Czytaj książkę: «Höllen-Lärm»

Czcionka:

www.hannibal-verlag.de

Impressum

© alle Fotos, falls nicht anders gekennzeichnet, beim Autor

Titel der Originalausgabe:

Sound of the Beast – The Complete Headbanging History of Heavy Metal

Copyright © 2003 by Ian Christe

Published by HarperCollins Publishers Inc., New York

3. Ausgabe 2013

© 2013 der deutschen Ausgabe:

Koch International GmbH/Hannibal, A-6600 Höfen

www.hannibal-verlag.de

Published by arrangement with HarperEntertainment a division of HarperCollins Publishers, Inc.

Lektorat: Kirsten Borchardt

Ebook: Thomas Auer, www.buchsatz.com

ISBN 978-3-85445-413-7

Auch als Paperback erhältlich: ISBN 978-3-85445-402-1

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt

und darf ohne eine schriftliche Genehmigung nicht verwendet oder reproduziert werden.

Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen und die Einspeicherung und Ver arbeitung in

elektronischen Systemen.

Inhalt

Prolog • Freitag, 13. Februar 1970

I Die Siebzigerjahre: Auftakt zur Härte

II England rockt hart: die New Wave of British Heavy Metal

III 1980: Die amerikanische Einöde wartet

IV Heavy Metal America: bunte Bühnen, bunte Bilder

V Fans im Fieber:Metallica & Power Metal

VI Slayer: die Könige der Black-Metal-Teufel

VII Die Zensur schlägt zu: Anti-Metal-Panik in den USA

VIII Rattleheads:Metal wird manisch

IX Volle Kraft voraus: Thrash Metal greift an!

X Die Glambanger aus Hollywood

XI Vereinte Kräfte:Metal und Hardcore Punk

XII Und Platin für „One“ … Metal wird erwachsen

XIII Der große Wandel in den Neunzigern: das Schwarze Album & was sonst geschah

XIV Death Metal – die Erlösung?

XV World Metal: die Globalisierung des Heavy Metal

XVI Brennende Kirchen: Black Metal in Norwegen

XVII Satan vor Gericht: Im Namen des Volkes gegen Heavy Metal

XVIII Das Anti-Metal-Zeitalter: neuer Haarschnitt, neue Wurzeln

XIX Der virtuelle Ozzy & die digitale Erneuerung des Metal

XX Zurück auf dem Thron: Headbanger an der Macht

Epilog • 2001: Unbesiegbar und immer wiederkehrend

Nachwort

Die 25 besten Heavy-Metal-Alben aller Zeiten

Das Kleingedruckte – Metal-Charts

Seid gegrüßt

Das könnte Sie interessieren

Prolog : Freitag, 13. Februar 1970

Am Anfang waren die düsteren Weiten des Nachthimmels und des Unbe­kannten. Die ungelüfteten Geheimnisse der Geschichte wirbelten dort in Besorgnis erregender Besinnungslosigkeit umher, belebt durch Kräfte so alt wie die Zivilisation selbst – rauchig, silbrig, religiös und dunkel. Diese starken Strö­mungen lagen oft still und vergessen da, bis sie ihre entsetzliche Macht in Zei­ten des Kriegs, der Krise und des Aufruhrs entfesselten. Sie besaßen keinen eige­nen Sound und keine eigene Definition, bis sie gebändigt und unterworfen wurden durch das Erscheinen von Black Sabbath – den weisen Unschuldigen, den Erfindern des Heavy Metal.

Von Anfang an brachten Black Sabbath eine kraftvolle, leidenschaftliche Einstellung zum Ausdruck, wie sie sonst in der Öffentlichkeit nicht geäußert wurde. Sie waren Propheten, aufgewachsen auf der Schattenseite der englischen Gesellschaft, unter Arbeitslosen – Menschen, die als moralisch zweifelhaft und als Leute von minderem sozialem Wert galten. Alle vier Mitglieder wurden 1948 beziehungsweise 1949 im englischen Birmingham geboren, einer herunter­gekommenen Industriestadt, die sich schwer tat in einer Zeit, in der die Indus­trie längst nicht mehr der Stolz Europas war. Sänger John Michael Osbourne alias Ozzy, eins von sechs Kindern und bereits wegen Diebstahl verurteilt, arbei­tete gelegentlich in einem Schlachthof. Gitarrist Tony Iommi, der ständig zu Streichen aufgelegte Sohn eines Süßwarenladenbesitzers, hatte sich bei einem Unfall in einer Metallwerkstatt zwei Fingerkuppen der rechten Hand abgehackt. Der eigenwillige Bassist der Band, Terry „Geezer“ Butler, war für seine extra­vaganten grünen Secondhandklamotten bekannt. Schlagzeuger Bill Ward kam aus rasender Verzweiflung zur Musik, wie er selbst das einmal formulierte; ein Umstand, der sich an der eleganten Unordnung seines Spiels durchaus ablesen ließ. Die vier wuchsen in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg auf, umgeben von dem Schutt und den Trümmern, welche die massiven Bombenangriffe der Nazis hinterlassen hatten. In der Welt, die man ihnen überließ, schien eine Kar­riere als Außenseiter und Abenteurer das einzig Sinnvolle.

