Czytaj książkę: «Im Urlaub ist es nie langweilig»

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Ilona Focali

Im Urlaub ist es nie langweilig


ILONA FOCALI

Im Urlaub

ist es nie

langweilig


1. Auflage 2020

Verlag Via Nova, Alte Landstr. 12, 36100 Petersberg

Telefon: (06 61) 6 29 73

Fax: (06 61) 96 79 560

E-Mail: info@verlag-vianova.de

Internet: www.verlag-vianova.de

Umschlaggestaltung: Guter Punkt, München

Satz: Sebastian Carl, Amerang

eBook-Herstellung und Auslieferung:

Brockhaus Commission, Kornwestheim, www.brocom.de

© Alle Rechte vorbehalten

Print: 978-3-86616-482-6

e-Pub: 978-3-86616-420-8

Zum 95. Geburtstag meiner lieben Mutter

Gewidmet unserem gesamten Familienclan, der immer wieder für neue Situationskomik sorgt

Vorwort

Eigentlich will ich seit Jahren ein Buch schreiben mit all den lustigen, weniger lustigen, aufregenden, anstrengenden Geschehnissen und den vielen „Das-geschieht-wieder-mal-nur-uns“-Erlebnissen, mit all den Geschichten, die das Leben schreibt und die so interessant sind, dass man sie wirklich aufschreiben sollte. Weil sie uns verändern und weil sie vielleicht auch anderen eine Hilfe sein können, das Leben etwas leichter und humorvoller zu nehmen – und verständnisvoller, wenn man anfängt, mit dem Herzen zu schauen. Nichts geschieht zufällig, davon bin ich heute überzeugt, und jedem Augenblick liegt eine Chance zugrunde, etwas zu verändern oder gar einen Neuanfang zu wagen. Mit diesem Buch möchte ich aber auch einfach nur etwas Sonne und Lachen in den Alltag bringen. Nach dem Lesen dieses Buches nimmt man die Dinge nicht mehr so tierisch ernst. Man geht erfrischt und mit einem äußerst positiven Adrenalinschub wieder in den Alltag.

Jetzt, genau in diesem Augenblick, verspüre ich die unbändige Lust, solch ein Buch zu schreiben. Diese Momente gab es schon öfter in den vergangenen Jahren, aber nie habe ich dieses innere Drängen so stark verspürt wie jetzt. Es lässt keinen Aufschub zu. Man setzt sich hin und fängt an und dann fließt es von allein. Dann ist es einem auch egal, ob die Sternenkonstellationen auf „Pluto-Mars-Saturn-Quadrat mit rückläufigem Merkur“ stehen und die Freundin sagt: „Da kannst du doch nicht mit einem Buch starten!“ Aber ehrlich gesagt weiß ich nicht einmal, wie die Sterne im Moment zueinander stehen. Ich fühle nur eine große Freude und fange an zu lachen, wenn ich an all die lustigen Situationen denke, die ich hier niederschreiben will. Glauben Sie mir, das Material reicht für mehrere Bücher! Und das Leben liefert ständig neues Material. Wie oft habe ich gedacht: „Oh, das muss ich aufschreiben“, und habe es dann doch nicht getan. Aber sie sind alle in meinem Herzen, all diese Episoden, wie auf einer Perlenkette aufgereiht, ganz bunt, und sie steigen wie Seifenblasen auf in mein Gehirn. Und ich muss auch nicht der Reihe nach schreiben. Ich fange einfach an …

Jedes Jahr sind wir mit den Kindern in der Türkei gewesen, zusammen mit meinem Vater, der ein Meister der Situationskomik war und kein Fettnäpfchen ausließ. Die Kinder, eine Tochter und zwei Söhne, sind inzwischen erwachsen und verheiratet und fahren nicht mehr mit uns in Urlaub. Ich denke aber, dass dies bald anders werden wird, sehr bald schon, denn Enkelkinder wachsen aus dem Babyalter heraus und dann können wir wieder Familienurlaube veranstalten.

Und natürlich wird es nicht wie früher sein. Es wird anders sein. Mein Mann ist jetzt der Großvater. Der Großvater von damals, mein Vater, ist nicht mehr dabei, jedenfalls nicht sichtbar. Ich bin mir aber trotzdem ganz sicher, dass er nach wie vor ordentlich mitmischt. Er ist mit dreiundneunzig Jahren verstorben. Bis zum Schluss war er ein liebenswerter Komiker und ein wichtiger Teil unserer Familienreisen, der stets für unvergessliche Momente sorgte, über die wir alle uns heute noch biegen vor Lachen.

