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3. Mitbestimmung bei der Aufstellung von Bandbreiten

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Wie zuvor aufgezeigt, besteht das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach überwiegender Auffassung nicht hinsichtlich der Entgelthöhe. Dies unterstellt bleibt in diesem Zusammenhang die Frage zu erörtern, in wieweit der Betriebsrat bei der Ausgestaltung von Entgeltgruppen mit Gehaltsband mitzubestimmen hat. Das Gehaltsband ist die Bandbreite von Grundgehalt über weitere Gehaltsbestandteile wie Prämien und sonstige monetäre Leistungen bis zur Obergrenze der Entlohnung für eine Tätigkeit. Der Zweck des Gehaltsbandes ist es, einerseits dem Arbeitnehmer seinen Grundlohn verbindlich zu gewähren und andererseits dem Arbeitgeber einseitig die Möglichkeit zu geben, leistungsorientiert Zusatzvergütungen festzulegen.

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Im Folgenden wird ein Überblick über die zentralen Entscheidungen der jüngeren Vergangenheit zur Mitbestimmung des Betriebsrats bzgl. Bandbreitenreglungen gegeben:

a) BAG, Beschluss vom 21.2.2017 – 1 ABR 12/15

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Im Beschluss vom 21.2.2017 beschäftigte sich das BAG mit der Frage, in wieweit dem Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht bei einer Gehaltserhöhung zusteht.

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Im zugrunde liegenden Sachverhalt vereinbarte der Arbeitgeber mit dem Gesamtbetriebsrat eine Gesamtbetriebsvereinbarung zum Vergütungssystem. Dabei wurden die Gehaltsbandbreiten in fünf gleiche Bänder unterteilt. Für die Festlegung der individuellen prozentualen Gehaltsanpassungen des einzelnen Arbeitnehmers sind die Ergebnisse einer jährlichen Leistungsbeurteilung und seine Position innerhalb der Gehaltsbandbreite maßgebend. Die Umsetzung der Gehaltserhöhungen erfolge durch Betriebsvereinbarungen mit dem örtlichen Betriebsrat. Die Arbeitgeberin entschied, einen Geschäftsbereich von der Gehaltsanpassung auszunehmen, ohne dabei den Betriebsrat zu beteiligen. Die Arbeitgeberin hatte die Auffassung vertreten, dem Betriebsrat stehe bei der Entscheidung, ob Arbeitnehmer eines bestimmten Geschäftsbereichs von der Gehaltanpassung ausgenommen werden, kein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG zu.

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Das BAG bejahte hingegen das Mitbestimmungsrecht und wies daher die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin im Ergebnis als unbegründet zurück. Es handelte sich bei der Entscheidung, Arbeitnehmer bestimmter Geschäftsbereiche von einer Gehaltserhöhung auszunehmen, um die Änderung eines Entlohnungsgrundsatzes.

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Bei einer Gehaltsanpassung richtet sich die Vergütung der Arbeitnehmer des Betriebs nach dem mit dem Betriebsrat für die Umsetzung der Gehaltsanpassung vereinbarten Verteilungsschlüssel. Dieser legt – in Abhängigkeit der jährlichen Leistungsbeurteilung und der Position der Arbeitnehmer innerhalb des Gehaltsbandes – fest, um welchen Prozentsatz das Gehalt der Arbeitnehmer mindestens und höchstens ansteigt. Damit bildet der in der Betriebsvereinbarung bestimmte Verteilungsschlüssel einen Entlohnungsgrundsatz i.S.d. § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG, nach dem sich die Höhe der Vergütung abstrakt bemisst. Gleichzeitig legen die Betriebsparteien mit dem Verteilungsschlüssel den relativen Abstand der einzelnen Vergütungen im Betrieb zueinander fest. Nimmt die Arbeitgeberin Beschäftigte eines bestimmten Geschäftsbereichs von der Umsetzung einer nachfolgenden Gehaltsanpassung im Betrieb aus, sind deren Gehälter von einer weiteren prozentualen Steigerung – wie sie dem neuen Verteilungsschlüssel entspräche – ausgeschlossen. Dies hat zugleich zur Folge, dass sich der relative Abstand der jeweiligen Vergütungen der Arbeitnehmer im Betrieb zueinander zwischen derjenigen Arbeitnehmergruppe, die von der Gehaltsanpassung ausgenommen wurde, und den übrigen Arbeitnehmern, für die aufbauend auf den bisherigen Entlohnungsgrundsätzen der vorangegangenen Betriebsvereinbarung eine Steigerung um neue, weitere Prozentsätze vereinbart werden soll, ändert.