Unter dem Namen Polka Tulk, den sie einem Birminghamer Teppich­händler abgeguckt hatten, schlugen Ozzy und die anderen den Weg ein, wie ihn Bands wie die Yardbirds, Ten Years After und Cream vorgezeichnet hatten: Sie spielten endlos und schön laut die Standardnummern amerikanischer Blues­musiker. Deren melancholischer Sound wandelte sich allerdings drastisch auf seiner Reise von Birmingham, Alabama, nach Birmingham, England – nun wurden die traurigen Töne durch industrietaugliche Verstärker und die Dro­genszene der späten Sechzigerjahre grotesk verzerrt. Nachdem sie ihren Namen in Earth geändert hatten, erlangte das Quartett durch seine die Sinne betäu­bende Lautstärke und Bühnenshow größere Bekanntheit.

Dann kam der Durchbruch – die spontane Entstehung des Songs „Black Sabbath“. Für die Band markierte er einen bedeutenden Neubeginn, und er sollte zur Grundlage des Heavy Metal insgesamt werden. Es war ein Song, der nur auf drei Tönen beruhte, zwei davon waren ein D. Der Erzähler berichtet darin mit Furcht erregender Angespanntheit vom Jüngsten Tag und keucht mit stocken­dem Atem: „What is this, that stands before me? Figure in black, which points at me … – Was ist das, was dort vor mir steht? Eine Gestalt ganz in Schwarz, die auf mich zeigt …“ Angetrieben durch surrendes Feedback verstärkt sich der Horror stetig und explodiert schließlich auf dem Höhepunkt der Anspannung, als der sich sträubende Protagonist vom Jüngsten Gericht verschlungen wird. Eine grausige Geschichte, die Edgar Allan Poe alle Ehre gemacht hätte, erzählt mit Gitarren, Schlagzeug und einem knackenden Mikrofon.

Mit seiner Ehrfurcht erregenden Kraft nahm „Black Sabbath“ das Publi­kum sofort gefangen. Der Song hatte eine unumkehrbare Wirkung auf die Band, die in ihrer drogenverklärten Unschuld plötzlich das Gefühl hatte, ihren Händen sei durch eine unsichtbare Macht Genialität verliehen worden. Auf diese Weise inspiriert, erhob sich das Ensemble bald über sein Umfeld, ließ den Rock ’n’ Roll hinter sich und begann sich den jüngsten musikalischen Befreiungsschlägen von Musikern wie beispielsweise Miles Davis zuzuwenden, die sich den starren Grenzen der Genres widersetzten. Gemeinsam mit dem unheilvollen „Warning“, einem Jam, den sie von der hippen Bluesgruppe Ayns­ley Dunbar’s Retaliation übernommen hatten, wurde „Black Sabbath“ zum Kernstück eines neuen Sounds, zum Grundsignal einer akustischen Todesangst, die es notwendig machte, dass sich die Band in Black Sabbath umbenannte.

Tony Iommi, der mit beiden Beinen fest auf dem Boden der ihn umgeben­den Welt stand, nahm die Musik der Vergangenheit, ohne sich allzu sehr um Tra­dition zu kümmern, und spielte sich mit eigenem Rhythmus und eigener Finesse durch die Bluestonleitern. Damit er die Gitarrensaiten ausdrucksvoll dehnen konnte, ohne dass ihn die gekappten Fingerkuppen schmerzten, stimmte sich die Gruppe auf tiefere Tonarten ein. Die zeitlose Spannung, die seine meister­haften Töne erzeugten, verlieh Black Sabbath geniale Tiefe. So entstand aus Not, beinahe zufällig, ein überwältigender Sound. Aus einer Deformierung ergab sich eine merkwürdige Schönheit – und eine Verbindungslinie von dem Gittaristen mit den drei Fingern zu dem Zigeuner Django Reinhardt, der eine von Iommis zahlreichen ungewöhnlichen Inspirationsquellen darstellte.

