Der Fall Monika Stark

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Der Fall Monika Stark
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Heribert Weishaupt

Der Fall
Monika Stark

Ein Troisdorf-Krimi


Heribert Weishaupt

Der Fall Monika Stark

Ein Troisdorf-Krimi

Coverfoto: Adobe Stock #43052461

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E-Book ISBN 978-3-96136-089-5

Print ISBN 978-3-96136-088-8

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Inhalt

Über den Autor

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Anmerkung und Dank

Über den Autor:

Heribert Weishaupt wurde 1949 in Stolberg im Kreis Aachen geboren. Über vierzig Jahre arbeitete er in der deutschen Sozialversicherung im Bereich Krankenversicherung. Mit Beginn des Ruhestandes erfüllte er sich seinen Wunsch und begann mit dem Schreiben von Kurzgeschichten und Kriminalromanen. Dies ist sein sechster Kriminalroman.

Heribert Weishaupt ist verheiratet und hat zwei Söhne und vier Enkelkinder. Seit vierzig Jahren lebt er in Troisdorf im Rhein-Sieg-Kreis.

Eine Träne zu trocknen ist meist ehrenvoller, als Ströme von Blut zu vergießen.

George Gordon Byron 22.01.1788 – 19.04.1824 englischer Dichter

Aus Gefälligkeit werden weit mehr zu Schurken, als aus schlechten Grundsätzen.

Johann Gottfried Seume 29.01.1763 - 13.06.1810 Deutscher Schriftsteller und Dichter

Prolog


Die dunkel gekleidete Person beobachtete bereits seit mehreren Stunden das Haus auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Es war ein neueres Haus, zumindest war es nicht älter als zehn Jahre. Vier Mietparteien wohnten dort. Die Aufmerksamkeit galt aber nur einer Mietpartei. Dem Mieter im Parterre rechts. Genauer gesagt, interessierte nicht der Mieter, sondern vielmehr dessen heutige Besucherin. Deren protziger Schlitten, den sie sich, nach Meinung der beobachtenden Person, gar nicht leisten konnte, stand bereits vor dem Haus, als sie mit der Beobachtung begann.

Allmählich begannen die Beine zu schmerzen. Erschwerend kam das Wetter hinzu. Regenschauer, die, je später es am Tag wurde, in Graupel übergingen. Die Kapuze tief ins Gesicht gezogen und die Hände trotz Handschuhe in die Jackentasche vergraben, kroch die Kälte und Nässe bis in die Knochen. Die frierende Person stand vor zufälligen Blicken der Nachbarn und Passanten geschützt hinter einer Reihe Sträucher und Bäume. Aber wer ging bei einem solchen Wetter vor die Haustür oder interessierte sich für jemanden auf dem Bürgersteig außerhalb der eigenen, warmen Wände?

Und wenn doch, niemand hätte das Wesen hinter den Sträuchern erkannt oder hätte es später beschreiben können. Eine Jeans, eine Regenjacke, wie sie fast jeder trug. Die Kapuze eines Shirts, die unter der Regenjacke getragen wurde, ließ gerade mal Augen, Nase und Mund frei. Darüber war zusätzlich die Kapuze der Regenjacke gezogen. Man hätte nicht einmal sagen können, ob es sich um eine Frau oder einen Mann handelte. Ein menschliches Neutrum.

Inzwischen war die Dunkelheit hereingebrochen. Im diffusen Licht der Straßenlaternen verschmolz es beinahe mit seiner Umgebung und war kaum noch auszumachen. Auch hinter dem Fenster im Parterre rechts brannte jetzt Licht.

Das fortwährende Treten auf der Stelle und das langsame Hin- und Hergehen brachte der Gestalt bei diesem Wetter auch nicht die entscheidende Besserung des Wohlbefindens.

Auf keinen Fall durfte der Hauseingang aus den Augen gelassen werden. Sollte in der nächsten Viertelstunde der Mieter nicht, wie erwartet, die Wohnung verlassen haben, würde das Vorhaben aufgegeben.

Die vermummte Person hatte sich entschieden. Sie musste handeln. Sie konnte nicht sagen, wann dieser Gedanke in ihrem Kopf entstanden war. Er hatte sich wie ein Samenkorn eingepflanzt. Die Frau hatte den Bogen des Erträglichen überspannt, zu viel Schaden hatte sie angerichtet. Ein großzügiges Tolerieren war nicht mehr möglich.

