Czytaj książkę: «Rabenlieder», strona 2

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2

Sein plötzliches Auftauchen hatte die Frauen erstarren lassen. Mit offenen Mündern und aufgerissenen Augen sahen sie den majestätisch aussehenden Mann an. Er verdrehte leicht genervt die Augen und fuhr sich mit seiner rechten Hand durch sein seidig glänzendes Haar. Langsam sollten sie daran gewöhnt sein, dass Wesen aus dem Nichts auftauchten. Shania war die Erste, die sich aus der Erstarrung löste. Ihr Mund verzog sich zu einem freudigen Lächeln und sie ging einige Schritte auf den dunkel gekleideten Mann zu und fiel ihm in die Arme. Er umschloss sie in einer zärtlichen Umarmung und drückte ihr einen Kuss auf die Stirn. »Raven!« Der Klang in ihrer Stimme war voller Liebe und Fröhlichkeit. Er drückte ihren Kopf an seine starke Brust, so dass sie jeden einzelnen seiner Muskeln spüren konnte. Saya musste kichern. Es war schön, ihre Freundin so glücklich zu sehen. Sie lächelte die beiden zufrieden an und wünschte sich insgeheim, dass sie auch so viel Glück hatte. In letzter Zeit hatte sie Kris nicht oft gesehen. Er und sein Bruder Raven hatten nach dem Tod ihres Vaters, der zudem das Oberhaupt des Rabenclans war, einiges zu regeln. Saya wunderte es, dass Raven und Shania überhaupt noch Zeit füreinander fanden, vor allem da Raven, der Nachfolger werden sollte. Bei dem Gedanken fiel ihr ein, worüber sie geredet hatten, bevor Raven plötzlich aufgetaucht war. »Also, ihr heiratet, obwohl du als Anführer eine Frau von Rabenclan hättest heiraten müssen. Gibt es denn keinen Ärger?« ihr Blick war dem großen gut gebauten Mann gewidmet, der ihrem Liebsten sehr ähnlich sah.

Ravens Augen verdunkelten sich und seine ganze Mimik wurde angespannt, als er den Mund öffnete, um ihr zu antworten. »Ja.« Er fuhr seiner Verlobten durchs Haar. »Es ist einem Anführer nicht gestattet, eine Frau zu haben, die dem Clan nicht angehört.« Er hielt inne. Saya musste sich an das erinnern, was sie vor einiger Zeit über Ravens Vater und Shanias Mutter herausgefunden hatten. Die beiden hatten ein Verhältnis. Wahrscheinlich hatte Ian die Mutter von Raven und Kris auch nur geheiratet, weil er musste. Er hatte neben Shanias Mutter noch andere Geliebte. Es konnte schließlich nicht gut gehen, wenn man jemanden nicht liebte und mit der Person sein Leben verbringen musste. Sie fragte sich, was das jetzt für Raven bedeutete. Sie wollte gerade ihren Mund öffnen, um ihn danach zu fragen, als er erneut zu sprechen begann. »Ich habe auf mein Amt als Anführer verzichtet.« Erstaunte Blicke wurden ausgetauscht.

Fassungslos sahen die jungen Frauen sich an. Saya konnte nicht glauben, was sie gerade gehört hatte. Der Kiefer klappte ihr nach unten und sie musste lächerlich aussehen, so wie sie da stand und Raven ansah. Ungläubig schüttelte sie ihren Kopf. »Du hast was?« Raven zuckte nur belanglos mit den Achseln, als ob das keine große Sache wäre. Dann ging er einen Schritt auf Saya zu, Shania immer noch fest im Arm. »Wie würdest du dich denn entscheiden? Ich hatte keine andere Wahl. Entweder Shania oder der Posten als Oberhaupt. Ich sage nicht, dass es mir leichtgefallen ist, aber ich hätte meine Liebe aufgeben müssen und das hätte ich nicht verkraftet.« Er lächelte seine zukünftige Braut liebevoll an und streichelte sie zärtlich, wobei er seine Fingerspitzen sanft über ihre Haut gleiten ließ. Saya nickte verständnisvoll. Was Raven für ihre Freundin getan hatte, war das schönste Geschenk, was sich eine Frau nur wünschen konnte. Er hatte seine Liebe über seine Verpflichtungen gestellt. Das bewies eindeutig, wie sehr er sie liebte und Saya hatte absolut keine Bedenken, was die Beziehung der beiden anging. Nun bekam sie ein kleines bisschen Sehnsucht und wünschte sich, Kris wäre hier. Sie vermisste seinen warmen starken Körper, sein Hände, die zärtlich über ihre Haut strichen. Sie versuchte, den Gedanken zu verdrängen, bevor sie noch gänzlich in Selbstmitleid versinken würde. Sie wollte ihrer Freundin schließlich nicht die Freude auf ihre bevorstehende Hochzeit nehmen. »Wer nimmt dann eigentlich deinen Platz im Clan ein?« Aniolas Stimme erklang neugierig hinter Saya. Sie drehte sich um zu ihr und sah sie fragend an. Darüber hatte sie noch gar nicht nachgedacht. Der Clan brauchte einen Anführer und wenn Raven ausschied, dann musste jemand Neues ernannt werden. Raven räusperte sich und alle wandten sich wieder ihm zu. Mitleidig sah er zu Saya hinüber und sie bekam es ein wenig mit der Angst zu tun.

