Czytaj książkę: «Jack London – Gesammelte Werke», strona 56

Czcionka:

IV

Man be­ach­te­te Ri­ve­ra kaum, als er in den Ring trat. Er wur­de nur mit ver­ein­zel­tem, mat­tem Hän­de­klat­schen be­grüßt. Die Zuschau­er glaub­ten nicht an ihn. Er war das Lamm, das von dem mäch­ti­gen Dan­ny zur Schlacht­bank ge­führt wur­de. Zu­dem wa­ren die Zuschau­er ent­täuscht. Sie hat­ten einen stür­mi­schen Kampf zwi­schen Dan­ny Ward und Bil­ly Car­they er­war­tet, und jetzt soll­ten sie sich mit die­sem elen­den klei­nen An­fän­ger be­gnü­gen. Das Pub­li­kum hat­te sei­ne Miss­bil­li­gung über die Ver­an­stal­tung auch da­durch ge­zeigt, dass es zwei, ja so­gar drei zu eins auf Dan­ny hielt. Und das Herz ei­nes wet­ten­den Pub­li­kums ist im­mer auf der Sei­te sei­nes Gel­des.

Der jun­ge Me­xi­ka­ner saß in sei­ner Ecke und war­te­te. Die Mi­nu­ten schli­chen da­hin. Dan­ny ließ ihn war­ten. Das war ein al­ter Kniff, der aber stets auf die An­fän­ger wirk­te. Sie wur­den auf­ge­regt, wenn sie so da­sa­ßen und war­te­ten, von ban­gen Ah­nun­gen er­füllt und An­ge­sicht zu An­ge­sicht mit ei­nem ge­fühl­lo­sen, rau­chen­den Pub­li­kum. Dies­mal aber wirk­te der Kniff nicht. Ro­berts hat­te rich­tig ge­se­hen: Ri­ve­ra hat­te kei­nen schwa­chen Punkt. Er, der zar­ter war und emp­find­li­cher und fei­ne­re Ner­ven hat­te als sie alle, war nicht ner­vös. Die At­mo­sphä­re ei­ner im vor­aus si­che­ren Nie­der­la­ge, die sei­ne Um­ge­bung be­drück­te, übte kei­nen Ein­druck auf ihn aus. Sei­ne Se­kun­dan­ten wa­ren Grin­gos und Frem­de: Aus­wurf, schmut­zi­ger Ab­fall des Box­sports, ohne Ehr­ge­fühl und Kraft. Und über­dies lähm­te sie das Ge­fühl, dass sie auf der Sei­te des Ver­lie­ren­den stan­den.

»Sei nur vor­sich­tig«, warn­te ihn Spi­der Ha­gert­hy. Spi­der war sein ers­ter Se­kun­dant. »Zieh es nach Mög­lich­keit in die Län­ge – das hat Kel­ly mir ein­ge­schärft. Wenn du das nicht tust, schrei­ben die Zei­tun­gen von Hum­bug und ma­chen den Sport in Los An­ge­les schlecht.«

Al­les dies war nicht ge­ra­de er­mu­ti­gend, aber Ri­ve­ra mach­te sich nichts dar­aus. Er ver­ach­te­te einen Kampf, der um Geld ging. Das war der ver­hass­te Sport der ver­hass­ten Grin­gos. Er hat­te ihn selbst oft ge­nug be­trie­ben, aber nur, weil er hun­ger­te. Die Tat­sa­che, dass er für die­sen Sport wie ge­schaf­fen war, be­deu­te­te ihm nichts. Er hass­te ihn. Und er war nicht der ers­te un­ter den Men­schensöh­nen, der ent­deck­te, dass er in ei­ner ver­ächt­li­chen Be­schäf­ti­gung Er­folg hat­te.

Er un­ter­such­te sei­ne Ge­füh­le nicht. Er wuss­te nur, dass er in die­sem Kampf sie­gen muss­te. Es war nicht an­ders mög­lich. Denn hin­ter ihm stan­den stär­ke­re Kräf­te, als ir­gend­je­mand im Pub­li­kum sich träu­men ließ, und sie flö­ßten ihm die­se Über­zeu­gung ein. Dan­ny Ward kämpf­te für Geld und für die An­nehm­lich­kei­ten, die das Geld ihm in die­sem Le­ben ver­schaf­fen konn­te. Aber al­les, wo­für Ri­ve­ra kämpf­te, brann­te in sei­nem Hirn. Wie er jetzt mit weit auf­ge­ris­se­nen Au­gen ganz al­lein in sei­ner Ecke des Rin­ges saß und auf sei­nen schlau­en Geg­ner war­te­te, hat­te er leuch­ten­de und schreck­li­che Vi­sio­nen, und sie wa­ren so klar und deut­lich, als er­le­be er sie.

Er sah die Was­ser­kraft­fa­bri­ken von Rio Blan­co mit ih­ren wei­ßen Mau­ern. Er sah die sechs­tau­send hung­ri­gen, blei­chen Ar­bei­ter und die sie­ben- und acht­jäh­ri­gen Kin­der, die sich für zehn Cent den Tag ab­ra­cker­ten. Er sah die wan­dern­den Lei­chen, die ge­spens­ter­haf­ten To­ten­köp­fe der Fär­be­rei­ar­bei­ter. Er er­in­ner­te sich, sei­nen Va­ter die Fär­be­rei die Selbst­mör­der­höh­le ha­ben nen­nen hö­ren, weil ein Jahr Ar­beit dort den Tod be­deu­te­te. Er sah das klei­ne Gut und sei­ne Mut­ter, die koch­te und von mor­gens bis abends mit ih­rer Haus­ar­beit zu tun hat­te, aber doch Zeit fand, ihn zu strei­cheln und zu lie­ben. Und er sah sei­nen Va­ter, groß, mit dich­tem Schnurr­bart und brei­ter Brust, sei­nen Va­ter, der, freund­li­cher als alle an­de­ren, alle Men­schen lieb­te, des­sen Herz aber so groß war, dass noch reich­lich viel Lie­be für die Mut­ter und für den klei­nen Mucha­cho üb­rig­b­lieb, der in ei­ner Ecke des Pa­ti­os spiel­te. In je­nen Ta­gen hat­te er nicht Fe­li­pe Ri­ve­ra ge­hei­ßen. Er hat­te Fer­n­an­dez ge­hei­ßen, wie sein Va­ter und sei­ne Mut­ter. Ihn hat­ten sie Juan ge­nannt. Spä­ter hat­te er den Na­men ge­än­dert, denn er hat­te ge­merkt, dass der Name Fer­n­an­dez den Po­li­zei­prä­fek­ten und den po­li­ti­schen Be­hör­den ver­hasst war.

