Arztgeschichten der Bibel

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Arztgeschichten der Bibel
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Inhaltsverzeichnis

Der Nächste bitte! – Vorwort

Der biblische Anfang der ärztlichen Zunft: Mose und der Schlangenstab

Regierende und ihre Krankheiten

Musiktherapie gegen eine königliche Depression – David spielt Harfe vor König Saul

Wasseranwendung gegen Aussatz? – Ein Minister und seine Ansprüche – Die Heilung des Syrers Naaman

Wenn das Amt krank macht – Gott erhört Hiskijas Gebet

Familientherapie in führenden Kreisen – Mirjams Erkrankung und Heilung

Im Kampf gegen den Tod

Intensivstation Dachkammer – Elija und der Sohn der Witwe

Lebenshauch – von Mund zu Mund – Elischa und die Frau von Schunem

Ein ganzes Volk in der Notaufnahme – Vision von der Wiedererweckung Israels

Wiederbelebung ohne Defibrillator – Die Auferweckung des Lazarus

Rettungssanitäter Paulus – Die Auferweckung des Eutychus

Chefarztvisite

Der mündige Patient – Fordernde Klage in großer Not

Beklagtes Leid – Unter der Last von Krankheit und Schuld

Verzweiflung auf dem Krankenbett – Gebet in Verlassenheit und Todesnot

Abgeschrieben – Gebet in Krankheit und Anfeindung

(Nicht) allein gelassen – Hilferuf aus Todesnot

Ein Hilfeschrei – Gebet in tiefster Not

Perspektivenwechsel – Rettung aus äußerster Verlassenheit

Wieder gesund!

Krankheit im Rückblick – Neu geschenktes Leben

Alle sollen es erfahren! – Dank und Gelöbnis

Wie neugeboren – Lob der unendlichen Güte Gottes

Lebenswende – Dank für Rettung aus Todesnot

Biblische Gesundheitstipps

Gesund durch positives Denken – Sirachs Gesundheitsprinzip

Alles mit Maßen – Gegen Völlerei und Trunksucht

Zurückhaltung beim Essen und Trinken – Sirachs Rat für Gäste und Gastgeber

Das Prinzip Lebensfreude – Kohelet rät zum dankbaren Genießen

Für den Fall der Fälle – Vom rechten Umgang mit dem Arzt

Die Daniel-Diät – Daniels Treue zu Gott wird belohnt

Krankheit als Prüfung Ijob

Die Hoffnung der Hoffnungslosen – Jesus als Heiler

Das Ende einer Odyssee von Arzt zu Arzt – Jesus heilt eine kranke Frau

Psychiatrische Behandlung mit unerwarteter Nebenwirkung – Der Besessene von Gerasa