Meine Mutter, inzwischen stolze fünfundneunzig Jahre alt, vertrug die Hitze in der Türkei nicht so gut und erst recht nicht den Rummel, den unsere Familie veranstaltete. Sie genoss lieber die Ruhe zu Hause, versorgte Haus, Garten, Hund und Katzen und freute sich auf all die vielen Bücher, die sie lesen wollte. Zum Sommer-Familienclan gehörten auch meine Schwiegermutter, Gott hab sie selig, und Tante Vim, die Schwester meines Mannes. Auch Onkel Ok, der Bruder, gehörte mit seinen „Blitzbesuchen“ in gewisser Weise ebenfalls dazu. Jeder in dieser Familie ist ein Unikat, ich selbst sicherlich inbegriffen. Aber zusammen sind wir ein Tsunami, wo wir auftauchen. Die Freundin unserer Tochter, die wir öfters mitnahmen, erzählt heute noch lachend von unserem Besuch in einer Boutique in Istanbul, wo die Verkäufer vor Erstaunen Mund und Augen aufrissen und hilflos mit den Schultern zuckten, als sich der gesamte Sommer-Familienclan in alle Bereiche des Geschäfts verteilte, wie Flutwasser in den Prielen an der Nordsee, und gezielt Kleidungsstücke aus den Regalen zog, denn jeder wusste, was ihm stand. Was einem nicht stand, wurde sowieso sofort vom Rest der Familie mit Lachsalven lautstark kommentiert. Anschließend hatte man keine Lust mehr auf das Teil, mochte es noch so schön sein.

Nach dem Motto: „Ich brauche nichts“, behängte mein Vater sich derweil mit allen möglichen Kleidungsstücken, stellte sich dann als Model im Schaufenster in Pose und verlangte lautstark, dass man ihn so fotografierte. Nach geraumer Zeit verließen wir dann den Laden wieder, beladen mit unzähligen Tüten, und alle waren zufrieden und glücklich – auch die Verkäufer!

Von nun an erkannten uns die Angestellten dieser Boutique immer sofort, wenn wir das Geschäft betraten, und ließen uns gewähren in Erwartung einer beträchtlichen Summe, die etwas später über den Ladentisch gehen würde. Und falls sich mal ein neuer unter den Verkäufern befand, wurde er von den übrigen sofort zurechtgewiesen: „Nö, lass die mal ruhig machen. Die machen das immer so!“ Sie hatten derweil ihren Spaß mit meinem Vater. Wir haben nie verstanden, wie mein Vater sich stundenlang mit den Leuten unterhalten konnte, obwohl er nur zwei Worte auf Türkisch kannte, die er auf gar keinen Fall verwechseln durfte: Ekmek für Brot und Eshek für Esel. „Alte Landsersprache!“, sagte er dann nur kurz. Und auf unsere fragenden Blicke fügte er noch hinzu: „Na ja, so haben wir uns im Krieg in anderen Ländern verständigt. Kikeriki für Hähnchen oder für ein Ei“, und er bildete mit den Fingern eine Eiform, wobei er wie ein Huhn mit seinen angewinkelten Ellbogen flatterte. „Und Muh für Milch“, sagte er und hob einen imaginären Becher an die Lippen. „Klappt immer!“, versicherte er und lachte.

Nach einem solch anstrengenden Einkaufsbummel gingen wir anschließend meist in ein Restaurant essen. Neun Personen, die einen Tisch belegen und dann mindestens noch dreimal aufstehen, weil der Tisch da drüben oder der dort hinten viel besser ist – solch eine Familie bleibt allen unvergessen, erst recht, wenn das mit einem reichlichen Trinkgeld verbunden ist …

Jedes Mal, wenn all die vielen lustigen Episoden in meiner Erinnerung auftauchen, denke ich: „Das alles musst du endlich mal aufschreiben“, und kichere in mich hinein. Und da ich inzwischen in ein Alter komme, von dem man sagt, dass immer mehr alte Erinnerungen hochkommen, ist es jetzt vielleicht wirklich an der Zeit, sie endlich einmal niederzuschreiben.


