Czytaj książkę: «Das Wunschtraumhaus»

Czcionka:

Ingrid Neufeld

Das Wunschtraumhaus

Eine Zeitreisegeschichte für Kinder

Dieses ebook wurde erstellt bei

Inhaltsverzeichnis

Titel

Prolog

Letzter Schultag!

Endlich Ferien!

Hauptsache gesund!

Eine Lücke in der Mauer

Nichts geht nach Plan!

Stress im Park

Eine rätselhafte Zeichnung

Wasserspaß

Lagebesprechung

Vom Erdboden verschluckt!

Frau Pilatus

Das Urteil

Auf der Flucht

Unglaublich

weiteres Lesevergnügen

Impressum neobooks

Prolog

Unscheinbar und unauffällig duckte sich das kleine Haus in die großzügige Parklandschaft, so als wollte es gar nicht gesehen werden. Die in einigem Abstand dahinter stehenden Bäume bildeten mit ihrem dichten Grün eine undurchdringliche Hecke und schirmten es ab, wie eine Wand. Zu seiner Stirnseite spiegelte es sich in einem See. Seit rund vierhundert Jahren stand das Haus nun an seinem Platz, trutzig und unverwüstlich. Trotzdem hatten die Jahrhunderte ihre Spuren hinterlassen. Unter unzähligen Stürmen war der Putz abgeplatzt und die Mauern verfielen langsam. Fledermäuse hatten sich zeitweilig den Dachstuhl als Quartier ausgesucht. Vögel nisteten im Gebälk und verschandelten das Haus mit ihrem Dreck. Das ganze Häuschen bestand nur aus einem einzigen Raum, mit zwei Fenstern an jeder Breitseite. Ein früherer Besitzer hatte drei davon zumauern lassen. Nur ein Fenster gab es noch, das allerdings mit schweren Holzläden verschlossen war. Deshalb ähnelte das Haus einem Kopf ohne Augen, es war als hätte es kein Gesicht. Die alte Tür aus massivem Eichenholz quietschte in ihren Angeln und ließ sich nur schwer öffnen und schließen. Doch dem Haus fehlte noch mehr, als nur ein Gesicht. Ihm fehlte das Leben. Es war leer und unbewohnt. Dabei hätte es soviel zu erzählten gehabt. Seit Hunderten von Jahren verbarg es ein Geheimnis. Niemand ahnte etwas davon. Denn das baufällige Äußere erwies sich als gute Tarnung für etwas, von dem so viele Menschen träumten. Das Haus hütete dieses Geheimnis gut, noch nicht einmal der Graf, dem der Park samt dem Häuschen gehörte, ahnte etwas davon. Das Haus blickte in den See, der sein gesichtsloses Antlitz zurückwarf und sein Geheimnis teilte. Im dichten Schilf, das sich Halm an Halm bis zum Ufer ausbreitete, war es gut aufgehoben. Nur manchmal, wenn ein leiser Wind wehte, schien es, als würden es sich die Bäume untereinander zuwispern. Doch da war niemand, der es hörte.

Letzter Schultag!

„Peng!“ Knapp schoss die Kreide an meinem Kopf vorbei. Erschrocken riss ich mich von meinem Traum los. In meinen Tagträumen lag ich am Strand, die Füße im Meerwasser und das Gesicht in die Sonne gestreckt! Jetzt hatte mich die Wirklichkeit wieder. Statt am Strand saß ich in diesem langweiligen Klassenzimmer und sah mich nach diesem Volltrottel um, der mir meine angenehmen Gedanken missgönnte.

Frau Stumpf, die Lehrerin, stand vorne an der Tafel und schrieb gerade einen Satz hin. Sie hielt die Kreide noch in der Hand und hatte sie bestimmt nicht geworfen!

Empört schaute ich mich um. Jonas schnitt mir eine Grimasse und grinste frech. Na klar, er war der Kreidewerfer!

Ich streckte ihm die Zunge heraus und wandte mich ab. Heute am letzten Schultag wollte ich mich nicht mehr ärgern lassen.

Morgen begannen die Ferien und da wollte ich nur noch faulenzen und meine freie Zeit genießen.

Der Unterricht ging in die letzte Runde, trotzdem fragte Frau Stumpf die vier Fälle ab.

„In welchem Fall steht „das Haus“ in diesem Satz, Anna-Maria?“

Wieso wollte sie das gerade von mir wissen? Wo ich doch meinen Sender schon abgeschaltet hatte und ich voll auf Pausentaste stand. So hatte ich ihre Erklärungen auch nicht mitgekriegt.

