Czytaj książkę: «Das Grab in der Ville-Close», strona 2

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Kapitel 2

Anaïk Bruel hatte ein herrliches Wochenende verbracht. An das Kommissariat in Quimper und seinen sparsamen Polizeichef hatte sie sich inzwischen gewöhnt. Die Arbeit mit ihrer jungen Kollegin, Monique Dupont, machte Spaß. Auch ihr Kampfsporttraining war nicht zu kurz gekommen. Seitdem Monique ihr eröffnet hatte, dass auch sie diese Sportart betrieb, hatte sie eine Partnerin gefunden, mit der sie regelmäßig trainieren konnte. Im Kommissariat hatten die beiden Frauen inzwischen den Spitznamen les intouchables, die Unberührbaren oder ziemlich beste Freunde, wie der Film in der deutschen Übersetzung hieß.

Anaïk hatte vor einigen Wochen einen Mann kennengelernt, der als Schiffsbauingenieur auf einer Werft in Concarneau arbeitete. Er war ein profunder Kenner der Inseln rund um die Bretagne. Mit seiner kleinen Segelyacht unternahm er regelmäßige Ausflüge dorthin. Er versuchte die Geheimnisse der Inseln zu erkunden. Anaïk war am letzten Wochenende zum ersten Mal seiner Einladung gefolgt und hatte zwei Tage mit ihm auf dem Boot verbracht. Sie waren zur Île de Sein, oder Enez Sun wie die Bretonen sagen, gesegelt. Die Insel, südsüdwestlich von der Pointe du Raz gelegen, gehört zu den am meist gefährdeten Inseln rund um die Bretagne. Ihre knapp 200 Einwohner müssen bei jedem Wintersturm um ihre Insel fürchten. Regelmäßig zerstören die Orkane einen Teil der Insel und verkleinern so den Lebensraum der Insulaner, der Suniz. Im Gegensatz zur Insel Ouessant, die bis zu sechzig Meter aus dem Meer emporragt, erreicht der höchste Punkt der Île de Sein gerade einmal 9 Meter. Es ist daher kein Wunder, dass die exponiertesten Stellen der Insel immer wieder überschwemmt werden.

Brieg Pellen führte Anaïk über die Insel mit ihren 1,8 Kilometern Länge und 800 Metern Breite an der weitesten Stelle. Sie hatten den Grand Phare, den großen Leuchtturm der Insel, bestiegen und den Blick über die zahlreichen kleinen Felsenriffe bis zur Pointe du Raz genossen. Sie waren durch die kleinen Gassen spaziert, über die Hafenmole geschlendert und hatten in einem Restaurant am Hafen ausgezeichneten Fisch gegessen. Die Insulaner, größtenteils Fischer, große Landwirtschaft gab auf der kleinen Insel nicht, landeten kleine Teile ihres Fanges auf der Insel an, der größere Teil wurde in Douarnenez abgeliefert, so dass die wenigen Restaurants immer mit frischem Fisch versorgt waren. Haupteinnahmequelle der Bewohner war der Tourismus. Jetzt im Herbst kamen die Touristen nicht mehr so zahlreich, so dass die Bewohner immer öfter unter sich blieben. Brieg war auf der Insel bestens bekannt. Der Briefträger, inzwischen ein guter Freund, grüßte von Weitem, der Inhaber des Souvenirladens auf der Hafenmole lud sie heute zu einem Kaffee ein, und der etwas schrullige Künstler, der sein Atelier auf der dem Westen zugewandten Seite der Insel hatte, führte sie durch seinen Kunstgarten und sein Atelier. Auf Anaïk machte der Garten eher einen verwahrlosten Eindruck.

Brieg informierte sie über die Druiden, die einst hier auf der Île de Sein eine Zufluchtsstätte gefunden hatten, er erzählte von den Fischern, die sich während des zweiten Weltkriegs von hier aus mit ihren Schiffen auf den Weg nach England gemacht und sich den Streitkräften des freien Frankreichs angeschlossen hatten. Anfangs machten sie fast ein Viertel der sogenannten freien französischen Marine aus, was General de Gaulle zu dem Ausspruch verleitet hatte „Die Île de Sein ist ein Viertel von Frankreich.“ Anaïk lauschte Briegs Erzählungen mit Interesse.

Jetzt saß sie wieder in ihrem Büro und ließ das Wochenende Revue passieren. Sie musste zugeben, dass es sich sehr gut angefühlt hatte einmal wieder eine Nacht gemeinsam mit einem Mann verbracht zu haben.