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Aus diesem Grund steht dem Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht bei einer Gehaltserhörung innerhalb eines Gehaltsbandes zu.

b) LAG Düsseldorf, Beschluss vom 10.8.2016 – 4 TaBV 135/15

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Das LAG Düsseldorf hatte sich im Beschluss vom 10.8.2016 mit der Frage zu beschäftigen, ob auch Bandbreitenregelungen und die Art und Weise der Bewegung oder Festlegungen im Band mitbestimmungspflichtig sind. Dabei ging es insbesondere um die Frage, ob solche Bandbreitenregelungen als Entlohnungsgrundsätze anzusehen sind und ob speziell in diesem Fall § 77 Abs. 3 BetrVG der Mitbestimmung entgegensteht.

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Die Arbeitgeberin gehört zum Konzern der Deutschen Bahn AG. Bei ihr gelten u.a. der Manteltarifvertrag (MTV FWD) sowie der Entgelttarifvertrag für die Arbeitnehmer der DB Fahrwegdienste GmbH (ETV FWD). Im ETV FWD hatten die Tarifparteien im Unternehmen u.a. ein „Tarifgruppenverzeichnis“, eine „Monatsentgelttabelle“ sowie „Erschwerniszulagen“ für die Beschäftigten vereinbart. Vorgaben, wie mit Ersteingruppierung und konkreten Gehaltsfestlegungen innerhalb einer Ebene zu verfahren sei, enthielten die Regelungen nicht.

Mitte 2013 erfuhr der Betriebsrat, dass die Vergütung eines Beschäftigten an den oberen Rand des Gehaltsbandes angehoben wurde, ohne hierzu den Betriebsrat zu beteiligen. Der Betriebsrat war der Auffassung, ihm stehe ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG zu.

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Das LAG sprach dem Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht sowohl bzgl. der inhaltlichen Ausgestaltung als auch der Festlegung von Kriterien und Grundsätzen für die Ersteingruppierung und die Änderungen innerhalb eines Gehaltsbandes zu.

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Wendet man die oben ausgeführten Grundsätze an, handelt es sich bei den vorliegenden Bandbreitenregelungen um ein abstraktes System, nach dem das Arbeitsentgelt für die Belegschaft oder Teile der Belegschaft ermittelt oder bemessen werden soll und damit um einen Entlohnungsgrundsatz. Das Beteiligungsrecht umfasst die inhaltliche Ausgestaltung der Entgeltgruppen nach abstrakten Kriterien einschließlich der abstrakten Festsetzung der Wertunterschiede nach Prozentsätzen oder anderen Bezugsgrößen. Der Aufstellung eines Entlohnungsgrundsatzes steht es nicht entgegen, dass der Arbeitgeber innerhalb der Gehaltsbänder nicht gebunden ist, sondern die Festlegung des konkreten Entgeltes innerhalb der Gehaltsbänder dem einseitigen Leistungsbestimmungsrecht des Arbeitgebers nach § 315 BGB unterliegt.

