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Mansfield Park

Jane Austen

Inhaltsverzeichnis

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

11. Kapitel

12. Kapitel

13. Kapitel

14. Kapitel

15. Kapitel

16. Kapitel

17. Kapitel

18. Kapitel

19. Kapitel

20. Kapitel

21. Kapitel

22. Kapitel

23. Kapitel

24. Kapitel

25. Kapitel

26. Kapitel

27. Kapitel

28. Kapitel

29. Kapitel

30. Kapitel

31. Kapitel

32. Kapitel

33. Kapitel

34. Kapitel

35. Kapitel

36. Kapitel

37. Kapitel

38. Kapitel

39. Kapitel

40. Kapitel

41. Kapitel

42. Kapitel

43. Kapitel

44. Kapitel

45. Kapitel

46. Kapitel

47. Kapitel

48. Kapitel

NACHWORT

1. Kapitel

Vor etwa dreißig Jahren hatte Miss Maria Ward aus Huntingdon, mit nicht mehr als siebentausend Pfund Mitgift, das Glück, Sir Thomas Bertram, den Besitzer von Mansfield Park in der Grafschaft Northampton, zu fesseln und so in den Rang einer adeligen Dame mit großem Einkommen, einem stattlichen Haus und allen anderen Vorteilen einer solchen Stellung erhoben zu werden. Ganz Huntingdon ereiferte sich über die glänzende Partie, und sogar ihr Onkel, der Rechtsanwalt, gab zu, daß ihr mindestens dreitausend Pfund fehlten, um darauf billigerweise Anspruch machen zu dürfen. Sie hatte zwei Schwestern, denen ihre Standeserhöhung zugute kommen konnte, und diejenigen ihrer Bekannten, die Miss Ward und Miss Frances ebenso hübsch fanden wie Miss Maria, zögerten nicht zu prophezeien, daß sie sicherlich fast gleich gut heiraten würden. Doch offenbar gibt es auf dieser Welt weniger reiche Männer als hübsche Mädchen, die sie verdienen würden. Als ein halbes Dutzend Jahre verflossen waren, mußte Miss Ward sich damit begnügen, Pastor Norris, einem wenig begüterten Freund ihres Schwagers, die Hand zum Ehebund zu reichen, und Miss Frances traf es noch schlechter. Miss Ward machte nämlich, bei Licht betrachtet, gar keine so üble Partie; Sir Thomas war glücklicherweise in der Lage, seinem Freund die Pfarre von Mansfield zu verschaffen, und Mr. und Mrs. Norris traten ihr Eheglück mit einem Jahreseinkommen von nicht viel weniger als tausend Pfund an. Miss Frances aber heiratete, wie man so sagt, um es ihrer Familie zu geben, und besorgte dies aufs gründlichste, indem sie sich in einen Marineleutnant, einen jungen Mann ohne Kinderstube, ohne Geld und ohne Konnexionen, verliebte. Sie hätte kaum eine unglücklichere Wahl treffen können. Sir Thomas besaß gute Beziehungen, die er gern zum Nutzen von Lady Bertrams Schwester eingesetzt hätte, denn wie es ganz allgemein seinen Grundsätzen entsprach, recht zu tun, so verlangte im besonderen Fall sein Stolz, alle, die ihm nahestanden, in geachteter Position zu sehen. Doch in der Berufssphäre des jungen Mannes versagte Sir Thomas’ Einfluß, und ehe er noch dazu kam, nach anderen Wegen zu suchen, hatte ein vollkommener Bruch zwischen den Schwestern stattgefunden. Er war die natürliche Folge des Verhaltens sämtlicher Beteiligten, wie es bei einer so unvernünftigen Heirat kaum anders kommen konnte. Um nutzlosen Vorhaltungen und Predigten zu entgehen, hatte Mrs. Price ihrer Familie nichts von der ganzen Sache geschrieben, bevor sie unwiderruflich verheiratet war. Lady Bertram, eine Frau von sehr ruhiger Gemütsart und äußerst phlegmatischem Temperament, hätte es dabei bewenden lassen, ihre Schwester aufzugeben und nicht weiter an die Geschichte zu denken; doch Mrs. Norris war von einem aktiven Kampfgeist beseelt, der nur dadurch befriedigt werden konnte, daß sie Fanny einen langen, zornigen Brief schrieb, in dem sie die Torheit ihres Vorgehens darlegte und sämtliche nur möglichen schlimmen Folgen an die Wand malte. Mrs. Price fühlte sich nun ihrerseits gekränkt und beleidigt; und ihre Antwort, die beide Schwestern ihre Erbitterung entgelten ließ und so schrecklich despektierliche Bemerkungen über Sir Thomas’ Hochmut enthielt, daß Mrs. Norris sie unmöglich für sich behalten konnte, setzte jedem verwandtschaftlichen Verkehr für lange Zeit ein Ende.