Monique Dupont klopfte, dann betrat sie Anaïks Büro.

„Hallo Anaïk, hast du dich am Wochenende gut erholt?“

„Es war ein tolles Wochenende, Monique, das schönste seit Monaten.“

„Das hört sich spannend an, ein bisschen nach neuer Errungenschaft und ein bisschen nach Befriedigung?“

„Du liegst genau richtig. Bei Gelegenheit erzähle ich dir davon. Gibt es etwas Neues?“

„Aus meiner Sicht nicht, ich habe wenigstens nichts vernommen. Es gibt nur kurze Zeiten, in denen Quimper ein totes Nest zu sein scheint, eine Stadt in der nichts passiert.“

„Ich bin froh, wenn die Menschen ihre Probleme nicht mit der Pistole oder einer Eisenstange lösen.“

„Da bin ich bei dir! Aber wenn nichts passiert sitzen wir hier und drehen Däumchen.“

„Ich ziehe Daumendrehen vor, besser als Tote sezieren zu lassen und nach Mördern zu fahnden.“

Kapitel 3

Tanguy Trébaul war zu dem kleinen Bagger zurückgegangen, neben dem er gestanden hatte als sein Chef auf der Baustelle erschienen war. Seine Leute waren dabei, an der inneren Ostseite der Ville Close, Teile der Stadtmauer freizulegen. Zahlreiche Steine der unteren Lagen des Mauerwerks, die die mächtigen Aufbauten trugen, mussten erneuert werden. Der kleine Bagger hob bei jedem Eintauchen in den Boden vierzig bis fünfzig Zentimeter von dem steinigen Erdreich aus. Jede Schaufelladung kippte er auf einer großen Plastikfolie aus. Die Erde musste nicht abgeführt werden, sie brauchten sie später zum Verschließen des Lochs. Seit drei Stunden baggerte der Arbeiter jetzt schon an der Mauer, der Graben war bestimmt schon dreißig Meter lang. Deutlich waren die beschädigten und verfallenen Stellen der Mauer zu erkennen. Im Untergrund hatten die Erbauer damals nicht so sorgfältig gearbeitet wie an den oberen Mauerabschnitten. Wieder führte der Baggerfahrer die Schaufel in den Graben und hob die nächsten Zentimeter, in einer Tiefe von etwa einem halben Meter, aus. Die Schaufel fuhr hoch, der Arbeiter schwenkte sie wieder nach links zur Folie und kippte ihren Inhalt aus. Er wollte die Schaufel gerade wieder zurückführen als er plötzlich innehielt. Er blickte wie gebannt auf ein menschliches Skelett. Er ließ die Schaufel oben stehen, stoppte den Bagger, schaltete den Motor aus und stieg aus. Er trat an den Aushub.

Es gab keinen Zweifel, es handelte sich tatsächlich um ein menschliches Skelett. Francis Merer schluckte mehrmals. Es war das erste Skelett, das er mit seinem Bagger freigelegt hatte. Auch wenn es sich nur noch um Knochen handelte, er empfand Pietät und ehrfürchtigen Respekt vor dem Toten.

„Tanguy, Tanguy, schau dir das an!“, rief er aufgeregt zu seinem Vorarbeiter.

Tanguy kam näher und folgte dem Blick seines Kollegen.

„Scheiße!“, rief er.

Tanguy wusste genau, dass dieser Fund das Zeug hatte ihre Baustelle für Stunden, wenn nicht sogar für Tage, lahm zu legen. Dieser Fund würde den Zeitplan und die Kalkulation von Yann Goarec durcheinanderwirbeln. Aber welche Möglichkeiten gab es sonst noch? Weitermachen und sich nicht um die Knochen kümmern, so zu tun, als habe man das Skelett nicht bemerkt? Nein, das konnten sie nicht bringen. Wenn später durchsickern würde, dass sie ein Skelett gefunden hatten, kämen sie in Bedrängnis und sogar in Erklärungsnot. Es blieb nichts anderes übrig, er musste die Polizei informieren. Vielleicht hat der Mensch ja schon seit zweihundert Jahren an dieser Stelle gelegen, das sollten die Fachleute ermitteln. Sie könnten sagen, ob es sich um einen gefallenen Soldaten handelt, der damals bei der Verteidigung der Ville Close ums Leben gekommen war.