Der große, warm­her­zi­ge Joa­quin Fer­n­an­dez! Ei­nen her­vor­ra­gen­den Platz nahm er in den Vi­sio­nen Ri­ver­as ein. Da­mals hat­te er es nicht ver­stan­den, wenn er jetzt aber zu­rück­blick­te, be­griff er. Er konn­te ihn se­hen, wie er in der klei­nen Dru­cke­rei Ty­pen setz­te oder an dem von Pa­pie­ren über­flie­ßen­den Pult has­tig und ner­vös end­lo­se Zei­len hin­krit­zel­te. Und er er­in­ner­te sich der selt­sa­men Aben­de, wenn die Ar­bei­ter heim­lich in der Dun­kel­heit, wie Leu­te, die Bö­ses im Sin­ne hat­ten, zu sei­nem Va­ter ge­schli­chen ka­men und stun­den­lang mit ihm re­de­ten, wäh­rend der Mucha­cho, oft ohne Schlaf zu fin­den, in sei­ner Ecke lag.

Wie aus wei­ter Fer­ne hör­te er die Stim­me Spi­der Ha­gert­hys, der zu ihm sag­te: »Also nicht gleich am An­fang auf­ge­ben. Das wäre ge­gen die In­struk­tio­nen. Steck dei­ne Prü­gel ein und leis­te was fürs Geld.«

Zehn Mi­nu­ten wa­ren ver­gan­gen, und er saß im­mer noch in sei­ner Ecke. Man sah nichts von Dan­ny, der sei­nen Kniff of­fen­bar bis zum Äu­ßers­ten trieb.

Aber vor Ri­ve­ra stie­gen nun Vi­sio­nen auf. Der Streik von Rio Blan­co, der Hun­ger, die Wan­de­run­gen in die Ber­ge nach Bee­ren, Wur­zeln und Kräu­tern, die sie aßen und die ih­nen Ma­gen­krämp­fe und Leib­schmer­zen ver­ur­sach­ten. Und dann das Ent­setz­li­che: Die Sol­da­ten von Ge­ne­ral Ro­sa­lio Mar­ti­nez und Por­fi­rio Diaz und die tod­brin­gen­den Ge­weh­re, die nie auf­hö­ren woll­ten, Tod und Ver­der­ben zu spei­en und die Sün­den der Ar­bei­ter in ih­rem ei­ge­nen Blut zu er­trän­ken. Und die Nacht! Er sah die fla­chen Wa­gen, auf de­nen die Lei­chen auf­ge­häuft wa­ren, nach Vera Cruz zum Fut­ter für die Haie in der Bucht be­stimmt. Er sah sich wie­der über den un­heim­li­chen Lei­chen­hau­fen klet­tern und die halb ent­klei­de­ten, miss­han­del­ten Lei­chen sei­nes Va­ters und sei­ner Mut­ter su­chen und fin­den. Be­son­ders deut­lich er­in­ner­te er sich sei­ner Mut­ter – nur ihr Ge­sicht guck­te her­vor, ihr Leib war von der Last Dut­zen­der von To­ten ver­bor­gen. Wie­der knall­ten die Ge­weh­re des Por­fi­rio Diaz, und er sah sich wie ein ge­jag­ter Berg­ko­jo­te da­von­ra­sen.

Ein lau­tes Ge­brüll wie vom Meer klang an sein Ohr, er sah Dan­ny Ward an der Spit­ze sei­nes Ge­fol­ges von Trai­nern und Se­kun­dan­ten durch den Gang in der Mit­te kom­men. Das Pub­li­kum tob­te vor Be­geis­te­rung. Alle ju­bel­ten ihm zu. Alle wa­ren für ihn. So­gar Ri­ver­as ei­ge­ne Se­kun­dan­ten at­me­ten er­leich­tert auf, und ihre Lau­ne bes­ser­te sich, als Dan­ny sich ge­wandt un­ter den Sei­len duck­te und in den Ring trat. Sein Ge­sicht zeig­te ein Lä­cheln nach dem an­de­ren, und wenn Dan­ny lä­chel­te, lä­chel­te je­der Zoll sei­nes Ge­sich­tes bis zu den Fält­chen in den Au­gen­win­keln und bis in die Tie­fe der Au­gen selbst. Nie hat­te man einen so lie­bens­wür­di­gen Bo­xer ge­se­hen. Sein Ge­sicht war eine Ver­kör­pe­rung von Gut­mü­tig­keit und Ka­me­rad­schaft. Er kann­te alle Welt. Er scherz­te und lach­te und tausch­te über die Sei­le hin­weg Grü­ße mit sei­nen Freun­den aus. Die an­de­ren, die ihre Be­wun­de­rung nicht bän­di­gen konn­ten, rie­fen laut: »Dan­ny!« Die Stim­mung stieg und ras­te sich in Bei­falls­stür­men aus, die Mi­nu­ten dau­er­ten.