„Was war das noch mal?“, flüsterte ich Jana, meiner Freundin und Banknachbarin zu.

„aschmgmmm.“, hörte ich. Doch das konnte nicht stimmen. Soviel wusste ich immerhin.

„Hab die Frage nicht verstanden“, zögerte ich meine Antwort hinaus.

Die Lehrerin seufzte, wiederholte aber geduldig ihre Frage.

Die Antwort wusste ich trotzdem nicht.

Flehentlich schaute ich zu Jana hinüber.

Warum musste das immer mir passieren? Es gab 28 weitere Kinder in dieser Klasse. Aber nein, sie fragte ausgerechnet mich, obwohl ich gerade im sonnigen Süden von Mallorca weilte. Gedanklich, versteht sich.

Jana formte ihre Hände zu einem Trichter und flüsterte lauter: „aschm…all“.

Hatte ich schon Meerwasser in den Ohren? Ich verstand kein Wort. Vielleicht lag es auch am allgemeinen Geräuschpegel. Heute am letzten Schultag nahm es keiner mit dem Aufpassen besonders genau. Die meisten Mitschüler hingen ziemlich teilnahmslos auf ihren Stühlen herum, schwätzten, kicherten und hatten den Kopf voll mit Dingen, die nicht in die Schule gehörten.

Hilflos zuckte ich mit den Achseln.

Jana wiederholte: „…er….all“

Da traf mich der Geistesblitz. „Im Wer-Fall natürlich.“, antwortete ich, als sei das das Selbstverständlichste von der Welt.

„Schön“, lobte mich Frau Stumpf. „Und wenn du mir jetzt noch den lateinischen Begriff dafür sagen kannst…“

Die hatte Nerven. Konnte ich natürlich nicht. Jetzt war ich so stolz darauf, wenigstens den Fall erkannt zu haben – und jetzt wollte sie das auch noch auf Latein hören!

Wir waren Grundschule, vierte Klasse. Wusste sie das nicht mehr?

Frau Stumpf zupfte ihren Rock zurecht und setzte sich die Brille wieder auf. Sie war kurzsichtig und brauchte ihre Brille, um auch die weiter weg sitzenden Schüler zu erkennen. Einmal haben wir ihr die Brille versteckt, weil wir dachten, dass sie uns dann nicht mehr aufrufen kann. Doch leider hatte sie ein sehr gutes Gedächtnis. Deshalb wusste sie unsere Sitzordnung auswendig. Wir sind ihr nicht entkommen. Stattdessen musste die ganze Klasse nachsitzen.

Doch jetzt schaute sie durch ihre Gläser. Ihr Blick blieb auf Jana hängen.

„Jana, wie heißt dieser Fall auf Latein?“

Wie sollte Jana das wissen? War sie vielleicht Lateinerin? Oder auf dem Gymi? Ich wollte schon bedeutungsvoll mit den Augen rollen.

Da hörte ich Jana sagen: „Nominativ!“ Ganz selbstverständlich.

Ich fasste es nicht. Diese Streberin. Uns anderen Unwissenden so in den Rücken zu fallen!

Hoffentlich ist es falsch, dachte ich und schaute erwartungsvoll zur Lehrerin.

Doch die nickte zufrieden.

„Sehr gut, Jana!“

Jana war meine Freundin. Deshalb konnte ich ihr nicht gut beleidigt sein. Ich verzieh ihr also großzügig. Das heißt, sie wusste das natürlich nicht. Sie sah nur, dass ich ihr zulächelte.

Trotzdem saß ich langsam wie auf Kohlen. Wie lange dauerte der Unterricht eigentlich heute? Die vier geplanten Stunden kamen mir länger vor, als sonst sechs.

Der Zeiger der Uhr kroch so langsam vorwärts, dass sogar eine Schnecke ein Rennpferd dagegen war.

„Inzwischen bin ich zu Fuß nach Mallorca gegangen“, seufzte ich innerlich. Ohne zu überlegen, dass ich dabei übers Wasser laufen müsste.

Endlich, endlich, teilte die Lehrerin die Zeugnisse aus. Auf den Teil des heutigen Tages hätte ich liebend gerne verzichtet. Zum Einrahmen eignete sich mein Zeugnis sowieso nicht. Wenn es nach mir gegangen wäre, hätte ich es sofort im Altpapier entsorgt. Aber meine Eltern wollten es ja unbedingt sehen. Natürlich mussten sie es auch noch ungefragt kommentieren. Dazu kamen dann sicherlich wieder diese völlig unqualifizierte Fragen, wie: „Wie stellst du dir eigentlich deine Zukunft vor?“ und „Was willst du eigentlich werden?“

Für meine Berufswünsche „Schauspielerin“, oder kurz und bündig „berühmt“, hatten sie irgendwie nichts übrig.