Der Anblick einer leeren Abflughalle – zwanzig Minuten vor Abflug – versetzt sicherlich jeden in einen Schockzustand. Wir standen da und erstarrten. Für einen Moment Gehirnleere, Schweißausbrüche, kalte Hände. Dann: “Das kann nicht sein, so was geschieht anderen Leuten, aber nicht uns.“

„Du musst ja immer so rumtrödeln“, sagte mein Mann, obwohl doch eigentlich er noch gemütlich eine Tasse Kaffee trinken wollte, und rannte auch schon los, rüttelte an verschlossenen Glastüren – nichts und niemand. Das gibt es doch nicht …

Das war doch Gate 31, oder nicht? Klar, und auf den Bordkarten stand auch Gate 31, sogar eingekreist von der Stewardess des Abfertigungsschalters. Aber wieso war denn hier niemand – jetzt, zwanzig Minuten vor Abflug?

Vier junge Mädchen kamen und setzten sich hin, in aller Ruhe. Ich wollte sie fragen, aber das ging nicht, da mein Mann bereits um die nächste Ecke gebogen und inzwischen außer Sichtweite war. Ich hastete hinterher mit unserem kleinen Hund, den wir erstmalig in unseren Türkeiurlaub mitnahmen. Zum Glück hatte ich den kleinen Kerl noch nicht in seine Reisetasche verfrachtet, denn mit vier Kilo in einer großen Tasche ist das beim Rennen doch sehr hinderlich.

Ich bog um besagte Ecke und atmete erleichtert auf. Da stand mein Mann, etwas ratlos, denn der Weg gabelte sich hier in drei Richtungen. Just in dem Augenblick kam ein Flughafenangestellter eilig vorbei, den ich anhielt. Mit der anderen Hand erwischte ich gerade noch den Ärmel meines Mannes.

„Entschuldigen Sie bitte, hier steht doch Gate 31 für den Flug der Turkish Airlines nach Istanbul. Aber dort ist niemand und alle Türen sind verschlossen. Die Maschine fliegt doch erst um 14.45 Uhr, also in einer Viertelstunde. Die kann doch noch nicht abgeflogen sein …?“

„Na, dann schauen wir mal auf die Tafel“, und sein Blick ging nach oben – unserer auch.

„Ist kurzfristig geändert worden auf Gate 44. Jetzt aber los! Sind ein bisschen spät dran, oder? Boarding war doch schon um 14.05 Uhr …“

„Danke!“, sagte ich und wir hechteten los – unser Hund fand das klasse.

14.05 Uhr …? Da warteten wir noch mit dem O-Saft an der Kasse, weil die Bedienung zum Klo musste und dann endlich mit einem „Sorry“ die drei Leute bediente, die vor uns warteten. Es war wohl auch nicht ihr bester Tag, denn das dauerte und dauerte … Dann steuerten wir endlich, ich mit meinem O-Saft-Glas in der einen Hand, in der anderen Handtasche, Hundetasche und Leine – mein Mann hatte auf seinen Kaffee verzichtet, weil eh keine Bedienung da war –, auf eine freie Sitzgruppe zu.

Kurz bevor wir den Tisch erreicht hatten, machte mein Mann abrupt auf seinem Absatz eine Kehrtwendung und zischte mir im Vorbeigehen zu: „Da vorne sind … na, du weißt schon, der Zahnarztkollege mit seiner Frau, die damals im Computerunterricht den PC der gesamten Firma zum Absturz gebracht hat … wie hieß die noch mal?“

„Sandra“, sagte ich, „und sie hat damals nicht den PC zum Absturz gebracht, sondern die Festplatte der ganzen Firma gelöscht.“

„Na eben, die meine ich ja. Die fliegen sicher auch in Urlaub. Hab aber jetzt keine Lust, die zu treffen …“, zischte er und war schon um die nächste Ecke zu einer anderen freien Sitzgruppe geeilt.

Endlich saßen wir, der Hund bekam etwas zu trinken und ich hatte gerade meinen Strohhalm im Mund, als ich so ein ungutes Gefühl im Bauch verspürte.

„Sag mal, wie spät ist es eigentlich?“, fragte ich meinen Mann.

Meine Uhr hatte ich an Weihnachten irgendwo in Berlin verloren und die Ersatzuhr war in meiner Handtasche, denn der fehlte ein Zeiger.

„Das reparieren die dir in Istanbul im Handumdrehen mit links“, hatte mein Mann gesagt. „Nimm die mal mit.“

Es war die Uhr, die ich von meiner Großmutter zur Kommunion bekommen hatte, und solche Uhren, geschweige denn solche Zeiger, gibt es heute gar nicht mehr, aber scheinbar wohl doch noch in Istanbul.