Mehr als sehen – Jesus heilt Blinde

Kein Fall für Assistenzärzte? – Jesus heilt ein besessenes Kind

Fernheilung – Der Hauptmann von Kafarnaum

Wer heilt, hat Recht? – Jesus heilt einen Stummen

Praxis auch am Sabbat geöffnet – Jesus heilt eine verkrümmte Frau

Nicht mehr krankgeschrieben – Jesus heilt die Schwiegermutter des Petrus

Heilende Hände – Jesus heilt einen Taubstummen und einen Blinden

Krankentransport mit Hindernissen – Jesus heilt einen Gelähmten

Selbst schuld? – Jesus heilt einen Blindgeborenen

Halbgötter in Weiß? – Die Apostel und ihre Heilkunst

Heilung im Vorübergehen – Die Wundertaten der Apostel

Götter in Menschengestalt? – Paulus und Barnabas in Lystra

Unübertragbare Heilkraft – Die sieben Söhne des Skevas

Einfach magisch? – Heilungen durch Paulus’ Taschentücher

Gegen den Größenwahn – Paulus’ Stärke liegt in Christus

Ärzte zwischen den Fronten

Berufsverbot wegen Heilung – Petrus heilt einen Gelähmten

Geschäftsschädigende Gesundheit – Paulus treibt einen Wahrsagegeist aus

Konkurrenz auf dem Gesundheitsmarkt – Der Magier Simon wird zurechtgewiesen

Ein biblischer Arztroman: Das Buch Tobit

»Ich, der Herr, bin euer Arzt« – Nachwort

Reihe Biblische Taschenbücher

Impressum

Der Nächste bitte!
Vorwort

Wer geht schon gerne zum Arzt? Selbst die Zeit im Wartezimmer, bis man mit dem berühmten Satz aufgerufen wird, in den Behandlungsraum zu kommen, verbringt man doch meist mit einem eher mulmigen Gefühl. Man fragt sich, was bei der Untersuchung herauskommt. Ist man womöglich ernsthafter krank, als man glaubte? Oder wird die Behandlung unangenehm werden? Man hofft zwar das Beste, befürchtet aber das Schlimmste.

Und doch faszinieren uns Geschichten über Ärzte und ihre Patienten, über Krankheiten und deren Behandlung und Heilung. Da die meisten Leserinnen und Hörer (noch) gesund sind, bewirken Arztgeschichten einen wohligen Schauer. Die (noch) nicht Betroffenen können in einer mittleren Distanz bleiben und doch etwas an sich heranlassen, was sie morgen schon selbst treffen kann. Diesen Effekt teilen Arztgeschichten mit Katastrophen- und Kriegsliteratur.

Wer dagegen gerade selbst von einer Krankheit betroffen ist, kann sich mit den Figuren der Geschichten identifizieren und ihre Hoffnung auf Gesundung teilen. Faszinierend ist dann besonders, dass mit dem Arzt oder Heiler jemand auf den Plan tritt, der über ein höheres Wissen verfügt, ja, über eine vom Himmel kommende Kunst. Solche »Halbgötter in Weiß« begegnen uns hier in einer biblischen Frühform, obschon dieses Bild zugleich gebrochen wird: Ein rechter Arzt, wie die Bibel ihn schildert, lässt sich nicht auf diese Weise vergöttern.

Mit dem Buch Tobit besitzt die Bibel einen kompletten Arztroman, der die Leser auf eine Abenteuerreise mitnimmt. Es geht um das Finden der richtigen Medizin. Die Spannung rührt aus der Größe der Not und dem am Ende stehenden Wunder der Heilung.

Die biblischen Arztgeschichten sind vor etwa 2000 Jahren entstanden, also in vormoderner Zeit. Sie geben uns Einblick in die Lebenssituation von Menschen, die nur ganz bescheiden über medizinische Kenntnisse in unserem Sinne verfügten. Und doch begegnen uns durchaus modern anmutende Diagnosen und Therapien. Sie diagnostizieren depressive Verstimmungen und psychosomatische Syndrome, kennen aber auch Amtskrankheiten oder gynäkologische Störungen. Selbstverständlich kommen alle Formen körperlicher Gebrechen, aber auch schwere Formen psychischer Erkrankungen vor.

 

Die Bibel wendet sich diesen vielfältigen Krankheitsformen deshalb so intensiv zu, weil sie davon überzeugt ist, dass Heilung möglich ist. Sie stellt Krankheit und Heilung durchgängig in einen religiösen Bezugsrahmen. Der Arzt ist der von Gott Berufene, der in besonderer Vollmacht mit der Lebenskraft zu tun hat, die vom Schöpfer her den Geschöpfen innewohnt. Gott, der Schöpfer, verschließt sich den Bitten der Menschen nicht und sagt ihnen seine Hilfe zu. Heilung kommt aus der Beziehung zu ihm. Propheten und Apostel, allen voran aber Jesus Christus, stehen in einer besonderen Verbindung zu Gott und können darum heilen.