Sie lebten so weit voneinander entfernt und bewegten sich in so verschiedenen Kreisen, daß im Lauf der nächsten elf Jahre die Möglichkeit, gegenseitig etwas von ihrem Dasein zu hören, beinahe ausgeschlossen schien; zumindest mußte es Sir Thomas geradezu wunderbar vorkommen, daß Mrs. Norris von Zeit zu Zeit in der Lage war, in zornigem Ton zu berichten, Fanny hätte schon wieder ein Kind bekommen. Nach Ablauf von elf Jahren jedoch konnte Mrs. Price es sich nicht mehr leisten, Stolz oder Groll zu hegen und auf eine verwandtschaftliche Beziehung zu verzichten, von der sie möglicherweise Hilfe erhoffen durfte. Eine große und immer noch größer werdende Familie, ein dienstunfähig gewordener Mann, der aber darum nichts von seiner Vorliebe für lustige Gesellschaft und einen guten Trunk eingebüßt hatte, ein äußerst schmales Einkommen, das kaum für die notwendigsten täglichen Bedürfnisse ausreichte – all das veranlaßte sie, sich wieder um die Verwandten zu bemühen, die sie so leichtfertig aufgegeben hatte. Sie schrieb Lady Bertram einen Brief, der von so großer Zerknirschung und Verzagtheit, einem solchen Überfluß an Kindern und einem so betrüblichen Mangel an allen anderen Dingen zeugte, daß er jedermann versöhnlich stimmen mußte. Die arme Frau sah ihrem neunten Wochenbett entgegen; und nachdem sie diesen Umstand beklagt und die Gönner- und Patenschaft ihrer Verwandten für das erwartete Kind erbeten hatte, vermochte sie ihre Hoffnung nicht zu verhehlen, daß sie vielleicht auch etwas für die Zukunft der acht bereits vorhandenen Kinder tun würden. Ihr Ältester wäre zehn Jahre alt, ein prächtiger, aufgeweckter Bursche, den es in die Welt hinaus trieb – aber was konnte sie dazu tun? Bestünde vielleicht die Möglichkeit, daß er sich später einmal Sir Thomas bei der Verwaltung seiner westindischen Besitzungen nützlich erweisen könnte? Keine Stellung würde ihm zu gering erscheinen. Oder was hielte Sir Thomas von Woolwich? Oder wie sollte man es anfangen, einen Jungen in den Fernen Osten zu schicken?

Der Brief blieb nicht ohne Frucht. Er stellte wieder Frieden und Freundschaft her. Sir Thomas sandte freundliche Ratschläge und Versprechungen, Lady Bertram Geld und Kinderwäsche, und Mrs. Norris schrieb die dazugehörigen Briefe.