Neben Iommis vielseitiger Gitarre trieb die Rhythmusgruppe den endlosen Strom kraftvoller Riffs mit hektischen Breakbeats und elektrisierenden Akzen­ten an. Bill Ward behauptete, Black Sabbath hätten nie „den Rhythmus gehal­ten“, dennoch aber durch ein ungeheures Einfühlungsvermögen eine starke Einheit geschaffen – sozusagen mittels eines sechsten Sinns, der die Schwerkraft der Musik verstärkte und den Zuschauer in diese Struktur hineinzog. Die so entstandene Klangmauer war überwältigend und strotzte vor Wildheit: In alten Filmen sieht man Ward und Geezer Butler herumzappeln wie überdrehte Marionetten in der Hand Gottes.

Der junge Zeremonienmeister Ozzy Osbourne führte das Publikum entzückt an das neue Paradigma heran, indem er in charismatischem Kontrast zur steiner­nen Maske der Musik in die Hände klatschte, tanzte und nickte. Dekadent und besinnungslos, aber damals noch nicht aufgedunsen oder drogenvernebelt, durch­drang Ozzy die ihn umgebende Schwere mit seinem wütenden Geheul. Seine schi­zophrene Gesangstechnik kam von doppelt aufgenommenen Stimmen – einer hohen und einer tiefen –, die eine Oktave auseinander lagen. Wenn die Band tie­fer spielte, sang Ozzy höher. Welche Rockstar-Protzerei der Sänger auch an den Tag legte, sie wurde von der leidenschaftlichen Entschlossenheit der Band aufge­hoben und durch das allzu wahrhaftige persönliche Delirium der Texte Butlers ausgeglichen: „I tell you to enjoy life / I wish I could but it’s too late – Ich kann nur sagen, genießt euer Leben / ich wünschte, ich könnte es, aber es ist zu spät.“

Im Verlauf ihres Aufstiegs absolvierten Black Sabbath ihre Lehrzeit in den gleichen europäischen Clubs wie einst die Beatles. Dabei knackten sie den Haus­rekord der Liverpooler im Hamburger Star Club auf der Reeperbahn, wo sie vor Touristen und Go-go-Tänzerinnen jede Nacht sieben fünfundvierzigminütige Sets spielten. Dieses mörderische Programm ließ die vier bis an die Grenze der Perfektion proben, bis sie schließlich so erschöpft waren, dass ihnen Inspira­tion und Innovation vergingen.

Phillips Records boten Sabbath 1969 einen Vertrag an, und daraufhin spielte die Band in einer zweitägigen Session für sechshundert Pfund ihr erstes bahnbrechendes Album ein. Die Bänder wurden am nächsten Tag von einem Studioproduzenten abgemischt, der es der Band nicht gestattete, ihm auch nur irgendwie ins Handwerk zu pfuschen. Trotz der überstürzten Arbeitsweise (die jedoch damals durchaus typische Aufnahmebedingungen für Rockbands dar­stellte) blieb kaum Platz auf der Platte übrig. Der Produzent schnitt ein acht­zehnminütiges Gitarrensolo von Tony Iommi aus „Warning“ heraus, ohne dies mit der Band abzusprechen. Auf Drängen der Plattenfirma koppelten Sabbath eine neue Version von „Evil Woman“ als erste Single aus – der Song war erst kürzlich durch die Band Crow zum Hit geworden, und die Firma erhoffte sich von dieser Neuauflage schnellen Erfolg.

Am Freitag, dem 13. Februar 1970, wurde Black Sabbath bei Vertigo Records, einer neuen experimentellen Tochtergesellschaft von Phillips, veröf­fentlicht. Black Sabbath, das erste vollständige Heavy-Metal-Werk der ersten ech­ten Heavy-Metal-Band, war wie ein süchtig machendes, bewegungsloses Zeit­fenster, das von einer unheilvollen Präsenz durchdrungen war, welche die mun­teren Rhythmen der populären Rockmusik erschütterte. Die selbst geschriebe­nen Songs „N.I.B.“ und „Wicked World“ gleiten zusammen mit „Black Sabbath“, „Warning“ und „Evil Woman“ auf einer ungeheuren Lautstärke und anhalten­dem Feedback dahin. Auf dieser Platte, die sich jeder Kategorisierung wider­setzte, wurde die Härte dieses Frontalangriffs durch die traumähnliche Sanftheit von „Sleeping Village“ und „Behind The Wall Of Sleep“ ausgeglichen.

