Ich war HEINTJE

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Ich war HEINTJE
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Jan Adriaan Zwarteveen

ICH WAR HEINTJE

Jan Adriaan Zwarteveen

ICH WAR HEINTJE

Sein Leben als Kinderstar

mit der unvergesslichsten

Stimme der Welt

Aus dem Niederländischen

übersetzt von

Willy und Silvia Bemer


Bildquellen

Bildtafel I: © Hein Simons,

Bildtafeln II bis XXXII: © Norbert Unfried, Hamburg,

Foto im Textteil Seite 172: © Adriaan Zwarteveen

1. Auflage 2017

© Giger Verlag GmbH, CH-8852 Altendorf

Telefon 0041 55 442 68 48

www.gigerverlag.ch

Lektorat: Monika Rohde

Umschlaggestaltung:

Hauptmann & Kompanie Werbeagentur, Zürich unter Verwendung von Fotos von © Norbert Unfried und © German Popp

Layout und Satz: Roland Poferl Print-Design, Köln

e-Book: mbassador GmbH, Luzern

Printed in Germany

ISBN 978-3-906872-41-4

eISBN 978-3-906872-50-6

Vorwort von Hein Simons alias Heintje

Die Idee zu diesem Buch entstand im Jahr 2014, als ich Jan Adriaan Zwarteveen, meinen holländischen Produzenten, mit dem ich schon länger zusammenarbeite, in seinem Studio wegen einer gemeinsame CD-Produktion besuchte. Jan ist seit vielen Jahren ein erfolgreicher Produzent und Texteschreiber und er meinte so nebenbei: »Du hast als Kinderstar so viel erlebt und noch niemand hat ein Buch darüber geschrieben. Das ist eigentlich schade.« Damit hatte Jan die Idee eines Buches geboren.

Er machte sich danach sofort an die Arbeit und begann mit der Recherche, die drei Jahre dauerte. Entstanden ist ein wunderbares Buch: mein Weg als Kinderstar, mit vielen schönen und spannenden Geschichten. Auch für mich war es berührend, diese Geschichten zu lesen, weil ich sie zum einen Teil schon vergessen hatte und zum anderen Teil noch gar nicht kannte.

Es freut mich, dass dieses einmalige Buch entstanden ist, und ich danke Jan Adriaan Zwarteveen ganz herzlichst für die großartige Arbeit, die er geleistet hat und das einmalig schöne Buch, das dadurch entstanden ist. Der Zufall wollte es auch noch, dass sich unabhängig davon ein Verlag aus der Schweiz meldete, der gerne ein Buch über meinen Werdegang machen wollte. Großen Dank auch an die Verlegerin Sabine Giger für ihre Wertschätzung meiner Geschichte und ihre Bereitschaft, das Buch herauszubringen. Mit den Fotos, die dafür zusammengetragen wurden, ist es eine eindrucksvolle Dokumentation meiner Karriere als Kinderstar, die auch für mich selbst unvergesslich bleiben wird.

Dass so etwas in der damaligen Zeit möglich war, als das Musikgeschäft noch nicht so weit entwickelt war wie heute, ja, dafür brauchte es sicher Talent und auch eine Portion Glück, um entdeckt zu werden. Aber vor allem brauchte es Menschen, die mit dir arbeiten, und das Publikum, das hinter dir steht, an dich glaubt und deine Musik mag.

Ich bedanke mich bei allen Menschen, die mich in dieser Zeit begleitet haben, meinen Fans, meinem Publikum, das mir bis heute treu geblieben ist, und vor allem auch meiner Familie, die immer hinter mir gestanden hat. Es war eine unbeschreibliche schöne Zeit, die nur möglich war dank euch allen!