Tanguy griff zu seinem Mobiltelefon und wählte die Notrufnummer, teilte den Fund mit und erhielt die Anweisung, alle Arbeiten sofort zu stoppen. Nachdem er aufgelegt hatte rief er seinen Chef an und informierte ihn über den grausigen Fund. Yann Goarec bestand darauf die Autoritäten zu informieren.

„Wir nehmen lieber ein paar Stunden Verzögerung in Kauf, als dass wir uns der Mittäterschaft oder des Vorwurfs der Vertuschung aussetzen.“

Die Polizei von Concarneau war nach wenigen Minuten vor Ort und begutachtete das freigelegte Skelett. Schnell war entschieden, dass es sich hier um eine Aufgabe für die Mordkommission handelt. Der Beamte informierte umgehend Quimper und riegelte die Umgebung der Fundstelle ab.

Tanguy Goarec, der sich bereits auf den Weg zur nächsten Baustelle nach Trégunc gemacht hatte, machte auf der Stelle kehrt und fuhr zurück nach Concarneau. Er wollte die Information aus erster Hand erhalten. Die Information über eine mögliche Verzögerung oder schlimmstenfalls über eine Einstellung der Arbeiten. Wieder stellte er sein Fahrzeug auf dem Parkplatz gegenüber der Ville Close ab, überschritt den Quai Peneroff und die Brücke zur Ville Close und durchquerte die Rue Vauban. Schon von Weitem sah er die weitläufige Absperrung und alle Besucher, die, angezogen von den Polizisten, an der Absperrung standen und gafften. Obwohl es nichts zu sehen gab, außer einem großen Erdhaufen, starrten die Zuschauer auf die Fundstelle, so als gäbe es etwas wahnsinnig Sehenswertes zu begutachten. Jeder fragte seinen Nachbarn worum es sich hier handelte. Und jeder Nachbar zuckte mit den Achseln und schüttelte den Kopf. Aber den Platz verlassen wollte dennoch niemand.

Kapitel 4

Monique Dupont unterhielt sich mit Dustin Goarant, dem Leiter der Spurensicherung, über die neuesten Erkenntnisse der kriminaltechnischen Untersuchungsmöglichkeiten als Anaïk Bruel in Moniques Büro trat.

„Bonjour Anaïk“, grüßte Dustin, „schönes Wochenende gehabt?“

„Danke der Nachfrage, ich kann nicht klagen. Ich würde mich ja gerne noch mit euch über mein Wochenende unterhalten, aber wir müssen aufbrechen. Es gibt einen Fall.“

Monique sah Anaïk verblüfft an.

„Ich sage dir doch, es vergeht kein Monat und wir haben wieder zu tun.“

„Hast du Yannick schon Bescheid gegeben?“, fragte Dustin. Yannick Detru, der Pathologe der police judiciaire von Quimper gehörte zum festen Bestandteil der Mannschaft, die bei einem Mord zum Tatort fuhr.

„Nein, ich glaube, dass er nicht sofort dabei sein muss“, antwortete Anaïk und drehte sich zum Gehen.

„Nicht sofort dabeisein? Aber Yannick ist doch immer dabei?“

„Diesmal gibt es aber keine Leiche, nur eine Sammlung von Knochen.“

„Nur Knochen?“ Dustin schien noch mehr verwirrt.

„Ich habe gerade einen Anruf erhalten, in der Ville Close von Concarneau hat ein Arbeitstrupp ein Skelett gefunden, das unmittelbar neben der Stadtmauer vergraben gewesen ist. Die Leute haben mir nicht viel gesagt. Ich weiß nur, dass es sich um ein Skelett handelt. Ich gehe davon aus, dass Yannick das Gerippe untersuchen kann.“

Anaïk ging in ihr Büro zurück und rief Yannick an, der sofort zusagte nach Concarneau zu kommen. Dann machten sie sich auf den Weg in die Ville Close.

Von Quimper aus war die Altstadt von Concarneau schnell zu erreichen, zehn Minuten über die Voie Express Richtung Lorient bis zur Ausfahrt Concarneau, dem drittgrößten Fischereihafen der Bretagne. Von der Ausfahrt bis zur Altstadt brauchten sie dann noch einmal so viel. Sie fuhren mit dem Wagen in die Altstadt hinein, bogen gleich hinter dem zweiten Torbogen in die Rue Théophile Louarn ein und parkten ihren Dienstwagen am Ende der Straße. Die Information über die genaue Lage des Fundes hatte Anaïk von dem Polizisten Romain Bozec erhalten, der hatte sie angerufen. Die weiträumige Absperrung war sofort zu sehen. Anaïk und Monique, gefolgt von Dustin, gingen auf den Bagger und den davor wartenden Arbeiter zu.

