Czytaj książkę: «Kill The Pimp»
J. Ergin
Kill The Pimp
Romantik Thriller
Impressum
Texte: © Copyright 2018 by Jasmin Ergin
Covergestaltung: © VercoDesign, Unna
Lektorat: Heike Greiner
Satz: Weibsbilder-Design
Verlag: J. Ergin
c/o Autorenservices.de
Birkenallee 24
36037 Fulda
J.ErginBooks@gmail.com
Druck: epubli – ein Service der Neopubli GmbH, Berlin
Für die Familie und meine geliebten Freunde
Prolog
Richard
Viele Leute versuchen ihr Glück in Amerika und auch ich war auf der Suche nach Glück. Und wenn man Glück mit Geld verbinden kann – ja, dann war ich in der Tat glücklich.
Wir schreiben den 28. August 1989: Der Tag, an dem ich meiner Heimat Rumänien endgültig den Rücken kehrte, um ein neues Leben anzufangen.
Dank meiner guten Noten in Mathematik und Physik hatte ich mir ein Stipendium gesichert. Während des Studiums lebte ich die ersten beiden Jahre noch bei der Familie meines Onkels in Henderson, der zweitgrößten Stadt in Nevada, gerade einmal 15 Meilen von Las Vegas entfernt.
Ich würde zukünftig der erste Akademiker unserer Familie werden und das gleich im berüchtigtsten Land der Welt: den Vereinigten Staaten von Amerika!
Ich hatte viel gehört, über dieses Land: das Land in dem Milch und Honig fließen, das Land, in dem man es vom Tellerwäscher zum Millionär bringen konnte oder auch umgekehrt, das Land, in dem jeder sein kann, wer er will und was er will.
Während die Naturwissenschaften mir keine großen Probleme bereiteten, haderte ich mit der Sprache. Ich konnte anfangs nur gebrochen Englisch, lernte aber schnell – vor allem dadurch, dass ich viele Kontakte knüpfte und oft Bücher oder Zeitungen las.
Mein Onkel und meine Tante behandelten mich über die Jahre wie ihr eigenes Kind. Sie waren sehr stolz auf mich und unterstützten mich. Trotzdem begann ich früh damit, mein eigenes Geld zu verdienen. Ich wollte ihnen nicht auf der Tasche liegen.
In den frühen Morgenstunden füllte ich daher die Regale in den Supermärkten, mittags jobbte ich als Lieferant und abends war ich Barkeeper im »Moonray«, einem recht bekannten Casino-Hotel auf dem Strip.
Hier war jede Nacht die Hölle los. Die Croupiers warfen knapp alle zwanzig Sekunden eine neue Kugel ins Rouletterad, die Leute an den Tischen lachten gemeinsam oder sie beschimpften sich, doch das alles übertönte das laute »Ping, Ping« der Spielautomaten. Jetons flossen von einer Hand zur nächsten. Mancher Reiche, der das Lokal besuchte, ging am nächsten Morgen pleite nach Hause, wenn er nicht auch schon das aufs Spiel gesetzt hatte.
Ich lernte hier die unterschiedlichsten Leute kennen: vom Alkoholiker bis hin zum erfolgreichen Geschäftsmann oder eben -frau. Es schien alles möglich zu sein, in einer Stadt wie dieser.
Sogar mein Chef lobte mich. Ich war in der Lage, den Leuten das Geld regelrecht aus der Tasche zu ziehen, denn ich spielte geschickt mit Worten. Vor allem Frauen waren sehr angetan, zugegeben, ich sah ja auch nicht schlecht aus. So ließen sich viele leicht dazu verführen, einen Drink mehr zu nehmen.
Von einem Teil des Geldes konnte ich mir bald eine kleine Altbauwohnung mieten, den Rest musste ich mir leider dann doch leihen. Zum Glück war mein Onkel nicht der Typ, der akribisch alles zurückverlangte.