Völlig unverständlich. Denn schließlich profitieren sie doch auch, wenn ich eines Tages reich werde.

Ich sah nicht ein, weshalb ich da unbedingt lauter Einser und Zweier brauchte. Ich glaubte nicht, dass die Reichen, wie, sagen wir mal die Geißens, so gut in der Schule waren!

Jedenfalls wunderte ich mich nicht, als Frau Stumpf mir das Zeugnis gab, mit den Worten: „Du hättest dich mehr anstrengen sollen, Anna-Maria.“

Das würden mir meine Eltern zu Hause noch mal sagen.

Ich packte das Zeugnis in die Schultasche, ließ die Schnallen zuschnappen und wartete auf den Schulgong.

Endlich konnte ich der Schule für sechs lange Ferienwochen den Rücken zukehren!

Endlich Ferien!

Wir flogen nicht nach Mallorca. Doch das wusste ich noch nicht, als ich nach Hause ging. Ein Gutes hatte das immerhin: mein Zeugnis war in diesem Jahr nebensächlich. Als ich nämlich zu Hause ankam, war alles in hellem Aufruhr.

Der Krankenwagen fuhr gerade vor und trug meinen Vater auf einer Bahre an mir vorbei. Ich stand starr vor Staunen am Straßenrand und begriff erst einmal gar nichts. Dann ließ ich es mir von meiner Mutter erklären.

Eigentlich wollte sich mein Vater bloß die Zeitung ins Haus holen. Er spazierte zum Briefkasten und fischte sich die Zeitung heraus. Bis dahin ging auch alles gut. Er nahm also die Zeitung und war schon fast im Haus. Aber statt einfach hineinzugehen, las er sich an der Titelseite fest. Vielleicht vertiefte er sich in die Börsenberichte. So genau wusste das keiner. Hinterher hat sich niemand mehr dafür interessiert, was mein Vater eigentlich gelesen hat.

Jedenfalls achtete er nicht auf seine Umgebung und schon gar nicht auf die Bananenschale, die mir am Tag zuvor aus der Mülltüte gerutscht war. Ungern gebe ich zu, dass ich die eigentlich hätte aufklauben sollen, aber ich dachte ist ja Bio – verwest eh. Ich überlegte gar nicht, dass das länger dauern könnte. Jedenfalls vertrug sich die Bananenschale nicht mit den Schuhen meines Vaters, sondern rutschte einfach weg. Mein Vater dagegen knallte auf das harte Pflaster, wobei seine alten Knochen erheblich an Elastizität zu wünschen übrig gelassen hatten. Sie hielten die unsanfte Landung nicht aus. Soweit meine Mutter.

Den Krankenwagen hatte ich ja schon gesehen. Mein Vater kam ins Krankenhaus. Dort diagnostizierte der Arzt einen Oberschenkelhalsbruch.

Da lag er nun und wir flogen nicht nach Mallorca.

Noch am selben Tag telefonierte ich stundenlang mit Jana und überschüttete sie mit meinem Elend. Leider hatte sie gar kein Verständnis. „Jetzt hab dich nicht so, andere fahren auch nicht in Urlaub.“

Und so was nennt sich beste Freundin. Wenn sie es nur einmal gesagt hätte, aber nein, sie wiederholte es bestimmt dreimal.

Sie erinnerte mich daran, dass sie auch nicht in den Urlaub fuhr. Als ob das was änderte…

Genervt legte ich auf und vertraute mein Elend meinem Bärchen an. Ein Kuscheltier, das ich eigentlich schon längst ausgemustert hatte, weil ich schon viel zu groß dafür bin. Aber manchmal ist es doch ganz gut, wenn man wenigstens einen hat, der einen versteht…

Nach einer halben Stunde rief Jana wieder an.

„Stell dir vor“, begann sie. „Ich habe eine Überraschung für dich“.

Da war ich aber mal gespannt. Was konnte das sein?

„Der Alex und der Tom sind in den Ferien auch zu Hause. Sie wollen was mit uns unternehmen!“

Ich wusste nicht, was mehr Spaß bringt, diese Nachricht, oder wenn mir der Staubsauger auf den Fuß fällt.

„Alex und Tom?“, fragte ich, wobei ich versuchte, meine Stimme nicht allzu genervt klingen zu lassen. „Der Alex und der Tom, aus unserer Klasse?“

„Kennst du noch andere?“, wollte sie ziemlich begriffsstutzig wissen.