In Anlehnung an Children of the Damned und andere billige englische Psycho-Horrorfilme war auf dem Cover von Black Sabbath ein verfallenes, von kargem Gestrüpp überwuchertes Cottage abgebildet, das die Gestalt einer blass­grünen Zauberin teilweise verdeckte. Das Innere des Klappcovers enthielt außer einigen Details ein grimmiges Schauergedicht, das einem riesigen umgekehr­ten Kruzifix eingeschrieben war.

Still falls the rain, the veils of darkness shroud the blackened trees, which contorted by some unseen violence, shed their tired leaves, and bend their boughs toward a grey earth of severed bird wings. Among the grasses, poppies bleed before a gesticulating death, and young rabbits, born dead in traps, stand motionless, as though guarding the silence that surrounds and threatens to engulf all those that would listen …

Leise fällt der Regen, die Schleier der Dunkelheit umhüllen die geschwärzten Bäume, die – verbogen und verzerrt von einer ungesehenen Gewalt – ihre müden Blätter abwerfen und ihre Äste einer grauen Erde voll abgetrennter Vogelschwingen entgegenbiegen. Unten auf dem Gras bluten Mohnblüten einem zuckenden Tod entgegen, und junge Kaninchen, tot in Fal­len geboren, stehen bewegungslos da, als bewachten sie die Stille, die sie umgibt und alle zu verschlingen droht, die zuzuhören wagen …

Mit silbernen Kreuzen kultivierten die Mitglieder von Black Sabbath ein Bild des Unheimlichen – ein Image, das stark vom damals angesagten Interesse an Hexerei und Mystizismus geprägt war. Das machte die Band bei selbst ernannten Satanisten berühmt und berüchtigt und sorgte für ein paar kleine öffentliche Proteste von Kirchgängern. Rockstars vor ihnen hatten das Pop­bewusstsein mit Blumen und Straßenparaden verzaubert und versprochen, die Welt zu verändern. Black Sabbath liefen am Ende der Prozession, predigten noch immer die Notwendigkeit der Liebe, warnten aber die Nachzügler, dass es keine Rückkehr zur Gnade Gottes gab. Während die meisten populären Zeit­genossen auf dem „Mädchen beißt Mann“-Gebiet versackten, sangen Sabbath von vaterlosen Kindern und der Schlechtigkeit der Welt. Bill Ward beschrieb die edle Außenseiterperspektive der Band später als „gesunde Wut“.

Wie ein nachhallendes Echo aus lange vergangener Zeit inszenierte die Musik Konflikte zwischen Menschen auf Erden, und zwar nicht als Tages­geschehen, sondern als mythische Auseinandersetzungen. Mit der gesamten Zere­monie läutete die Totenglocke für die bis dahin als Rock ’n’ Roll bekannte Musik, die seither nichts weiter sein sollte als eine gezähmte Verwandte des Heavy Metal. „Black Sabbath haben jede einzelne Band beeinflusst, die es gibt“, sagt Peter Steele von Type O Negative, einer Band, die sich dreißig Jahre später von Sabbath inspi­rieren ließ.„Für mich waren sie das Heftigste überhaupt,und das sind sie immer noch. Härter kann man nicht werden. Ich liebe diesen langsamen, monotonen Sound, der so klingt, als ob ein Dinosaurier durch den Wald stapft.“

Sie waren aufgetaucht wie der Monolith in Stanley Kubricks Film 2001: Odyssee im Weltraum, der damals gerade höchst aktuell war, und sie ließen sich ebenso wenig klein reden wie der bodenlose Ozean, der immer währende Him­mel und die sterbliche Seele. Es gab keine Vorläufer – und es war keine Erklä­rung ihrer Macht nötig. Ihre düsteren Klänge glichen einem Sirenenruf, gerich­tet an eine tiefe, unbefriedigte Leere im modernen Bewusstsein. Die donnernde Lawine des Heavy Metal ließ sich nun nicht mehr aufhalten – sie hatte lange genug darauf gewartet, von Black Sabbath 1970 losgetreten und von Menschen­massen ungeahnten Ausmaßes angebetet zu werden.