„14.25 Uhr, warum? Wann geht der Flug?“

„14.45 Uhr …“

„Was? Ich denke, um 15.45 Uhr?“

„Da hast du mal wieder nicht richtig zugehört“, lag mir auf der Zunge, aber ich schluckte es mit dem restlichen O-Saft hinunter. Mein Mann hätte es sowieso nicht mehr gehört, denn er war schon aufgesprungen und losgespurtet in Richtung: „Das muss da vorne sein.“

„Welches Gate war das noch mal?“, kam atemlos von vorne.

„31“, kam von hinten, genauso atemlos, denn ich versuchte, mit seinem Tempo mitzuhalten – der Hund fand das klasse. Endlich mal ein Spiel, das ihm gefiel.

Da war es endlich – Gate 31 –, aber wie ja vorher schon erwähnt, war die Halle leer, und der Auskunft des Flughafenbeamten folgend, standen wir dann ein paar Minuten später tatsächlich endlich am Gate 44 – aber da war auch niemand mehr.

Kein Wunder, denn inzwischen war es 14.40 Uhr.

Aber nein, da – ganz weit vorne an der Glastür – stand eine kleine Stewardess!

„Halt, wir müssen auch noch mit!“, riefen wir atemlos und legten noch an Tempo etwas zu. Hundchen bellte freudig – das Spiel gefiel ihm richtig gut.

„Auf Sie warten wir schon“, lächelte sie und riss die Bordkarten ab.

„Der Hund muss aber in die Tasche“, fügte sie hinzu.

„Ja, ja, machen wir gleich – im Bus“, und schon waren wir die Treppe runter.

Da stand der Zubringerbus, der die Nachzügler noch aufsammelte. Wir waren also nicht die Einzigen.

„Der Hund muss aber in die Tasche“, sagte der Busfahrer.

„Kann ich gleich im Bus machen – hat die Stewardess gesagt …“

Stimmte zwar nicht ganz, aber dementiert hatte sie es auch nicht.

„Nicht, dass der hier im Bus rumläuft.“ Sein Kontrollblick verweilte auf uns und der Hundetasche, bis Hundchen problemlos in der Tasche Platz genommen hatte und der Reißverschluss zugezogen war.

Zum Glück hatten wir das mit der Reisetasche seit einem Monat täglich geübt. Hundchen vor die Tasche: „Sitz!“ Zwei Leckerlis hinten in die Tasche hinein: „Such!“ Die Suche war immer erfolgreich. Irgendwann wurde dann der Reißverschluss zugemacht – und wieder auf. „Komm! Gut gemacht!“ Streicheln und ein Leckerli.

Allerdings war er nie für längere Zeit in der Tasche gewesen, unser kleiner weißer Chihuahua-Rüde, und so waren wir heilfroh, dass das jetzt so problemlos vonstattenging – die zwei Leckerlis hatte er bereits gefunden.

Worauf wartete denn der Bus noch?

Da kamen sie – die vier Mädels von Gate 31 zusammen mit der Stewardess. Also, da hätte man sich doch einfach nur dazuzusetzen brauchen … Egal, wir waren im Bus, vom Flugzeug trennten uns nur noch ein paar hundert Meter. Tief durchatmen … Vollbremsung – vor uns stand ein großes Gefährt ohne Fahrer, das uns für weitere fünf Minuten vom Flugzeug fernhielt.

„Welche Sitznummer?“, fragte der Steward am Busausstieg, als wir denn endlich am Flugzeug angekommen waren.

„33 A und 33 B.“

„Hinten hoch“, und wir hechteten die Treppe hoch. Hundchen fand das Spiel nun gar nicht mehr lustig und balancierte in seiner bedrohlich schwankenden Tasche wild herum.

Letzte Reihe. Fensterplatz, zum Glück!

Ich weiß nicht, ob das Flugzeug auf die Größe türkischer Menschen ausgerichtet war, die meist wirklich von der Statur her kleiner sind als viele Deutsche, oder ob mir das nur heute auffiel, sodass ich froh sein konnte, kurze Beine zu haben – mein Mann übrigens auch (ist ja sowieso ein türkischer Deutscher). Jedenfalls war nicht ansatzweise daran zu denken, die Hundetasche auf den Boden zu befördern. So füllte sie nun den gesamten Raum von meinem Schoß bis zum Vordersitz und zu meinem Hals aus. Den Gedanken, dass ich so eingepfercht jetzt an die drei Stunden würde sitzen müssen, schob ich mal ganz schnell zur Seite.