Ri­ve­ra blieb un­be­ach­tet. Spi­der Ha­gert­hy beug­te sich mit auf­ge­dun­se­nem Ge­sicht über ihn.

»Krieg nun kei­ne Angst«, warn­te er ihn. »Und ver­giss die In­struk­tio­nen nicht. Du musst aus­hal­ten. Nicht auf­ge­ben! Wenn du auf­gibst, sol­len wir dich nach­her ver­to­ba­ken. Ver­stan­den? Du hast zu kämp­fen.«

Das Pub­li­kum be­gann zu klat­schen. Dan­ny durch­schritt den Ring, trat auf ihn zu und beug­te sich zu ihm nie­der. Er nahm Ri­ver­as Hand zwi­schen sei­ne bei­den und drück­te sie mit über­strö­men­der Herz­lich­keit. Das Pub­li­kum ju­bel­te Bei­fall. Dan­ny be­grüß­te sei­nen Geg­ner mit der Zärt­lich­keit ei­nes Bru­ders. Sei­ne Lip­pen be­weg­ten sich, und das Pub­li­kum, das die Wor­te, die er sprach, nicht hö­ren konn­te, sie aber als freund­lich, lie­bens­wür­dig und sports­mä­ßig auf­fass­te, schrie wie­der. Nur Ri­ve­ra hör­te die lei­se ge­spro­che­nen Wor­te.

»Du klei­ne me­xi­ka­ni­sche Rat­te«, drang es zi­schend zwi­schen den lä­cheln­den Lip­pen her­vor, »ich will dir die Ein­ge­wei­de zum Lei­be her­ausprü­geln.«

Ri­ve­ra rühr­te sich nicht. Er stand nicht auf. Er sah den an­de­ren nur vol­ler Hass an.

»Steh auf, du Hund«, heul­te je­mand im Hin­ter­grund des Zuschau­er­raums. Die Men­ge be­gann ihn we­gen sei­nes we­nig sport­ge­rech­ten Be­neh­mens aus­zu­zi­schen und aus­zupfei­fen, aber er blieb sit­zen.

Ein neu­er Bei­falls­sturm be­grüß­te Dan­ny, als er sich durch den Ring auf sei­nen Platz zu­rück­be­gab.

Als Dan­ny sich ent­klei­de­te, wur­de be­geis­tert »Ah!« und »Oh!« ge­ru­fen. Sein Kör­per war voll­kom­men und strotz­te von Ge­schmei­dig­keit, Kraft und Ge­sund­heit. Die Haut war weiß und glatt wie die ei­ner Frau. Und un­ter ih­rer Ober­flä­che spiel­ten An­mut, Ge­wandt­heit und Stär­ke. Das hat­te er in Dut­zen­den von Kämp­fen be­wie­sen. Sein Bild war durch die ge­sam­te Sport­pres­se ge­gan­gen.

Als Spi­der Ha­gert­hy Ri­ve­ra das wol­le­ne Hemd über den Kopf zog, wur­de ge­zischt. Sein Kör­per er­schi­en we­gen der dunklen Haut­far­be schmäch­ti­ger, als er in Wirk­lich­keit war. Er hat­te Mus­keln, aber sie tra­ten nicht so in Er­schei­nung wie die sei­nes Geg­ners. Was das Pub­li­kum da­ge­gen über­sah, war sei­ne tie­fe Brust. Und es hat­te auch kei­ne Ah­nung – und konn­te sie auch nicht ha­ben – von der Zä­hig­keit sei­ner Mus­kel­bän­der und von der Ex­plo­siv­kraft sei­ner Fäus­te. Das ein­zi­ge, was das Pub­li­kum sah, war ein braun­häu­ti­ger, acht­zehn­jäh­ri­ger Bur­sche mit ei­nem Kör­per, der wie der ei­nes Kna­ben wirk­te. Da war Dan­ny doch ganz et­was an­de­res. Das war ein Mann von vier­und­zwan­zig Jah­ren, und sein Kör­per der ei­nes Man­nes. Der Ge­gen­satz war noch auf­fäl­li­ger, als sie ne­ben­ein­an­der im Ring stan­den und die letz­ten Wei­sun­gen des Schieds­rich­ters emp­fin­gen.

Ri­ve­ra be­merk­te, dass Ro­berts di­rekt hin­ter den Re­por­tern saß. Er war noch mehr be­rauscht als ge­wöhn­lich und sei­ne Rede ent­spre­chend schlep­pen­der.

»Nur im­mer ru­hig, Ri­ve­ra«, sag­te Ro­berts. »Tot­schla­gen kann er dich nicht, das ver­giss nicht. Er wird gleich im An­fang mäch­tig auf dich los­ge­hen, aber lass dich nicht da­durch ver­blüf­fen. Deck dich nur gut, steh fest und geh in Clinch. Dann kann er dir nichts wei­ter tun. Stell dir ein­fach vor, dass er im Trai­nings­saal auf dich los­schlü­ge.«

Ri­ve­ra gab kein Zei­chen, dass er es ge­hört hät­te.

»Ein mür­ri­scher klei­ner Teu­fel«, mur­mel­te Ro­berts sei­nem Ne­ben­mann zu. »So ist er im­mer ge­we­sen.«

Aber Ri­ve­ra ver­gaß, ihm sei­nen üb­li­chen ge­häs­si­gen Blick zu­zu­wer­fen. Eine Vi­si­on zeig­te sich ihm in Ge­stalt zahl­rei­cher Ge­weh­re. Je­des Ge­sicht im Zuschau­er­raum von den teu­ers­ten Plät­zen bis ganz hin­ten, so­weit er se­hen konn­te, hat­te sich in ein Ge­wehr ver­wan­delt. Und er sah die me­xi­ka­ni­sche Gren­ze vor sich – aus­ge­dörrt, von der Son­ne ver­sengt und trost­los, und an ihr die zer­lump­ten Scha­ren, die auf die Ge­weh­re hoff­ten.