Herzlichst

Euer Hein Simons alias Heintje

Oktober 2017

Inhalt

Ein Wort vorab

Spuren

Gedicht »De Nachtegal van Bleyerheide«

De Nachtegal van Bleyerheid«

Eine spontane Entscheidung

Zurück zur Muttersprache

Jetzt fehlen nur noch die Texte

Präsentation in Westerlo und ’s Hertogenbosch

Ein bisschen Familiengeschichte

Im Schatten der Kohle

Das Jahr 1955

Hendrik in Brunssum

Eygelshoven 1962

»De Hannibar« in Bleyerheide

Ein Talent wird entdeckt

Eine Tafel Schokolade und ein Kaninchen

Eine Bühne für Heintje

Talentshow in »Het Streeperkruis«

Jean von Libergens Spürnase

Addy Kleijngeld bekommt einen neuen Schüler

Die erste Plattenaufnahme

Liedtext »Mama«

Vor der Musikbox und darin

Ein Lied überwindet Grenzen

Zwei neue im Team: Ronny und Hans Hee

Skandal im Theater von Heerlen

Parlamentarische Anfragen

Zehntausend Gulden unter der Hand

Auf nach Deutschland

Der goldene Schuß

In der Duisburger Mercator-Halle

Der Preis des Ruhms

Bleyerheide wird Wallfahrtsort

Rückzug nach Neu-Moresnet

Neue Verträge, neue Erfolge

Ariola

Vier goldene Schallplatten auf einmal

Blumenregen in der Gruga-Halle

Eine halbe Million in 100-Gulden-Scheinen

Gert und Hermien Timmerman

Die Paradepferde rücken in die zweite Reihe

Timmermans falscher Zug

Addy Kleijngeld macht sich selbstständig

Produzent und Manager in einer Person

Heintje wird ein Markenartikel

Ausgerechnet Bananen!

Mit Ariola in die Arme von Bertelsmann

Ein Vertrag, der sich lohnt

Auch CNR kommt gut dabei weg

Heintje als Filmstar

Heintje – Zielscheibe für Neid und Hass

Gold, noch mehr Gold und Platin

Der zweite Goldene Löwe

 

Edison

Das Trophäenjahr 1970

Zehn Millionen verkaufte Tonträger in den Niederlanden

Grand Gala du Disque

Falscher Alarm

Und noch mehr Filme

Amerika, wir kommen

Ein kurzes Hin und Her zwischendurch

Heintje zwischen Atlantik und Pazifik

Ein verlockender Vertrag

Das Heimweh ist stärker

Eine Ausstellung, die provoziert

Eine ernste Drohung

Der Blinddarm und die Stimmbänder

Der »liebste Patient der Welt«

Spekulationen über den Stimmbruch

Sind die großen Erfolge vorbei?

Aus Heintje wird Hein

Der Anschlag

Der Täter: angeschossen, festgenommen, verschwunden

Siegfried Martin meldet sich in Verviers

Wie geht es weiter

Die Pause

Tournee durch Indonesien

Comeback mit Hindernissen

Südafrika

Hin und Her

Pferdesport

Der Tod von Addy Kleijngeld

Heute

Liedtext »Ik zeg dank«

Bildteil

Diskografie

Filmografie

Literatur

Über den Autor

Ein Wort vorab

Dieses Buch ruft Erinnerungen wach an die unglaubliche Karriere eines Jungen mit einer Stimme wie eine Nachtigall. Einer Stimme, die in einer Zeit erklang, in der die Welt vor großen Veränderungen stand. Zum Glück ist uns diese Stimme in den Rillen von Millionen von Vinylschallplatten erhalten geblieben.

Dafür sage ich Danke.

Jan Adriaan Zwarteveen 2017

Spuren

Ich weiß nicht, ob es einmal ein Denkmal geben wird, aber dass die Erinnerung bleiben wird, weiß ich gewiss. Hier in Bleyerheide, in dieser ohnehin schon etwas trostlosen Umgebung, regnet es an diesem Tag des Jahres 2016 wie aus Kübeln. Wer hier jetzt spazieren geht, tut das nicht der Romantik der Gegend wegen. Hier sollte man den Kragen hochschlagen und den Kopf noch tiefer zwischen die Schultern ziehen.

Wie anders muss es gewesen sein, als Heintje Simons auf diesem Platz mit seinen Freunden aus dem Viertel Fußball spielte. »De Hannibar«, damals die Nr. 27, jetzt Nr. 13 am Dr. Ackensplein, existiert noch, wenigstens das Gebäude. Der schöne weiße Anstrich allerdings, den das Haus zu der Zeit hatte, als die Familie Simons hier ein Café betrieb, ist durch ein knalliges Rot ersetzt worden. Die niedrigen Gebäude auf der anderen Seite des Platzes wurden abgerissen und durch standardisierte Neubauten ersetzt.