Bei den Therapieformen, die die biblischen Arztgeschichten schildern, wird ein sehr moderner ganzheitlicher Ansatz sichtbar. Der Mensch soll Gottes Zuwendung mit Leib und Seele erfahren: Gott tröstet die Seele und erquickt den Leib. So beschreibt die Bibel therapeutische Maßnahmen, die Seelsorge und somatische Medizin verbinden. Hier spielt besonders der Zuspruch der Vergebung eine Rolle. Aber auch vielfältige Formen von körperlicher Berührung und aufhelfenden Gesten bilden biblische Ansatzpunkte für das Heilungsgeschehen. Wir stoßen zudem auf Musiktherapie, Mund-zu-Mund-Beatmung, Wärmebehandlung und Kraftübertragung durch Nähe und Empathie. Wir erfahren etwas über Wundpflaster und begegnen einer frühen Form der Lehre über die gesund machende Wirkung des positiven Denkens.

Im Mittelpunkt biblischer Arztgeschichten steht aber zweifellos der geheimnisvoll anwesende Gott und – als seine menschlich erfahrbare Wirklichkeit – das Gebet. Das Gebet nimmt den Menschen hinein in das Gespräch mit Gott, dem Schöpfer und Erlöser. Die großen Ärzte der Bibel sind vollmächtige Beter. Daneben kennt die Bibel aber auch die Linie einer emanzipierten Heilkunst, weil jeder beten lernen kann und auf die Wirkung des Gebetes vertrauen darf.

Die biblischen Arztgeschichten geben manchen Einblick in einen durch Angebotsknappheit bestimmten Gesundheitsmarkt, in dem sich auch viele Scharlatane tummeln. Vor diesem Hintergrund wird die besondere Qualität der biblischen Heilkunst umso deutlicher sichtbar: Heilung kommt umsonst von Gott und wird umsonst weitergegeben. Und außerdem wirkt die eben geschilderte emanzipatorische Linie der Bibel radikal jeder Marktverknappung entgegen. Womöglich liefern die biblischen Arztgeschichten auch einen Beitrag zur Reform des Gesundheitsmarktes in unserer Zeit!

Der biblische Anfang der ärztlichen Zunft
Mose und der Schlangenstab

Das Symbol des ärztlichen Standes ist ein Stab, um den sich eine Schlange windet – der so genannte Äskulapstab. Äskulap ist der griechische Gott der Heilkunst und als »Eigentümer« dieses Stabes sozusagen das Ur- und Vorbild aller späteren Ärzte. Doch es scheint so, als sei das Symbol des Schlangenstabes in der Geschichte der Menschheit mehrfach »erfunden« worden. Auch die Bibel kennt eine Erzählung, in der es eine Rolle spielt. Der Protagonist dieser Geschichte ist Mose. Und da er in diesem Zusammenhang die erste biblische Person ist, die nachweislich in die Verlegenheit kommt, eine Heilmethode anwenden zu müssen, könnte man sagen, dass Mose der Vorfahr aller biblischen Ärzte ist.

Die Situation damals ist folgende: In der Zeit der Wüstenwanderung hat das Volk Israel durch seinen Ungehorsam eine von Gott geschickte Schlangenplage auf sich gezogen. Viele Menschen kommen durch giftige Bisse zu Tode. Reumütig wenden sich die Israeliten an Mose und bitten ihn um Hilfe. In einer Zeit, die weit davon entfernt ist, ein Antiserum gegen Schlangengift zu kennen, kann diese Hilfe zunächst nur in einer Fürsprache bei Gott bestehen. Von Gott selbst kommt dann die – für unser heutiges Empfinden eigenartige – Therapieverordnung: Mose soll einen besonderen Schlangenkult einführen. (4Mose/Numeri 21,4-9)

Als die Israeliten vom Berg Hor aus weiterzogen, wandten sie sich zunächst nach Süden in Richtung Schilfmeer, um das Gebiet der Edomiter zu umgehen. Aber unterwegs verlor das Volk die Geduld und sie beklagten sich bei Gott und bei Mose: »Warum habt ihr uns aus Ägypten weggeführt, damit wir in der Wüste sterben? Hier gibt es weder Brot noch Wasser, und dieses elende Manna hängt uns zum Hals heraus!«