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Bei der Ausfüllung der Gehaltsbänder handelt es sich auch ohne Weiteres um einen kollektiven Tatbestand. Der Regelungsbedarf entspricht gerade dem Zweck des Mitbestimmungsrechts nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG, Gehaltstransparenz herzustellen. Das Mitbestimmungsrecht beziehe sich nicht auf die konkrete Lohnhöhe, sondern ausschließlich auf die Festlegung der Kriterien, die für die Zuordnung der Arbeitnehmer auf der Breite ihres Gehaltsbandes entscheidend seien.

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Weiter wird das Mitbestimmungsrecht nicht durch § 77 Abs. 3 BetrVG gesperrt. Die schlichte Regelung des Beginns und des Endes eines Gehaltsbandes für definierte Tarifgruppen schließt das Mitbestimmungsrecht nicht aus.

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Zusammengefasst lässt sich festhalten, dass – ausweislich der Entscheidung des LAG – dem Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG bei der inhaltlichen Ausgestaltung und der Festlegung von Kriterien für die Ersteingruppierung und für Änderungen/Wandlung in Bezug auf die Breite des Gehaltsbandes zusteht.

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Es drängt sich die Frage auf, ob der Betriebsrat auch ein Mitbestimmungsrecht hinsichtlich der Aufstellung eines Gehaltsbandes zusteht.

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Überlässt ein Tarifvertrag den Einzelvertragsparteien die Vereinbarung der Höhe des Entgelts, ohne selber eine Entgeltordnung aufzustellen, unterliegt die Festlegung und Gewichtung von Kriterien für eine betriebliche Lohnstruktur dem Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG. Zu den mitbestimmungspflichtigen Entgeltfindungsregeln gehört der Aufbau von Vergütungsgruppen und die Festlegung der Vergütungsgruppenmerkmale.49

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Schaut man sich den Wortlaut des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG an, lässt sich eine solche einschränkende Auslegung allerdings nicht erkennen. Nach dieser Vorschrift hat der Betriebsrat mitzubestimmen bei Fragen der betrieblichen Lohngestaltung, insbesondere bei der Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen und der Einführung und Anwendung von neuen Entlohnungsmethoden sowie deren Änderung. Wenn unter Entlohnungsgrundsatz nach einhelliger Auffassung die Schaffung eines abstrakten Entgeltsystems verstanden wird, dann muss darunter auch die Erstellung eines Gehaltsbandes subsumiert werden können. Durch die Aufstellung eines Gehaltsbandes wird die Bandbreite von Grundgehalt über weitere Gehaltsbestandteile wie Prämien und sonstige monetäre Leistungen bis zur Obergrenze der Entlohnung für eine Tätigkeit festgelegt. Dabei handelt es sich um nichts anderes als um ein abstraktes Entgeltsystem und damit um einen Entlohnungsgrundsatz. Für diese These spricht auch, dass der Gesetzgeber durch § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG ein umfassendes Mitbestimmungsrecht schaffen wollte, um alle Fragen der betrieblichen Lohngestaltung unter Einschaltung des Betriebsrats regeln zu können.

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Dem Betriebsrat muss daher auch ein Mitbestimmungsrecht hinsichtlich der Erstellung eines Gehaltsbandes zustehen. Haben die Betriebsparteien eine Vergütungsordnung vereinbart, hat der Betriebsrat gegenüber dem Arbeitgeber einen auf die Festsetzung der Ausgangs-/Grundvergütung gerichteten Anspruch.50

4. Mitbestimmung bei dem Verhältnis zwischen Festvergütung und variabler Vergütung
a) BAG, Beschluss vom 6.12.1988 – 1 ABR 44/87

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Nach Ansicht des 1. Senates hat der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht bei der Feststellung des Verhältnisses von festen zu variablen Einkommensbestandteilen.51