„Ne, aber die sind doch furchtbar langweilig.“

„Warten wir’s ab.“ Janas Stimme klang auf einmal so geheimnisvoll, dass ich dachte, vielleicht ist es doch besser, den Urlaub mit den beiden, als alleine zu verbringen.

„Also gut, versuchen wir es.“, gab ich nach.

Dann kam der erste Ferientag.

„Anna-Maria, du hast Besuch“, meine Mutter stand an der Tür und schob meine Freundin Jana ins Zimmer. Ich lag noch im Bett und blinzelte unter der Decke hervor. Ein Blick zum Wecker: Der Zeiger stand auf halb zehn. Nanu, hatte ich mich im Datum geirrt? Heute war doch unser erster Ferientag?

Was wollte da Jana in aller Herrgottsfrüh, wenn jeder halbwegs normale Schüler in seinen wohlverdienten Ferien noch im Tiefschlaf lag? Hatte sie nichts Besseres zu tun? Die Gedanken hingen zusammenhangslos wie herumschwebende Seifenblasen in meinem Kopf.

Ich war viel zu müde, um auch noch zu reden. Stattdessen grummelte ich nur, machte eine abwehrende Handbewegung und drehte mich zur Wand, um weiter zu schlafen. Falls ich dachte, dass sich Jana davon abschrecken ließe, oder gar wieder verschwinden würde, lag das daran, dass ich noch halb träumte. Denn Jana ließ sich natürlich nicht davon abhalten, mich aus dem Bett zu werfen.

„Raus!“, rief sie und zog mit einem Ruck meine Decke weg. „Hast du vergessen, dass wir mit Alex und Tom was ausgemacht haben?“

Allerdings, das hatte ich! Mit einem Schlag war ich hellwach. Kerzengerade setzte ich mich im Bett auf. Heute am ersten Ferientag wollten wir mit Alex und Tom über die vor uns liegenden Wochen sprechen. Ich bekam die Krise, als es mir wieder einfiel: Wir vier waren die einzigen in der ganzen Klasse, die nicht in Urlaub fahren würden. Diese Erkenntnis machte mich platt. Seufzend ließ ich mich wieder in meine Kissen fallen.

„Aufstehen!“, wiederholte Jana. „Tom und Alex sind schon ganz heiß darauf, sich was Tolles für unsere Ferien auszudenken, lauter Dinge, die echt Bock machen!“

„Ist ja krass!“, murmelte ich ohne große Begeisterung und zog meine Decke ins Bett zurück. Behaglich kuschelte ich mich wieder ein. Ich hielt Tom und Alex nicht gerade für Ideensprühende Zeitgenossen.

„Jetzt mach schon!“, forderte Jana ungeduldig.

Sie stand neben meinem Bett und sah richtig ausgeruht aus. Jedenfalls war sie im Gegensatz zu mir schon fix und fertig angezogen, mit Jeans und T-Shirt. Sie trat von einem Bein aufs andere und brachte ihren braunen Pferdeschwanz zum Wippen.

„Alle fahren sie in die Ferien – nur wir nicht“. Dass ich herummaulte, obwohl mich mit der liegen gelassenen Bananenschale zumindest eine Mitschuld traf, kann ich mir nur damit erklären, dass so früh am Morgen mein Denken noch nicht eingesetzt hatte. Denn eigentlich hätte ich vom schlechten Gewissen geplagt völlig verstummt sein müssen.

Außerdem gab es Mitschüler, die auch nicht in den Urlaub fuhren. Die Familie von Jana gönnte sich nur jedes zweite Jahr einen Urlaub und in diesem Jahr eben nicht. Toms vielbeschäftigter Vater war in den Ferien unabkömmlich, das heißt er bekam nicht frei und warum Alex nicht in den Urlaub fuhr, hatte ich vergessen. Jedenfalls waren wir vier die einzigen, die daheim bleiben mussten.

Normalerweise gab ich mich mit Tom und Alex nicht ab. Na ja, Mama sagt immer, man darf keine Vorurteile haben. Aber Tom und Alex fand ich trotzdem uncool. Der Alex passte nie auf, dauernd zappelte er mit dem Stuhl hin und her, redete immer wieder rein. Das nervte! Der Lehrerin gefiel das auch nicht. Sie war manchmal richtig sauer. Trotzdem störte der Alex weiter. Der Tom war zwar ganz nett drauf, jedenfalls hatte er mich schon mal die Hausaufgaben abschreiben lassen, aber man konnte sonst nichts mit ihm anfangen. Sogar die langsamsten Mädchen in unserer Klasse waren schneller als er und ich wettete, dass er ohne seine Mami abends nicht einschlafen konnte. Alle in der Klasse hielten ihn für Mamas Liebling. „Mama-Kind“, nannten sie ihn alle. Und jetzt wollten die beiden mit Jana und mir die Ferien verbringen. Meine Begeisterung darüber hielt sich echt in Grenzen.