Er war­te­te, auf­recht ganz hin­ten in sei­ner Ecke ste­hend. Sei­ne Se­kun­dan­ten wa­ren un­ter den Sei­len hin­aus­ge­kro­chen und hat­ten ihre Klapp­stüh­le mit­ge­nom­men. Dan­ny stand ihm ge­gen­über in der ent­ge­gen­ge­setz­ten Ecke des vier­e­cki­gen Rin­ges. Der Gong er­tön­te, und der Kampf be­gann. Das Pub­li­kum brüll­te vor Freu­de. Noch nie hat­te es ei­nem Kampf bei­ge­wohnt, der über­zeu­gen­der be­gann. Die Zei­tun­gen hat­ten recht ge­habt. Es war ein Kampf zwi­schen er­bit­ter­ten Fein­den. Drei Vier­tel der Ent­fer­nung leg­te Dan­ny in ei­nem Sprung zu­rück, um sei­nem Geg­ner auf den Leib zu kom­men, ein Vor­stoß, der deut­lich ver­riet, dass es sei­ne Ab­sicht war, den klei­nen Me­xi­ka­ner mit Haut und Haa­ren zu fres­sen. Er griff nicht mit ei­nem Schla­ge, nicht mit zwei­en, nicht mit ei­nem Dut­zend Schlä­gen an. Es war ein Wir­bel­wind von Schlä­gen, ein ver­nich­ten­der Sturm. Ri­ve­ra ver­schwand gleich­sam. Er wur­de über­schüt­tet, be­gra­ben un­ter La­wi­nen von Schlä­gen, die ein Meis­ter von über­all her aus­teil­te. Er wur­de über den Hau­fen ge­rannt, ge­gen die Sei­le ge­fegt, vom Schieds­rich­ter los­ge­bracht und aber­mals ge­gen die Sei­le ge­schleu­dert.

Es war kein Kampf. Es war ein Ge­met­zel, ein Blut­bad. Je­dem an­de­ren Pub­li­kum als den Zuschau­ern ei­nes Box­kamp­fes wäre ein­fach in die­ser ers­ten Mi­nu­te die Luft aus­ge­gan­gen. Wahr­haf­tig: Dan­ny wuss­te, was er konn­te – es war eine fa­bel­haf­te Leis­tung. Das Pub­li­kum war sei­ner Sa­che so si­cher und da­bei so auf­ge­regt und vor­ein­ge­nom­men, dass es ganz über­sah, dass der Me­xi­ka­ner sich noch auf den Bei­nen hielt. Es hat­te Ri­ve­ra ganz ver­ges­sen. Es sah ihn kaum, der­art ver­schwand er un­ter der mör­de­ri­schen At­ta­cke Dan­nys. Eine Mi­nu­te ver­ging auf die­se Wei­se, und noch eine. Dann sah das Pub­li­kum in ei­nem Au­gen­blick, als die Kämp­fen­den ge­trennt wa­ren, deut­lich den Me­xi­ka­ner. Eine Lip­pe war ge­spal­ten, sei­ne Nase blu­te­te. Als er sich um­dreh­te und wan­kend in Clinch ging, sah man dort, wo er die Sei­le be­rührt hat­te, rote Strei­fen auf sei­nem Rücken, aus de­nen das Blut her­vor­quoll. Was das Pub­li­kum aber nicht be­merk­te, war, dass sei­ne Brust nicht schwer ar­bei­te­te und dass sei­ne Au­gen kalt und ru­hig wie je wa­ren. All­zu vie­le an­ge­hen­de Meis­ter hat­ten es bei dem al­les eher als weich­li­chen Trai­ning mit ähn­li­chen mör­de­ri­schen An­grif­fen auf ihn ver­sucht. Ge­gen eine Ver­gü­tung von ei­nem hal­b­en Dol­lar bis zu fünf­zehn Dol­lar wö­chent­lich hat­te er durch­zu­hal­ten ge­lernt – eine har­te Schu­le, die er durch­ge­macht hat­te.

Da ge­sch­ah et­was Er­staun­li­ches. Das ver­wir­ren­de Hand­ge­men­ge, des­sen Ein­zel­hei­ten man kaum zu fol­gen ver­moch­te, hör­te plötz­lich auf. Ri­ve­ra stand al­lein da. Dan­ny, der furcht­ba­re Dan­ny, lag auf dem Rücken. Sein Kör­per zit­ter­te, wäh­rend er lang­sam das Be­wusst­sein wie­der­ge­wann. Er hat­te we­der ge­wankt, noch war er nie­der­ge­sun­ken oder lang­sam zu Bo­den ge­fal­len. Ri­ver­as Rech­te hat­te ihn, als er in der Luft schweb­te, wie ein Blitz aus hei­te­rem Him­mel ge­trof­fen. Der Schieds­rich­ter wies Ri­ve­ra durch eine Hand­be­we­gung zu­rück und beug­te sich, die Se­kun­den zäh­lend, über den ge­fal­le­nen Hel­den. Das Pub­li­kum ei­nes Box­kamp­fes pflegt den fäl­len­den Schlag mit Bei­fall zu be­grü­ßen. Aber dies Pub­li­kum ju­bel­te nicht. Es war al­les zu un­er­war­tet ge­kom­men. Die Se­kun­den wur­den von ei­ner ge­spann­ten Stil­le be­glei­tet, die durch die tri­um­phie­ren­de Stim­me Ro­berts zer­ris­sen wur­de.