Das waren die unmittelbaren Folgen des Briefes, und innerhalb Jahresfrist sollte er sich für Mrs. Price noch bedeutsamer auswirken. Mrs. Norris bemerkte häufig, sie könne ihre arme Schwester mit all den vielen Kindern nicht aus dem Kopf bringen; soviel sie auch alle schon für sie getan hätten, empfände sie das Bedürfnis, noch mehr zu tun. Und schließlich gestand sie ihren Wunsch, ihrer armen Schwester wenigstens die Sorgen und Kosten für ein Kind aus ihrer großen Schar gänzlich abzunehmen. Wie wäre es, wenn sie gemeinsam die Fürsorge für das älteste Töchterchen übernehmen würden? Das Kind sei jetzt neun Jahre alt, also in einem Alter, das mehr Aufmerksamkeit erfordere, als die geplagte Mutter ihm beim besten Willen widmen könnte. Verglichen mit der Größe dieser Wohltat seien die Mühen und Auslagen, die sie mit sich brächte, gering einzuschätzen … Lady Bertram stimmte augenblicklich zu. «Ich glaube, wir könnten nichts Besseres tun», sagte sie, «lassen wir das Kind gleich kommen.»

Sir Thomas konnte nicht so rasch und vorbehaltlos seine Einwilligung geben. Er zögerte und überlegte. Es sei eine ernste Verantwortung; ein Mädchen, das in seinem Haus aufwüchse, müßte späterhin auch standesgemäß versorgt werden, sonst wäre es keine Wohltat, sondern eine Grausamkeit, es von seiner Familie zu trennen. Er dachte an seine eigenen vier Kinder – an seine zwei Söhne – an die Möglichkeit einer Jugendliebe zwischen Cousin und Cousine – und so weiter. Doch kaum hatte er begonnen, seine Bedenken bedächtig darzulegen, als Mrs. Norris ihm mit ihrer Antwort ins Wort fiel, die sämtlichen aufgezählten und nicht aufgezählten Einwendungen Rechnung trug:

«Mein lieber Sir Thomas, ich verstehe Sie vollkommen und achte und schätze die Großmut und Feinfühligkeit Ihrer Bedenken, die so sehr im Einklang mit Ihrer ganzen Lebensführung stehen! Und in der Hauptsache bin ich völlig Ihrer Meinung, daß man ein Kind, das man sozusagen in die Hand genommen hat, auch weiterhin versorgen muß, soweit man dazu imstande ist. Ich persönlich bin wohl die Letzte, die für einen solchen Zweck ihr Scherflein verweigern würde! Da ich selbst keine Kinder habe, wüßte ich nicht, wem ich das wenige, das ich besitze, einmal zukommen lassen soll, wenn nicht den Kindern meiner leiblichen Schwestern – und mein guter Norris denkt sicher genau so, aber Sie wissen, große Worte und Versprechungen sind nicht meine Sache. Lassen wir uns nicht durch Bagatellen von einer guten Tat abschrecken! Wenn man ein Mädchen ordentlich erzieht und geziemend in die Welt einführt, kann man zehn zu eins wetten, daß sie die Möglichkeit finden wird, sich gut zu versorgen, ohne daß es irgend jemand weitere Kosten verursacht. Ich darf wohl sagen, eine Nichte von uns, Sir Thomas, eine Nichte von Ihnen, kann nur Vorteile davon haben, wenn sie hier aufwächst. Ich behaupte nicht, daß sie je ihren Cousinen gleichkommen wird, das gewiß nicht! Aber sie würde unter so günstigen Voraussetzungen in die hiesige Gesellschaft eingeführt, daß sie aller menschlichen Voraussicht nach eine sehr anständige Partie machen wird. Sie denken an Ihre Söhne – aber wissen Sie nicht, daß gerade dies am allerwenigsten zu befürchten wäre? Wenn sie doch wie Geschwister zusammen aufwachsen! Es ist einfach moralisch unmöglich, ich habe noch nie von so einem Fall gehört. Es wäre im Gegenteil das einzige sichere Mittel, einer solchen Verbindung vorzubeugen. Nehmen Sie an, sie ist ein hübsches Mädchen, und Tom oder Edmund bekämen sie von heute in sieben Jahren zum erstenmal zu Gesicht – ja, das könnte Unheil geben. Allein die Vorstellung, daß wir sie fern von uns in Armut und Elend haben großwerden lassen, könnte genügen, damit einer der lieben, gutherzigen Jungen sich in sie verliebt. Aber wenn die Kinder zusammen aufwachsen, wird keiner der Jungen sie je als etwas anderes als eine Schwester ansehen, und wäre sie schön wie ein Engel!»