Langsam krabbelte ich aus meinem Bett und ich bequemte mich ins Bad. Ich schaute in den Spiegel und überlegte, ob diese wässrig blauen Augen wirklich mir gehörten. Mit der Knubbelnase und den kurzen rotblonden Haaren hätte ich eigentlich beim Schultheater als Sams gehen können. Mist. Meine Sommersprossen sahen diesem Sommer besonders uncool aus.

Während ich mich wusch und anzog, hörte ich wie sich Jana über meine Unzuverlässigkeit ausließ.

„Wenn man was ausmacht, muss man sich auch daran halten!“, behauptete sie.

Es war viel zu früh, um sich zu streiten, deshalb gab ich ihr einfach Recht.

Nachdem mir meine Mutter auch noch einen Kakao aufgedrängt hatte, verließen wir gegen halb elf Uhr die Wohnung.

Wir trafen uns auf dem Bauernhof von Alex. Jetzt wusste ich wieder, warum Alex nicht in die Ferien fuhr: seine Familie konnte die Kühe und was sonst noch so herumwuselte nicht alleine lassen.

Tom kam uns gleich entgegen: „Da seid ihr ja endlich!“

Er war zwei Schritte gerannt und schnaufte, als wäre er kilometerweit gejoggt. Ich überlegte, ob er wohl Asthma hätte. Meine Oma schnaufte beim Gehen genauso. Er fuhr sich durch die streichholzkurzen, blonden Haarstoppel. Seine hellblauen Augen, die mich irgendwie an das Schweinchen Babe aus dem Film erinnerten, huschten zwischen mir und Jana hin und her.

„Sorry, aber wir haben uns echt beeilt!“, behauptete ich.

„Wo ist denn überhaupt der Alex?“, wollte Jana wissen und lief schon in Richtung Stall. Ich sah ihr seufzend hinterher. Wo sollte er auch sonst sein? Und da kam er auch schon aus dem Stall, die Hände in den Taschen des blauen Arbeitsoveralls, schlammverschmierte Gummistiefel an den Füßen und Stroh in den braunen Haaren. Fehlte nur noch eine Mistgabel und der Bauer wäre perfekt.

„Ich zieh mich noch schnell um!“, verkündete er, anstelle einer Begrüßung.

Das war auch gut so. Ich war zwar sehr für landwirtschaftliche Produkte, das heißt meine Mutter. Wir kauften nur Bio und so, aber so viel Landwirtschaft und Natur, dass ich mit einem abhänge, der nach Mist stinkt, musste ich echt nicht haben.

„Passt auf Ronja auf!“, rief er uns noch über die Schultern zu, ehe er im Haus verschwand. Wer um alles in der Welt ist Ronja? Noch ehe ich diesen Gedanken ernsthaft zu Ende denken konnte, schoss ein mittelgroßes Kalb auf uns zu. Da dieses Kalb an einem Ende wie verrückt bellte, musste es in Wirklichkeit ein Hund sein. Das war echt der Hammer! Vor Schreck hätte mich beinahe der Schlag getroffen. Obwohl wir auf dem Land lebten, kannte ich Tiere nur aus dem Fernsehen. Einen Hund hatten mir meine Eltern nie erlaubt und eine Katze wollten sie nicht. Wahrscheinlich bin ich das einzige Kind in Deutschland, das noch nicht mal einen Hamster besitzt. Und jetzt stand ich plötzlich Aug in Auge mit einem aggressiv bellenden Ungeheuer, dem man schon ansah, dass es einem jeden Moment an die Kehle springen würde, wenn… Ja, wenn da nicht die Kette gewesen wäre. Dieses große schwarze Monster lag an einer Kette, an der es allerdings mit Gewalt zerrte. Ich konnte nur hoffen, dass sie kein so billiges Ding aus dem Baumarkt genommen, sondern in eine Spezialanfertigung investiert hatten. Für besonders wütende Kettenhunde, oder so. Denn wie Idefix sah der Köter nicht gerade aus, eher wie der Wolfshund der Weißen Hexe in Narnia. Der Köter fletschte die Zähne, so dass ich seine ungepflegten gelben Beißerchen deutlich sehen konnte.