Da schickte der HERR zur Strafe giftige Schlangen unter das Volk. Viele Israeliten wurden gebissen und starben. Die Leute kamen zu Mose und sagten: »Es war nicht recht, dass wir uns gegen den HERRN und gegen dich aufgelehnt haben. Leg doch beim HERRN ein Wort für uns ein, damit er uns von diesen Schlangen befreit!«

Mose betete für das Volk und der HERR sagte zu ihm: »Fertige eine Schlange an und befestige sie oben an einer Stange. Wer gebissen wird, soll dieses Bild ansehen, dann wird er nicht sterben!«

Mose machte eine Schlange aus Bronze und befestigte sie an einer Stange. Wer gebissen wurde und auf diese Schlange sah, blieb am Leben.

Die Geschichte spiegelt die zwiespältigen Gefühle wider, die Menschen wohl zu allen Zeiten Schlangen gegenüber empfunden haben: Sie fürchten die Schlangen, sind aber auch fasziniert von ihnen. Weil eine Schlange ihre Haut im Frühjahr abstreift, ist sie Symbol des sich selbst erneuernden Lebens; da ein Schlangenbiss Krankheit und Tod bringen kann, steht sie zugleich für das lebensbedrohliche Böse. In der biblischen Geschichte vom Sündenfall dominiert der negative Aspekt. Bei der von Mose aufgerichteten Schlagenskulptur kommt auch der positive zum Tragen: Ein Abbild oder Urbild des Bösen, in einen von Gott angeordneten guten Kultrahmen gestellt, verliert seinen Schrecken und wird heilsam, weil es nun eingefangen ist und der heilsamen Macht eines Größeren dienen muss. Gott stiftet so eine Heilsordnung, in der das Böse und sein Symbol integriert und damit überwunden wird. Der Äskulapstab kann ähnlich interpretiert werden. Im Neuen Testament erhält die Geschichte von der bronzenen Schlange eine neue, überraschende Deutung, und zwar im Johannesevangelium (Johannes 3,14-15): Die Erhöhung der bronzenen Schlange auf der Standarte weist voraus auf die Erhöhung Jesu am Kreuz. Wer auf Jesus den Gekreuzigten schaut, schaut auf das Heil gewährende, Leben schenkende Bild Gottes.

Regierende und ihre Krankheiten

Menschen, die in öffentlichen Ämtern stehen, dürfen eigentlich nicht krank werden. Sie sind unabkömmlich, werden jede Minute gebraucht. Aber gerade dieser Druck, der auf den Verantwortlichen in der Regierung lastet, kann sie für bestimmte Krankheiten besonders anfällig machen. Herzinfarkt, Magengeschwür oder Erschöpfungszustände sind nicht selten die stressbedingte Folge eines verantwortlichen Amtes. Auch zur Zeit der Bibel waren die hochgestellten Persönlichkeiten davor nicht gefeit. Doch damals wie heute genießen die VIPs der Gesellschaft auch besondere Vorteile, wenn es sie einmal erwischt hat. Erstklassige ärztliche Betreuung und kreative Therapieansätze, die nicht jedem geboten würden – einem König kommen sie natürlich genauso zu wie einem Bundeskanzler. Die biblischen Vorfahren der Privatpatienten werden exzellent versorgt – nicht zuletzt weil ihre Therapeuten einen direkten Draht zu Gott, der Quelle der Heilung, haben.