Das rote Haus mit der Gastwirtschaft gehört jetzt der Familie Ackens, und das einstige Bergarbeiterviertel erinnert durch nichts mehr an den »Wallfahrtsort« von 1960, als von hier aus Heintjes Karriere begann und ganze Busladungen von Fans aus Belgien, Deutschland und Holland auf dem Dr. Ackensplein ankamen. Unverändert allein, schaut von der Mitte des Platzes der Gekreuzigte wie ehedem in die Runde

De Nachtegaal van Bleyerheide

Diep in het Zuiden in het land van Rode

Toen in die streek de mijnbouw nog bestond

Diep in de warme schoot van ‘Moeder Aarde’,

Klopten de kompels ‘zwarte goud’, uit Limburgs grond

En na een dag van zweten in het duister

Togen de mannen naar het buurtcafé

En wierp men dan een kwartje in de jukebox

Dan zong de kasteleinszoon alle plaatjes mee

Hij was de Nachtegaal van Bleyerheide,

zijn stem klinkt nog in groeven van vinyl

Hij werd de zoon, de zoon van alle moeders,

Verstond de kunst, hij zong zich rechtstreeks in je ziel

Hij was de Nachtegaal van Bleyerheide,

hij werd alom geprezen en bemind

Hij was de zoon, de zoon van alle moeders,

helaas voor hen, hij bleef niet altijd kind

Het Amsterdam van einde jaren zestig

studentenrellen, provo’s op de Dam

en Dolle Mina’s op de barricades

Een nieuw geluid dat over Holland kwam

De radio draait Rolling Stones en Beatles

Vervreemdt steeds meer en meer van eigen taal

En daar was hij, als antwoord op het heimwee

Zijn Mama was de moeder van ons allemaal

De Nachtegaal van Bleyerheide

Mit dem 2013 von JAZ Musik herausgebrachten Album,De Nachtegaal van Bleyerheide,beginnt meine Zusammenarbeit mit Hein Simons. Als Besitzer des Plattenlabels JAZ Musik entschließe ich mich 2013, eine Zusammenfassung der früheren Erfolge von Heintje zusammenzustellen; der Musik, die ich schon als Kind gerne gehört habe. Außer seinen holländischen und deutschen Erfolgen enthalten die drei CDs auch etwa 20 englische Titel, die seinerzeit bei MGM erschienen sind. Diese Songs waren mehrmals auf der amerikanischen Hitparade »hot 100« platziert, was in Europa praktisch unbekannt ist, weil die Stücke nie auf demholländischen oder deutschen Markt erschienen. Als ich beim Zusammenstellen der Songs bei Hein Simons früherer Plattenfirma CNR (Cornelis Nicolaas Rood) nachfrage,warum in den Katalogen sein englisches Repertoire fehlt,stellt mir die Frau am Telefon die Gegenfrage, ob er auch wirklich in Englisch gesungen habe. CNR, die Plattenfirma,die Millionen an diesem Jungen verdient hat und durch den seinerzeit die in Not geratene Firma aus den roten Zahlen herauskam, weiß nichts über den umsatzstärksten Künstler ihrer Backlist! Die freundliche Frau am Telefon ist sich nicht bewusst, dass sie im Grunde ihren Job dem Erfolg verdankt, den Heintje Simons aus Bleyerheide vor 40 Jahren hatte. Das wirft wieder einmal ein bezeichnendes Licht auf die Oberflächlichkeit, die im Showbusiness herrscht, und wie man dort mit verdienten Künstlern umgeht, sobald sie nicht mehr das ganz große Geld einspielen.

Hein Simons mag bei seiner früheren Plattenfirma vergessen sein, doch bei den Diskjockeys von Radio Hilversum ist er das nicht. Gleich nach meiner ersten Promotionrunde wird mir klar, dass an der 3-CD-Box großes Interesse besteht. Doch darüber hinaus wird mir von den Programmmachern jedes Mal die Frage gestellt, ob Hein Simons noch aktiv ist. Leider muss ich die Antwort schuldig bleiben. Eigentlich habe auch ich ihn etwas aus den Augen verloren. Um die Fragen nach Interviews beantworten zu können, wende ich mich an seinen Fanclub und erhalte nach mehrmaligen Anfragen seine Telefonnummer.