Was hatte dieser Blick zu bedeuten? »Kris!« Es war nur dieses eine Wort, dieser eine Name. Stille. Es waren nur die Herzen zu hören, die laut pochend in ihren Brüsten schlugen. Ein Wort, das alles veränderte. Ein Name, der all die Freude in Sayas Blick schwinden ließ und sie schnurstracks in die Hölle zu verfrachten drohte. Alle sahen sie an und auch auf den Gesichtern ihrer Freundinnen zeichnete sich nun Mitgefühl ab. »Kris?« Ungläubig wiederholte Saya diesen Namen. Den Namen des Mannes, dem sie ihr Herz geschenkt hatte. Raven nickte und sah sie zähneknirschend an. »Ja, Saya, Kris wird der neue Anführer und - « Er hielt kurz inne und holte tief Luft, bevor er fortfuhr. » - so leid es mir wirklich tut. Wirklich, glaub mir, ich wünschte ich könnte dir bessere Nachrichten bringen.«

Sayas Herz pochte schmerzend und drückte so fest gegen ihren Brustkorb, dass sie kaum atmen konnte. »Er wird ebenfalls heiraten. Die Kandidatin steht noch nicht fest, aber sobald sie erwählt ist, wird er diese ehelichen und dann zum Oberhaupt ernannt werden. So ist das Brauch.« Alles in Saya zerbrach. Ihre Brust brannte, Tränen stiegen ihr ins Gesicht und rannten, wie kleine Wasserfälle ihre Wangen hinunter.

Ihre Knie gaben nach und sie sackte auf dem schmutzigen Asphalt zusammen. Sie bekam nichts mehr um sich herum mit. Es war, als wäre sie in eine andere grausame Welt eingetaucht. Die Stimmen ihrer Freunde hörte sie nur ganz dumpf, wie durch eine Wand und spürte auch nicht deren Berührungen, als sie angelaufen kamen und sie in den Arm nahmen. Die Zeit schien still zu stehen. All ihre Freude, all ihre Hoffnung war verschwunden. Alles was blieb, war qualvolle Leere und das Wissen, dass sie niemals glücklich werden konnte.

*

Einige Minuten später saß sie bei Shania daheim im Wohnzimmer. Sie hatte gar nicht richtig mitbekommen, wie sie hier hergekommen war. Sie hatte den ganzen Weg in einer Art Trance verbracht. Sie war noch immer nicht ganz bei Sinnen. Es war einfach unfassbar, wie schnell einem der Boden unter den Füßen weggerissen werden konnte. Alles, was sie je gewollt hatte, war nun außer Reichweite und würde es für immer sein.

»Hier, ich glaub den kannst du jetzt richtig gut gebrauchen!«

Shania stellte ein Glas vor ihr auf den Tisch und sie nahm den starken Geruch von Whiskey war. Normalerweise trank sie nichts außer Blut, aber davon konnte man leider keinen Rausch kriegen und den konnte sie, wie Shania schon richtig bemerkte, jetzt wirklich gut gebrauchen. Natürlich war es kein reiner Whiskey, denn das würde Vampire nichts ausmachen, außer eventuell einen Brechreiz verursachen, aber sie vertrug so einiges, was andere Vampire nicht bei sich behielten. Allerdings auch nicht alles. Der Whiskey war mit Blut gemischt. B Negativ, um genau zu sein. Sie bevorzugte zwar A, aber zum Mischen, war B eindeutig besser geeignet. Es klumpte nicht so leicht. Sie streckte ihre Hand nach dem Glas aus. Es fiel ihr gar nicht so leicht, es zu greifen, da ihre Hand ziemlich stark zitterte und noch schwach von dem ganzen Schock war. Als sie es dann endlich in den Händen hielt, nahm sie einen kräftigen Schluck und das Gesöff rannte ihr warm die Kehle hinunter und sie spürte wie eine Hitze sie von innen durchflutete und wie sie langsam wieder zu sich kam.