In den folgenden dreißig Jahren flüchteten einhundert Millionen Hörer in den sich schnell ausbreitenden Trend und fanden dort unverklärte Reinheit, frei von kleinlichen Zweifeln oder Ablenkungen. Sabbath erfanden den Heavy Metal, eine Musikform, die später in doppelter Intensität zum Power Metal wer­den sollte und aus der dann der Thrash Metal hervorging. Von dort aus kreuz­ten sich die Wege dieser Musik mit anderen Formen, bis sie schließlich den Black Metal hervorbrachten, sich zum unglaublichen Soundgefüge des Death Metal veredelten und sich schließlich mit jeder anderen Art von Musik ver­banden. Nach drei Jahrzehnten der Marshall-Verstärker, Gitarrenmassaker und Schlagzeugtrümmer bilden Black Sabbath noch immer die Grundlage – die schwere Steinplatte, auf deren Fundament sich der Heavy Metal erhebt.

I: Die Siebzigerjahre: Auftakt zur Härte

13. Februar 1970: Black Sabbath veröffentlichen ihr Debütalbum

4. Juni 1971: Black Sabbath erhält Gold in Amerika

Dezember 1975: Judas Priest nehmen Sad Wings Of Destiny auf

28. Oktober 1978: NBC zeigt den Fernsehfilm Kiss Meets the Phantom of the Park

11. Dezember 1978: Das letzte Konzert von Ozzy Osbourne auf seiner Abschiedstour mit Black Sabbath

Heavy Metal entstand zu einem Zeitpunkt, als sich der Rock ’n’ Roll, die Heilslehre der vorangegangenen Generation, in einem schrecklichen Auf­lösungsprozess befand. Vier Tote bei einem Gratiskonzert der Rolling Stones am Altamont Raceway im Dezember 1969 erschütterten die Rockgemeinde und desillusionierten die Jugend mitsamt ihren pazifistischen Idealen. Als Black Sabbath in die Popcharts einstieg, verkündete Paul McCartney das Ende der Beatles. Statt ihr Publikum in einer unsicheren Welt zu trösten, waren die Rock­giganten Janis Joplin, Jimi Hendrix und Jim Morrison längst tot, alle innerhalb eines Jahres an einer Überdosis Drogen gestorben.

Kurz nachdem John F. Kennedy, Robert Kennedy und Martin Luther King den Kugeln von Attentätern zum Opfer gefallen waren, erlagen die Initiatoren des Rock ’n’ Roll ihren naiven Exzessen. Erledigt und frustriert verließen die Kinder der Love Generation, die diese Gegenkultur einst geschaffen hatten, scharenweise die Städte, kehrten in ihre Heimatorte zurück oder verkrochen sich in den Bergen, um irgendwie den kollektiven Albtraum einer gescheiter­ten Utopie zu vertreiben. Es war das Ende der Sechzigerjahre und dessen, wofür sie standen. Als die gewaltlosen Blumenkinder durch die militanten Black Pan­thers, das Massaker auf dem Campus der Kent-State-Universität und die zuneh­mend brutaleren Straßenrevolten frustrierter Studenten in Paris, Berlin und Italien verdrängt wurden, warf man die alten Hoffnungen über Bord und wandte sich einem neuen Pragmatismus zu.

Black Sabbath schienen in dieser Misere zu gedeihen: Abgesehen von gele­gentlichen Appellen an die Nächstenliebe gaben sie niemals vor, Antworten parat zu haben. Obwohl die Legende sie als zu spät gekommene Underdogs darstellt, eroberte die Band mit ihrem Debüt sehr bald die britischen Top Ten und setzte sich dort monatelang fest. Die erste Amerikatournee, die für den Sommer 1970 geplant war, wurde wegen des Mordprozesses gegen die Manson Family abgesagt. In den Vereinigten Staaten herrschte ein extrem feindseliges Klima gegenüber

gefährlichen Hippies. Den­noch stieg das Album auch in den amerikanischen Charts und verkaufte sich im ersten Jahr über eine halbe Million Mal.