Musiktherapie gegen eine königliche Depression
David spielt Harfe vor König Saul

König Saul leidet. Der biblische Bericht verbindet die »private« Erkrankung des Königs mit der beginnenden Krise seines Königtums, in der die Amtsübergabe an einen Nachfolger näher rückt. Die Hofärzte diagnostizieren eine hartnäckige und wiederkehrende depressive Verstimmung als Ursache für Sauls Einbuße an Charisma. Nicht mehr der Geist Gottes beflügelt ihn, sondern ein böser Geist quält ihn und nimmt ihm die inneren Antriebskräfte. Der Therapievorschlag: Musik soll die Seele des Königs wieder erheben, sein Gemüt aufhellen und ihm neue Antriebskräfte geben, sodass er ein tatkräftiger König bleibt. Mit Einwilligung des Patienten – ein nicht unwichtiger Faktor für den Therapieerfolg zumal bei einer seelischen Erkrankung – wird ein geeigneter Musiker gesucht. Die Wahl fällt auf David, der die Harfe zu spielen versteht. Dass Musik eine unmittelbar hebende Wirkung auf die Stimmung des Menschen hat, gilt heute ebenso wie damals. David gewinnt als Musiktherapeut das Vertrauen des Königs und darf sich als sein persönlicher Waffenträger ständig in seiner Nähe aufhalten. Er ist stets mit seiner Harfe zu Stelle, wenn der nächste depressive Anfall über Saul kommt. Davids Harfenspiel macht Saul wieder fröhlich und zuversichtlich.

Die Bibel verbindet diese nahezu modern anmutende Diagnose und Therapie mit einer überraschenden theologischen Tiefendimension: Der Therapeut ist ausgerechnet der mit Gottes Geist ausgestattete zukünftige König David. Er gibt dem noch im Amt befindlichen König Saul Anteil an seinem Charisma, das ihm Gott verliehen hat. (1Samuel 16,14-23)

Der HERR hatte seinen Geist von Saul genommen und ihm einen bösen Geist geschickt, der ihn oft quälte. Da sagten seine Leute zu Saul: »Du weißt selbst, dass ein böser Geist, von Gott geschickt, dich immer wieder befällt. Sollen wir uns nicht nach einem Mann umsehen, der Harfe spielen kann? Du brauchst es nur zu befehlen! Wenn dann der böse Geist über dich kommt, kannst du dir etwas vorspielen lassen; das wird dich aufmuntern.«

»Ja«, antwortete Saul, »sucht mir einen guten Harfenspieler und bringt ihn zu mir!«

Einer von den jungen Leuten sagte: »Ich kenne einen: Isai in Betlehem hat einen Sohn, der Harfe spielen kann. Er stammt aus einer angesehenen Familie und ist ein tüchtiger Kämpfer. Er versteht, zur rechten Zeit das rechte Wort zu sagen, und sieht sehr gut aus. Der HERR steht ihm bei.«

Da sandte Saul Boten zu Isai und ließ ihm sagen: »Schick mir doch deinen Sohn David, der die Schafe hütet!«

Isai gab David einen mit Broten beladenen Esel, einen Schlauch Wein und einen jungen Ziegenbock für Saul mit. So kam David ins Haus Sauls und trat in seinen Dienst. Der König gewann ihn lieb und machte ihn zu seinem Waffenträger. Seinem Vater Isai ließ er sagen: »Lass David in meinem Dienst bleiben! Er hat mein Wohlgefallen gefunden.«

Immer wenn der von Gott geschickte böse Geist über Saul kam, griff David zur Harfe und begann darauf zu spielen. Dann wurde es Saul leichter ums Herz, er fühlte sich wieder wohler und der böse Geist verließ ihn.

Wasseranwendung gegen Aussatz? –
Ein Minister und seine Ansprüche
Die Heilung des Syrers Naaman

Aussatz begegnet uns häufig in der Bibel. Es ist ein Sammelbegriff, der die verschiedensten Hautkrankheiten von Lepra bis Neurodermitis bezeichnet. Ihnen allen ist der entstellende, ja stigmatisierende Charakter gemeinsam. Ein Aussätziger galt im Judentum als »unrein« und wurde – auch aus Angst vor Ansteckung – aus der Gemeinschaft ausgestoßen. Naaman, der Heerführer des syrischen Königs, hat daher Glück im Unglück. Er ist kein Jude. Als er an Aussatz erkrankt, wird er nicht aus seiner Hausgemeinschaft verwiesen. Im Gegenteil, man sucht für ihn den besten Arzt: einen Prophet in Samaria. Als hochgestellte Persönlichkeit kann er sich den finanziellen Aufwand der Reise zu diesem Spezialisten und der erwarteten Behandlungskosten leisten. Sein König gewährt ihm Sonderurlaub und versorgt ihn sogar mit einem Empfehlungsschreiben.