»Ich fasse es nicht.« Mehr konnte sie nicht sagen. Selbst die Worte presste sie mit Mühe hervor. Shania legte ihren Arm um Sayas Schulter und auch Aniola und Shina kamen mit besorgten Gesichtern auf sie zu und standen ihr zur Seite.

Saya schätzte es wirklich, dass sie für sie da waren, nur leider konnten sie im Moment nicht viel ausrichten und sie fühlte sich eher ein wenig bedrängt dadurch, aber das wollte sie ihnen nicht sagen. Raven, der am anderen Ende des Wohnzimmers an der Wand lehnte, spürte, dass es ihr zu viel war, warf ihr einen verständnisvollen Blick zu und verließ leise das Wohnzimmer. Schwarze Feder flogen durch die Luft und sie konnte noch ein Krächzen hören, bevor er durch das Fenster fort flog. Shania sah ihrem Verlobten nach. In ihrem Blick lag so viel Reinheit, wie sie es schon lange bei keinem mehr gesehen hatte. Der Gedanke an ihre Hochzeit ließ den Schmerz nur noch umso größer erscheinen. Vor allem, wenn man bedachte, dass er als Ravens Bruder dort auch zugegen war und vielleicht würde es sogar eine Doppelhochzeit geben. Sie wusste zwar noch gar nicht, wen vom Rabenclan Kris heiraten würde, aber das wollte sie um ehrlich zu sein auch nicht wissen. Es war schwer genug und sie war sich nicht sicher, ob sie jemals darüber hinwegkommen würde. Sie nahm noch einen großen Schluck von dem Whiskey-Blut-Gemisch und leerte das Glas somit. Als Shania ansetzte, ihr nachzuschenken, winkte sie ab. Mehr wollte sie von dem Höllengesöff wirklich nicht trinken. Sie spürte, wie sie langsam müde wurde. Der Tag war angebrochen. Zum Glück waren alle Jalousien in Shanias Haus heruntergelassen, aber das konnte man auch erwarten, da sich zwei Vampire im Haus befanden.

Immerhin wollte Shania sicherlich keine zwei Staubhäufchen anstelle ihrer Freundinnen im Wohnzimmer haben.

»Say, Ani, kommt mal mit. Ich habe im Keller ein Gästezimmer für euch eingerichtet. Ihr solltet euch jetzt am besten etwas hinlegen.« Saya hatte eigentlich nur den Drang, hinaus in die Sonne zu laufen und ihren Qualen ein Ende zu bereiten, aber das würde Shania sicher nicht zulassen und sie wollte ihr das auch nicht antun. Also trottete sie geistesabwesend hinter Aniola her in den dunklen Keller, wo alle Ritzen abgedichtet waren, dass kein einziger Sonnenstrahl hindurchgelangen konnte. Shania hatte sich große Mühe gegeben, alles passend für einen Vampir einzurichten. In einem Eck von dem Raum stand sogar ein Kühlschrank voll mit Blut. Was wollte man mehr. Sie würden zwar tief und fest schlafen und sicher keine Nahrung zu sich nehmen, aber sobald sie wach würden, könnte eine kleine Mahlzeit sicher nicht schaden. »Du hast wohl Angst, dass wir unschuldige Menschen anfallen, wenn wir nicht ausreichend genährt sind.« Aniola hatte den Kühlschrank ebenfalls entdeckt und warf Shania einen belustigten Blick zu. »Oder dich!«, ergänzte Saya Aniolas Kommentar. Dabei zog sie ihre linke Augenbraue leicht nach oben und ihr Mund verzog sich zu einem frechen Grinsen. Stirnrunzelnd wanderten Shanias Augen zwischen den zwei Vampirfrauen hin und her und blieben dann auf Saya haften. »Soll das heißen, ich bin kein unschuldiger Mensch?« Sie verschränkte ihre Arme. Aniola und Saya sahen sich belustigt an und fingen an, laut loszulachen. »Also, erstens bist du ja wohl kein Mensch, oder haben Menschen die Fähigkeit, über den Wind zu herrschen?« Aniola lehnte lässig an der feuchten Kellerwand, ihre langen dunklen Haare fielen ihr über die Schulter und ihre Augen leuchteten amüsiert. Saya ging auf ihre beste Freundin zu, der gleiche Gesichtsausdruck, wie auch Aniola ihn hatte. »Außerdem, Kleines, würde ich dich garantiert nicht als unschuldig bezeichnen. Du wirkst manchmal vielleicht so, aber du bist ein durchtriebenes Luder.« Entsetzt über diese Worte, starrte Shania ihre Freundin an. Ihr Mund stand leicht offen. »Ich möchte nicht wissen, was Raven und du oft so anstellen.«