Nur der Augenblick zählt! Und in diesem Augenblick saßen wir im richtigen Flugzeug, hatten es geschafft, atmeten tief durch, schauten uns an und mein Mann sagte: „Gute Reise, Süße!“

„Gute Reise, Schatz!“, entgegnete ich.

Das Flugzeug startete und meine Hand streichelte Hundchen durch eine kleine Klappe, die sich oben an der Tasche öffnen ließ. Es dauerte eine kleine Weile, bis ich dem kleinen Mann darin klar gemacht hatte, dass dies kein Ausgang und auch kein Notausstiegsloch war, sondern eine Trösterchenluke, durch die manchmal sogar ein Leckerli gereicht wurde, wenn man denn schön lieb war, das hieß, ruhig blieb. Und er machte das so gut, er war richtig artig. Die Valeriana-Globuli waren wirklich eine gute Idee unserer Tierärztin gewesen.

Wie wir das Thema Essen bewerkstelligten, weiß ich gar nicht mehr. Ich glaube, mein Mann brachte das Wunder fertig, das Essen für zwei Personen auf einem Tablett zu verteilen. Jedenfalls ging es besser als gedacht.

Unser Hund war wirklich großartig! Immerhin war er heute auch schon mit einem Zug gefahren – zum allerersten Mal in seinen neun Lebensjahren.

Angesichts der vielen Staus auf den Straßen hatten wir uns kurzfristig entschlossen, nicht mit dem Auto, sondern diesmal mit dem Zug zum Flughafen Düsseldorf zu fahren, direkt, ohne Umsteigen. Aber Hundchen machte das so gut, als würde er jeden Tag Zug fahren. Auch als uns eine Frau höflich, aber bestimmt aufforderte, den Platz freizugeben, weil der für sie reserviert sei – was übrigens nirgendwo stand und obwohl der Waggon ansonsten leer war –, regte uns das nicht auf. Wir waren ja noch taufrisch. Lächelnd setzten wir uns an einen anderen Platz.

Zweieinhalb Stunden vor Abflug waren wir bereits am Flughafen. Das Einchecken war eine Sache für sich. Wir stellten uns in die bereits lange Reihe, meist türkische Familien mit vielen Kindern und noch mehr Koffern.

Ich atmete genüsslich tief durch. Die Zeit, als wir mit drei Kindern, meinem Vater und meist noch einer Freundin unserer Tochter in Urlaub flogen, war lange vorbei. Wie angenehm und stressfrei war es doch nun zu zweit mit „nur“ zwei Koffern, die nicht einmal annähernd die Größe unserer damaligen Koffer hatten – und mit Hundchen, der sich von seiner besten Seite zeigte und von allen bewundert wurde.

„Internetbuchung an den Nebenschalter.“ Wo dieser Aufruf herkam, das wusste keiner so genau, aber wir reihten uns mit einigen anderen vor dem Schalter gleich nebenan ein. Es dauerte fast eine halbe Stunde, bis wir endlich dran waren. Die Stewardess nahm unsere Unterlagen und meinte dann, wir seien hier nicht richtig und sollten uns doch an die andere Schlange anstellen.

„Da haben wir bereits gestanden. Hier oben steht Internetbuchung, oder nicht? Und wir haben Internetbuchung. Und außerdem wurden wir aufgerufen, uns hier anzustellen.“

„Wer hat Sie aufgerufen?“

„Das weiß ich nicht. Jemand hat das laut gerufen.“

„Sie sind hier trotzdem nicht richtig. Bitte stellen Sie sich nebenan an.“

„Aber wir haben doch Internetbuchung und das steht hier oben dran …“

„Ich ziehe mir das dann von nebenan rüber“, gab sie zur Antwort, was auch immer das heißen sollte. Sie lächelte und das Gespräch war beendet.

Die Schlange, in der wir zu Anfang gestanden hatten, war nun inzwischen doppelt so lang geworden. Wir stellten uns also erneut an, erkannten auch die eine oder andere Familie wieder, die alle ebenfalls dem ominösen Aufruf gefolgt waren.

Langsam rückten wir Stück für Stück auf, bis wir endlich ganz vorne standen. Just in diesem Augenblick rief uns die Stewardess, die uns weggeschickt hatte, wieder zu sich an den gleichen Schalter wie eben.