Im Laufe der Zeit wuchs das Samenkorn im Unterbewusstsein heran und wurde zu einem nicht mehr entfernbaren Geschwür, das fast das gesamte Denken ausfüllte. Bis heute, bis zu dem Augenblick, wo die Person ihren Beobachtungsposten vor dem Haus einnahm. Jetzt würde sie durch ihr Vorhaben das Geschwür entfernen können. Heute war sie bereit. Diese Schlampe würde das bekommen, was sie verdiente. Es käme einer Katastrophe gleich, wenn das Vorhaben aufgegeben werden müsste.

Viele Samstage und Sonntage hatte sie ihre Zeit in die Beobachtung des Mieters und seiner Besucherin investiert. Sie bildete sich ein, seine und ihre Gewohnheiten genau zu kennen.

Jeden Samstag- und jeden Sonntagnachmittag besuchte ihn die Frau. Was die beiden dann trieben, konnte sich die Person hinter den Sträuchern eindeutig vorstellen. Wenn diese Vorstellung von ihr Besitz ergriff, verursachte die dadurch entstehende Wut eine innere Hitze, der sogar das nasskalte Wetter nichts anhaben konnte. Doch dieses Gefühl, diese Wut, durfte nicht Oberhand gewinnen. Das Herz musste kalt bleiben, kalt wie Eis. Nur ein kaltes Herz konnte das geplante Vorhaben realisieren. Die Erinnerungen an manche unliebsamen Ereignisse im Leben ließen ein bitteres Lächeln um die harten Gesichtszüge spielen.

Plötzlich öffnete sich die Haustür und der Mieter stand im Eingang. Die Baseballkappe tief in die Stirn gezogen, schaute er zum grauen Himmel hoch. Er zog seine viel zu weite Jogginghose am Bund hoch, schlug den Kragen seiner Jacke hoch und lief los.

 

Die Person, die ihn von der anderen Straßenseite beobachtete, grinste. Das war das typische Laufen einer viel zu schwergewichtigen Person. Bei weitem kein sportliches Joggen. Nach fünfzig Metern ging das Joggen erwartungsgemäß in leichtes Gehen über.

Das Ziel war bekannt: Das China-Restaurant, drei Straßen weiter.

Die dunkel gekleidete Person verließ ihren Beobachtungsposten und überquerte mit ruhigen Schritten die düstere Straße. Vor der Haustür vergewisserte sie sich mit einem kurzen Blick nach rechts und links, dass niemand sie beobachtete. Sehr gut, keine Menschenseele war zu sehen. Unaufgeregt betätigte sie den Klingelknopf.

„Hast wohl etwas vergessen. Warst wohl mit den Gedanken noch irgendwo anders“, ertönte es aus der Sprechanlage.

Einen Augenblick später summte auch schon der Türöffner.

Aus der Person, die bisher nur geduldig beobachtet und abgewartet hatte, wurde jetzt eine Person, die eiskalt ihr Vorhaben umsetzte. Ohne Gefühl, ohne Gewissen.

Eine junge Frau öffnete kopfschüttelnd die Wohnungstür.

„Hast du deine Schlüssel und deine Geldbörse vergessen? Das wird ja immer schlimmer mit dir.“

Mit einer Hand hielt sie ein Bettlaken fest, das sie um ihren Körper geschlungen hatte. Ohne genau hinzusehen, wem sie die Tür geöffnet hatte, drehte sie sich um und ging zurück in die Wohnung. Sie war überzeugt, dass sie ihren Freund hereingelassen hatte.

Auf ihre Frage erhielt sie keine Antwort. Stattdessen wurde sie rücksichtslos weiter zurück in die Wohnung gestoßen. Immer wieder Stoß auf Stoß. Das Bettlaken war ihr inzwischen aus der Hand geglitten. Nackt war sie der eindringenden Person hilflos ausgeliefert, die ihre Nacktheit und Hilflosigkeit total ignorierte. Sie wollte etwas sagen, protestieren, schreien. Doch dazu kam sie nicht.