Kapitel 1
Es war kurz vor vier Uhr morgens, meine Schicht war fast zu Ende, als eine junge Dame das Casino betrat. Sie lief sehr bestimmt zu mir an die Bar. Sofort zückte ich mein Notizheft, um ihre Bestellung aufzunehmen.
»Guten Abend, was darf's sein?«, begrüßte ich sie.
»Ein Spieltisch für morgen Abend. Für vier.«
Ich fuhr mit meinem Finger den Tischplan entlang.
»Da hätte ich um neun noch den da hinten frei«, sagte ich und zeigte auf den Tisch am Ende des Raumes.
»Oh, ein Fensterplatz«, stellte sie vergnügt fest.
»Ja, da kommt man normalerweise nicht so leicht ran.«
Mit einem verlegenen Kichern blickte sie zur Seite.
»Und welchen Namen soll ich mir notieren?«, fragte ich.
»Lina Rain, so wie Regen.«
Während ich ihren Namen aufschrieb, sprach ich ihn für mich mit.
»Ist notiert, Lina Rain, so wie Regen. Darf es sonst noch etwas sein?«
»Das war’s … glaube ich.«
»Bist du dir da sicher?« Ich stützte meinen Arm auf der Theke ab und blickte ihr tief in die Augen. »Man sagt nämlich, dass man bei uns den besten Drink der Stadt bekommt.«
»Ach ja? was macht euren Drink, denn so besonders?«, wollte sie wissen, wobei sie mit ihrer Zunge sanft über die Zähne glitt.
»Ich hab mir sagen lassen, dass jeder, der ihn probiert hat, ein gutes Blatt in den Händen hielt. Also wenn du deinem Glück morgen am Spieltisch etwas auf die Sprünge helfen willst …«
»Na, wenn das so ist. Da kann ich wohl schlecht nein sagen, was?« Sie setzte sich auf den nächsten Barhocker.
Ich bereitete ihr die karibische Spezialmischung mit einem Schuss Rum zu. Die cremig-leichte Konsistenz, die Süße des Rums und der Früchte machten ihn zu einem Dauerbrenner. Auch wenn es sich hierbei nur um einen gewöhnlichen Piña colada handelte, musste es ja keiner wissen. An den Rand setzte ich zu guter Letzt noch ein buntes Schirmchen – et voilà.
Sie zog erst etwas vorsichtig, dann hastiger an dem Strohhalm.
»Der ist echt gut.« Sie war nach wenigen Sekunden am Ende des Glases angelangt, sodass man nur noch ein leises Schlürfen hörte.
»Bist du schon länger in der Stadt?«, wollte sie wissen und stocherte dabei verlegen in dem Crushed Ice rum. Wahrscheinlich hatte sie mich wegen meines leichten Akzents entlarvt.
»Seit etwa zwei Jahren und du?«
»Ach, ich bin mal hier mal da. Ich hab nicht wirklich was Festes.«
Sie zündete sich eine Zigarette an, trank die letzten Tropfen, die sie aus dem geschmolzenen Eis noch kriegen konnte, anschließend kritzelte sie ihren Namen und ihre Nummer auf eine Serviette.
»Warte, dein Restgeld«, rief ich ihr hinterher, bevor sie ging.
»Du kannst es mir ja bei einer anderen Gelegenheit zurückzahlen, wenn wir mal unsere ganz eigene kleine Partie spielen, wenn du weißt, was ich meine.«
Sie beendete ihren Satz mit einem Zwinkern und einer Geste, die andeutete, dass ich sie anrufen sollte. Ich versicherte ihr, dass ich es tun würde, aber dazu kam es nie. Denn als sie durch die Saloontür verschwand, benutzte ich die Serviette nur noch, um den Tisch abzuwischen.