Eine spontane Entscheidung

Hein wohnt in Belgien im Dorf Moresnet, nahe dem niederländischen Vaals, auf dem 40 Hektar großen Landgut »Groot Schimper«. Hier hat er sich endlich sein oft besungenes Schloss gebaut. Dass ich ihm die CD-Box zugeschickt habe, ist ein guter Anlass für einen Anruf, denke ich. Am Telefon meldet sich ein freundlicher Mann, der bereit ist, mit mir zu sprechen. Er freue sich, dass er eine Box bekommen hat, denn das geschehe sonst fast nie, sagt er. Wir reden über die Zusammenstellung der Lieder und die Biographie im Booklet. Auf meine Frage, ob er etwas Promotion machen möchte, bekomme ich die kurze, aber klare Antwort: Ja, aber nur per Telefon, wenn er nirgendwo hinmüsse, per Telefon sei es in Ordnung. Ich glaube, er wusste, wovon er sprach, es müssen mindestens 100 Anfragen nach einem Interview bei ihm eingegangen sein, die er alle auf professionelle Weise beantwortet hat.

Fast wie von selbst steht plötzlich die Frage im Raum, warum man nicht noch einmal ein Album mit auf Niederländisch gesungenen Liedern machen sollte. Seine Antwort: »Weil nie eine holländische Plattenfirma danach gefragt hat.« Noch während des Telefongesprächs wird auf der Stelle beschlossen, ein komplettes neues Album zu machen. Es ist der Beginn meiner Zusammenarbeit mit einer der größten Ikonen der Unterhaltungsmusik, die die holländische Nachkriegszeit hervorgebracht hat.

Zurück zur Muttersprache

Bis zum 3. Juni habe ich den Mann, der musikalisch einen Teil meiner Jugend geprägt hatte, immer noch nicht persönlich kennengelernt. Nach der Entscheidung, De Nachtegaal van Bleyerheide herauszubringen, haben wir hin und wieder telefoniert und über Einzelheiten des Projekts gesprochen, aber zu einem persönlichen Treffen ist es dabei nicht gekommen. So schnell damals der Kontakt hergestellt war, so schnell ist er nach den vielen Interviews im Frühjahr 2013 auch wieder eingeschlafen.

Jetzt fehlen nur noch die Texte

Ich hatte den Plan mit den niederländischen Liedern schon fast wieder zur Seite gelegt, als im Mai 2014 der für mich unvergessliche Anruf kommt. Hein Simons fragt mich, wie weit ich unterdessen mit den Texten sei, für die er mir vor einem halben Jahr die Musik geschickt hätte. Er habe für die erste Juniwoche das Studio reserviert, wir hätten doch abgesprochen, eine neue holländische CD zu produzieren.

Von diesem Moment an weiß ich, dass Hein Simons ein Mann ist, der sein Wort hält – etwas, das in der Welt des Showbusiness eine Seltenheit darstellt. Ich bin ehrlich und gebe zu, dass ich noch keinen Buchstaben auf dem Papier habe, weil ich so lange nichts mehr von ihm gehört hätte. Ich hatte ihm aus Bequemlichkeit erst einmal den Vortritt gelassen und war davon ausgegangen, dass sein Interesse an einer holländischen CD nach einiger Überlegung vielleicht doch nicht allzu groß sein würde. Denn natürlich ist eine Comeback-CD auch immer ein ziemliches Risiko. Was wir auch machen würden, es würde automatisch mit den 60 Millionen verkauften Tonträgen von einst verglichen werden. Das Einzige, was wir also tun könnten, wenn wir die CD produzieren wollten, war, zuzusehen, dass sie mit Text und Musik die ersten Kritiken übersteht. Ein Grund dafür, dass Heintje sich in der Zwischenzeit nicht gemeldet hatte, waren private Probleme, eine Scheidung und dazu noch eine Herzoperation.