Sie fuhr ohne weiteres fort. Shanias Mund schloss sich langsam wieder und verzog sich zu einem schuldbewussten, aber dennoch zufriedenem Grinsen. Ihre Augen fingen an zu funkeln, als Saya Raven erwähnte und es kam ihrer besten Freundin so vor, als ob sie sich im Kopf gerade vorstellte, was sie öfters miteinander trieben. Saya schüttelte diesen Gedanken ab. Sie wollte es, um genauer zu sein, gar nicht wissen. Wenn es nur halb so wild war, wie das, was sie und Kris so anstellten... Dann kam ihr plötzlich wieder das mit Kris bevorstehender Hochzeit in den Sinn und ihr Gesicht erstarrte. Der Schmerz durchfuhr sie aufs Neue und sie war wie gelähmt. Shania und Aniola bemerkten diese Wandlung sofort und wussten was los war. »Du solltest ihn zur Rede stellen.« Shania hatte den Arm um ihre beste Freundin gelegt und diese war in diesem Moment sichtlich froh, solche Freundinnen zu haben. Sie sah sie betrübt an und dann drehte sie sich zu Aniola um, die ihr aufmunternd zunickte.

»Mach den Mistkerl fertig!« Sie klopfte ihr auf den Schenkel und wäre sie kein Vampir, hätte sie sicher einen Bluterguss davongetragen. »Er hätte es dir zumindest sagen müssen.« Shania verschränkte die Arme. Sie war sichtlich sauer auf ihren zukünftigen Schwager. »Feigling!« Sayas Mundwinkel verzog sich wieder zu einem leichten Grinsen, als der schwarze Engel neben ihr empört dieses Wort hervorpresste. Sie hatten ja beide Recht. Die Tatsache allein war schon schlimm, aber er hätte mit ihr reden können.

Wieso erfuhr sie es durch Raven? Wahrscheinlich stimmte es, was Aniola sagte und er war zu feige, es ihr direkt zu sagen. Deswegen hatte sie in letzter Zeit fast nichts mehr von ihm gehört. Und sie hatte gedacht, er hätte viel zu erledigen. Das war vermutlich nicht gelogen, da er seine Hochzeit planen musste. Ihre Hände hatten sich zu Fäusten geballt und ihre Trauer wandelte sich zu Zorn. Sie war wütend, stinkwütend. Auf Kris, der kein Ton erwähnt hatte, aber auch auf sich selbst, da sie es nicht gespürt hatte. Sie hätte an seinem Verhalten merken müssen, dass etwas nicht stimmte, doch sie war zu enthusiastisch und geblendet, um es zu sehen. Sie hätte sich selbst ohrfeigen können, für diese Naivität. »Ich werde morgen sofort zu ihm fahren und mit ihm reden.« Sie schenkte ihren Freundinnen noch ein dankbares Lächeln und legte sich dann schlafen. Aniola tat es ihr gleich.