Keine zwei Sekunden später sprach mich ein Kunde an, der zuvor einen Gin Tonic bestellt hatte:
»Hey, du! Ich würd gern zahlen.« Er reichte mir zwanzig Dollar und sagte, ich könnte den Rest ebenfalls behalten, nur dass er natürlich nicht mit mir schlafen wollte.
Ich war dankbar, es kam nicht oft vor, dass jemand so große Summen daließ. Vielleicht zwei bis drei Dollar, mehr waren da sonst nicht drin, und es war nicht mal mehr Wochenende.
Der Mann war schon öfter im »Moonray« gewesen. Er saß immer allein am selben Platz, immer ganz links und nahm stets »das Übliche«.
Sein Jackett legte er auf den Barhocker rechts neben sich, strich die mittellangen Haare hinter die großen Ohren, ehe er das Glas an seinen Mund hob. Meist verschwand er auch so schnell, wie er gekommen war. Doch diesmal blieb er länger. Um genau zu sein, war er mein letzter Gast in dieser Nacht.
»Ich habe gesehen, wie du mit der Lady vorhin geredet hast. Du scheinst ein ausgefeilter Charmeur zu sein und kassierst die Kohle im Handumdrehen mit.«
Ich lachte etwas verlegen. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass er zugehört hat, aber etwas stolz war ich schon.
»Ach, das ist nur eine Verkaufsmasche, nichts Großes«, entgegnete ich.
»Gefällt mir gut, diese Masche. Sag, wie alt bist du?«
»Einundzwanzig.«
Man merkte, dass er etwas überrascht über mein junges Alter war und auch darüber, dass ich ausgerechnet hier arbeitete. Ich klärte ihn darüber auf, dass es nur vorübergehend wäre, weil ich neben dem Studium etwas dazu verdienen wollte und Rechnungen für die letzte Autoreparatur zu begleichen hätte.
»Na, wenn das so ist, hast du ja noch einiges vor dir, aber ich habe dich hier bereits oft beobachtet. Das Geld dürfte da schnell zusammen sein.«
Skeptisch sah ich ihn an.
»Sie haben mich beobachtet, beobachtet inwiefern?«
Er ging erst gar nicht auf meine Worte ein, sondern trank stattdessen sein Glas mit einem weiteren Schluck leer.
»Mach mir einen Whisky, Junge.«
Eigentlich hätte ich jetzt Feierabend, aber nun, da er mir so viel Geld gegeben hatte, konnte ich ihm diesen Wunsch schlecht abschlagen.
Als ich das Whiskyglas vor ihm abstellte und endlich seine volle Aufmerksamkeit hatte, wiederholte ich meine Frage: »Warum haben Sie mich beobachtet?«
»Du scheinst mir ziemlich clever zu sein. Gleich als ich dich das erste Mal sah, wusste ich, dieser Bursche hat das Zeug, etwas Größeres zu werden als eine Servicekraft.«
»Vielen Dank, Sir.«
Wenn eins besser war als das Lob des Chefs, dann war es das Lob der Gäste.
Ich drehte das Öffnungsschild schon mal um, damit keiner mehr reinkam. »Geschlossen« leuchtete es jetzt in grünen und rosanen Neonbuchstaben aus dem Fenster. Naja fast, immerhin saß der Mann noch da vorne an der Bar …
Er strich um den Rand seines Whiskyglases. Das machte mich kirre, denn je länger der Mann hier saß und die Zeit verstreichen ließ, umso länger musste auch ich bleiben.
»Willst du nach Hause? Du siehst ziemlich müde aus, Kleiner«, fragte er, als hätte er meinen Gedanken gelesen.
»Wenn Sie gerade so fragen, gegen etwas Schlaf hätte ich nichts.«
»Hm, wenn du Interesse hast, kann ich dir eine andere Möglichkeit beschaffen, wie du dein nötiges Kleingeld schneller zusammenbekommst. Dann reicht es nicht nur für die Reparatur deines Wagens, sondern vielleicht für einen ganz neuen und noch ein wenig mehr.«
Jeder, der behauptet, dass ihn ein solches Angebot nicht hellhörig machen würde, lügt.