«Es ist viel Wahres an dem, was Sie sagen», versetzte Sir Thomas, «und fern sei es mir, einem Plan, der der Situation aller Beteiligten so gut entsprechen würde, eingebildete Hindernisse in den Weg zu legen. Ich wollte nur bemerken, daß wir uns nicht leichtfertig darauf einlassen dürfen. Wenn er Mrs. Price wirklichen Nutzen und uns selber Ehre eintragen soll, müssen wir uns verpflichten oder uns innerlich für verpflichtet halten, das Mädchen später einmal standesgemäß zu versorgen, auch wenn sich keine so günstige Möglichkeit bietet, wie Ihr Optimismus Sie erwarten läßt.»

«Oh, ich verstehe Sie!» rief Mrs. Norris. «Sie sind die Großmut und Weisheit in Person, und wir werden in diesem Punkt sicher stets der gleichen Meinung sein! Sie wissen ja, was ich tun kann, tue ich von Herzen gern für meine Lieben. Und wenn ich für dieses kleine Mädchen auch nicht ein Hundertstel der Zuneigung empfinden kann, die ich Ihren lieben Kindern entgegenbringe, wenn sie mir auch in keiner Hinsicht jemals so nahestehen wird, so könnte ich es mir doch nie verzeihen, falls ich je imstande wäre, sie zu vernachlässigen. Ist sie nicht meiner Schwester Kind? Wie könnte ich da zusehen, daß sie Mangel leidet, solange ich auch nur einen Bissen Brot habe, den ich mit ihr teilen kann? Mein lieber Sir Thomas, bei all meinen Fehlern habe ich ein warmes Herz. Arm wie ich bin, würde ich mir lieber das Notwendigste versagen, als auf eine großmütige Tat zu verzichten. Wenn Sie also nichts dagegen haben, werde ich gleich morgen meiner armen Schwester schreiben und ihr unseren Vorschlag unterbreiten. Und sobald alles abgemacht ist, werde ich dafür sorgen, daß das Kind nach Mansfield gebracht wird; Sie sollen damit keine Mühe haben. Meine eigene Mühe, das wissen Sie ja, achte ich gering. Ich werde meine Nanny eigens nach London schicken – sie kann dort bei ihrem Vetter, dem Sattlermeister, übernachten und das Kind in Empfang nehmen. Von Portsmouth aus kann man es leicht mit der Postkutsche nach London expedieren, unter dem Schutz irgendeiner anständigen Person, die zufällig die gleiche Reise macht. Ich nehme an, daß sich immer die eine oder andere achtbare Handwerkersfrau finden läßt, die gerade nach London fährt.»

Abgesehen von dem Anschlag auf Nannys Vetter erhob Sir Thomas nun keine Bedenken mehr. Nachdem man seinem Wunsch gemäß einen zwar weniger sparsamen, aber respektableren Treffpunkt festgesetzt hatte, konnte alles als erledigt gelten, und man genoß bereits die Freude an dem guten Werk. Strenggenommen, hätten nicht alle Anwesenden das gleiche Anrecht auf dieses angenehme Gefühl gehabt, denn während Sir Thomas fest entschlossen war, dem auserkorenen Kind ein treuer Beschützer und Versorger zu sein, hatte Mrs. Norris nicht die mindeste Absicht, sich die Sache etwas kosten zu lassen. Solange es ums Reden und Plänemachen ging, war ihre Mildtätigkeit unbegrenzt, und niemand verstand es besser, die anderen zur Freigebigkeit anzuspornen; sie liebte es, alles zu dirigieren, doch nicht minder liebte sie ihr Geld und wußte mit dem ihren ebenso sparsam umzugehen, wie das ihrer Verwandten großzügig auszugeben. Da sie auf ein geringeres Einkommen hin geheiratet hatte, als es ihren jahrelangen Erwartungen entsprach, hatte sie von Anfang an strengste Sparsamkeit für notwendig gehalten; und was ursprünglich bloße Vorsicht gewesen, wurde ihr bald zum Bedürfnis, zum Gegenstand ihrer unermüdlichen Besorgnis, die sich ja auf kein Kind richten konnte. Hätte Mrs. Norris für eine größere Familie zu sorgen gehabt, wäre an Ersparnisse wohl nicht zu denken gewesen; da sie dieser Sorgen enthoben war, hinderte sie nichts, ihrem Hang zur Sparsamkeit zu frönen, und sie mußte sich nicht die Freude versagen, ihrem Einkommen, das sie und ihr Mann ohnehin niemals verbrauchten, jährlich noch ein Sümmchen hinzuzufügen. Im Banne dieser fixen Idee, der keinerlei wahre Zuneigung zu ihrer Schwester entgegenwirkte, konnte sie für sich nichts anderes erstreben als den Ruhm, eine so kostspielige gute Tat geplant und organisiert zu haben. Möglicherweise kannte sie sich auch so wenig, daß sie nach diesem Gespräch in der glücklichen Überzeugung ins Pfarrhaus heimkehrte, die großmütigste Schwester und Tante der Welt zu sein.