*

Es war Nacht, ein eiskalter Wind heulte durch die Bäume und sie konnte nichts sehen, dennoch spürte sie die Anwesenheit einer weiteren Person. Sie blinzelte und dann vernahm sie im Schatten der Häuser eine Gestalt. Sie war groß und gut gebaut. Ein schwarzer Mantel wehte im Wind umher. Sie ging auf die Gestalt zu und als sie näher kam, erblickte sie ein ihr bekanntes Gesicht. Es war das Gesicht desjenigen, mit dem sie einige Nächte verbracht hatte. Sie wollte gerade noch weiter auf ihn zugehen, da näherte sich von hinten eine weitere Person. Eine Frau mit langen braunen Haaren stürmte auf Kris zu und fiel ihm um den Hals. Sie küssten sich. Plötzlich veränderte sich alles. Sie waren nicht mehr in der Wohnsiedlung, sondern standen vor Westminster Abbey, wo auch schon die Königsfamilien geheiratet hatten. Kris kam herausstolziert, in einem schicken dunkelgrauen Anzug, Hand in Hand mit der Brünetten von eben. Sie trug ein langes weißes Kleid mit Schleppe und Schleier. Das Kleid war oben sehr figurbetont und fiel ab der Taille weit geschnitten nach unten. Es war ein Traumkleid, doch trug es die falsche Frau. Kris lächelte seine frisch angetraute Frau verliebt an und sie küssten sich erneut. Es lag so viel Leidenschaft in der Luft. Die umstehenden Leute applaudierten, Reis flog durch die Luft und hüllte den Platz in Weiß. Auf einmal tauchte vor ihr eine in Licht gehüllte Gestalt auf. Die Gestalt war schwarz gekleidet, hatte langes welliges Haar, das von einem Haargummi zusammen gehalten wurde. Schokobraune Augen glänzten im Sonnenlicht. Er war groß und muskulär gebaut. Das schwarze enge Muskelshirt betonte seine Figur perfekt und Tattoos zierten seine Arme. Sie fragte sich gerade, wer dieser mysteriöse Mann war, doch dann verschwamm die Situation erneut und sie war plötzlich in einem dunklen feuchten Kellerraum. Ein kalter Schauer lief ihr den Rücken hinunter, als sie sich in dem Raum umsah, der ihr nur zu gut bekannt war und den sie in ihren Gedanken zu verdrängen versucht hatte. Die Tür ging quietschend auf und herein kamen zwei Männer, ungepflegt und schmutzig. Angst kroch in ihr hoch und sie schrie, als die Männer über sie herfielen und sie schändeten.

3

Mit einem Satz war Saya auf den Beinen, ihre Stirn und ihr Rücken pitschnass vor Schweiß und sie zitterte am ganzen Leib. Aniola schlief tief und fest und hatte ihren Schrei scheinbar gar nicht wahrgenommen. Saya sah auf die Uhr.

Es war kurz nach acht. Die Sonne müsste bald untergehen, aber solange müsste sie hier in dem dunklen Keller abwarten. Ihr Herz schlug laut in ihrer linken Brust, was für einen Vampir ungewöhnlich war. Der Mythos, dass Vampire keinen Herzschlag hätten, war Unsinn. Wie sollten denn all die Körperfunktionen noch funktionieren, wenn das Blut nicht durch den Körper fließt. Das Herz arbeitete einfach langsamer und auch der Verdauungstrakt war anders, als bei normalen Menschen, weswegen sich die meisten Vampire ausschließlich von Blut ernähren konnten. Das war auch der Grund, warum Pfählen sie nicht tötete, sondern lediglich lähmte. Wunden konnten gut und schnell verheilen und das Herz konnte so einiges ertragen und es kam nur ganz oder fast gar nicht vor, dass das Herz eines Vampirs schneller schlug. Doch bei Saya war alles ein wenig anders. Sie konnte bis zu einem gewissen Grad auch normale Nahrungsmittel zu sich nehmen, ihr Herz schlug bei Kris jedes Mal wie wild - der Gedanke stimmte sie traurig, vor allem als ihr die Bilder ihres Traumes, die von seiner Hochzeit, in den Kopf kamen - und auch jetzt pochte es vor Angst. Sie hatte lange zuvor keine so schlimmen Alpträume mehr und dann noch die Erinnerung an damals, die sie so sehr zu verdrängen versucht hatte. Leider kam es in letzter Zeit immer häufiger wieder ans Licht. Öfters wachte sie auf, weil sie von ihrer Wandlung und der damit verbundenen Schändung ihres Körpers geträumt hatte. Saya drehte sich um, als es auf einmal ein dumpfes Klopfen zu hören war. Im nächsten Moment ging die Tür quietschend auf und Shania kam hinein. Sie hatte ein Glas bei sich und Saya konnte den frischen Geruch von A Positiv wahrnehmen. Shania musterte ihre Freundin besorgt, als sie sah, wie verschwitzt sie war.

Ihre Stirn war leicht in Falten gelegt. Sie drückte ihr das Blutglas in die Hand und setzte sich neben sie. »Ich hatte dich schreien gehört und dachte, frisches Blut wäre nicht schlecht. Besser als das abgestandene Zeug im Kühlschrank.« Shania warf ihr langes Haar über die Schulter und lächelte ihre beste Freundin aufmunternd an. »Wow! Da sieht man mal, wie fest unsere Ani schläft!« Saya musste lachen. Es tat ihrer Seele richtig gut. Shania schaffte es, dass sie für einen Augenblick alles Schlechte vergessen konnte.