»Reden Sie weiter«, forderte ich ihn auf und legte das Poliertuch erst mal zur Seite.
»Vorher muss ich sichergehen, dass du keinem was davon erzählst. Ich hoffe, man kann dir vertrauen.« Er schob mir etwas Geld über die Theke. Wobei ich mir nicht sicher war, ob ich es hätte annehmen sollen. Ich wollte in dem Moment nur eins wissen: Was könnte denn schon so geheim sein, dass er es mit einem Fremden wie mir teilen wollte?
»Nun gut. Ich hätte da einen Job für dich, aber er ist nicht ganz einfach und nicht ganz legal, sagen wir so.«
Auch wenn ich mir schon denken konnte, worauf dieses Gespräch hinauslief, hakte ich noch mal nach: »Was denn genau?« Er antwortete kurz und knapp: »Handeln.«
Alle, die mich kannten, wussten, dass ich so was nie im Leben tun würde.
»Nettes Angebot, Sir, aber ich bin weder bereit für solche Geschäfte, noch will ich Ärger mit der Polizei … also lassen wir das lieber. Sie nehmen Ihr Geld und ich habe nie etwas davon gehört.«
»Es ist ein einmaliges Angebot. Überleg es dir gut. Ich weiß, dass du das kannst.«
Ich fing an, mich rauszureden: »Ist das nicht gefährlich?«
Der Mann lachte mich aus.
»Er fragt ernsthaft, ob es gefährlich ist.« Er setzte sein Glas ab. »Hör zu, Kleiner.«
»Mein Name ist Richard«, unterbrach ich ihn abrupt.
Ich war nicht gerade groß für mein Alter und hasste es, wenn jemand Andeutungen in diese Richtung machte.
»Meinetwegen, Richard, wenn du einen Job willst, der ungefährlich ist, dann bleib einfach Barkeeper und verbring die Nächte damit, Erbrochenes der Leute wegzuwischen.«
Der Mann hatte nicht ganz unrecht; dieser Job hatte auch seine Schattenseiten …
Er zog seine Jacke wieder an und reichte mir zum Abschied die Hand. Er hatte einen warmen und festen Händedruck.
»Schade, und ich dachte ernsthaft, ich könnte Geschäfte mit dir abschließen, Richard. Aber wenn du nicht willst, dann wünsche ich dir noch einen schönen Abend.« Das Geld ließ er trotzdem liegen.
Als er sich auf den Weg zur Tür machte, stand ich unter einem Druck, den ich nicht beschreiben konnte. Einerseits wusste ich, dass dies eine illegale Angelegenheit war, andererseits wusste ich aber auch, wie viel sie mir einbringen konnte. Wenn ich allein schon an die Schulden bei meinem Onkel dachte, an die letzte Autoreparatur oder etwa an die Miete und alles andere, was am Ende des Monats noch so anfiel, da blieb kaum etwas zum Leben übrig. Und meinen Onkel noch mal fragen … das käme auch nicht in Betracht. Ich hatte es satt, jeden Penny einzeln umdrehen zu müssen, außerdem wäre es ja nur für den Übergang.
»Warten Sie!«, rief ich ihm hinterher. Er drehte sich um. »Ich bin dabei.«
Ein breites Lächeln erschien auf seinen Lippen.
Es stellte sich heraus, dass der Fremde Bordellbesitzer in Pahrump war. Dort ist es – anders als in Vegas und in vielen anderen amerikanischen Städten – unter bestimmten Regeln gestattet, ein Bordell zu betreiben.
Doch das »Bright Night Palace« war kein gewöhnliches Bordell. Es machte seinem Namen alle Ehre, denn tatsächlich sah es aus wie ein riesiger Palast.