„Anaïk Bruel, police judiciaire“, stellte sie sich vor. „Meine Kollegen, Monique Dupont und Dustin Goarant, wo finden wir das Skelett?“

Francis Merer begrüßte die Beamten und zeigte auf das vor einer Stunde ausgehobene Grab.

„Gleich unter der Baggerschaufel. Ich habe gerade die nächste Bodenschicht abheben wollen, da habe ich die Knochen entdeckt.“

Anaïk und Monique zogen sich Plastikhauben über ihre Schuhe und traten näher an den Fundort. Das Skelett war deutlich zu sehen. Kein Zweifel, es sah nach einem Verbrechen aus, schon von oben konnte Anaïk den eingeschlagenen Schädel erkennen. Dustin trat mit seinem Alukoffer an den Graben.

„Na, das sieht ja mal ganz anders aus als die üblichen Tatorte“, meinte er und wollte in den Graben steigen.

„Kannst du bitte warten bis ich mir das Opfer angesehen habe?“, hörten die drei jetzt eine Stimme hinter sich. Yannick Detru war eingetroffen und kam rasch auf sie zu.

„Selbstverständlich Monsieur Detru“, scherzte Dustin und winkte Yannick an sich vorbei.

Yannick stieg in den Graben. Nach ein paar Minuten wandte er sich seinen Kollegen zu.

„So wie es aussieht, haben wir es mit einem Verbrechen zu tun!“

„So weit war ich auch schon“, meinte Anaïk und sah gespannt auf Yannick.

„Das Opfer ist erschlagen worden. Dem Loch im Schädel nach zu urteilen vermutlich mit einem scharfkantigen Gegenstand. An den Knochen finden sich noch kleine Reste von organischem Material. Vielleicht reicht es aus um eine DNA zu erhalten. Sicher bin ich nicht. Ich schätze, dass der Leichnam höchstens 17 bis 19 Monate hier liegt. Die Haare und Nägel sind noch nicht völlig zersetzt.“

„Das bedeutet, dass unsere Leiche vor höchstens zwei Jahren ermordet worden ist?“

„Wie ich schon gesagt habe, Anaïk, eher zwischen einem und eineinhalb Jahren. Genaueres kann ich euch erst sagen wenn ich mit meinen Untersuchungen fertig bin, das kann aber diesmal deutlich länger dauern.“

„Es ist doch schon einmal ein Anhaltspunkt. Wir suchen nach einem Menschen, der inzwischen seit über einem Jahr vermisst wird. Vielleicht findet Dustin ja noch weitere Hinweise in dem Grab oder in dem Aushubmaterial auf der Plane.“ Er zeigte auf das Erdreich, das der Arbeiter auf eine ausgebreitete Plastikplane geworfen hatte.

„Es ist doch möglich, dass darin noch Reste von seiner Kleidung oder anderen Gegenständen verborgen sind.“

„Lass dich nicht von der Arbeit abhalten, Dustin“, meinte Anaïk und wandte sich dem Baggerfahrer zu.

„Sie haben das Skelett freigelegt?“

„Ja! Ich sagte Ihnen bereits, ich war dabei den Graben auszuheben, damit wir an die tiefergelegenen Mauerschichten kommen können. Von der Hafenseite kann man nämlich deutlich sehen, dass die Mauer im unteren Bereich stark beschädigt ist. Wir gehen deswegen von der Innenseite in die Tiefe, die Mauer ist hier mit Erde stabilisiert worden. In den letzten zwei- oder dreihundert Jahren sind in diesem Bereich Bäume gewachsen, das Wurzelwerk hat sich bis zur Mauer ausgebreitet und sie beschädigt.“

„Haben Sie zu Beginn der Arbeiten den Eindruck gehabt, dass der Boden hier aufgegraben worden ist?“

„Aufgegraben? Nein! Wie auch! Wenn man mit einem Bagger in den Boden geht kann man nicht feststellen, ob die Erde weicher oder fester ist. Da müssten Sie besser meine Schaufel fragen.“ Francis Merer grinste über seinen Witz.