Nach dem Telefongespräch im Mai mache ich mich dann aber blitzschnell an die Arbeit und schreibe 15 Liedtexte. Ich versuche, verschiedene Themen zu berühren, die zu Heins Alter passen. Aber was als Text auf dem Papier gefällt, muss noch lange nicht als gesungenes Lied gefallen.

 

Deshalb bin ich gespannt auf das, was mich erwartet, als ich am 3. Juni 2014 morgens um 10Uhr im Studio in Helchteren, Belgien, ankomme. Ich sehe im Halbdunkel des Studios einen Mann, der mir zuwinkt. Er solle eben das Lied noch fertig singen, ruft man aus der Technik. Dann höre ich die Worte, über denen ich lange gebrütet habe, bevor ich sie zu Papier brachte, von der Stimme gesungen, die ich aus Tausenden wiedererkennen würde, und die meinen Text jetzt zum Leben erweckt. Seine Interpretation ist tadellos, seine Stimme noch so klar wie früher, als er jetzt, im gedämpften Studiolicht stehend, mit Hingabe singt. Er scheint gerührt, das Singen in der Muttersprache weckt Emotionen – nicht allein beim Sänger, alle Anwesenden spüren, dass hier etwas Besonderes passiert. Hein Simons, der viele Orte der Welt kennt, fühlt sich hier in diesem Studio, als sei er nach Hause zurückgekehrt. Die CD könnte keinen passenderen Titel haben als Thuis (Zu Hause). Sie ist dann am 17. September 2014 erschienen. »Welkom Hein, welkom Thuis!«

Präsentation in Westerlo und ’s-Hertogenbosch

Am 17. September 2014 bin ich unterwegs nach Westerlo in Belgien, wo das vor drei Monaten aufgenommene Album Thuis von Hein Simons im Garten des Torenhofs der versammelten belgischen Presse präsentiert werden soll. Es ist ein großes Medienereignis und der Andrang enorm. Schließlich ist es schon mehr als 41 Jahre her, dass von »de Nachtegaal van Bleyerheide«, wie die Presse den jungen Heintje Simons genannt hat, ein neues holländisches Album erschienen ist, von einem Jungen, der sich zum Liebling von Millionen Menschen in der ganzen Welt entwickelt hatte.

Wie ich Hein gegenübersitze, muss ich daran denken, dass von diesem Mann weltweit 60 Millionen Tonträger verkauft wurden, und es scheint mir erstaunlich, dass in Holland nie jemand auf die Idee gekommen ist, etwas Neues von ihm herauszubringen, umso mehr, als Hein immer noch eine volltönende ausdrucksvolle Stimme hat.

Am nächsten Tag ist in Holland bei der Buma-Gala in ’s-Hertogenbosch der gleiche Auftrieb an Medienleuten wie in Westerlo. Populäre Fernsehsendungen, wie Een Vandaag ([Sender] 1 Heute) und De Wereld Draait Door (Die Welt dreht durch) wollen Hein für einen Exklusivauftritt gewinnen. Als er nichts davon wissen will, weil er niemanden ausschließen möchte, verzichten beide auf Exklusivität, und so präsentiert Hein Simons um 18.30 Uhr bei Een Vandaag und um 19.00 Uhr bei Mathijs van Nieuwkerk vom DWDD sein neues Album Thuis.

Ein bisschen Familiengeschichte

Heins Vater Laurens Henri Nicolas Simons, mit Rufnamen Hendrik, wurde am 13. August 1922 geboren. Sein Vater, Heins Großvater, kam aus Eijsden in den Niederlanden. Die Familie von Heins Großmutter war aus Kelmis im ehemaligen Kleinstaat Moresnet, der von 1816 bis 1919 ein neutrales Territorium zwischen den Niederlanden und Preußen, sowie ab 1830 auch Belgien, war. Das ist allerdings schon Geschichte, als Heins Vater das Licht der Welt erblickte. Heins Mutter Johanna Agnes Pauline Garretsen, ihr Rufname war Hanni, wurde am 12. Dezember 1934 in Heerlen als Kind holländischer Eltern geboren. Der Süden der Niederlande war in den Zwanzigerjahren des vorigen Jahrhunderts hauptsächlich römisch-katholisch, so auch Hendrik Simons und Johanna Garretsen.