Sie landete auf dem Bett, in dem sie kurz vorher noch so viel Spaß mit ihrem Freund gehabt hatte. Kräftige Hände schlossen sich um ihren Hals und nahmen ihr die notwendige Atemluft.

Kein Entkommen, keine Gegenwehr, keine Gnade. Es war kein Kampf – es glich einer Hinrichtung.

Scheinbar gefühllos verließ die dunkel gekleidete Person die Wohnung.

1


Samstag, 19:17 Uhr.

Das Telefon läutet.

„Ronni Kern, guten Abend.“

„Ronni, du musst mir helfen.“

„Hier ist Ronni Kern, mit wem spreche ich denn?“

„Du musst mir helfen, Ronni.“

„Wenn ich Ihnen helfen soll, müsste ich zuerst einmal wissen, wer Sie sind. Nur eines sage ich Ihnen: Ich kaufe nichts und ich nehme auch an keiner Verlosung teil.“

„Hier ist Hubert, du weißt schon. Ich brauche unbedingt deine Hilfe, und zwar sofort!“

„Hubert Duweißtschon? Kenn ich nicht. Also, mit Hilfe ist da nichts. Tut mir leid.“

Aufgelegt.

Samstag, 19:21 Uhr.

Das Telefon läutet.

„Ronni Kern, guten Abend. Was kann ich für Sie tun?“

„Hier ist nochmal Hubert. Du musst mir helfen, Ronni!“

„Nun hören Sie mal zu, Sie Hubert Dumusstmirhelfen. Ich kenne Sie nicht und ich werde Ihnen garantiert nicht helfen. Wenn Sie Hilfe benötigen, rufen Sie die Polizei oder die Feuerwehr an.“

Aufgelegt.

Das Telefon läutet erneut.

„Leg bitte nicht wieder auf. Hier ist Hubert. Ich brauche dich doch – deine Hilfe, Ronni. Du bist doch bei der Polizei. Du kannst mir bestimmt helfen.“

„Verdammt noch mal! Wer sind Sie? Ich kenne keinen Hubert. Haben Sie vielleicht auch einen Nachnamen?“

„Dumm.“

„Wie bitte? Ich bin dumm? Was erlauben Sie sich? Das muss ich mir nicht sagen lassen. Ich lege jetzt wieder auf, wenn …“

„Nein, nein. Nicht auflegen, Ronni. Mein Nachname ist Dumm. Ich bin`s doch: Hubert Dumm. Du kennst mich doch.“

„Hubert? … Berti? … Berti Dumm? Gymnasium, Abiturklasse. Sitzengeblieben … Entschuldigung. Du bist es?“

„Na, endlich. Du hast es begriffen. Hilfst du mir jetzt?“

„Berti Dumm. Wir haben uns doch Jahre, fast Jahrzehnte, nicht mehr gesehen. Und jetzt soll ich dir helfen? Ich glaube es nicht.“

„Ja, natürlich. Du bist doch Kommissar. Wenn du mir nicht helfen kannst, wer dann?“

„Wo wohnst du jetzt? Du bist doch damals mit meiner Susi nach Itzehoe durchgebrannt. Hast dich noch nicht mal verabschiedet. Und jetzt rufst du aus heiterem Himmel bei mir an und verlangst, dass ich dir helfen soll. Du spinnst vielleicht!“

„Das mit Susi ist doch längst vorbei. Tut mir auch leid. Ich bin vor einiger Zeit nach Bergheim gezogen und du bist der Einzige, den ich hier in der Gegend kenne, der mir helfen kann – dem ich vertraue. Wir waren doch immer die besten Freunde. Sind durch Dick und Dünn gegangen und haben alles geteilt. Du hilfst mir doch?“

„Du bist nach Bergheim an die Erft gezogen? Das ist nicht meine Gegend.“

„Nicht Bergheim an der Erft. Troisdorf-Bergheim. Da kennst du dich doch bestens aus. Hab` in der Zeitung von deinen Fällen in Troisdorf gelesen. Bist wohl ein toller Hecht bei der Polizei.“

„Oh, mein Gott. Du wohnst in Troisdorf.“

„Nicht ‚oh mein Gott‘. Gott sei Dank! Daher bin ich doch wieder auf dich gestoßen.“

„Du bist tatsächlich verrückt. Das mit der Freundschaft ist lange her. Und alles geteilt haben wir beileibe nicht. Wir haben uns Susi nicht geteilt, du hast sie mir weggenommen und bist mit meiner Freundin in die Diaspora nach Itzehoe verschwunden, ohne mir ein Wort zu sagen. Und jetzt willst du von mir Hilfe? Wobei soll ich dir eigentlich helfen?“

„Sie bewegt sich nicht mehr. Sie atmet nicht mehr. Ich glaube, sie ist tot.“

Pause.