Als die Angelegenheit demnächst wieder zur Sprache kam, erklärte sie ihre Ansichten deutlicher. Aus ihrer Antwort auf Lady Bertrams gleichmütige Frage: «Zu wem soll das Kind zuerst kommen, Schwester, zu dir oder zu uns?» erfuhr Sir Thomas mit einigem Erstaunen, daß Mrs. Norris absolut nicht in der Lage sei, sich persönlich mit dem Kind zu belasten. Er hatte in dem kleinen Mädchen vor allem eine erwünschte Vermehrung der Pfarrersfamilie, eine hochwillkommene Gefährtin für die kinderlose Tante gesehen und merkte erst jetzt, wie gründlich er sich geirrt hatte. Mrs. Norris erklärte nachdrücklich, zu ihrem großen Bedauern käme ein Aufenthalt der Kleinen bei ihr überhaupt nicht in Frage, zumindest unter den jetzigen Umständen. Bei der schlechten Gesundheit ihres armen Norris sei das gänzlich ausgeschlossen: er sei ebensowenig imstande, Kinderlärm zu ertragen wie zu fliegen. Natürlich, wenn seine Gicht sich jemals bessern sollte, wäre das etwas anderes; dann würde sie gern und ohne der Unbequemlichkeit zu achten, ihr Teil tun. Doch gerade jetzt nähme der arme Norris jede Minute ihrer Zeit in Anspruch, und schon die bloße Erwähnung eines solchen Plans würde ihn zweifellos aufs höchste beunruhigen.

«Dann soll sie lieber zu uns kommen», bemerkte Lady Bertram mit größter Seelenruhe, und nach einer kurzen Pause fügte Sir Thomas würdevoll hinzu: «Ja, dieses Haus soll ihr Heim sein. Wir wollen uns bemühen, unsere Pflicht an ihr zu tun. Hier wird sie auch den Vorteil gleichaltriger Gefährten und eines regelmäßigen Unterrichts genießen.»

«Sehr richtig!» rief Mrs. Norris. «Das sind zwei sehr wichtige Erwägungen, und für Miss Lee kommt es ganz aufs gleiche heraus, ob sie drei oder nur zwei Mädchen zu unterrichten hat – das kann keinen Unterschied machen. Ich wünschte nur, ich könnte mich nützlicher erweisen, aber was in meinen Kräften steht, das tue ich. Ich gehöre nicht zu den Menschen, die mit ihrer eigenen Mühe sparen. Meine Nanny soll sie abholen, wie unbequem es auch für mich sein mag, meine Haushälterin drei Tage lang zu entbehren. Ich denke, Schwester, du wirst das Kind in die kleine, weiße Dachstube neben den alten Kinderzimmern einquartieren. Das wird am besten sein, ganz in der Nähe von Miss Lee und nicht weit von den Kindern. Und nebenan wohnen die Stubenmädchen – eine von ihnen könnte ihr beim Anziehen helfen und ihre Kleider versorgen, denn ich nehme an, du wirst von Ellis nicht verlangen wollen, daß sie dieses Kind so wie die anderen bedient. Ich sehe wirklich nicht, wo du sie sonst unterbringen könntest.»