In jedem der zehn Stockwerke gab es eine Penthouse-Wohnung und neun Love Rooms, die über ein weites Themenspektrum verfügten: Da gab es zum Beispiel den »Wild Night Safri« mit Fellbettwäsche und einer Leopardenmustertapete, um dem Erlebnis eine wilde Note zu verleihen oder etwa den »Asian Temple« mit Duftstäbchen und Bambuspflanzen. Die Nacht hatte hier schon ihren Preis.
Der Mann und ich standen gerade vor dem Panoramafenster seines Penthouses, das einen fabelhaften Ausblick bot.
»Mach es dir gemütlich, Richard«, sagte der Mann bedächtig, um zu zeigen, dass er meinen Namen behalten hatte. Er wies dabei auf einen der Ledersessel ihm gegenüber. Ich hatte mit meinem Hintern wahrscheinlich noch nie zuvor auf etwas Teurerem gesessen.
Er war nobel gekleidet. Ich hingegen saß in einem schlichten, weißen T-Shirt, Jeans und Turnschuhen vor ihm. Meine Kappe hatte ich schon längst abgenommen und drückte sie nervös zwischen den Händen zusammen, fast so, als könnte ich sie dadurch verschwinden lassen. Ich wollte den Herrn ansprechen, aber dann stockte ich. Mir fiel sein Name nicht mehr ein. Hatte er ihn überhaupt erwähnt?
»Mein Name? Man nennt mich Chester Owen. Meinen richtigen Namen kennen allerdings nicht viele Leute, und glaub mir, je weniger hier über einen wissen, desto besser. Denn jeder treue Freund kann eines Tages dein Feind werden und sich gegen dich wenden, merk dir das, Junge.« Er hob den Zeigefinger, als wäre das die wichtigste Lektion im Leben.
Komisch war der Typ ja schon, aber ich wollte seinen Sinn für Sicherheit in diesem Business nicht unbedingt hinterfragen.
Zwischen uns stand ein kleiner Mahagonicouchtisch mit einer Flasche teurem Champagner und polierten Gläsern.
»Gefällt es dir hier?«, fragte er stolz nach und schenkte uns etwas in die gravierten Gläser.
»O ja! Und das alles gehört Ihnen?«
»Yap, alles meins. Das Penthouse hier ist das größte im ganzen Haus«, entgegnete er lächelnd und strich dabei entspannt über die Armlehne seines Sessels.
Er hielt mir eine schwarze Holzschachtel mit Zigarren hin, nahm sich selbst eine raus und zog sie genussvoll unter seiner Nase entlang.
»Das sind wunderbare kubanische Zigarren. Na los. Greif zu, worauf wartest du?« Die Kappe, die mittlerweile einem Knäuel glich, legte ich aus der Hand und griff nach einer der Zigarren. Ich drehte sie zwischen meinen Fingern, spürte die kleine Markengravur und führte sie vorsichtig erst an meine Nase und dann zu meinen Lippen. Ein Zug reichte schon aus, um zu wissen, dass ich bei gewöhnlichen Zigaretten bleiben würde.
»Die raucht man doch nicht auf Lunge, mein Freund.«
Er schmunzelte und reichte mir dabei ein Glas Wasser.
Als mein Hals wieder einigermaßen frei war, versuchte ich nach dem peinlichen Zwischenfall, das Gespräch in eine andere Richtung zu lenken:
»Wie viel verdienen Sie so im Monat, wenn ich fragen darf?«
»Über Geld spricht man nicht, Junge, aber ich kann dir sagen, dass es eine gute Summe ist, eine sehr gute Summe«, betonte er und pustete vergnügt den Rauch wieder aus.
»Nutten und Koks bringen sicher ‘ne Menge Geld ein und wahrscheinlich genauso viele Probleme«, gab ich frech zurück, weil er mich schon wieder „Junge“ genannt hatte. Er hob daraufhin aufmerksam die Augenbrauen.