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Zur betrieblichen Lohngestaltung gehöre die Festlegung des Verhältnisses von festen zu variablen Einkommensbestandteilen sowie die Festlegung des Verhältnisses der variablen Einkommensbestandteile untereinander. Zur Gestaltung des Entgeltsystems gehörte nicht allein die Entscheidung, welche Entlohnungsgrundsätze bzw. welche Kombination von Entlohnungsgrundsätzen für die Vergütung maßgebend sein soll, sondern auch, in welchem Verhältnis die einzelnen Gehaltsbestandteile (Gehaltsgrundsätze) stehen sollen, wenn ein kombiniertes Entgeltsystem gewählt wird. Dieses Verhältnis der einzelnen Entgeltbestandteile zueinander berührt die Lohngerechtigkeit, denn hier sind in verschiedenen Beschäftigtengruppen unterschiedliche Interessen zu wahren. Nach Sinn und Zweck des Mitbestimmungsrechts sei davon auszugehen, dass das Mitbestimmungsrecht bei der Festlegung des Verhältnisses der einzelnen Entgeltbestandteile zueinander (Grundgehalt, Provision, Prämie) besteht.

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Die Entscheidung des BAG ist in der Literatur auf Zustimmung gestoßen. Dem BAG beipflichtend kommentiert die Literatur jedoch, dass es nur um die Herstellung einer relativen Lohngerechtigkeit gehen könne, da die Arbeitsvertragsparteien wegen des Günstigkeitsprinzips nicht daran gehindert seien, Entgeltvereinbarungen zu treffen, die zu einer höheren Entlohnung führen.52

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Diese Auffassung ist aus zweierlei Erwägungen inkonsequent und abzulehnen:

 – Erstens wird nach Abschluss eines Vergütungssystems die Lohngerechtigkeit erneut in Frage gestellt, wenn es möglich wäre, im Einzelfall höhere Entgelte individualvertraglich zu vereinbaren. So spricht insbesondere der Grundsatz aus § 75 BetrVG, wonach im Verhältnis zwischen Frauen und Männern eine transparente Lohngerechtigtkeit hergestellt werden soll, dafür, dass der Anspruch absolute und vollständige Lohngerechtigtkeit erfassen muss.

 – Zweitens setzt die Rechtsprechung des BAG auf eine partielle Mitbestimmung, die sowohl das Verhältnis zwischen variablem und fixem Entgelt als auch das Verhältnis der Variablen untereinander festlegt. Damit ist stets ein prozentuales Verhältnis von fixem und variablem Gehalt einschränkend vorgegeben, was dem Wortlaut der Nr. 10 des § 87 BetrVG nicht entnommen werden kann. Will der Betriebsrat absolute Beträge der variablen Bestandteile festlegen, wäre dies nach der Rechtsprechung nicht möglich, obwohl auch durch eine vertragliche Bestimmung das „Verhältnis“ zwischen variablem und fixem Entgelt festgelegt werden kann.

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Im Ergebnis muss das Mitbestimmungsrecht daher die Herstellung einer absoluten Lohngerechtigkeit gewährleisten.

b) Geltung des Günstigkeitsprinzips

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Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung ist ferner die Frage zu beantworten, wie es sich auswirkt, wenn dem Arbeitnehmer einzelvertraglich ein höheres Grundgehalt zugesichert worden ist, durch die Mitbestimmung des Betriebsrats dieses jedoch auf ein geringeres Grundgehalt abgesenkt wird. Das Gesetz enthält keine Bestimmung darüber, ob von den Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung zugunsten oder zuungunsten der Arbeitnehmer abgewichen werden kann. Da Art. 12 Abs. 1 GG als Grundrecht gewährleistet, seinen Arbeitsplatz frei zu wählen, und deshalb auch die Möglichkeit schützt, die Arbeitsbedingungen durch eine privatautonome Ordnung zu gestalten, wäre eine gesetzliche Regelung verfassungswidrig, die den Betriebspartnern gestatten würde, Arbeitsbedingungen als Fest- oder Höchstbedingungen für die Arbeitnehmer zu vereinbaren, ohne die Möglichkeit zu einzelvertraglichen Abweichungen zuzulassen.53