Was hatte Alex vorhin gesagt? Wir sollten auf Ronja aufpassen? Also musste das wohl Ronja sein, überlegte ich. Auf gut Glück, probierte ich deshalb: „Sitz Ronja! – Ronja aus!“ Doch entweder war dieser Köter echt schlecht drauf, oder sie hatten ihm kein Benehmen beigebracht. Jedenfalls bellte er sich weiter die Seele aus dem Leib, wenn er denn eine gehabt hätte. Mir brach der Schweiß aus. Irgendwie fand ich es anstrengend, ständig von so einem bedrohlich aussehenden Riesenkalb angebellt zu werden. Dass es an einer Kette lag, machte das Vieh auch nicht sympathischer. Langsam wurde ich ungemütlich. Konnte denn der Alex nicht endlich kommen und seinen Kampfhund zurückpfeifen? Vorsichtig warf ich Tom und Jana einen Blick zu. Auch wenn die vielleicht mehr Erfahrung mit Tieren hatten, schien es ihnen wie mir zu gehen. Tom hatte sich so weit es ging an den Stall gedrückt. Sein kreideweißes Gesicht war so was von farblos, gerade als hätte ihm ein Vampir alles Blut herausgesaugt. Doch selbst Jana, die normalerweise sogar Spinnen anschauen konnte, ohne gleich umzufallen, schaute aus, als sei sie einer Ohnmacht nahe. Wir waren alle fix und alle und ziemlich schlecht drauf, als Alex endlich wieder auftauchte.

„Ronja aus!“, befahl er dem tobenden Killerhund. Keine Ahnung, was er anders gemacht hatte, als ich. Jedenfalls verstummte das Riesenvieh sofort. Langsam, allerdings nicht ohne uns aus den Augen zu lassen, zog sich der Hund in seine Hütte zurück. Er wedelte auch jetzt nicht mit dem Schwanz und zeigte uns deutlich, dass er uns nicht leiden konnte.

„Dein Hund nervt!“, warf ich Alex vor.

„Weshalb hast du uns nicht gewarnt?“, fragte Tom. Mit seinem Stottern erinnerte er mich an einen kaputten Autoanlasser.

„Hab ich doch!“, erinnerte Alex. „Ich hab doch gesagt, dass ihr auf Ronja aufpassen sollt.“

Toms Atem rasselte schon wieder. Über sein Gesicht perlten Schweißtropfen. Dabei war es gar nicht übermäßig warm. „Du hast aber nicht gesagt, dass Ronja ein Wolf ist“, beschwerte er sich.

Jetzt lachte Alex. Dabei sah er ziemlich dämlich aus. Fand ich jedenfalls. Was Tom zuviel an Kilos mitbrachte, hatte Alex eindeutig zu wenig. Jedes Skelett hätte einen Schönheitswettbewerb gegen ihn gewonnen. Alles war spitz an ihm: die Nase, das Kinn, von Ellbogen und Knien einmal ganz zu schweigen.

„Du wirst doch wohl noch den Unterschied zwischen Wolf und Hund kennen“, neckte er Tom.

„Ich hatte vorhin nicht das Gefühl, dass dein Hund weiß, dass er kein Wolf ist.“, meinte Jana.

„Er ist halt ein Wachhund“, stellte Alex fest. Das erklärte natürlich alles. Obwohl ich eigentlich der Meinung bin, dass es im Endeffekt keinen Unterschied macht, ob man von einem Wolf oder einem Wachhund zerrissen wird.

Gleich neben dem Bauernhof lag eine wunderschöne Obstwiese. Die gehörte Alex Familie und dorthin führte er uns jetzt. Inmitten der Wiese standen eine Bank und ein Tisch. Der richtige Ort, um zu picknicken. Das erkannte ich sofort.

Wir pflanzten uns auf die Bank und diskutierten darüber, wie wir die Ferien verbringen wollten. Dabei stellte sich schnell heraus, dass wir ein zusammengewürfelter Haufen aus Leuten waren, die eigentlich nichts miteinander anfangen konnten. Jana und ich, wir waren schon immer gute Freundinnen. Eigentlich hieß sie ja Maximiliane. Aber wer spricht so einen Namen wirklich aus? Ihre Mutter versuchte es mit Ane, aber da musste sie allen Leuten erklären, dass die Tochter Aaaane hieß, mit einem „n“, und das war ihr auf die Dauer zu stressig. Irgendwann wurde dann „Jana“ aus „Ane“. Klingt auch irgendwie besser.