»Nicht ganz. Das heißt, wenn man es geschickt anstellt. Komm mit. Ich zeig dir etwas.«
Ich folgte Chester in das nächste Zimmer. Dort übergab ihm eine Frau im knappen Kostüm einen mit Zahlenschloss verriegelten Koffer. Als sie daraufhin stumm das Zimmer wieder verließ, wanderte sein Blick auf ihren Hintern. Sie war mit hundertprozentiger Sicherheit nicht nur hier, um seine Sekretärin zu spielen. Diesen Kommentar verkniff ich mir aber vorsichtshalber lieber.
Er legte den Koffer auf den Tisch und drehte die kleinen Rädchen, bis das Schloss aufklickte, dann schob er den Koffer zu mir, sodass ich einen Blick reinwerfen konnte.
Rauschmittel in den unterschiedlichsten Formen und Farben: von Tabletten über Pulver bis hin zu Flüssigkeiten.
Ich kannte mich damals kaum mit Drogen aus. Man hatte das ein oder andere gehört oder gelegentlich unter uns Studenten einen rumgehen gelassen, aber mehr war da auch nicht. Das, was Chester hier präsentierte, war schon er(n)ste Liga.
»Ach, du Scheiße«, staunte ich. »Woher das alles? Ich meine, das ist doch illegal.«
Noch bevor ich das Wort aussprechen konnte, ließ er den Koffer zuschnappen. Ich hatte gerade noch im richtigen Moment meine Hand zurückgezogen.
»Das System ist wie eine Hierarchie aufgebaut. Du weißt doch hoffentlich, was Hierarchien sind, oder?«
Sicher wusste ich das. Ich hatte den höchsten Abschluss meines Landes erlangt und es würde nicht mehr lange dauern, bis ich endlich meinen Akademikertitel in den Händen hielt. Wen glaubte er überhaupt vor sich zu haben? Er begann, mir auf den Weg zurück in das Hauptzimmer alles mit ausschweifenden Gesten zu erklären, als wäre ich ein Idiot:
»Ganz unten, ja? Da steht der Konsument und ganz oben, da stehen Leute wie ich, die die Kohle kassieren und sich all das hier leisten können.«
»Und wo steh ich dann in dem Ganzen?«, fragte ich skeptisch nach.
»Du bist der Mittelteil.«
Ich blieb abrupt stehen.
»Moment. Der Mittelteil? Das hört sich aber auch ziemlich nach mittlerer Bezahlung bei scheißharter Arbeit an, wenn Sie mich fragen.«
»Aber nein! Ohne dich wäre das Ganze doch gar nicht möglich. Du hast den wichtigsten Part von allen. Du bist der Mittler, das Bindeglied, die erste Anlaufstelle. Ich werde dich gut bezahlen. Da gebe ich mein Wort drauf.«
»Na ja … wie dem auch sei. Sie haben meine Frage immer noch nicht beantwortet; also: Woher kommt das?«
»Ist dir das so wichtig, ja?«
»Schon. Woher soll ich sonst wissen, ob das Zeug nicht gestreckt ist und ich nachher Stress mit den Junkies kriege?«
»Lateinamerika hauptsächlich und ich sorge schon dafür, dass die Ware sauber ist. Denn wenn du auffliegst, dann fliegen wir alle auf.«
»Falls ich mich überhaupt entscheide, hier mitzumachen.«
»Ja, falls du dich entscheidest mitzumachen«, korrigierte er sich ein wenig widerwillig.
Ich ging durch den Raum, um noch mal in Ruhe nachzudenken. »Was lässt dich zweifeln, Richard?«
»Ob ich das überhaupt kann und will.«
Mit zwei Fingern zog er aus dem Inneren seines Jacketts ein kleines Beutelchen hervor.
»Willst du es nicht herausfinden?«
Darmowy fragment się skończył.