Vertigo Records gaben sich alle Mühe, mehr Mate­rial aus ihren finsteren und geheimnisvollen Vertrags­partnern herauszuquet­schen, und unterbrachen die pausenlosen Tourneen der Band im September 1970 für eine weitere Auf­nahmesession. Gut einge­spielt wie immer und mit verstärkter kreativer Ent­schlossenheit trat die Band nach zwei Tagen mit dem gigantischen Paranoid auf den Plan, dem bestverkauften Sabbath-Album, auf dem Songs wie „War Pigs“, „Paranoid“ und „Iron Man“ zu hören waren. Sie wurden zu ihren Markenzeichen. Obwohl Paranoid den gespenstischen Geist von Black Sabbath beibehielt, waren die Themen des zweiten Albums weniger mystisch, dafür greifbarer. Fas­ziniert von Zerstörung und Kontrollverlust, beklagte Ozzy Osbourne mit

melancholischer Stimme das Elend der Drogenabhängigkeit in „Hand Of Doom“, den Atomkrieg in „Electric Funeral“ und quälende Kriegsneurosen in „Iron Man“. Wie das packende Titelstück auf Black Sabbath entwuchs die Seele von Paranoid ebenfalls einem okkult ausgerichteten Titel, „Walpurgis“, dessen starke Bildlichkeit Hexen bei schwarzen Messen und todbringende Zauberer – „witches at black masses“ und „sorcerers of death’s construction“ – heraufbe­schwor. Als der Song jedoch für Paranoid aufgenommen wurde, schrieb man ihn in „War Pigs“ um und machte daraus eine vernichtende Antikriegshymne, in der Politikern vorgeworfen wird, junge und arme Männer loszuschicken und sie die blutige Arbeit für Banken und Nationen verrichten zu lassen.

Sabbath waren nun erfahrener, nicht nur als Musiker, sondern auch als Sprachrohr einer Generation. Wenn Veränderung durch Musik herbeigeführt werden sollte, so wusste der Sabbath-Texter Geezer Butler, dass er Hässlichkeit an vorderster Front bekämpfen musste. Die neuen Black-Sabbath-Songs streb­ten nach Frieden und Liebe – nicht in den Blumenbeeten von Donovan und Jefferson Airplane, sondern in der harten Realität der Schlachtfelder und Ver­brennungsöfen. Ozzy Osbourne sang diese Texte wie in Trance – als läse er in den Himmel geschriebene Wahrheiten ab.

Das Billboard-Magazin schrieb gut gelaunt, Paranoid „verspricht so groß zu werden wie ihr erstes Album“, und tatsächlich knackten die Songs „Paranoid“ und „Iron Man“ beinahe die amerikanischen Top Forty der Singlecharts. Es schien, als hätten die musikalischen Veränderungen der Sechzigerjahre nur statt­gefunden, um das Publikum an die harten Prophezeiungen von Sabbath heran­zuführen. Die manische Dreiminutensingle „Paranoid“ – ein Stück, das angeb­lich schneller geschrieben als gespielt wurde – brachte das zweite Album der Band auf Platz eins der britischen und auf Platz acht der amerikanischen Charts.

Während um sie herum die Rock ’n’ Roll-Hierarchie zerbarst, fühlten sich Beobachter von der Einsicht überwältigt, dass mit Black Sabbath ein vollkom­men neues musikalisches Zeitalter begonnen hatte. „Paranoid ist ein Anker“, meint Rob Halford, der Sänger von Judas Priest, die zu jener Zeit als Birming­hamer Lokalband aktiv waren. „Es fasst die gesamte Metal-Bewegung auf einer einzigen Platte zusammen. Da ist alles drauf: die Riffs, die Stimme von Ozzy, die Songtitel, das, wovon die Texte handeln. Es ist einfach ein Klassiker, der das ganze Genre definierte.“

Schon bald nisteten sich Mitbewohner in Sabbaths riesigem Klangraum ein. Begeisterte Sabbath-Jünger, die es bis zum Vertrag für ein einzelnes Album geschafft hatten, spielten in den Studentenclubs der Universitäten und ließen dem großen Knall ein frühzeitiges und schnelllebiges Nachbeben folgen. Die bizarre Flower Travelin’ Band aus Japan und die stümperhaften Suck aus Süd­afrika nahmen schon 1970, als das Vinyl der Originalplatten kaum trocken war, Black-Sabbath-Coverversionen auf. Andere waren durch die Aussicht auf schnelles Geld motiviert, Sabbath nachzuahmen. Auf einem Album des Duos Attila von 1970 präsentierte sich Billy Joel, der junge Schnulzensänger aus Long Island (damals Rockkritiker und zeitweise Psychiatriepatient), in einem mon­golischen Kriegeranzug, spielte eine laute Hammond-B3-Orgel zu einem Hard­rockbeat und verursachte mit den Songs „Amplifier Fire“ und „Tear This Castle Down“ Ohrenschmerzen.