Lady Bertram hatte keine Einwendungen zu machen. «Ich hoffe nur, sie wird sich als gutgeartetes Kind erweisen», fuhr Mrs. Norris fort, «und das außerordentliche Glück zu würdigen wissen, daß sie solche Verwandte besitzt.»

«Sollte sie wirklich schlecht geartet sein», sagte Sir Thomas, «so dürfen wir sie um unserer eigenen Kinder willen nicht in der Familie behalten, aber es besteht kein Grund, etwas so Schlimmes zu erwarten. Wahrscheinlich werden wir vieles an ihr bemerken, was wir zu ändern wünschen. Wir müssen uns auf grobe Unwissenheit, eine gewisse Niedrigkeit der Anschauungen und betrüblich vulgäre Manieren gefaßt machen, aber diese Fehler sind nicht unheilbar und können auch, wie ich hoffe, ihren Gefährten nicht gefährlich werden. Wären meine Töchter jünger als sie, hätte ich es sehr ernsthaft überlegt, ihnen eine solche Hausgenossin zu geben. Doch wie die Dinge liegen, ist für unsere Kinder von einer solchen Gemeinschaft nichts zu befürchten und für das kleine Mädchen viel Gutes zu erhoffen.»

«Genau meine Meinung!» rief Mrs. Norris.

«Ich habe es noch heute morgen zu meinem Mann gesagt. Es wird eine Erziehung für das Kind sein, habe ich gesagt, wenn sie nur mit ihren Cousinen zusammensein darf. Sogar wenn Miss Lee ihr nichts beibrächte, würde sie von ihnen allein Bravheit und Gescheitheit lernen.»

«Hoffentlich wird sie meinen armen Mops nicht quälen», meinte Lady Bertram. «Ich habe gerade erst Julia dazu gebracht, ihn in Ruhe zu lassen.»

«Eine gewisse Schwierigkeit sehe ich voraus, meine liebe Mrs. Norris», bemerkte Sir Thomas, «nämlich den Mädchen, wenn sie heranwachsen, den Unterschied, der zwischen ihnen besteht, auf die richtige Art klarzumachen: meinen Töchtern einzuprägen, wer sie sind, ohne daß sie deswegen auf ihre Cousine herabschauen, und diese wiederum, ohne sie allzusehr zu entmutigen, nicht vergessen zu lassen, daß sie keine Miss Bertram ist. Ich wünsche, daß sie sehr gute Freundinnen werden, und möchte um keinen Preis bei meinen Töchtern die geringste Überheblichkeit gegenüber ihrer Cousine fördern, aber darum werden sie doch niemals Gleichgestellte sein. Ihr Rang, ihr Vermögen, ihre rechtmäßigen Ansprüche und Erwartungen müssen und werden immer verschieden sein. Das ist ein sehr heikler Punkt, und Sie müssen uns in unseren Bemühungen beistehen, genau die richtige Linie zu treffen.»

Mrs. Norris erklärte sich ganz zu seinen Diensten; und wenn sie ihm auch darin beistimmte, daß es eine äußerst schwierige Sache sei, ermutigte sie ihn doch zu der Hoffnung, daß sie es mit vereinten Kräften leicht schaffen würden.

Man wird ohne weiteres glauben, daß Mrs. Norris ihrer Schwester nicht vergeblich schrieb. Mrs. Price schien zwar etwas erstaunt, daß man sich für ein Mädchen entschieden hatte, wo sie doch so viele prächtige Söhne besaß, nahm jedoch das Anerbieten dankbarst an und versicherte, daß ihre Tochter ein wohlgeratenes, gutartiges Kind sei, das ihnen sicher niemals Anlaß geben würde, sie wieder von sich zu stoßen. Sie schilderte sie des weiteren als etwas zart und schwächlich, drückte aber ihre zuversichtliche Hoffnung aus, daß die Luftveränderung eine wesentliche Besserung bewirken würde. Arme Frau! Sicherlich dachte sie dabei, daß allen ihren Kindern eine Luftveränderung guttun würde.

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