„Danke, das wars fürs Erste“, antwortete Anaïk und sah Monique an.

„Hier können wir im Moment nichts mehr machen, lass uns nach Quimper zurückfahren.“

Die beiden Kommissarinnen wandten sich um und gingen zur Absperrung zurück. Ein etwa 50-jähriger und 100 kg schwerer Mann mit dunkelgrauem Schnurrbart, rundlichem Gesicht und einer halben Glatze kam auf die beiden Kommissarinnen zu.

„Bonjour Mesdames, Yann Goarec mein Name. Ich bin der Unternehmer, der die Arbeiten hier an der Mauer ausführt. Ich habe von meinem Arbeiter Francis gehört, dass ein Skelett gefunden worden ist. Ich möchte Sie in ihrer Arbeit unterstützen aber unsere Arbeiten dürfen keine langen Unterbrechungen haben, meine Termine mit der Stadt müssen eingehalten werden. Wir müssen vor der neuen Saison fertig sein. Daher meine Frage, wie lange werden wir die Arbeiten hier unterbrechen müssen?“

„Bonjour Monsieur Goarec, ich kann das Anliegen sehr gut verstehen, im Augenblick können wir diese Frage aber nicht beantworten. Wir haben erst vor wenigen Minuten mit unserer Arbeit begonnen. Bevor die sterblichen Überreste geborgen sind und das gesamte Umfeld durchsucht worden ist können wir die Baustelle nicht freigeben. Ich gehe schon davon aus, dass wir hier ein oder zwei Tage benötigen um alles zu sichern.“

„Zwei Tage? Geht es nicht etwas schneller?“

„Wie ich schon gesagt habe, wir müssen alles genau durchsuchen. Vielleicht geht es ja auch schneller, versprechen kann ich Ihnen aber nichts.“

„Nun ja, dann hoffe ich, dass Sie es schneller schaffen. Au revoir.“ Damit verließ Yann Goarec die beiden Kommissarinnen und ging zu seinem Vorarbeiter.

„Tanguy, die beiden Kommissarinnen haben mir gesagt, dass die Arbeiten an dieser Stelle für vielleicht zwei Tage ruhen müssen. Können wir solange an einer anderen Stelle weiterarbeiten?“

„Wir können die Ausbesserungen an der Mauer an der Porte aux Vins beginnen. Die Arbeiten haben wir uns zwar für den Schluss aufgehoben, weil sie zeitlich besser zu kalkulieren sind, aber es wird kein Problem sein sie vorzuziehen.“

„Gut Tanguy, dann geht ihr am besten sofort zur Porte aux Vins, ich veranlasse, dass euch alles benötigte Material umgehend gebracht wird. Nur gut, dass wir die Steine schon seit Längerem auf Lager haben.“

Yann Goarec griff zu seinem Mobiltelefon und rief den Lagermeister in Trégunc an. Er orderte den Transport des Materials für die Ausbesserungen an der Mauer der Porte aux Vins.

Kapitel 5

Anaïk Bruel und Monique Dupont standen vor der leeren Pinnwand und begannen damit, die ersten Informationen anzubringen.

„Wir haben ein Skelett. Der oder die Unbekannte liegt seit höchstens zwei Jahren dort vergraben. Das heißt, wir suchen nach einem Menschen, der in den letzten zwei Jahren verschwunden ist. Alle vorher verschwundenen Personen können wir ausschließen. Ich werde mich sofort mit der Vermisstenabteilung in Verbindung setzten und nachfragen.“

„Der zwischen 17 und maximal 20 Monaten verschwunden ist“, korrigierte Monique.

„Du hast natürlich recht, Monique, unsere Leiche liegt ja erst seit höchstens eineinhalb Jahren an dieser Stelle. Sobald Yannick uns sagen kann, ob es sich um einen Mann oder eine Frau handelt können wir die Suche weiter einengen. Ich überlege schon die ganze Zeit, wie jemand auf die Idee kommen kann, in der Ville Close eine Leiche zu vergraben?“

„Die Frage habe ich mir auch gestellt. Ein Grab in der Ville Close kann doch schneller gefunden werden als ein Grab in einem Wald in der Umgebung. Abgesehen davon, dass es doch auffällt, wenn man hier anfängt zu graben. Ich kann mir nur vorstellen, dass unser Mörder den Mord hier begangen hat und den Leichnam sofort verscharren wollte. Damit könnten wir die Tat auf die Stunden nach Mitternacht eingrenzen. Vorher sind ja immer Menschen in der Ville Close unterwegs. Außer in den Wintermonaten, da dürfte es viel früher menschenleer sein.“