Auf meine Frage, warum das denn jetzt auf einmal ginge und vorhin nicht, meinte sie nur: „Jetzt geht es.“

„Aha“, sagte ich und fügte hinzu: „Wir haben einen kleinen Hund dabei, der ist angemeldet.“

„Bei uns nicht.“

„Wir haben extra angerufen im Call-Center.“

„Steht hier nicht vermerkt. Wie viel Kilo wiegt er denn?“

„Vier.“

„Nur vier?“

„Ja, nur vier, und er fliegt in der Tasche mit in der Kabine … wie immer.“

(Ich meinte, von nun an wie immer, aber das wusste die Stewardess ja nicht.)

„Also, da müssen Sie zu dem Schalter da drüben gehen und dort den Hund registrieren lassen“, sagte sie und drückte uns unsere Bordkarten und Pässe in die Hand. So kämpften wir uns an diversen Warteschlangen verschiedener Schalter vorbei, allerdings jetzt ohne Koffer, denn die waren bereits auf dem Weg zum Flugzeug.

„Guten Tag, also dieser Hund hier ist eigentlich angemeldet“, sagte ich und reichte die Reisepapiere einer freundlichen Stewardess hinüber.

„Also, bei uns ist er nicht gemeldet.“

„Bitte, hier ist sogar noch der Zettel mit der Telefonnummer vom Call-Center, das die Anmeldung angenommen hat.“ Ich kramte einen kleinen gelben Zettel hervor, auf dem ich die Nummer notiert hatte. Ich selbst hatte mit dem Call-Center telefoniert.

„Mit wem haben Sie da gesprochen?“

„Wie? Das weiß ich doch nicht. Mit einer Frau.“

„Sie müssen sich immer den Namen aufschreiben, dann kann man das zurückverfolgen.“

„Ok. Und jetzt?“

„Also, ich trage den Hund jetzt ein. Wie viel Kilo wiegt er?“

„Vier Kilo.“

„Nur vier Kilo?“

„Ja, und wir nehmen ihn in die Kabine mit. Hier ist seine Tasche.“

„Ok.“

„Könnten Sie ihn bitte für den Rückflug gleich vermerken?“, fragte ich.

„Nein, das geht nicht. Da müssen Sie das Call-Center anrufen. Ich bekomme 28 € von Ihnen.“

„Ok“, sagte ich resigniert und schob zwei Geldscheine hinüber.

„Moment, ich kann nicht rausgeben“, sagte sie und verschwand.

Mein Mann und ich kramten in unseren Taschen und bekamen doch tatsächlich noch 8 € in Münzen zusammen. Und da die Stewardess nun bereits seit fast zehn Minuten verschwunden war, baten wir eine Kollegin, ihr doch bitte mitzuteilen, dass wir das Geld nun passend hätten. Eigentlich waren wir fast so weit zu sagen: „Tun Sie die 2 € bitte einfach in die Kaffeekasse für Stewardessen.“

Es folgte dann der lange Weg mit endlosen Prozeduren durch all die Pass- und Sicherheitskontrollen. Ich war heilfroh, dass unser Hund weder Schuhe an- noch einen Gürtel umhatte. Sein Leinengeschirr allerdings mussten wir insgesamt abmachen. Ich glaube zwar nicht, dass man darin eine Bombe verstecken könnte, aber Mikrofilme, die man außer Landes schmuggeln möchte, hätten sicher Platz darin. Da wir aber weder das eine noch das andere hatten, ging das alles zum Glück problemlos vonstatten. Unser Hund flirtete derweil mit den Damen und knurrte die Herren an …

Bis mein Mann all seine diversen Sächelchen, die eine ganze Schale füllten, wieder in seinen diversen Jacken-, Hemden- und Hosentaschen verstaut hatte, verging eine Ewigkeit. Da sage noch mal einer was gegen Damenhandtaschen! Bei denen hat man wenigstens alles auf einem Haufen beisammen. Sein Gürtel war jetzt auch umgeschnallt und die Schuhe wieder angezogen – und es war noch eine Stunde Zeit bis zum Abflug.

Also Zeit für einen genüsslichen Kaffee für meinen Mann, einen O-Saft für mich und eine Schale Wasser für Hundchen in einem der gemütlichen Cafés ganz in der Nähe von Gate 31.

So stand es jedenfalls auf unseren Bordkarten.

* * *

„Der Mann von der Autovermietung steht gleich am Ausgang mit einem Schild und erwartet euch – den könnt ihr gar nicht übersehen“, hatte unser Sohn gesagt und uns noch einmal den Namen der Firma dick angestrichen.

Aber das Fließband der Gepäckausgabe, auf dem unsere und die Koffer aller Passagiere unseres Fliegers anrollen sollten, hatte einen technischen Defekt, der gleich behoben sein sollte und nach eineinhalb Stunden immer noch nicht behoben war, sodass kein einziger Koffer erschien.