Sie setzte das Glas an ihre Lippen und nippte daran. Das Blut war sogar noch warm. Es rannte ihre Kehle hinunter und gab ihr ein Gefühl von Zufriedenheit, als es ihren Körper von innen mit Wärme erfüllte. Sie fragte sich, woher Shania so frisches Blut hatte und sah ihre Freundin fragend an. Ihr Blick fiel auf den rechten Unterarm der jungen Hexe.

Dort war ein tiefer Schnitt zu sehen und es quoll Blut hervor.

Entsetzt und mit weit aufgerissenen Augen sah sie von der Wunde zu ihrer Freundin auf. Shania zuckte mit den Achseln und winkte ab. Saya hatte sich geschworen, ihre Freundin niemals anzupacken, geschweige denn, ihr Blut zu trinken, aber es schmeckte so köstlich und sie hatte das Gefühl, dass sie sich dadurch schon besser fühlte. Es schien, als würde es ihr eine gewisse Stärke verleihen. Höchstwahrscheinlich lag das daran, dass es das Blut einer Hexe war und nicht das eines gewöhnlichen Menschen. »Willst du mir erzählen was los war?« In Shanias Stimme lag noch immer große Besorgnis. Saya schaute sie achselzuckend an, nickte jedoch schließlich. »Ein Alptraum nach dem anderen.« Sie seufzte schwer und dann erzählte sie ihr alles. Von dem Traum mit Kris und seiner Zukünftigen, über den mysteriösen gut aussehenden Mann, bis hin zu dem grausamen Erlebnis von damals. Sie ließ nichts aus und als sie ihr all dies erzählte, traten ihr Tränen in die Augen. Shania legte ihren Arm um sie und Saya weinte sich an ihrer Schulter aus.

*

Sie saßen einige Zeit einfach nur so da, Sayas Kopf an Shanias Schulter und diese streichelte ihr tröstend über den Rücken. Dann hörten sie ein lautes Gähnen und Aniola kroch hervor aus ihrem Schlafgemach. »Morgen!« Shania schenkte ihrer Freundin ein gut gelauntes Lächeln, doch diese sah sie nur finster an. Dunkle Augenringe zeichneten sich in ihrem Gesicht ab und ihr Haar war leicht zerzaust.

Trotz allem sah sie immer noch umwerfend aus. Aniola brummte etwas vor sich hin und ging dann die Kellertreppe hinauf Richtung Bad, wo sie sich erstmal frisch machen wollte. Saya sah ihr ein wenig amüsiert hinterher. Sie selbst war auch ein Morgenmuffel - obwohl der Begriff Nachtmuffel für einen Vampir wohl eher angebracht wäre -

aber es war immer wieder lustig zu sehen, wie mies gelaunt andere waren. Sie bekam es nur von Vampiren mit, da sie meist schon schlief, wenn andere aufstanden. Als Aniola perfekt gestylt vom Bad zurückkam und sich zu Shania setzte, machte Saya sich auf den Weg, um sich abzuduschen, sich die Tränen aus dem Gesicht zu wischen und ihre Schminke zu erneuern. Das Bad war relativ groß und schön geschnitten. Es war kein Schlauch sondern schön quadratisch und in weiß-grau gehalten. Neutrale zeitlose Farben. Es befand sich ein großes Waschbecken darin, eine Toilette, eine große Duschwanne und ein BD. Saya schlüpfte aus ihren Klamotten, stieg in die Duschwanne und zog den Vorhang zu. Sie drehte das Wasser auf und erschauerte, als es erst kalt über ihren Körper lief. Es wurde aber schlagartig warm und sie genoss die angenehmen Wasserstrahlen auf ihrer Haut. Es war wie eine gute Massage. Nachdem sie einige Minuten einfach so unter dem Duschkopf gestanden hatte, drehte sie das Wasser ab und griff zum Duschgel, um sich einzuseifen. Shania benutze eine andere Cremedusche als sie, das machte aber nichts. Sie verteilte das Duschgel gleichmäßig auf ihrer Haut, dann griff sie zu dem Shampoo, das gleich daneben stand und massierte es in ihr Haar ein.

Sie drehte das Wasser wieder auf, das diesmal sofort angenehm warm war und wusch sich den Schaum ab.