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In der Literatur wird die Auffassung vertreten, dass günstigere vertragliche Abreden zwischen den Arbeitsparteien von der Betriebsvereinbarung unberührt bleiben, gleichgültig, ob sie vor oder nach Abschluss der Betriebsvereinbarung getroffen wurden.54 In diesem Fall gelte im Verhältnis zwischen der Betriebsvereinbarung zur Einzelvereinbarung das Günstigkeitsprinzip.55 Das Günstigkeitsprinzip sichert nicht nur die Abweichung nach Inkrafttreten einer Betriebsvereinbarung, sondern, da es eine Regelungsschranke für die Betriebsautonomie ist, schützt es auch Arbeitsvertragsregelungen vor einer Ablösung oder Verschlechterung durch Betriebsvereinbarungen.56 Nach dieser Auffassung wäre es nicht möglich, durch eine Betriebsvereinbarung das Grundgehalt eines Arbeitnehmers herabzusetzen. Dabei ist es offensichtlich, dass das Günstigkeitsprinzip und das Streben nach innerbetrieblicher Lohngerechtigkeit nicht miteinander harmonieren.

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Lange Zeit galt daher für das Verhältnis zwischen einer Betriebsvereinbarung und vertraglich begründeter Ansprüche der Arbeitnehmer, die auf eine vom Arbeitgeber gesetzte vertragliche Einheitsregelung, Gesamtzusage oder betriebliche Übung zurückgingen, das sog. kollektive Günstigkeitsprinzip.57 Arbeitsvertraglich begründete Ansprüche der Arbeitnehmer auf Leistungen mit „kollektivem“ Bezug, die auf eine vom Arbeitgeber gesetzte Einheitsreglung zurückgehen, könnten durch eine nachfolgende Betriebsvereinbarung beschränkt werden, wenn die Neuregelung bei kollektiver Betrachtung insgesamt für die Belegschaft nicht ungünstiger ist.58

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Von diesen Grundsätzen ist das BAG jedoch zu Recht abgerückt. Vielmehr hat das BAG erstmals 2013 alle auf allgemeinen Arbeitsbedingungen beruhenden Regelungen mit kollektivem Bezug als betriebsvereinbarungsoffen eingestuft.59 Diese Rechtsprechung ist in der Literatur auf Kritik gestoßen.60 Dennoch ist es heute (wohl) weit überwiegende Meinung, dass durch einen wirksamen Vorbehalt eine zugesagte Leistung nicht nur verändert, vielmehr durch Betriebsvereinbarung – im Rahmen der (sonstigen) rechtlichen Möglichkeiten – auch verschlechtert werden kann. Damit sind bei Leistungen, die durch eine vertragliche Einheitsregelung, eine Gesamtzusage oder durch betriebliche Übung eingeführt wurden, auch kollektiv ungünstigere, ablösende Betriebsvereinbarungen möglich.61

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Einzig für den Fall, in dem der Arbeitnehmer seinen Arbeitsvertrag tatsächlich ausgehandelt hat und es sich daher nicht um allgemeine Geschäftsbedingungen i.S.d. § 305 ff. BGB handelt, kann nicht von einer betriebsvereinbarungsoffenen Regelungen ausgegangen werden. In dieser Konstellation bedarf es einer gesonderten Vereinbarung im Arbeitsvertrag, ansonsten greift das Günstigkeitsprinzip mit der Folge, dass die Abschaffung einer variablen Vergütung zugunsten einer Festvergütung nur dann möglich ist, wenn sie für den Arbeitnehmer günstiger ist.

c) Abschaffung einer einzelvertraglichen festgelegten variablen Vergütung zugunsten einer Festvergütung

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Das Verhältnis der Mitbestimmung des Betriebsrats in Entgeltfragen nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG zur arbeitsvertraglichen Regelung steht jeher im Brennpunkt der betriebsverfassungsrechtlichen Diskussion. Die Frage, ob eine einzelvertraglich festgelegte variable Vergütung zugunsten einer Festvergütung abgeschafft werden kann, lässt sich nicht pauschal beantworten. Es kommt dabei entscheidend auf das Verhältnis zwischen den einzelvertraglichen Regelungen der Arbeitsverträge und der Ausgestaltung der abzuschließenden Betriebsvereinbarung an.

