. Karma, das im nächsten Leben reift. Karma, das in späteren Leben, also nach dem nächsten, reift. Deswegen versucht der Buddhist, sich von all seinen Gedanken freizumachen, damit er nicht in diesen komplizierten Kreislauf hineingerät, der dann Böses auslöst.

Im Rahmen des Buddhismus könnten wir das Karma so definieren: Der Mensch nimmt sein Schicksal in die Hand.

Das Karma, das zu Lebzeiten reift, das Karma, das in vergangenen Leben war, und das Karma, das kommen wird. Die drei Formen, die mehr oder weniger den drei Nornen entsprechen.

Der Hinduismus, aus dem der Buddhismus wie eine Reformation hervorgegangen ist, erklärt das Prinzip anders: Der Mensch ist in seinen Taten frei und für sein Karma selbst verantwortlich. Karma ist ein kosmisches Gesetz, das jeden überall betrifft. Unabhängig vom Zeitrahmen, dem Dharma.

Jeder Mensch hat so einen Dharma. Das hat nichts mit Verdauung zu tun, es geht darum, dass sich der Mensch persönlich gut entwickelt. Tut er das, ist der Dharma erfüllt. Und diese Erfüllung ist ausschlaggebend, ob Taten gutes oder schlechtes Karma bewirken. Hinduistische Pflichten des Einzelnen sind: Gewaltlosigkeit, Wahrhaftigkeit, Geduld, Selbstkontrolle, Mildtätigkeit und Gastfreundschaft. Einen einheitlichen Kodex gibt es aber nicht. Es hängt davon ab, welcher Gesellschaftsschicht man angehört. Nicht unähnlich dem Gebaren in unseren Breiten.

Friedrich Schiller hat die Essenz der Triade in vier Zeilen gegossen.

Dreifach ist der Schritt der Zeit:

Zögernd kommt die Zukunft hergezogen,

Pfeilschnell ist das Jetzt entflogen,

Ewig still steht die Vergangenheit.

Damit spannen wir den Bogen wieder zum Heute. Unser Schicksal besteht aus vielen Dingen, die der Mensch nicht weiß. Oder scheinbar nicht weiß. Oder nur bisher nicht wusste.

Jetzt hat die Wissenschaft bewiesen, dass wir sehr wohl eingreifen können. Forschungen. Erkenntnisse. Wunder sind machbar. Sie verändern den globalen Drall. Das ist die gute Nachricht.

Wir können das Schicksal besser verstehen. Und durch dieses Verständnis können wir es auch beeinflussen.

Das Substrat des Schicksals

Bei James Bond hat es einmal geheißen: Der Morgen stirbt nie. Die Prophezeiung geht jede Woche 007-mal auf. Von Montag bis Sonntag. Der nächste Morgen kommt auf jeden Fall. Das Schicksal hört nie auf, sich fortzusetzen. Es geht weiter, es nimmt Dinge mit wie in einem karmischen Rucksack und geht damit auf Reise. Ohne Aston Martin. Der Vergleich ist nicht sonderlich wissenschaftlich, doch er scheint mir anschaulich.

Eigenschaften, Unarten und auch Krankheiten werden übertragen, weitergegeben von einer Generation auf die nächste, ohne dass der Mensch auch nur eine Ahnung davon hat. Scheinbare Nichtigkeiten und Bagatellen des Augenblicks erzeugen biochemische Schmetterlingseffekte.

Manche Verhaltensweisen, die wir lange vor dem bedeutungsvollen Geschlechtsakt an den Tag legen, stellen Weichen für das Kind, das erst gezeugt, geboren und aufgezogen werden will. Das Kind kann nichts dafür, dass Vater und Mutter so gelebt haben, wie sie gelebt haben. Es weiß nicht einmal, dass die Sünden oder die Rechtschaffenheit, die seinem Schicksal einen bestimmten Drall geben, lange vor der Zeugung begangen wurden.

Die Eltern bestimmen das Schicksal ihres Kindes weit über die Weitergabe ihrer Gene, ihre soziale Interaktion mit ihm und ihre Erziehung hinaus. Denn das Kind ist auch ein Produkt seiner epigenetischen Prägung, der elterlichen microRNA, seiner evolutionären Entwicklungsbiologie und damit eines familiären Schicksals, auf dessen Anatomie wir tiefgreifend Einfluss nehmen können. Indem wir rechtzeitig darauf schauen, nicht nur für den Moment zu leben, sondern bei allem auch darüber hinaus denken. Aus diesem Bewusstsein entstand in Amerika das in Europa noch gänzlich unbekannte Konzept der preconception care.