Heerlen war bis zum Ende des 19. Jahrhunderts ein ziemlich abgelegenes Dorf. Die Bevölkerung lebte hauptsächlich von der Landwirtschaft und die Infrastruktur ließ zu wünschen übrig. Wer mit dem Zug verreisen wollte, musste erst einmal nach Simpelveld oder Sittard, um nach Maastricht oder Aachen weiterzukommen. Mit der Postkutsche konnte man allenfalls das nahegelegene Valkenburg erreichen.

Im Schatten der Kohle

Doch ab 1894 änderte sich die Situation grundlegend. In diesem Jahr wurde mit dem Bau der Eisenbahn »Oranje-Nassaumijn 1« begonnen, die von 1899–1974 in Betrieb war. Wegen der Bedeutung, die das Gebiet durch den Bergbau gewonnen hatte, musste es verkehrsmäßig besser erschlossen werden, und eine regionale Zugverbindung für den Transport der Steinkohle wurde gebaut, sodass sich in Heerlen 1894 und in den folgenden Jahren nicht nur die Tore zu den Kohlegruben, sondern auch die zum Rest der Welt öffneten.

Die Ehe von Johanna und Hendrik war trotz des Altersunterschieds von zwölf Jahren sehr glücklich. Zusammen waren sie eine starke Einheit und ein gutes Team. Jeden Tag brachte der Förderkorb Hendrik unter Tage, wo das schwarze Gold gefördert wurde. Im Bergwerk wurde in Schichten gearbeitet, dadurch waren die Löhne gut. Jede Gruppe hatte Jetons mit besonderen Merkmalen. Diese Jetons waren von großer Bedeutung, denn man konnte an ihnen erkennen, ob jemand in der Morgen-, der Mittags- oder der Nachtschicht arbeitete. Jeder Bergmann hatte drei Jetons mit der gleichen Nummer. Wer unter Tage arbeitete, musste einen Jeton beim Portier abholen im sogenannten Penning-Büro. Wenn der Jeton eines Bergmanns dort fehlte, wusste man, dass er unter Tage war. Am Ende jeder Schicht mussten die Jetons abgeliefert werden, damit man wusste, dass der Kumpel wieder gesund oben angekommen war. Es gab auch eine Zwischenschicht, wenn eilige Lieferungen bedient werden mussten. Von vier Gruppen blieb jede sechs Stunden unter Tage, sodass im Bergwerk rund um die Uhr gearbeitet wurde. Der Schichtwechsel fand unter Tage am Arbeitsplatz statt. Die Kumpel arbeiteten im Akkord, das heißt, je mehr Kohle gefördert wurde, desto besser war die Bezahlung, so auch bei Hendrik Simons.

Die Bergleute wurden zwar gut bezahlt, die Arbeit war aber außergewöhnlich schwer und schmutzig. Unter Tage herrschte eine bedingungslose Kameradschaft. Hier musste man sich nicht einbürgern, ob Türken, Spanier, Italiener oder Belgier, alle arbeiteten gut zusammen und vertrauten einander blindlings! Am Ende der Schicht wuschen sie einander den Rücken, die Zusammenhörigkeit unter den Kumpels war sehr groß.

Der Bergbau brachte Wohlstand in den Süden der Niederlande. Heerlen entwickelte sich zu einer der reichsten Städte Hollands, das machte sich auch in den Haushalten bemerkbar. Während der Rest von Holland die Wäsche noch von Hand in einer Wanne mit Waschtrommel wusch, gab es in Heerlen schon die ersten elektrischen Waschmaschinen, Staubsauger und Trockenhauben. Trotzdem hoffte Vater Simons, dass seine Kinder nicht wie er im Bergwerk arbeiten müssen.

Als Johanna mit ihrem dritten Kind schwanger war, platzte das Haus in Schaesbergerveld bald aus allen Nähten. In Heerlen baute die Bergwerksgesellschaft ein neues Viertel mit Wohnungen, die die Arbeiter günstig mieten konnten. Die Wohnungen waren großzügig bemessen, modern eingerichtet, und die Familie Simons brauchte für ihr drittes Kind bald mehr Platz. Hendrik schrieb sich für eine dieser Wohnungen ein, die ihm auch bald zugewiesen wurde. Jetzt konnten die Umzugskartons gepackt werden!