Da wird sich wohl der gute Mann mit dem Schild die Beine in den Bauch gestanden und uns schließlich als „nicht angekommen“ abgeschrieben haben. Jedenfalls stand keiner mehr da mit Schild, um uns zu begrüßen, als wir dann endlich durch das Tor gingen. So fragten wir uns buchstäblich durch die Halle. „Da hinten“, hieß es, und immer noch weiter „da hinten“.

Hundchen, der längst wieder auf eigenen Beinen lief, signalisierte mit Blick und einem telepathischen Bild, dass er dringendst pinkeln müsste. Während der langen Warterei am Gepäckband hatte er bereits eine Schale Wasser geschlabbert.

„Gleich, gleich“, beruhigte ich ihn.

Dann standen wir endlich vor dem Schalter der Autovermietung ganz am Ende der Halle. Auch hier schien es Verzögerungen zu geben. Nach einer Stunde des Wartens war besagter Mann, der uns zu unserem gebuchten Auto bringen sollte, immer noch nicht eingetroffen.

Die Blicke und Bilder von Hundchen wurden nun immer drängender und ließen etwas sehr Unschönes ahnen. So machte ich energisch allen klar, dass ich jetzt mit dem Hund das Gebäude verlassen würde, wo auch immer ich eine Tür nach draußen fände. Und die fand ich auch, ein paar Schritte weiter.

Rasenfläche – wenn auch nur ein paar Quadratmeter – und ein Baum, das war wundervoll und reichte völlig aus. Unser Hund schüttelte sich erleichtert.

Die Tür allerdings, durch die wir hinausgegangen waren, war kein Eingang und von Beamten bewacht, die dem Hund zwar leicht amüsiert beim Pinkeln zugesehen hatten, uns aber nun nicht wieder hineinließen. Vorschrift ist halt Vorschrift. Sie schickten uns mehrere hundert Meter weiter, diesmal „nach vorne“, wo ich mich dann zusammen mit vielen Reisenden, Massen an Gepäckstücken und Chaos noch einmal der ganzen Prozedur der Sicherheitskontrollen unterziehen musste. Es half auch nichts, darauf hinzuweisen, dass ich sozusagen kein Reisender wie alle anderen hier, sondern schon längst angekommen und nur eben mit Hundchen Gassi gewesen war.

Schuhe aus, Gürtel ab, Leinengeschirr vom Hund ab, Handtasche in die Schale … Zum Glück hatte ich meinen Pass dabei. In all den Jahren, in denen wir um die ganze Welt gereist waren, habe ich es mir angewöhnt, immer meinen Pass bei mir zu tragen.

Hundchen sah sein Herrchen schon von Weitem, der immer noch auf derselben Bank saß und wartete.

„Du sitzt ja immer noch da! Ist der Typ noch nicht gekommen?“, fragte ich, inzwischen leicht genervt.

„Nein, die haben da irgendwelche Probleme“, antwortete mein Mann, der erstaunlicherweise die Ruhe behielt. „Hat der Hund sein Geschäft machen können?“

„Ja, zum Glück gab es einen Baum mit etwas Rasen. Der Baum steht jetzt unter Wasser. Zum Glück hatte ich meinen Pass dabei, sonst wäre ich gar nicht wieder in die Halle gekommen. Musste das ganze Prozedere noch einmal über mich ergehen lassen mit Abtasten und Schuhe ausziehen und so weiter, stell dir vor!“

„Hab dir noch hinterhergerufen, ob du deinen Pass dabei hast, aber du warst dann so schnell verschwunden. Ist doch richtig, dass so viele Kontrollen gemacht werden. Passiert ja genug.“

„Ja, da hast du wohl Recht“, sagte ich und blickte zum Schalter unserer Autovermietungsfirma.

Bis wir unser Auto bekamen, dauerte es dann noch mal eine Stunde, eine echte, keine gefühlte. Dann war es so weit, der langersehnte Mann war endlich da!

Zusammen mit einer Gruppe von vier Personen – drei Männern ohne Gepäck, mit Bordkoffern, und einer sehr hübschen, jungen Frau in rotem Etuikleid und hohen Absätzen, die ein Model sein musste, so wie sie sich bewegte – verließen wir die Flughafenhalle in Richtung Parkhaus.