Es sieht vor, für das noch gar nicht gezeugte und geborene Kind die besten Voraussetzungen zu schaffen. Das tun die meisten Eltern schon lange auf vielen Gebieten. Man achtet auf das künftige Umfeld des Kindes, darauf etwa, dass es einen möglichst guten Platz im Leben bekommt. Dass sie auch auf sich selbst achten müssen, um ihrem Kind ein schönes Schicksal zu bescheren, ist allerdings den wenigsten Eltern bewusst. Diese enge und scheinbar geheimnisvolle, letztlich aber wissenschaftlich nüchtern erklärbare Verknüpfung unseres eigenen Lebens mit dem unserer Kinder muss erst noch Teil des kollektiven Bewusstseins werden. Paare, die sich Kinder wünschen, müssen erst noch lernen, wie sie es von Altlasten möglichst frei halten.

In den USA hat sich das zu einer enormen Bewegung entwickelt, und es ist weder ein typisch amerikanischer Spleen noch der neueste Mode-Gag. Ich finde, das Thema ist so wichtig, dass es in den Aufklärungsunterricht gehört. Ja genau: Preconception care gehört in den Schulunterricht integriert. Denn es ist eine moderne Methode, auf wohlwollende und positive Weise in das Schicksal kommender Generationen einzugreifen, sie auf einen besseren, weil glücklicheren und gesünderen Weg zu bringen, noch ehe überhaupt die Samenzelle in die Eizelle eingedrungen ist.

Ich lockere meinen Gedanken einmal die Zügel. Was ist unser Istzustand in den Schulen? Bei uns wird munter über alle erdenklichen Sexpraktiken doziert, über Penisgrößen gekichert oder darüber sinniert, wie viele Kondome man braucht, bis eines einmal nicht reißt. Es wird postuliert, wie wichtig die gleichgeschlechtliche Liebe ist und wie aufgeschlossen wir gegenüber LGBT (Lesbian, Gay, Bisexual und Transgender) als eigentlich besserer Form der sexuellen Ausrichtung sein müssen, und überhaupt sollten die Kinder selbst entscheiden dürfen, welches Geschlecht sie annehmen wollen. Eine bestimmte weltanschauliche Richtung zeigt ihren unbeugsamen Willen, das alles auch wirklich durchzusetzen.

Mit Respekt vor dem Leben hat das Getue um Geschlechterakzeptanz allerdings wenig zu tun. Da steckt ein Plan dahinter. Anscheinend geht es darum, den Glauben an die Familie zu relativieren. Die Familie soll nichts mehr wert sein, man hat anderes im Sinn als Familiäres. Ich bin hingegen der Meinung, dass die Familie der Quell der Gesellschaft ist. Die Stütze des Daseins. Die Zukunft.

Das Wichtige jedenfalls verschweigt man in der Schule, vor allem den Mädchen. In Wahrheit müsste man sie darauf aufmerksam machen: Wenn ihr einmal Kinder wollt, dann ist das etwas, was euch heute schon etwas angeht. Wofür ihr den roten Teppich heute schon ausrollen müsst.

Die Amerikaner wissen bereits, dass sie das Schicksal Nachgeborener nicht einfach als durch Gene, Gott oder Zufall gegeben annehmen können, sondern dass sie selbst es gestalten. Preconception care wird in Amerika deshalb zur neuen medizinischen Wissenschaft, zur Vorsorge, die für Nachhaltigkeit beim Kinderkriegen sorgt. Es gibt Plakate, die in Schulen aufgestellt werden, mit den allersimpelsten zwölf Punkten. Genereller Blut-Check, Untersuchung auf Diabetes, Beigabe von Eisen und Folsäure oder etwa Suchtberatung gehören dazu.

Diese Checklist, auf die wir im Detail gleich noch eingehen, zeigt, ob junge Frauen ein Leben führen, das es ihren Kindern ermöglichen wird, ein gutes Leben zu führen. Ob sie gut genug auf sich selbst schauen, um dem Kind, das sie vielleicht irgendwann einmal auf die Welt bringen werden, gute Voraussetzungen für sein Leben zu schenken. Es geht um Weitblick in der Familienplanung. Um Vorausschau bis über den eigenen Tod hinaus. Die Dialektik zwischen »dem Schicksal ausgeliefert sein« und »das Schicksal gestalten« besteht im Wissen um die Auswirkungen eigener Taten und Gedanken auf den Nachwuchs.