»Ich hab’ es Ih­nen ja ge­sagt, dass er mit bei­den Hän­den gleich gut boxt.«

In der fünf­ten Se­kun­de wälz­te Dan­ny sich auf das Ge­sicht her­um, und als sie­ben ge­zählt wur­de, stütz­te er sich auf das eine Knie, be­reit, auf­zu­ste­hen, so­bald »neun« und be­vor »zehn« ge­zählt wur­de. Berühr­te sein Knie bei »zehn« noch den Bo­den, so wur­de er aus­ge­zählt und hat­te ver­lo­ren. In dem Au­gen­blick, wenn sein Knie sich vom Bo­den hob, wur­de er als ste­hend an­ge­se­hen, und im sel­ben Au­gen­blick hat­te Ri­ve­ra das Recht, wie­der zu ver­su­chen, ihn zu Bo­den zu schla­gen. Ri­ve­ra ge­dach­te nicht, sich die­se Ge­le­gen­heit ent­ge­hen zu las­sen. Er um­kreis­te sei­nen Geg­ner, aber der Schieds­rich­ter kreis­te vor ihm, und Ri­ve­ra merk­te, dass die Se­kun­den, die er zähl­te, sehr lan­ge dau­er­ten. Alle Grin­gos wa­ren ge­gen ihn, so­gar der Schieds­rich­ter.

Bei »neun« gab der Schieds­rich­ter Ri­ve­ra einen Stoß, dass er zu­rück­flog. Das war un­fair, aber da­durch wur­de es Dan­ny mög­lich, lä­chelnd wie­der auf­zu­ste­hen. Halb ge­krümmt und mit den Ar­men Ge­sicht und Un­ter­leib schüt­zend, wank­te er vor­wärts und ging ge­wandt in Clinch. Nach den Re­geln des Box­sports hät­te der Schieds­rich­ter sei­nen Griff lö­sen müs­sen, aber er tat es nicht, und Dan­ny klam­mer­te sich an wie eine Mu­schel im Wo­gen­prall der Bran­dung und kam all­mäh­lich wie­der zu Kräf­ten. Die letz­te Mi­nu­te der Run­de war an­ge­bro­chen. Wenn er bis zu ih­rem Ende durch­hielt, konn­te er sich eine gan­ze Mi­nu­te lang in sei­ner Ecke er­ho­len. Und er hielt durch und lä­chel­te trotz al­ler Verzweif­lung und Kläg­lich­keit.

»Seht, Dan­ny lä­chelt!« schrie ei­ner, und das Pub­li­kum lach­te laut und er­leich­tert.

»Eine ver­fluch­te Stoß­kraft hat der Lau­seben­gel«, sag­te Dan­ny äch­zend in sei­ner Ecke zu dem Trai­ner, wäh­rend sei­ne Ad­ju­tan­ten ihn wie toll be­ar­bei­te­ten. Die zwei­te und die drit­te Run­de wa­ren matt. Dan­ny, der ein kal­ter, ge­ris­se­ner Bo­xer war, stell­te sich und block­te, um sich von dem be­täu­ben­den Schlag, den er in der ers­ten Run­de be­kom­men hat­te, zu er­ho­len. In der vier­ten Run­de war er wie­der ganz der alte. Ob­wohl er zer­schla­gen und ver­wirrt war, setz­te sei­ne gute Form ihn in­stand, sei­ne Kraft wie­der­zu­ge­win­nen. Aber er ver­such­te es nicht wie­der mit sei­ner mör­de­ri­schen Tak­tik. Der Me­xi­ka­ner hat­te ihm ge­zeigt, dass sie bei ihm ver­sag­te. Statt des­sen tisch­te er jetzt sei­ne bes­ten Bo­xer­küns­te auf. In al­len Tricks so­wohl wie in Er­fah­rung und Aus­bil­dung war er ein Meis­ter; wenn er auch nichts Ent­schei­den­des aus­rich­ten konn­te, so schlug er doch wei­ter auf sei­nen Geg­ner los und zer­mürb­te ihn nach al­len Re­geln der Kunst. Er schlug drei­mal, wenn Ri­ve­ra ein­mal schlug, aber es wa­ren nicht ent­schei­den­de Schlä­ge. Die Sum­me vie­ler Schlä­ge soll­te den Aus­schlag ge­ben. Er be­wun­der­te die­sen mit bei­den Hän­den gleich gut bo­xen­den Neu­ling, des­sen Fäus­te mit er­staun­li­cher Wucht stie­ßen.

In der Ver­tei­di­gung zeig­te Ri­ve­ra sich im Be­sitz ei­ner er­staun­li­chen Tech­nik der Lin­ken. Im­mer wie­der, in ei­nem An­griff nach dem an­de­ren, schoss sie vor und rich­te­te Dan­nys Mund und Nase übel zu. Aber Dan­ny pass­te sich an. Das war es, was ihn spä­ter zum Welt­meis­ter ma­chen soll­te. Er konn­te nach Be­lie­ben eine Kampf­art mit der an­de­ren ver­tau­schen. Jetzt rück­te er sei­nem Geg­ner nahe auf den Leib. Durch die­se Tech­nik, die ihm be­son­ders lag, wur­de es ihm mög­lich, der Lin­ken des an­de­ren zu ent­ge­hen. Jetzt brach­te er das Pub­li­kum mehr­mals dazu, vor Be­geis­te­rung zu to­ben, und den Vo­gel schoss er ab, in­dem er durch einen mäch­ti­gen Schlag den Me­xi­ka­ner in die Luft hob und auf die Mat­te fal­len ließ. Ri­ve­ra ruh­te auf dem einen Knie und nutz­te die Se­kun­den nach Mög­lich­keit aus, aber er war in­ner­lich über­zeugt, dass der Schieds­rich­ter die Se­kun­den für ihn sehr ab­kürz­te.