Mein Mann hatte schwer zu kämpfen mit dem Gepäckwagen. Er schwört auf Gepäckwagen. Allerdings hätten wir die zwei Koffer und die Hundetasche auch ziehen können. Das wäre wesentlich einfacher gewesen, denn es war jedes Mal ein gefährlicher Kraftakt, den Wagen von den Bordsteigen – und davon gab es sechs bis zum Parkhaus – herunterzurollen.

Die kleine Gruppe war längst nicht mehr zu sehen. Ich hatte mir nur in etwa die Richtung gemerkt, in die sie verschwunden war, und atmete mal wieder tief durch. Irgendwann hatte mein Mann „die Faxen dicke“ (auch so ein Ausspruch meines Vaters) und begann, die Koffer vom Wagen herunterzuheben – mitten auf der Fahrbahn. Ich rettete die Koffer, Taschen, Hundchen und mich auf die nächste Verkehrsinsel, während mein Mann versuchte, den Gepäckwagen irgendwo abzustellen – ja, aber wo eigentlich? Es gab keinerlei Abstellmöglichkeit, ohne dass ein heranbrausendes Auto (und das ist das normale Tempo dort) hineingefahren wäre. Schließlich fand er eine kleine sichere Ecke am Beginn des Parkhauses, das wir inzwischen erreicht hatten, und überließ das Gefährt dort sich selbst.

Dann machten wir uns auf die Suche nach der Gruppe. Als wir sie gefunden hatten, saßen die drei Männer und das hübsche Model bereits in einem kleinen weißen Auto. Davor stand besagter junger Mann der Autovermietung und telefonierte wild gestikulierend mit seinem Chef.

Uns konnte heute nichts mehr erschüttern, auch nicht, dass es bereits 23 Uhr war, uns noch eine zweistündige Fahrt bevorstand und der Autoverkehr schon bei Tageslicht als katastrophal bezeichnet werden kann, von nachts gar nicht zu reden. Wir standen ruhig da und warteten geduldig auf das Ende des Telefongesprächs.

Danach rollte der junge Mann mit den Augen und forderte die vier Personen auf, aus dem weißen Auto wieder auszusteigen. Das Model lächelte mich an und ich lächelte zurück, das Handgepäck der Gruppe wurde aus dem Kofferraum wieder ausgeladen, dafür kamen unsere zwei Koffer hinein und gleichzeitig wurden wir eilig ins Innere des Autos geschoben, das keineswegs dem entsprach, was mein Mann gebucht hatte.

In halsbrecherischer Fahrt und unter Schimpfen, dass der „vertrottelte Idiot am Serviceschalter“ die ganze Firma ruiniere, ging es zu einem Parkplatz außerhalb des Flughafengeländes, wo dann noch einmal Papiere unterschrieben wurden und nach einer Kurzunterweisung mein Mann das Steuer des Autos übernahm.

Ich staune immer wieder, wie Männer (und ich kenne wirklich nur wenige Frauen) scheinbar jedes Auto fahren können, ohne sich lange damit vertraut machen zu müssen.

Für meinen Mann jedenfalls, der nach einer kurzen Neuorientierung – „Wo ist denn hier überhaupt die Ausfahrt?“ und „Moment mal, müssen wir jetzt nach rechts oder links?“ – losfuhr, hatte ich nur noch große Bewunderung, dass er sich so gekonnt ins Fahrwasser des brodelnden Verkehrs warf und sich nun heroisch Kilometer um Kilometer vorwärtskämpfte. Bis ich merkte, dass er sich sogar pudelwohl dabei fühlte …

Also, ich glaube, und das ist mein voller Ernst, dass türkische Männer ein spezielles Gen haben müssen, ein sogenanntes „Autofahrer-Gen“. Das kann man nicht erlernen, das muss ihnen im Blut liegen.

Auch nach über fünfundvierzig Ehejahren und vielen Autoreisen in der Türkei weiß ich immer noch nicht, wie sie sich untereinander auf der Straße verständigen. Muss wohl wirklich so eine Art „Blutsprache“ sein, eine Art Geheimcode nach dem Motto:

Kleiner Finger hoch: „Achtung!“ Zeigefinger hoch: „Bleib zurück, ich wechsle rüber auf deine Fahrbahn!“ Wenn das nichts nützt, dann hängt man den Arm aus dem Fenster, setzt mit der Hand das Stopp-Zeichen und mit der anderen Hand drückt man voll auf die Hupe – das wichtigste Teil am Auto überhaupt, wenn man vorankommen will. Den Mittelfinger sollte man besser nicht benutzen, es sei denn, man hätte Lust auf eine handfeste Keilerei.

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