Vor Black Sabbath bezog sich „heavy“ eher auf ein Gefühl als auf einen besonderen Musikstil, so, wie es auch in der Hippiesprache alles bezeichnete, was mit einer starken Stimmung verbunden war. Jimi Hendrix und die Beatles schrieben oft Songs, die auf einen „heavy break“ zuliefen, einen Übergang zwi­schen Melodien, der starke widerstreitende Gefühle und Vorstellungen in Ein­klang zu bringen versuchte. Das „Metal“ in Heavy Metal brachte eine stählerne Widerstandskraft in dieses Bemühen, eine unumstößliche thematische Stärke, die Spannung und ungehemmte Emotionen gewährleistete. So, wie er durch Black Sabbath definiert wurde, war Heavy Metal ein komplizierter Sog aus Neu­rosen und Wünschen. Geformt zu einer unbeugsamen Kraft von trügerischer Einfachheit, besaß er einen unstillbaren Lebenshunger.

Was die Formulierung selbst betrifft: In seinem Roman Nova Express nannte der Beat-Schriftsteller William S. Burroughs eine Figur „Uranium Willy, the heavy metal kid“. Der Kritiker Lester Bangs, ein früher und belesener Für­sprecher von Black Sabbath, wendete den Begriff später auf Musik an. Davor war „Heavy Metal“ ein Ausdruck aus dem neunzehnten Jahrhundert, der in der Kriegsführung zur Beschreibung von Feuerkraft und in der Chemie als Bezeich­nung für neu entdeckte Elemente von hoher Molekulardichte benutzt wurde. Als John Kay von Steppenwolf 1968 in seinem Song „Born To Be Wild“ von „heavy metal thunder“ sang, beschrieb er lediglich das dröhnende Geräusch von Motorrädern. Ohne Black Sabbath war die Formulierung nur ein poeti­scher Zufall.

Es gab wenige Steine, die ein eifriger Soundarchäologe hätte umdrehen können, um Vorläufer für den revolutionären Neuanfang zu entdecken, den Black Sabbath ausgelöst hatten und verkörperten. Ein weiterer Verdächtiger für die Urheberschaft am Heavy Metal, Jimi Hendrix, stritt klugerweise jede Ver­antwortung ab. In einem Interview mit einem Journalisten kurz vor seinem Tod trat der Visionär der E-Gitarre beiseite und verkündete, Heavy Metal sei „die Musik der Zukunft“.

BLACK SABBATH

Black Sabbath wurden Ende der Sechzigerjahre im englischen Birmingham gegründet und gelten als die Erfinder des Heavy Metal. Sie waren die erste laute Gitarrenband, die sich von gerade angesagten Trends verabschiedete und die einzigartigen, stimmungsvollen Dimensionen dieses explosiven neuen Sounds erkundete. Das Originalquartett (Gitarrist Tony Iommi, Bassist Geezer Butler, Schlagzeuger Bill Ward und Sänger Ozzy Osbourne) brachte in der ersten Hälfte der Siebziger eine Reihe unerreicht einflussreicher Alben heraus. Sie waren allen anderen zwei Schritte voraus – lauter und schneller, erfindungsreicher und vielseitiger. Vor allem aber hatten sie die besten Riffs, eine unübertroffene Gitarre und Bassläufe, die man ein Leben lang nicht vergisst. Geezer Butler sagte viele Jahre später gegenüber Guitar Player: „Lars Ulrich von Metallica erzählte, er hätte als Kind nie von Led Zeppelin gehört. Er wuchs mit Black-Sabbath-Alben auf.“

Kommt zum Sabbath – die wichtigsten Ozzy-Alben:

Black Sabbath (1970)

Paranoid (1970)

Master Of Reality (1971)

Vol. 4 (1972)

Sabbath Bloody Sabbath (1973)

Sabotage (1975)

Technical Ecstasy (1976)

Never Say Die (1978)

In den Gründerjahren teilten sich Black Sabbath das Heavy-Metal-Rampenlicht mit zwei anderen englischen Bands, Led Zeppelin und Deep Purple. Ihnen vor­ausgegangen waren Cream, ein kurzlebiges, von verzerrtem Sound begeistertes

Bluestrio, das Eric Clapton 1966 gegrün­det hatte. Während Black Sabbath das Wesen des Heavy Metal entfesselten, arbeiteten Led Zeppelin und Deep Purple seine Konturen aus und verliehen ihm Sexappeal. Wie es zu jener Zeit, als Filmstars der Church of Satan beitraten, modern war, umgaben sie ihre druck­volle Musik mit allerlei Hexenkunst.