Ignoratia legis non excusat, sagen die alten Lateiner. Unwissenheit schützt vor Strafe nicht. Das Leben zu leben, als gäbe es kein Morgen, öffnet dem Schicksal die Tür nicht nur einen Spalt breit, es reißt ihm sozusagen das Tor auf. Und den wenigsten Menschen ist klar, wie sehr nicht nur sie selbst, sondern wie sehr über vielfältige Mechanismen, die noch längst nicht alle erforscht sind, auch ihre Kinder die Strafe zahlen.

Wissen ist die Macht, einzugreifen.

Das ist die Botschaft.

Die Sünden unserer Väter und Mütter sind bereits auf uns übergeschwappt. Unsere eigenen Sünden werden auf unsere Kinder überschwappen oder haben es schon getan. Und die Sünden unserer Kinder werden auf unsere Enkel überschwappen. Am ehesten sollten wir die jeweils junge Generation warnen. Sie instruieren mit dem, was wir zumindest so ungefähr bisher wissen. Ihnen zum Beispiel sagen, die Nacht nicht regelmäßig zum Tag zu machen. Die Folgen sind zu wenig bekannt, aber das hindert sie nicht daran, einzutreten: Wer seinen zirkadianen Rhythmus unterbricht, unterbricht auch die Reifung der Gonaden, also der Hoden und der Eierstöcke.

Nachtleben mag vielleicht das Sexleben anregen. Für die Fortpflanzung oder den späteren Kinderwunsch ist es aber nicht unbedingt hilfreich. Und so gibt es eine Reihe von Dummheiten, von denen man keine Ahnung hat, wie sehr sie das Leben der Kinder, die man später einmal bekommt, beeinträchtigen können.

Die klassische Zeit für Dummheiten ist die Pubertät. Wobei hier nicht die Pubertät als Prägungsphase gemeint ist, sondern als Zeit des heranreifenden Menschen, in der er im Hinblick auf eine spätere Schwangerschaft präkonzeptionell einiges tun oder lassen sollte.

Kinderwunsch ist nicht mehr etwas, was sich irgendwann einstellt, und flutsch, ein paar Wochen später ist die Frau schwanger. Kinderwunsch wird immer öfter ein Problem, weil der Mensch mehr und mehr durch die Umwelt belastet ist. Man sehe sich die Institute an, die vor Patientinnen übergehen, weil die Reproduktionsfähigkeit der Menschen nachlässt. Das liegt nicht nur an den Pestiziden, die unsere Welt verseuchen, es sind auch die schicksalhaften Sünden, wie man sie fast bezeichnen kann, die hier eine Rolle spielen. Alles, was wir tun, wirkt in die Zukunft.

Die Amerikaner schreiben hier von einem sogenannten triple benefit, von einem dreifachen Vorteil, den wir haben, wenn wir die neuen Erkenntnisse der preconception care in die Familienplanung miteinbeziehen: Wir haben selbst sofort einen Vorteil. Wir haben im späteren Leben einen Vorteil. Und viel später hat auch die nächste Generation einen Vorteil.

Preconception care ist so letzten Endes auch eine Ethikfrage. Es geht um die Ethik für die Fortpflanzung und um das, was wir den anderen Generationen antun, wenn wir gegen die Verfassung der Natur verstoßen. Wobei dem weiblichen Körper ganz besonderes Augenmerk gehören muss, denn trotz aller Gleichmacherei hat er für die Erhaltung der Art immer noch mehr zu leisten als der männliche. Er ist aber auch sensibler und mitunter störungsanfälliger, was dann schicksalhafte Formen annehmen kann.

Preconception Care gilt im deutschsprachigen Raum der Medizin noch als Mysterium, der Begriff ist in unseren Ambulanzen noch nicht einmal aufgetaucht. Sicherlich wird es in dieser Richtung bald mehr Beratung geben.

Vielleicht hier schon als Vorschau ein paar Tipps an all jene Paare, die Nachwuchs planen: Es ist sinnvoll, zwei bis drei Monate vor der Konzeption, dem Zeugungsakt an sich, auf einiges aufzupassen.