Gründlich spülte sie alles aus ihren Haaren hinaus. Als sie komplett sauber war, stieg sie aus der Dusche, trocknete sich mit dem Badetuch ab, das über dem Heizkörper neben der Badewanne hing und zog sich an. Sie wickelte das Handtuch wie einen Turban um ihr Haar und ging dann ins Wohnzimmer hinunter, wo Aniola und Shania bereits auf dem Sofa saßen und sich angeregt unterhielten. Als Saya den Raum betrat, sahen die beiden Frauen sie an. Ihrem Blick zufolge wussten sie nicht, ob sie lächeln, oder sie sie mitleidig ansehen sollten. Um die Spannung zu lösen, versuchte Saya ein Grinsen aufzusetzen und erleichtert, verzogen sich auch die Münder ihrer Freundinnen zu einem sanften Lächeln. »Mädels, ich werde mich mal auf den Weg machen.« Verdutzt sah Aniola von Saya zu Shania und dann wieder zu Saya. »Wohin?« Shania lachte und stupste ihre Vampirfreundin in die Seite. Saya verdrehte leicht genervt die Augen. »Zu Kris.« Ein Klos steckte ihr im Hals, als sie seinen Namen aussprach. Sie schluckte schwer. Aniola seufzte leise. »Ich muss die Sache einfach klären, sonst lässt es mich nie in Ruhe.« Zustimmendes Nicken. Dann nahm Saya ihre Sachen, umarmte ihre Freundinnen zum Abschied und verschwand aus der Tür.

Sie wartete auf den Bus, um zu Kris und Ravens Haus zu fahren. Immer wieder machte sie Anstalten, doch wieder umzukehren. Es war ein innerer Kampf gegen sich selbst.

Sie hatte Angst. Was sollte sie ihm sagen? Was würde sie machen, wenn er ihr erzählte, es sei ihm nie ernst mit ihr gewesen und dass er die Rabenfrau liebte? Was, wenn diese bei ihm wäre? Wahrscheinlich könnte sie sich nicht zusammenreißen und würde auf sie losgehen. Aber sie musste sich zurückhalten. Das war sie zumindest Shania schuldig. Denn als ihre Freundin, würde das auf sie zurückfallen und würde die Beziehung zu Raven, Kris Bruder schwer beschädigen. Das wollte sie auf keinen Fall.

Als sie gerade wieder Zweifel verspürte, fuhr auch schon der Bus her. Ohne weiter nachzudenken stieg sie ein und die Türen schlossen sich. Wenige Minuten später hielt der Bus an der Zielhaltestelle und Saya stieg aus und machte sich zu Fuß auf den Weg zu ihrem ehemaligen Geliebten. Sie konnte immer noch nicht glauben, dass jetzt alles vorbei sein sollte, doch ihr wurde es schmerzlich bewusst, als sie vor seinem Haus stand. Alles kam in ihr hoch. All die tollen Momente, die sie mit ihm erlebt hatte, wie er sie angesehen und angefasst hatte. Allerdings auch all das, was sie letzte Nacht erfahren hatte. In ihrer Magengegend kribbelte es, ihr wurde übel und sie zitterte am ganzen Körper. Das letzte Mal hatte sie sich mit Fünfzehn so gefühlt, als sie mit ihrem Schwarm Ben ausgegangen war. Sie waren damals zusammen ins Kino gegangen und er hatte sie berührt und wollte sie küssen. Sie war damals sehr nervös gewesen. Genauso fühlte sie sich jetzt auch. Sie nahm all ihren Mut zusammen und klingelte.

Kurze Zeit später - Saya kam es allerdings wie Stunden vor -

hörte sie schwere Schritte und die Tür wurde schwungvoll aufgerissen, wobei diese ein wenig knarzte. Hinter der Tür stand ein großer schlanker Mann, mit frisch gewaschenen langen Haaren, die wundervoll nach Meer dufteten. Ein Handtuch war um seine Hüften gewickelt und der Oberkörper war frei. Saya starrte für einen kurzen Augenblick auf seine nackte Brust, ehe sie ihren Blick hob und ihn ansah. Sie musste sich zusammenreißen, ihm nicht in die Arme zu fallen, sondern stattdessen vollkommen ruhig und ernst zu bleiben. Er sah sie irritiert an, als habe er mit ihrem Erscheinen überhaupt nicht gerechnet und zog seine Augenbrauen ein wenig nach oben. »Waren wir verabredet?« Mehr sagte er gar nicht. Die Verwirrung war deutlich herauszuhören. Doch Saya wurde wütend. Mit dieser Frage versetzte er ihr einen heftigen Stoß durch das Herz. Es brannte wie Höllenfeuer und wollte einfach nicht erlöschen. Sie schluckte schwer und atmete dann tief durch, um ihm zu antworten. »Du hältst es nicht mal jetzt für nötig, es mir zu sagen? Wie lange willst du mich noch anlügen?«