„Ja, Anaïk, das sehe ich auch so, aber hatte der Mann sofort eine Schaufel zur Hand? Das kann bedeuten, dass der Täter hier in der Ville Close wohnt und sich eine Schaufel schnell besorgen konnte, oder hat er eine Schaufel mitgebracht?“

„Lass uns alles zusammentragen, was wissen wir bisher oder nehmen es an? Vielleicht ergibt sich daraus ja schon ein Muster. Also, da ist das Skelett, gefunden an der Mauer, ca. 180 Meter von der Anlegestelle der Fähre entfernt, die nach Le Passage Lanriec fährt.“

Anaïk malte einen Kreis und schrieb Opfer in die Mitte. Danach zeichnete sie eine kleine Skizze von der Ville Close und markierte darin den Fundort. Auf der linken Seite notierten sie ihre Fragen. Warum in der Ville Close? Warum das Grab an der Mauer? Woher hatte der Täter das Werkzeug? Wie konnte er das Grab in der Kürze der Zeit ausheben?

„Wir haben bis jetzt noch nicht sehr viele Anhaltspunkte“, sagte Monique und sah sich die Notizen an.

„Ich habe mir die Fundstelle genau angesehen“, meinte Anaïk, „der Leichnam lag in einer Tiefe von fast 80 Zentmetern. Mit einem Bagger hat man eine solche Tiefe schnell erreicht. Aber mit einer Schaufel dauert das bestimmt ein oder zwei Stunden.“

„Und auch dann nur, wenn der Boden nicht allzu hart ist und möglichst wenig Steine aus dem Weg zu räumen sind. Ansonsten gräbt man viel länger“, meinte Monique.

„Ich glaube, wir können eine Frau als Täterin ausschließen. Eine Frau schafft es nicht ein solches Grab auszuheben, wenigstens nicht in einer halben Nacht. Schließlich musste die Arbeit beendet gewesen sein, bevor die ersten Bewohner erwachen. Aus verschiedenen Häusern hat man durchaus einen Blick auf den Mauerabschnitt“, sagte Anaïk.

„Wir suchen also nach einem Mann, der die Tat vor über einem Jahr begangen hat. Die Suche wird sich nicht ganz einfach gestalten. Fingerabdrücke werden wir nach so langer Zeit nicht mehr finden.“

„Du meinst auf einer Schaufel oder einem Spaten, falls wir den bei einer verdächtigen Person finden sollten?“

„Ja, zum Beispiel, wir müssen dem Verdächtigen schließlich nachweisen, dass er das Grab ausgehoben hat.“

„Nun, das Holz am Stiel einer Schaufel ist poliert. Darauf sind Fingerabdrücke lange nachweisbar. Wenn der Mann auch noch Schweiß an den Fingern gehabt hat hält sich der Abruck noch länger. Beim Ausheben einer solchen Grube kommt man doch ins Schwitzen, ob sich die Abdrücke aber über ein Jahr lang halten? Es ist müßig darüber nachzudenken, wir haben noch nicht einmal einen Verdächtigen, geschweige denn die Schaufel. Wenn es soweit ist überlassen wir Dustin den Rest.“

„War ja auch nur eine Überlegung. Natürlich müssen wir zuerst einmal einen Verdächtigen finden.“

„Ich wäre froh, wenn wir wenigstens einen Anhaltspunkt hätten, in welche Richtung wir suchen müssen. Ich hoffe, dass Yannick uns weiterhelfen kann. Wenn er eine brauchbare DNA findet bekommen wir vielleicht raus wer der Tote ist.“

„Wenn ich mit meiner Vermutung richtig liege, dass der Mörder in der Ville Close wohnt, engt das den Kreis der möglichen Verdächtigen schon erheblich ein.“

„Aber nicht so, dass wir unseren Mörder nur noch herauspicken müssen. In der Ville Close leben bestimmt zwei- oder dreihundert Menschen. Außerdem, Monique, es ist nur eine Vermutung. Der Mörder kann auch außerhalb der Ville Close wohnen.“

„Ja Anaïk, wir dürfen unsere Suche nicht einengen. Warten wir ab was Yannick findet.“

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291 str. 2 ilustracje
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9783742707727
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