In der sie­ben­ten Run­de glück­te es Dan­ny wie­der, den teuf­li­schen Schlag zu lan­den. Er brach­te Ri­ve­ra nur zum Wan­ken, aber im nächs­ten Au­gen­blick, als er hilf- und wehr­los da­stand, ließ er ihn durch einen neu­en Schlag zwi­schen den Sei­len hin­durch­flie­gen. Ri­ve­ra fiel mit­ten zwi­schen die Pres­se­leu­te, die ihn auf­ho­ben und au­ßer­halb der Sei­le in sei­ne Ecke be­för­der­ten. Hier ruh­te er auf dem einen Knie, wäh­rend der Schieds­rich­ter ei­lig die Se­kun­den zähl­te. In­ner­halb der Sei­le, un­ter de­nen er sich du­cken muss­te, um wie­der auf den Kampf­platz zu ge­lan­gen, war­te­te Dan­ny auf ihn. Der Schieds­rich­ter leg­te sich we­der da­zwi­schen, noch stieß er Dan­ny zu­rück.

Die Zuschau­er wa­ren au­ßer sich vor Be­geis­te­rung. »Schlag ihn tot, Dan­ny, schlag ihn tot!« wur­de ge­brüllt.

Dut­zen­de von Stim­men grif­fen den Schrei auf, und es klang wie das Kriegs­ge­heul ei­nes Wolfs­ru­dels.

Dan­ny tat sein Bes­tes, als aber nicht »neun«, son­dern erst »acht« ge­zählt wur­de, schlüpf­te Ri­ve­ra un­er­war­tet durch die Sei­le hin­ein und ret­te­te sich durch Clin­chen. Jetzt war der Schieds­rich­ter gleich da, riss ihn los, so­dass er ge­trof­fen wer­den konn­te, und half Dan­ny so viel, wie ein un­fai­rer Schieds­rich­ter hel­fen kann.

Aber Ri­ve­ra über­stand den An­griff, und der Schwin­del ver­zog sich aus sei­nem Hirn. Sie wa­ren alle gleich. Sie wa­ren die ver­hass­ten Grin­gos, und sie wa­ren alle un­ehr­lich. Aber selbst in den schlimms­ten Au­gen­bli­cken leuch­te­ten und fun­kel­ten die Vi­sio­nen in sei­nem Hirn – lan­ge Ei­sen­bahn­zü­ge, die durch die Wüs­te rat­ter­ten, Ge­fäng­nis­se und Ker­ker, Va­ga­bun­den an Was­ser­stel­len – das gan­ze qual­vol­le, schmut­zi­ge Pa­n­ora­ma, das er auf sei­nem Um­her­ir­ren nach den Ta­gen von Rio Blan­co und dem Streik ge­se­hen hat­te. Und in ei­ner herr­li­chen, strah­len­den Vi­si­on sah er die große Re­vo­lu­ti­on über das Land hin­brau­sen. Die Ge­weh­re wa­ren da, ge­ra­de vor ihm. Je­des ein­zel­ne der ver­hass­ten Ge­sich­ter war ein Ge­wehr. Für die Ge­weh­re kämpf­te er. Er und die Ge­weh­re wa­ren eins. Er und die Re­vo­lu­ti­on wa­ren eins. Er kämpf­te hier für ganz Me­xi­ko.

Das Pub­li­kum be­gann är­ger­lich auf Ri­ve­ra zu wer­den. Wa­rum steck­te er die Prü­gel nicht ein, die ihm zu­ge­dacht wa­ren? Na­tür­lich wur­de er be­siegt, aber warum mach­te er da so vie­le Ge­schich­ten? Nur sehr we­ni­ge in­ter­es­sier­ten sich für ihn, und das war der be­stimm­te, be­grenz­te Pro­zent­satz von Spie­lern, die ein ho­hes Spiel spiel­ten. Ob­wohl sie an Dan­nys Sieg glaub­ten, hat­ten sie doch vier zu zehn oder eins zu drei auf den Me­xi­ka­ner ge­setzt. Ziem­lich er­heb­lich wa­ren die Wet­ten, wie vie­le Run­den Ri­ve­ra durch­hal­ten wür­de. Man­che hat­ten so­gar leicht­sin­ni­ger­wei­se dar­auf ge­setzt, dass er kei­ne sie­ben, ja kei­ne sechs Run­den durch­hal­ten wür­de. Die, wel­che da­ge­gen ge­hal­ten, also ge­won­nen und die Fra­ge be­züg­lich des ge­wag­ten Gel­des glück­lich ge­löst hat­ten, schlos­sen sich jetzt den an­de­ren an und ju­bel­ten dem Me­xi­ka­ner zu.

Ri­ve­ra woll­te sich nicht schla­gen las­sen. In der ach­ten Run­de ver­such­te sein Geg­ner ver­ge­bens, den Up­per­cut zu wie­der­ho­len. Die neun­te Run­de ver­blüff­te wie­der das Pub­li­kum. Mit­ten in ei­nem Clinch mach­te sich Ri­ve­ra mit ei­ner schnel­len, ge­schmei­di­gen Be­we­gung frei, und in dem en­gen Zwi­schen­raum zwi­schen ih­ren Lei­bern fuhr sei­ne Rech­te von un­ten hoch. Dan­ny ging auf den Bo­den und nutz­te das Zäh­len aus. Die Zuschau­er wa­ren er­schro­cken. Er war auf sei­nem ei­ge­nen Ge­biet ge­schla­gen. Sein be­rühm­ter rech­ter Up­per­cut war ge­gen ihn selbst an­ge­wandt wor­den. Als er bei »neun« auf­stand, ver­such­te Ri­ve­ra nicht, ihn zu tref­fen. Der Schieds­rich­ter hät­te es ja doch ver­hin­dert, ob­wohl er im um­ge­kehr­ten Fal­le, wenn es Ri­ve­ra war, der auf­ste­hen soll­te, bei­sei­te trat.