Wutentbrannt fuhr sie ihn an. Sie konnte nicht glauben, dass er es ihr nicht einmal jetzt erzählte. Empört schüttelte sie den Kopf. Sie musste gegen die Tränen ankämpfen, die sich in ihren Augen bildeten. Verkrampft biss sie sich auf die Unterlippe sie spürte, wie etwas Dickflüssiges nach Eisen Schmeckendes herausquoll. Sie wischte mit ihrem Handrücken darüber. Er war rot gefärbt von ihrem Blut. Sie sah Kris wieder tief in die Augen, obwohl es ihr schwer fiel bei den wunderschönen gold-braunen Augen nicht schwach zu werden. Er trat zur Seite und bedeutete ihr, ins Haus zu gehen, doch sie blieb stocksteif stehen. Seine Gesichtszüge hatten sich verkrampft und es lag etwas Schuldiges in seinem Blick. Er senkte seinen Blick ein wenig und Saya glaubte eine Träne über seine Wange kullern gesehen zu haben. »Können wir das innen besprechen?« Seine Stimme war auf einmal ganz leise und ruhig. »Bitte!« Saya beäugte ihn misstrauisch. Er klang verzweifelt und wirkte sehr betrübt. Spielte er ihr nur etwas vor? Nach kurzem Zögern trat sie dann aber ein und er schloss hinter ihr die Haustür.

Sie ging schnurstracks hindurch ins Wohnzimmer. Es war ruhig und leer in dem Haus. Normalerweise wohnten hier neben Kris noch sein Bruder Raven, seine Halbschwester und mittlerweile auch Rebecca, Kris Exfreundin, die inzwischen aber eher so etwas wie seine beste Freundin war.

Saya sah sich um. Im Haus hatte sich seit ihrem letzten Besuch nichts verändert. Es hingen immer noch die gleichen Bilder an der Wand, die Möbel waren alle an ihrem Platz und auch die Farben hatten sich nicht geändert. Sie setzte sich in den Sessel, schlug die Beine übereinander und verschränkte die Arme. Kris folgte ihr und setzte sich gegenüber aufs Sofa. Sie starrten sich einfach nur an. Sayas Blick war hasserfüllt, doch auch voller Leid, Trauer und Schmerz und Kris wirkte wie ein begossener Pudel, den man im strömenden Regen an der Autobahn angebunden hatte.

Wäre Sayas Wut nicht so groß gewesen, hätte sie vermutlich Mitleid mit dem Kerl gehabt, der jetzt mit schuldbewusster Miene auf dem Sofa saß und wirkte, als könnte er kein Wässerchen trüben. Saya kniff ihre Augen zusammen und funkelte ihn noch wütender an. »Nun. Ich höre!« Sie wollte kein Geplänkel, keine Ausreden, nichts. Sie wollte nur die ganze Geschichte. Die Wahrheit. Kris schluckte und man konnte förmlich hören, wie der Klos langsam seinen Hals hinunterglitt. »Du hast also davon gehört?« Ohne eine Miene zu verziehen nickte Saya. Ein leises Seufzen drang aus seinem Mund »Ich habe es mir wirklich nicht ausgesucht.« Seine Augen wurden feucht und er schien kurz vor einem Zusammenbruch zu stehen. So niedergeschlagen hatte Saya ihn noch nie gesehen. Normalerweise war er der Typ, der immer Haltung bewahrte, nicht viel Gefühlsregung zeigte und den coolen Macker markierte, aber im Moment war er ein komplett anderer Mensch. Kaum wiederzuerkennen. »Der Plan war doch von Anfang an, dass Raven der Nachfolger wird, aber er musste jetzt natürlich unbedingt Shania heiraten.« Als Saya warnend ihre Augenbrauen hochzog, fügte Kris rasch noch etwas hinzu.

»Natürlich finde ich es toll. Die beiden sind ein Traumpaar, aber nun ist es meine Pflicht, der Anführer zu werden. Das wollte ich nie.« Er schaute Saya mit traurigen Augen an.

»Jetzt muss ich eine Zweckehe mit einer Rabenfrau eingehen. Denkst du wirklich, mir gefällt das? Raven darf seine Traumfrau heiraten und ich muss aus Pflicht eine Frau heiraten, die ich vermutlich kaum kenne, geschweige denn liebe.« Er sah bedrückt auf den Boden, seine Stirn war auf seine Hände gestützt, und er grub die Finger tief in seine Haare. Ich wollte das niemals. Niemals wollte ich dich aufgeben. Dich, meine große Liebe. Doch das fügte er nur in seinen Gedanken hinzu. Er konnte es nicht aussprechen.

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