Zum Beispiel auf die Folsäure. Bevor eine Frau schwanger wird, sollte sie per Bluttest überprüfen, ob sie genug Folsäure hat. Folsäure ist nicht nur wichtig für das Neuralrohr, man weiß auch, dass es bei einem Mangel zu Präeklampsie kommen kann, zu einer Krankheit, die Schwangerschaft und Wochenbett erschwert, oder zu einem niedrigen Geburtsgewicht.

Ähnliches gilt für das Eisen, das offenbar für die Gehirnentwicklung wichtig ist, und für Zink, das förderlich für das Wachstum des Mutterkuchens ist. Auch das soll schon vor dem entscheidenden Orgasmus in Ordnung gebracht werden, zwei, drei Monate vor der Zeugung. Es hat keinen Sinn, es erst einzunehmen, wenn man schon schwanger ist.

Das alles ist kein Leitfaden für eine perfekte Schwangerschaft, sondern schicksalhaft, ich kann es nicht oft genug sagen. Wer das nicht beachtet, liefert sich und sein Kind möglicherweise schicksalhaft einer Zukunft aus, in der das Kind völlig unnötige Lasten zu tragen hat.

Dazu kommen die großen Fragen des Gewichtes. Ist der Vater beim Zeugungsakt zu dick oder unterernährt, führt das zu reduzierter Spermienmobilität, die Spermien haben eine schlechte microRNA. Es kommt zu einer endokrinen Missregulation, das heißt, das Kind kann Hormonstörungen und möglicherweise Probleme mit dem Herzen haben.

Ist die Frau übergewichtig, bevor sie schwanger wird, kann sich das später auf die Mitochondrien des Kindes auswirken. Sprich, das Mädchen oder der Bub ist noch gar nicht gezeugt, aber man weiß bereits: Dieses Kind wird eine metabolische Risikokonstellation haben, wir sagen auch Stoffwechselprobleme, und es wird möglicherweise leiden.

Wenn die Frau nicht abnehmen kann, kann sie sich den Magen verkleinern lassen. So wichtig ist das für das Kind. Das kann ich als Mediziner nicht deutlich genug sagen.

Es sind also zwei Punkte vor der Zeugung zu beachten: das Gewicht normalisieren und sich bewegen, mindestens vier Stunden pro Woche.

Dazu gibt es sieben Studien mit 34.000 schwangeren Frauen, und man hat gesehen: Wenn die Frau, bevor sie schwanger ist, mehr als vier Stunden pro Woche Bewegung macht, zum Beispiel Walking, erkrankte das Kind später signifikant seltener an Diabetes.

Die Botschaft ist klar: Mit dem Übergewicht schadet ihr euch jetzt selbst, aber ihr schadet vor allem dem Schicksal der Kinder, die dann in fünf, sechs Jahren aus euch hervorgehen.

Jugendlichen könnte man es im Schulunterricht einfacher erklären auf eine Art, die ihnen in dem Alter näher ist als ein Kinderwunsch in der Zukunft. Es gibt Attraktivitätsmerkmale für die Frau und für den Mann, Dinge, die das andere Geschlecht betreffen. Schließlich braucht es ja immer zwei dazu. Wir könnten ihnen sagen: Ihr könnt ab heute an eurem Schicksal mitarbeiten, indem ihr eine gewisse Attraktivität entwickelt.

Denn bei den Burschen ist es so: Je dicker sie sind, je größer ihr Bauchumfang ist, desto weniger attraktiv sind sie für Mädchen. Diese Schulter-Bauch-Umfang-Quotienten sind ein Parameter dafür, ob man genug Testosteron hat, und den erfassen Mädchen intuitiv. Sie erkennen, dass zu wenig Testosteron da ist. Je größer der Schulterumfang und je kleiner der Bauchumfang ist, desto besser ist das Testosteron.

Die Mädchen sollen idealerweise einen Body Mass Index, kurz BMI, von zwanzig haben. Das ist der sogenannte most sexy BMI. Die Schönheit der Ausgewogenheit. Ganz dünn oder ganz dick, das ist extrem. Das Reproduktionsfeld der Frau liegt dazwischen. Das könnte man den Kindern durchaus vermitteln: nicht übergewichtig, aber auch nicht untergewichtig. Das wäre das Optimum.

Und bitte unbedingt weglassen: Alkohol und Nikotin. Jede Zigarette zerstört Eizellen und verringert daher die Chance, problemlos Kinder zu bekommen.

Darmowy fragment się skończył.