In der zehn­ten Run­de führ­te Ri­ve­ra den rech­ten Up­per­cut vom Gür­tel ge­gen das Kinn sei­nes Geg­ners aus. Dan­ny ge­riet vor Wut au­ßer sich. Das Lä­cheln ver­ließ zwar nicht einen Au­gen­blick sein Ge­sicht, aber er ging wie­der zu sei­nen mör­de­ri­schen An­grif­fen über. Aber so sehr er auch her­um­tanz­te, konn­te er Ri­ve­ra doch nichts tun, Ri­ve­ra aber schlug ihn in der Ver­wir­rung und dem Tu­mult drei­mal hin­ter­ein­an­der nie­der. Dan­ny ge­wann sei­ne Kräf­te nicht mehr so schnell wie­der, und in der elf­ten Run­de sah es ernst für ihn aus. Aber von jetzt an bis zur vier­zehn­ten Run­de leis­te­te er das Bes­te, was er je in sei­ner Lauf­bahn ge­zeigt hat­te. Er stand und pla­zier­te die Schlä­ge, schon­te sei­ne Kräf­te im Kampf und ver­such­te die, wel­che er schon zu­ge­setzt hat­te, zu­rück­zu­ge­win­nen. Dazu kämpf­te er so re­gel­wid­rig, wie es nur ein er­folg­rei­cher Bo­xer kann. Je­den Kniff und Trick wand­te er an, ging in Clinch, tat aber, als wäre es zu­fäl­lig, press­te Ri­ver­as Hand­schu­he zwi­schen Arm und Leib und leg­te sei­nen ei­ge­nen Hand­schuh Ri­ve­ra auf den Mund, um ihm den Atem zu neh­men. Wenn sie ein­an­der dicht auf dem Lei­be wa­ren, zisch­te er zwi­schen den auf­ge­schla­ge­nen, aber lä­cheln­den Lip­pen Ri­ve­ra ab­scheu­li­che, un­aus­sprech­li­che Schimpf­wor­te ins Ohr.

Alle, vom Schieds­rich­ter bis zum Pub­li­kum, hiel­ten zu Dan­ny und hal­fen Dan­ny. Und sie wuss­ten, was er im Sin­ne hat­te. Über­wäl­tigt durch die­sen über­ra­schen­den Un­be­kann­ten, setz­te er all sei­ne Hoff­nung in einen ein­zi­gen ent­schei­den­den Schlag. Er gab sich Blö­ßen und steck­te die Schlä­ge ein, reiz­te sei­nen Geg­ner, mach­te Schein­an­grif­fe und ver­such­te Ri­ve­ra da­hin zu brin­gen, dass er sich die Blö­ße gab, die es ihm er­laub­te, aus al­ler Kraft zu­zu­schla­gen und zu sie­gen. Wie ein an­de­rer, grö­ße­rer Bo­xer vor ihm ge­tan, konn­te er sei­nen Geg­ner viel­leicht mit ei­nem Rech­ten und ei­nem Lin­ken auf den So­lar­ple­xus und über das Kinn tref­fen. Er konn­te es, denn er war be­kannt für die Stoß­kraft, die in sei­nen Ar­men war, so­lan­ge er sich nur auf den Bei­nen hal­ten konn­te.

Ri­ver­as Se­kun­dan­ten sorg­ten in den Pau­sen zwi­schen den Run­den nur we­nig für ihn. Sie trock­ne­ten ihn ein biss­chen mit den Hand­tü­chern ab, ver­schaff­ten aber sei­ner keu­chen­den Lun­ge nicht viel Luft. Spi­der Ha­gert­hy gab ihm Ratschlä­ge, aber er wuss­te, dass es schlech­te Ratschlä­ge wa­ren. Alle wa­ren ge­gen ihn. Er war von Ver­rä­tern um­ge­ben. In der vier­zehn­ten Run­de brach­te er Dan­ny wie­der auf den Bo­den und ruh­te sich aus, wäh­rend der Schieds­rich­ter die Se­kun­den zähl­te. Aus der an­de­ren Ecke hat­te Ri­ve­ra ein ver­däch­ti­ges Flüs­tern ge­hört. Er sah, wie Mi­cha­el Kel­ly zu Ro­berts ging, sich über ihn beug­te und ihm et­was zu­flüs­ter­te. Ri­ver­as Ohren wa­ren wie die ei­ner Kat­ze, in der Wüs­te ge­übt, und er hör­te Bruch­stücke von dem, was Mi­cha­el sag­te. Er woll­te gern mehr hö­ren, und als sein Geg­ner sich er­hob, glück­te es ihm, so zu ma­nö­vrie­ren, dass er Ge­le­gen­heit zu ei­nem Clinch an den Sei­len be­kam.

»Er muss«, hör­te er Mi­cha­el sa­gen, und Ro­berts nick­te. »Dan­ny muss ge­win­nen – ich ver­lie­re ein Ver­mö­gen – ich habe eine Un­sum­me ge­wet­tet – mein ei­ge­nes Geld – wenn er die fünf­zehn­te Run­de durch­hält, bin ich rui­niert – der Jun­ge wird sich da­nach rich­ten, was du sagst. Steck es ihm.«

Und jetzt hat­te Ri­ve­ra kei­ne Vi­sio­nen mehr. Sie ver­such­ten ihn zu nar­ren. Noch ein­mal schlug er Dan­ny zu Bo­den und ruh­te sich, die Hän­de in die Sei­ten ge­stützt, aus. Ro­berts stand auf.