So bezog die Familie in der Middelburgstraat 5 eine moderne Wohnung, die mehr Komfort hatte als ihre vorige. Die Häuser besaßen eine hohe Stufe vor der Eingangstür, wo die Frauen im Sommer saßen, um Kartoffeln zu schälen, sich auszuruhen und dabei Freud und Leid des Alltags miteinander zu besprechen. Im Viertel herrschte eine gute Atmosphäre und das Gefühl der Zusammengehörigkeit war groß. Jede kannte das Risiko, dass ihre Männer trugen, die jeden Tag tief unten in der Erde arbeiteten.

Die »ON 1« besaß ein eigenes Elektrizitätswerk, für das 1937 ein Schornstein gebaut wurde, der im Volksmund der »Lange Jan« hieß. Zusammen mit der »Langen Lies«, einem anderen Schornstein, beherrschten die beiden Schornsteine die Skyline von Heeren.

Der Umzug von Schaesbergerveld nach Heerlen bot außer der größeren und schöneren Wohnung einen weiteren Vorteil: Simons Schwester Beppie und der Schwager Klaas wohnten gleich um die Ecke in der Amsterdamstraat 30. Johanna brauchte also nur über die Straße und durch eine kleine Gasse zu gehen, um mit der Schwägerin eine Tasse Kaffee zu trinken und einen Schwatz zu halten. So besuchten sich die Familien nun regelmäßig. Es war kein Problem, man kam einfach durch die Hintertür herein, und jeder war willkommen.

Das Jahr 1955

Das Jahr 1955 wurde ein Schicksalsjahr für die Familie Simons. Sie erfuhren, dass großes Glück und tiefes Leid nahe beieinanderliegen können. Bei Vater Simons zeigten sich erste gesundheitliche Probleme. Der Husten morgens beim Aufstehen war ein Zeichen dafür, dass die Arbeit im Bergwerk ihren Tribut verlangte. Bald plagten ihn auch tagsüber hartnäckige Hustenanfälle, die nicht verschwinden wollten. Mancher von Hendriks Kollegen musste frühzeitig aufhören zu arbeiten, weil der feine Kohlenstaub sich in den Lungen festgesetzt hatte.

Obwohl die Vorschrift verlangte, dass Staubmasken getragen werden, arbeiteten die meisten Kumpel unter Tage ohne. Die Masken waren nicht bequem und darunter wurde es schnell unerträglich warm. Liegend in schmalen und engen Stollen mit manchmal nicht mehr als 50 cm Höhe behinderte die Maske auch die Bewegungsfreiheit.

Die Ohrenschützer wurden ebenfalls nicht gern getragen, weil man dann nicht mehr hören konnte, wenn die Holzstempel knackten, und sich zu bewegen begannen, bevor sie vielleicht brachen und einstürzten. Das Risiko, das die Arbeiter unter Tage eingingen, war groß und jeder wusste, dass der Feinstaub Lungenemphysem und Staublunge verursachen kann. Obwohl jeder Kumpel große Angst davor hatte, deswegen nicht mehr arbeiten zu können, schob doch jeder den Gedanken daran weit von sich, so auch Vater Simons.

Am 12. August hatte Johanna Garretsen ihre dritte Geburt in der Hebammenschule. Mittags um 13.45Uhr kam Hendrik Nicolaas Theodor Simons zur Welt, er wurde unter dem Sternbild Löwe geboren, sein Rufname war Heintje.

Der Vater, der am 13. August Geburtstag hatte, konnte sein Glück kaum fassen, er sagte einem Kollegen: »Ich habe heute das schönste Geburtstagsgeschenk bekommen.« Der Haushalt war nun komplett, zwei Buben und ein Schatz von einer Tochter, was will ein Mensch noch mehr!