Jedenfalls kannte ich Jana, schon aus dem Kindergarten. Schon da haben unsere Mütter regelmäßige Spielnachmittage organisiert. Als wir dann in die Schule kamen, saßen wir von Anfang an nebeneinander, haben zusammen Hausaufgaben gemacht und gespielt. Natürlich zofften wir uns manchmal auch, so wie damals, als ich Janas Lieblingsstift aus ihrem Mäppchen genommen hatte. Eigentlich wollte ich ihn mir bloß ausleihen. Doch dann war er mir unter den Tisch gefallen und ich hatte ihn nicht mehr wiedergefunden. Damals war mir die Jana wochenlang beleidigt gewesen. Bis dahin hatte ich gar nicht gewusst, dass man so beleidigt sein kann. Erst als ich ihr dann von meinem Taschengeld einen ähnlichen Stift gekauft hatte, war sie mir wieder gut. Seitdem sind wir die besten Freundinnen.

Aber der Alex und der Tom sind zwei Buben, mit denen wir beide bisher kaum was zu tun hatten. Allmählich dämmerte mir auch warum. Tom fand ich schon immer dämlich. Wenn Jana und ich bei schlechtem Wetter völlig durchnässt bei der Schule ankamen, weil es so schüttete, dass unseren Haaren nicht mehr anzumerken war, dass wir sie in aller Frühe ewig in Form gefönt hatten, stieg er trocken und relaxt aus dem Auto. Seine Frisur saß – wie in der Werbung. Und wenn nicht, war Mama zur Stelle und hielt sogar den Schirm über ihn. „Mama-Bubi“ – Kein Wunder, dass ihn alle so nannten.

Außerdem war er völlig kindisch. Anstatt vernünftige Vorschläge einzubringen, meinte er; „Ich hol meine Autos, oder vielleicht die Legos. Da weiß ich was richtig Gutes…“

Ich verdrehte die Augen und schaute Jana an. Wir verkniffen uns nur mühsam das Lachen. Aber wir wollten es uns mit unseren einzigen Ferienkontakten nicht verderben, deshalb – und nur deshalb – hielten wir uns zurück.

Der Alex war auch so einer. Der meinte doch glatt, wir könnten ihm auf dem Bauernhof helfen. Traktorfahren wäre doch echt geil!

Aber ohne mich! So hatte ich mir meine Ferien jedenfalls nicht vorgestellt. Ich werde doch den Badeanzug nicht mit einer Mistgabel tauschen.

Die einzigen vernünftigen Vorschläge kamen von Jana und mir. Allerdings stießen wir bei den anderen auf keinerlei Verständnis.

„Radfahren ist viel zu anstrengend!“ Dass Tom so was sagte, wunderte mich nicht. Der kippte doch schon um, wenn er ein Fahrrad bloß anschaute. Dass aber auch Alex nur die Stirn runzelte, verstand ich nicht so ganz. Der war doch durchtrainiert, bei der vielen Arbeit auf dem Hof!

Auch schwimmen fand keine Resonanz. Nur als ich picknicken vorschlug, konnte ich zumindest Toms Zustimmung erreichen. Kein Wunder, wenn’s ums Essen geht!

„Cool! Da bin ich dabei!“, rief er begeistert. Er leckte sich sogar schon voller Vorfreude die Lippen. Fehlte nur noch, dass er auch noch zu schmatzen anfing.

Alex fand die Idee nicht so prickelnd. „Ist doch langweilig. Herumsitzen und essen.“

„Solange du keinen besseren Vorschlag hast“. Das hatte ich gerne, kritisieren und selbst nichts einbringen.

„Ihr wollt ja nicht Traktor fahren.“ Jetzt war er auch noch beleidigt. Das durfte doch nicht wahr sein. Dämliche Vorschläge bringen und eingeschnappt sein, wenn man diese nicht ernst nahm.

Irgendwie hatte ich jetzt gar keine Lust mehr, mich noch länger mit diesen Langweilern abzugeben. Ich fand sie fad und voll ätzend. Trotzdem ließ ich mich dazu überreden, ein Picknick für den nächsten Tag zu organisieren.

Aber dann zog ich Jana mit mir fort. „Komm mit, damit Alex in Ruhe seine Kühe füttern kann.“

Alex rief uns nach: „Bleibt doch da. Ich hab Zeit. Heut ist doch mein Bruder dran, mit dem Stall ausmisten.“

Doch das war mir gleich. Sollte er mit Tom spielen und Autos spazieren fahren, oder mit Legos irgendwelchen Kram bauen, auf den Jungs so stehen. Ich hatte jedenfalls keinen Bock mehr auf die Beiden.