Während Sabbath Vorwürfe der Teufelsanbetung zurückwiesen, war der Zeppelin-Gitarrist Jimmy Page in das ehemalige Anwesen des hedonistischen englischen Häretikers Aleister Crowley eingezogen und hielt dort Hof. Ritchie Blackmore, der Gitarrist bei Purple, krönte sein explosives Naturell gewöhn­lich mit einem spitzen schwarzen Hexen­hut.

Led Zeppelin hatten als Inbegriff der Hardrockbands der Siebziger enor­men Einfluss auf die Entwicklung des Heavy Metal – der Samen der Band fand sich vielerorts, und das nicht nur im kör­perlichen Sinn. Jede Geste von Zeppelin war grandios – vielleicht nicht unbedingt

majestätisch, aber zumindest verlangte sie nach königlicher Aufmerksamkeit. Sänger Robert Plant, Gitarrist Jimmy Page, Bassist John Paul Jones und Schlag­zeuger John Bonham stellten übermächtige Stereotypen dar, langhaarige Hedo­nisten, deren Großtaten in dicken Rockschmökern wie Hammer of the Gods für die Ewigkeit festgehalten wurden. Fans hatten so etwas, vor allem bei den Rol­ling Stones, bereits zuvor erlebt, aber niemals so ausgeprägt. Der Nervenkitzel dabei machte es zu Metal.

Anders als beliebte Zeitgenossen wie Grand Funk Railroad, die sich damit zufrieden gaben, einfach draufloszudreschen, teilten Led Zeppelin und Black Sabbath das Gespür für Herausforderungen. Während Black Sabbath jedoch die Revolution forderten, waren Led Zeppelin eher eine Gruppe musikalischer Interpreten, weniger Initiatoren. Zeppelins liebreizendes und etwas schleppen­des Traumgedicht „Stairway To Heaven“ besaß harte Momente, nahm aber ins­gesamt eine recht anständige und entspannte Haltung ein. Black Sabbaths „War Pigs“ war andererseits ganz und gar Katastrophe, brennend und zutiefst unbe­friedigt. In ganz ähnlicher Weise stellte auch die Vorstadtszene auf der Rück­seite der Plattenhülle von Led Zeppelins IV eine buchstäblich zivilisierte Ver­sion der überwucherten Landschaft dar, die auf Black Sabbath abgebildet war. Es gab immer mehr Bands, die wie Led Zeppelin klangen – das war einfacher. „Stairway“ mag in den Siebzigerjahren das Rockradio dominiert haben, aber wenn „War Pigs“ aus der Jukebox kam, ähnelte das stets einer Zeremonie.

Im Gegensatz zu den schmucklosen Konzepten von Sabbath and Zeppelin stellten Deep Purple eine ungeheure Rock ’n’ Roll-Urgewalt dar, die sich aus der dynamischen Klangmauer von Jon Lords Hammondorgel, Ritchie Blackmores melancholischer Fender Stratocaster und Ian Gillans unvergesslichem, durch­dringendem Gesang zusammensetzte. In „Highway Star“ und „Space Truckin’“ beschrieb die Band das Hochgefühl, das schnelle Autos vermitteln; es waren Glaubensbekenntnisse der ersten Generation reicher Teenager mit Zugangs­berechtigung zu den staatlichen Autobahnen. Diese donnernden Songs schie­nen wie dafür geschaffen, die winzigen Eisenpartikel der Acht-Songs-Cartridges zu durchdringen, die damals in den USA ein beliebtes Accessoire fürs Auto­radio darstellten.

399 ₽
42,78 zł

Gatunki i tagi

Ograniczenie wiekowe:
0+
Objętość:
676 str. 127 ilustracje
ISBN:
9783854454137
Tłumacz:
Wydawca:
Właściciel praw:
Bookwire
Format pobierania:
Tekst
Średnia ocena 4,5 na podstawie 4 ocen
Tekst, format audio dostępny
Średnia ocena 0 na podstawie 0 ocen
Podcast
Średnia ocena 0 na podstawie 0 ocen
Tekst PDF
Średnia ocena 5 na podstawie 1 ocen
Tekst
Średnia ocena 0 na podstawie 0 ocen