Beim Propheten Elischa angekommen, erwartet Naaman nun eine Privatbehandlung mit entsprechender persönlicher Zuwendung des berühmten Heilers. Aber er wird nicht einmal in dessen Haus gelassen und lediglich durch den Arztgehilfen mit einem Therapievorschlag versehen, der ihn zunächst enttäuscht: ein Bad im Jordan. Das soll alles sein? Den Dienern gelingt es nur mühsam, den beleidigten Minister zur Befolgung zu überreden. Aber der durchschlagende Erfolg der Therapie überzeugt Naaman schließlich von der Präsenz und Wirksamkeit des Gottes, aus dessen Macht der Prophet seine Heilkunst ausübt.

Einer Grundlinie der Bibel entspricht es, dass für von Gott gewährte Heilung kein Honorar verlangt wird. Durch Geldannahme würde Gottes unverfügbare Macht zu einer kalkulierbaren Leistung degradiert. Es geht dabei um nicht weniger als die Freiheit und Ehre Gottes. So lehnt Elischa jede Honorarzahlung des prominenten Patienten ab. Als der Arztgehilfe Gehasi dennoch der Verlockung des Geldes nicht widerstehen kann, trifft ihn die Strafe des Propheten und seines himmlischen Herrn: der Aussatz geht auf Gehasi über und wird zu einer Generationen überdauernden Familienkrankheit. (2Könige 5,1-27)

 

Naaman, der Heerführer des Königs von Syrien, war an Aussatz erkrankt. Er war ein tapferer Soldat und der König hielt große Stücke auf ihn, weil der HERR durch ihn den Syrern zum Sieg verholfen hatte. In seinem Haus befand sich ein junges Mädchen, das von syrischen Kriegsleuten bei einem Streifzug aus Israel geraubt worden war. Sie war Dienerin bei seiner Frau geworden.

Einmal sagte sie zu ihrer Herrin: »Wenn mein Herr doch zu dem Propheten gehen könnte, der in Samaria lebt! Der würde ihn von seiner Krankheit heilen.«

Naaman ging zum König und berichtete ihm, was das Mädchen gesagt hatte.

»Geh doch hin«, antwortete der König, »ich werde dir einen Brief an den König von Israel mitgeben.«

Naaman machte sich auf den Weg. Er nahm 7 Zentner Silber, eineinhalb Zentner Gold und zehn Festgewänder mit. Er überreichte dem König von Israel den Brief, in dem es hieß: »Ich bitte dich, meinen Diener Naaman freundlich aufzunehmen und von seinem Aussatz zu heilen.«

Als der König den Brief gelesen hatte, zerriss er sein Gewand und rief: »Ich bin doch nicht Gott! Er allein hat Macht über Tod und Leben! Der König von Syrien verlangt von mir, dass ich einen Menschen von seinem Aussatz heile. Da sieht doch jeder: Er sucht nur einen Vorwand, um Krieg anzufangen!«

Als Elischa, der Mann Gottes, davon hörte, ließ er dem König sagen: »Warum hast du dein Gewand zerrissen? Schick den Mann zu mir! Dann wird er erfahren, dass es in Israel einen Propheten gibt!«

Naaman fuhr mit all seinen pferdebespannten Wagen hin und hielt vor Elischas Haus. Der Prophet schickte einen Boten hinaus und ließ ihm sagen: »Fahre an den Jordan und tauche siebenmal darin unter! Dann bist du von deinem Aussatz geheilt.«

Naaman war empört und sagte: »Ich hatte gedacht, er würde zu mir herauskommen und sich vor mich hinstellen, und dann würde er den HERRN, seinen Gott, beim Namen rufen und dabei seine Hand über der kranken Stelle hin- und herbewegen und mich so von meinem Aussatz heilen. Ist das Wasser des Abana und des Parpar, der Flüsse von Damaskus, nicht besser als alle Gewässer Israels? Dann hätte ich ja auch in ihnen baden können, um geheilt zu werden!«