„Das können Ferien werden, mit den Typen!“, teilte ich Jana meine Befürchtungen mit. Da Jana meine Freundin war, verbrachten wir den restlichen Tag, indem wir über die beiden genussvoll ablästerten. Wenn sie schon für sonst nichts gut waren, dann wenigstens für unsere Lästerrunde. So wurde es doch noch recht amüsant.

Für den nächsten Tag hatte ich Jana eingeschärft, mich auf keinen Fall vor elf Uhr abzuholen. Ich wollte endlich ausschlafen und dachte gar nicht daran, mir dieses Vergnügen von irgendjemandem vermiesen zu lassen.

Doch wie das so ist, wenn man ausschlafen kann: Man wacht in aller Herrgottsfrüh um acht Uhr auf. Nachdem ich mich eine Stunde erfolglos im Bett herumgewälzt hatte, stand ich auf. Was geht denn jetzt ab, dachte ich und fühlte mich nicht gerade besonders gut gelaunt. Das ganze Jahr über hatte es meine Mutter nur sehr schwer geschafft, mich aus den Federn zu werfen und jetzt wachte ich ganz von selbst und viel zu früh auf!

Was mache ich denn jetzt bis elf?

Mama stellte Cornflakes auf den Tisch. Missmutig löffelte ich meine Frühstücksflocken.

„Was bist du denn so schlecht drauf?“, fragte mich meine Mutter. „Lars ist schon um acht Uhr los und seitdem auf dem Spielplatz.“

„Musst du mich auch noch an deeen erinnern?“, meine Laune wurde dadurch auch nicht besser.

Lars war mein kleiner Bruder und wurde mir ständig vorgezogen.

Ich schob meine Müslischüssel zurück und ging an den Kühlschrank. Dort suchte ich nach Zutaten, um das Picknick vorzubereiten. Wie gut, dass meine Mutter immer jede Menge Grünzeug zu Hause hatte. Das würde für einen schönen Salat reichen. Außerdem schmierte ich ein paar Häppchen, putzte Karotten und packte alles in einen Korb. Ein paar Becher dazu, Mineralwasser und Servietten. Ich ließ mir Zeit und genoss es fast, diese kleine Mahlzeit zuzubereiten.

Wenn jetzt die Jana auch noch was mitbrachte, konnten wir tafeln, wie die Könige.

Doch es war elf Uhr und die Jana kam nicht. Zuerst dachte ich mir nichts dabei, aber dann wurde ich allmählich ganz zappelig. Wo blieb sie nur. Ich malte mir schon aus, wie sie von einem Lastwagen erfasst wurde und jetzt platt wie ein Brett mitten auf der Straße lag. Bestimmt konnte sie deshalb nicht pünktlich bei mir sein. Ich war gerade dabei, dicke Tränen um die arme Jana zu vergießen, als es um halb zwölf Uhr endlich klingelte. Jana stand mit ihrem Fahrrad vor der Haustür. Gesund und unversehrt. Das Rad hatte sie mit einem Korb und zwei Tüten vollbepackt. Sofort vergaß ich meine Sorgen um sie.

„Was schleppst du denn alles mit herum?“

„Wollen wir picknicken, oder wollen wir nicht?“, fragte sie zurück. Sie saß abfahrbereit auf dem Sattel und wippte ungeduldig mit den Füßen.

„Wir sind spät dran, beeil dich!“ Das sagte sie jetzt mir. Dabei war sie es doch, die viel zu spät dran war. Seufzend schnappte ich meinen Korb.

„Tschüß“, rief ich in die Wohnung, wo ich irgendwo meine Mutter wusste. Dann ließ ich die Tür zuschnappen und lief neben Jana her.

Fast kam ich mir wie ein Hund vor. Jana saß lässig auf dem Rad und fuhr gemächlich den Weg entlang, während ich mit meinem Korb hinterher keuchte.

„Wärst halt auch mit dem Rad gefahren!“.

Das war mir inzwischen schon selbst aufgegangen. Aber jetzt kam der Vorschlag reichlich spät.

So fühlte ich mich eben wie ein Lastesel und schleppte mich eins ab.

Als wir ankamen, wischte Tom gerade die Bank sauber. Alex war nirgends zu sehen. Wahrscheinlich musste er seine Viecher babysitten, oder die Hühner füttern. Was man halt so macht, wenn man einen Bauernhof zu Hause hat. Vielleicht dressierte er auch seinen Wolfshund, wer wusste das schon? Dann kam er endlich. Interessiert bemerkte ich, dass er genauso so außer Atem war, wie ich nach meiner Schlepperei.

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9783847642985
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