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Grundsätzlich wirken gem. § 77 Abs. 4 BetrVG alle Betriebsvereinbarungen unmittelbar und zwingend für das einzelne Arbeitsverhältnis, sodass es zu ihrer Wirksamkeit keiner Umsetzung bedarf. Dieser Grundsatz wird durch das Günstigkeitsprinzip modifiziert. Wenn somit eine einzelvertraglich festgelegte variable Vergütung für den einzelnen Arbeitnehmer günstiger ist, können Betriebsrat und Arbeitgeber zwar in einer Betriebsvereinbarung anstelle derer eine Festvergütung vereinbaren. Für diesen Arbeitnehmer gilt die Betriebsvereinbarung jedoch nicht rechtsverbindlich, weil den Arbeitnehmer im Einzelfall das Günstigkeitsprinzip schützt, soweit die einzelvertragliche Regelung eben nicht betriebsvereinbarungsoffen ausgestaltet ist.

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Schwierig ist bereits der Maßstab der „Günstigkeit“, denn der Günstigkeitsvergleich beinhaltet ein Werturteil. Da das Günstigkeitsprinzip nicht dazu dient, die Unabdingbarkeit der Betriebsvereinbarung zu beseitigen, es aber zugleich auch eine Schranke der betriebsverfassungsrechtlichen Regelungsreichweite darstellt, kann für den Beurteilungsmaßstab weder der Wille der Arbeitsvertragsparteien noch der Wille der Betriebspartner von Bedeutung sein, vielmehr richtet sich der Beurteilungsmaßstab nach objektiven Merkmalen. Da das Günstigkeitsprinzip, soweit es arbeitsvertragliche Abreden ermöglicht, als Vorbehalt für die individuelle Vertragsfreiheit wirkt, ist für den Günstigkeitsvergleich nicht das Gesamtinteresse der Belegschaft, sondern das Interesse des einzelnen Arbeitnehmers in dem zur Beurteilung stehenden Zeitraum maßgebend. Betrifft die Regelung eine Entgeltleistung des Arbeitgebers, so ist der Vergleichsmaßstab, auf den die Günstigkeitsbeurteilung zu beziehen ist, das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung.62

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In der Betrachtung des von der Rechtsprechung eingeführten Grundsatzes der Betriebsvereinbarungsoffenheit allgemeiner, individualrechtlich wirkender Regelungen, ist die Abschaffung einer dem Kollektivrecht gegenüber offenen einzelvertraglich vereinbarten Vergütung zugunsten einer Festvergütung möglich und zwar selbst dann, wenn sie für die Arbeitnehmer ungünstiger ist. Das Prinzip trägt der innerbetrieblichen Lohngerechtigkeit Rechnung und spiegelt damit den Grundgedanken des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG wider.

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Abschließend bleibt die Frage zu diskutieren, ob der Arbeitgeber durch die lückenlose Vertragsgestaltung das Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG umgehen kann.

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Unstreitig finden ausgestaltende Betriebsvereinbarungen Anwendung auf ausfüllungsoffene individualvertragliche Regelungen.

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Wenn nun im Gegenzug der Arbeitgeber in Entlohnungsfragen die Arbeitsverträge der Arbeitnehmer mit konkreten und nicht ausfüllungsbedürftigen Regelungen versieht, kann dies dazu führen, dass das Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG leerläuft? Oder muss der Arbeitgeber – solche „lückenlose“ Arbeitsverträge vorausgesetzt, in diesen Fällen zugunsten des kollektiven Arbeitsrechts modifizierende Änderungskündigungen aussprechen, damit das Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG nicht ausgehöhlt wird?

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