Voll Zorn wollte er nach Hause zurückfahren. Aber seine Diener redeten ihm zu und sagten: »Herr, bedenke doch: Wenn der Prophet etwas Schwieriges von dir verlangt hätte, hättest du es bestimmt getan. Aber nun hat er nur gesagt: ›Bade dich und du wirst gesund!‹ Solltest du es da nicht erst recht tun?«

Naaman ließ sich umstimmen, fuhr zum Jordan hinab und tauchte siebenmal in seinem Wasser unter, wie der Mann Gottes es befohlen hatte. Da wurde er völlig gesund und seine Haut wurde wieder so rein wie die eines Kindes.

Mit seinem ganzen Gefolge kehrte er zu Elischa zurück, trat vor ihn und sagte: »Jetzt weiß ich, dass der Gott Israels der einzige Gott ist auf der ganzen Erde. Nimm darum von mir ein kleines Dankgeschenk an!«

Aber Elischa erwiderte: »So gewiss der HERR lebt, dem ich diene: Ich nehme nichts an.«

Sosehr Naaman ihm auch zuredete, Elischa blieb bei seiner Ablehnung.

Schließlich sagte Naaman: »Wenn du schon mein Geschenk nicht annimmst, dann lass mich wenigstens so viel Erde von hier mitnehmen, wie zwei Maultiere tragen können. Denn ich will in Zukunft keinem anderen Gott mehr Brand- oder Mahlopfer darbringen, nur noch dem HERRN. In einem Punkt jedoch möge der HERR Nachsicht mit mir haben: Wenn mein König zum Tempel seines Gottes Rimmon geht, um zu beten, muss ich ihn mit dem Arm stützen und mich zugleich mit ihm niederwerfen – der HERR möge es mir verzeihen!«

Elischa sagte: »Kehre heim in Frieden!«

Als Naaman schon ein Stück weit entfernt war, sagte sich Gehasi, der Diener Elischas: »Mein Herr lässt diesen reichen Syrer mit der ganzen Last seiner Geschenke wieder abziehen. Er hätte ihm ruhig etwas davon abnehmen können. So gewiss der HERR lebt: Ich laufe hinterher und hole das nach!«

Gehasi lief, so schnell er konnte.

Als Naaman ihn herankommen sah, stieg er von seinem Wagen, ging ihm entgegen und fragte: »Es ist doch nichts passiert?«

»Nein«, sagte Gehasi, »aber mein Herr lässt dir sagen: ›Eben sind aus dem Bergland Efraïm zwei junge Leute von der dortigen Prophetengemeinschaft zu mir gekommen. Gib mir doch einen Zentner Silber und zwei Festgewänder für sie!‹«

»Ich bitte dich, nimm zwei Zentner«, sagte Naaman und drängte es ihm sogar auf. Er ließ das Silber in zwei Säcke verpacken, legte die beiden Festgewänder darauf und schickte zwei seiner Leute mit, die das Geschenk vor Gehasi hertragen sollten. Beim Hügel vor der Stadt schickte Gehasi die beiden Männer zurück und brachte die Geschenke heimlich in Elischas Haus.

Als er zu seinem Herrn kam, fragte ihn der: »Woher kommst du, Gehasi?«

»Ich war doch nicht weg«, sagte der Diener.

Aber Elischa entgegnete ihm: »Ich war im Geist dabei, als der Mann von seinem Wagen stieg und dir entgegenging! Dies ist nicht der Augenblick, Geld und Festkleider anzunehmen und sich dafür Olivenhaine und Weingärten, Schafe und Rinder, Sklaven und Sklavinnen zuzulegen. Der Aussatz Naamans wird dich und alle deine Nachkommen befallen und ihr werdet ihn nie wieder loswerden!«

Als Gehasi von Elischa wegging, war seine Haut vom Aussatz so weiß wie Schnee.