»Jetzt ist er fer­tig«, sag­te er. »Geh in dei­ne Ecke.«

Er sprach ge­bie­te­risch, wie er oft beim Trai­ning mit Ri­ve­ra ge­spro­chen hat­te. Aber Ri­ve­ra sah ihn er­bit­tert an und war­te­te, dass Dan­ny auf­ste­hen soll­te.

Als er in der mi­nu­ten­lan­gen Pau­se wie­der in sei­ner Ecke saß, kam Kel­ly, der Un­ter­neh­mer, zu Ri­ve­ra und sprach mit ihm. »Gib auf, ver­damm­ter Kerl!« fauch­te er lei­se. »Du musst dich schmei­ßen las­sen, Ri­ve­ra. Tue, wie ich dir sage, und ich si­che­re dir dei­ne Zu­kunft. Nächs­tes Mal las­se ich dich über Dan­ny sie­gen. Aber dies­mal musst du dich be­sie­gen las­sen.« Ri­ve­ra ließ ihn durch einen Blick ver­ste­hen, dass er sei­ne Wor­te ge­hört hat­te, gab aber durch kein Zei­chen zu er­ken­nen, ob er ein­wil­lig­te oder nicht.

»Wa­rum sagst du nichts?« frag­te Kel­ly zor­nig.

»Du ver­lierst un­ter al­len Um­stän­den«, füg­te Spi­der Ha­gert­hy hin­zu. »Der Schieds­rich­ter lässt dich nicht sie­gen. Höre auf Kel­ly und lass dich schmei­ßen!«

»Ja, lass dich schmei­ßen, mein Jun­ge!« drang Kel­ly in ihn. »Dann ver­hel­fe ich dir zur Meis­ter­schaft.«

Ri­ve­ra ant­wor­te­te nicht.

»Ich tue es, so wahr mir Gott hel­fe, mein Jun­ge.«

Als der Gong er­tön­te, hat­te Ri­ve­ra das Ge­fühl, dass ir­gend­ei­ne Ge­fahr ihm droh­te. Das Pub­li­kum merk­te nichts. Was es auch sein moch­te – je­den­falls war es in­ner­halb des Rin­ges und ganz in sei­ner Nähe. Dan­ny schi­en sei­ne frü­he­re Si­cher­heit wie­der­ge­won­nen zu ha­ben. Die Zu­ver­sicht­lich­keit, mit der er an­kam, er­schreck­te Ri­ve­ra. Of­fen­bar wa­ren sie im Be­griff, ihm ir­gend­ei­nen Streich zu spie­len. Dan­ny sprang auf ihn los, aber Ri­ve­ra wich ihm aus. Er brach­te sich in Si­cher­heit, in­dem er einen Schritt zu­rück­trat. Der an­de­re hat­te er­war­tet, dass er in Clinch ge­hen wür­de. Das war zu ei­nem ge­wis­sen Gra­de nö­tig, wenn der Streich ge­lin­gen soll­te. Ri­ve­ra zog sich zu­rück und um­kreis­te den Geg­ner, fühl­te aber doch, dass bei dem Zu­sam­men­stoß, der frü­her oder spä­ter er­fol­gen muss­te, der Kniff ver­sucht wer­den wür­de. Als Dan­ny wie­der vor­stürm­te, tat Ri­ve­ra, als wol­le er in Clinch ge­hen. Aber im letz­ten Au­gen­blick sprang er, ge­ra­de als ihre Lei­ber zu­sam­men­sto­ßen woll­ten, rasch zu­rück. Und im sel­ben Au­gen­blick er­tön­te aus Dan­nys Ecke der Ruf: »Foul!« Ri­ve­ra hat­te sie an­ge­führt. Der Schieds­rich­ter zö­ger­te un­ent­schlos­sen. Die Ent­schei­dung, die ihm auf den Lip­pen lag, fiel nie, denn eine Kna­ben­stim­me auf der Ga­le­rie schrill­te: »Schie­bung!«

Dan­ny schimpf­te laut auf Ri­ve­ra und stürm­te auf ihn los, aber Ri­ve­ra wich ihm tän­zelnd aus. Ri­ve­ra be­schloss jetzt, nicht mehr nach dem Kör­per des an­de­ren zu zie­len. Da­mit setz­te er sei­ne hal­be Chan­ce, zu ge­win­nen, aufs Spiel, aber er wuss­te, dass er, wenn er über­haupt sie­gen woll­te, den Nah­kampf ver­mei­den muss­te. Beim ge­rings­ten An­lass wür­den sie ihn ei­nes »Fouls« be­schul­di­gen. Dan­ny ließ alle Vor­sicht bei­sei­te. In zwei Run­den stürm­te er auf den Jun­gen los, der ihm nicht im Nah­kampf zu be­geg­nen wag­te. Im­mer wie­der wur­de Ri­ve­ra ge­trof­fen; er steck­te die Schlä­ge zu Dut­zen­den ein, um dem ge­fähr­li­chen Nah­kampf zu ent­ge­hen. Bei die­ser ein­zig da­ste­hen­den Schluss­sze­ne Dan­nys er­hob das Pub­li­kum sich und wur­de wahn­sin­nig. Es ver­stand nichts von dem, was vor­ging. Das ein­zi­ge, was es se­hen konn­te, war, dass sein Fa­vo­rit doch sieg­te.

4,24 zł
Gatunki i tagi
Ograniczenie wiekowe:
18+
Objętość:
5251 str. 2 ilustracje
ISBN:
9783962813475
Właściciel praw:
Bookwire
Format pobierania:
epub, fb2, fb3, ios.epub, mobi, pdf, txt, zip