Die Freude an dem neuen Lebewesen wurde getrübt, als die Mutter von Johanna kurz nach der Geburt starb – doch sollten Johanna und Hendrik noch schwerere Prüfungen erfahren. Das Jahr war fast zu Ende, als das Thermometer auf ungewohnte Höhen stieg. Am 8. November wurden in der Limburgischen Bucht vom Wetterdienst 21 Grad Celsius gemessen, jeder wollte die letzten schönen Tage des Jahres 1955 genießen. So auch die Bewohner der Middelburgstraat. Man ging zu Onkel Klaas und Tante Beppie, die einen Steinwurf weit vom Haus der Familie entfernt wohnten. Keiner ahnte in diesem Moment, welch dramatische Wende dieser schöne Tag noch nehmen würde.

Es war gemütlich, die Kinder waren im kleinen Garten hinter dem Haus ins Spiel vertieft. Die Erwachsenen sprachen über die Neuigkeiten des Tages, aber hauptsächlich über das ungewöhnlich schöne Wetter. Eigentlich müssten jetzt Novemberstürme über das Land fegen, bemerkte Hendrik. Er wusste nicht, dass ein verwüstender Sturm anderer Art sie in kurzer Zeit erreichen würde. Beppie verteilte Äpfel an die Kinder und während Johanna einen Apfel für ihren ältesten Sohn George schälte, naschte auch die kleine Ingrid von den Apfelstücken. Wie es genau passiert war, wusste später keiner mehr, aber plötzlich verschluckte sich das Mädchen. Ein Stückchen Apfel, das in die Luftröhre geraten war, konnte das Kind nicht aushusten. Alle Anwesenden gerieten in Panik, man versuchte, das Kind dazu zu bringen, sich zu übergeben, aber das gelang nicht, sodass es zu ersticken drohte. Vater Hendrik nahm die Kleine aus Johannas Armen und raste mit einem in aller Eile gerufenen Taxi ins St.-Josef-Krankenhaus in Heerlen. Als er nach fünf Minuten dort eintraf, versuchten die Ärzte alles, die Kleine zu retten. Doch trotz aller Bemühungen starb die kleine Ingrid, erstickt an einem Stückchen Apfel. Johanna und Hendrik waren untröstlich.

Trotz des großen Leids musste das Leben weitergehen, es waren immer noch zwei Kinder da, um die man sich kümmern musste, der fünfjährige George und der neu dazugekommene Heintje. In dieser Zeit kam immer mal wieder ein Scherenschleifer durch die Middelburgstraat. Die Frau, die ihn begleitete, bot den Leuten Handlesen und Tarotkartenlegen an.

Als die Mutter einmal ein paar Sachen zum Schleifen brachte, fragte diese Frau, ob sie Johanna die Hand lesen dürfe. Der Vater wollte nichts davon wissen, er glaubte nicht an solche Sachen, doch seine Frau blieb hartnäckig. Nach vielem Hin und Her gab er nach und Johanna reichte der Frau ihre Hand. Das erste, was die Frau sagte, war, dass Johanna und Hendrik durch den Verlust von zwei geliebten Menschen von großer Trauer gebeugt wären. Wusste sie vom Tod von Johannas Mutter und der kleinen Ingrid oder stand es in ihren Karten? Auf jeden Fall blieb Johanna und hörte weiter zu. Sie müsse, so sagte die Frau weiter, dieses Leid bis ans Ende ihrer Tage tragen. Aber durch die anderen Kinder werde sie durch die Welt kommen und große Liegenschaften erwerben. »Ich sehe, dass eines ihrer Kinder eine besondere Rolle zu erfüllen hat.« Oft dachte die Mutter später an die Worte dieser Frau und sagte immer dazu: »Ich bin ja nicht abergläubisch, aber …«

Doch so weit war es noch lange nicht, vorläufig wohnten Trauer und Leid zwischen den Mauern in der Middelburgstraat 5. Dazu wurden die Sorgen um den Vater immer größer. Die ungesunde Arbeit von Hendrik Simons machte sich jeden Morgen beim Aufstehen durch kaum stillbare Hustenanfälle bemerkbar. Trotz allem arbeitete er weiter, es musste ja Brot auf den Tisch kommen. Sich zurückziehen oder auf Teilzeitarbeit zu gehen, würde bedeuten, dass Ende der Woche weniger Geld in der Lohntüte war. Aber seinen Söhnen wollte Hendrik ersparen, mit 16 im Bergwerk zu arbeiten, wie er selbst es musste, das sagte er immer wieder.