Ronni sagte kein Wort mehr. Auch Berti schwieg. Ronni aus Entsetzen, aufgrund dieser Aussage seines ehemaligen Freundes – Berti, weil er nicht wusste, was er noch hätte sagen sollen. Vielleicht auch ein wenig aus Respekt vor Ronni, der diese Botschaft erst einmal verarbeiten musste.

Ronni schluckte.

„Von wem sprichst du denn überhaupt?“

„Von meiner Freundin natürlich. Ronni, sie ist tot! Was soll ich tun?“

„Tot? –- Was ist denn passiert?“

„Na ja, wir hatten einen schönen Nachmittag. Wir lagen im Bett und haben …“

„Verschon‘ mich mit deinen Bettgeschichten. Wieso atmet sie nicht mehr?“

„Sagte ich doch schon. Weil sie tot ist.“

„Aber wieso ist sie tot? Ist sie an einem Herzinfarkt gestorben?“

„Nein … ich … denke nicht.“

„Ja, woran denn? Man stirbt doch nicht einfach so.“

Kurze Pause.

„Oder… hast du … sie. Du weißt schon?“

„Nein! Was denkst du von mir?“

„Nochmal. Was ist denn passiert? Wieso ist sie tot?“

„Wir hatten Hunger. Danach haben wir immer Hunger. Du verstehst. Ich habe mich angezogen und bin um die Ecke zum Chinesen gegangen – wie jedes Mal danach. Sie blieb im Bett liegen. Wir beiden mögen chinesisch sehr gern, und dieser Chinese …“

„Weiter! Eure Essgewohnheiten interessieren mich nicht.“

„Ja, als ich dann nach Hause kam, lag sie da und atmete nicht mehr. Dann habe ich dich angerufen.“

„Und woher hast du meine Nummer?“

„Von deiner Dienststelle in Bonn.“

„Verdammt. Das darf doch nicht wahr sein.“

„Doch, die Dame war sehr nett. Als ich ihr sagte, dass du mein Freund bist und dass es dringend sei, hat sie mir deine Nummer gegeben.“

„Na gut. Hast du sie untersucht? Vielleicht atmet sie doch noch und ist gar nicht tot.“

„Nein, das kann ich nicht. Ich habe sie nicht angefasst. Ich bin geschockt.“

„Wieso hast du nicht sofort einen Arzt gerufen, anstatt mich anzurufen?“

„Sie ist tot. Mausetot, du verstehst? Da bin ich mir total sicher. Was soll da ein Arzt noch machen? Die Würgemale am Hals sind doch eindeutig. Da hätte ich auch direkt die Polizei rufen können. Die hätten mich dann sofort verhaftet.“

„Sie wurde erwürgt? Wenn nicht von dir, von wem sonst? Wart ihr nicht allein in der Wohnung?“

„Na klar waren wir allein, oder glaubst du, wir wollten Zuschauer oder wir hätten einen flotten Dreier gemacht?“

„Ja, ich meine nein. Aber es muss doch jemand in der Wohnung gewesen sein, wenn du sie nicht erwürgt hast. Du hast doch bestimmt die Wohnungstür hinter dir geschlossen, als du zu diesem Chinesen gegangen bist?“

„Na klar. Ich habe sie zugezogen.“

„Aha, nur zugezogen hast du sie!“

„Ja, genau. Mach’ ich immer so.“

„War irgendetwas außergewöhnlich, am Nachmittag und als ihr im Bett gewesen seid?“

„Nein, eigentlich nicht. Außergewöhnlich …? Na gut, wenn du meinst, ob sie außergewöhnlich war, dann ja. Sie war außergewöhnlich gut. Aber das lag daran, weil sie etwas gutzumachen hatte. Sie hatte mich vorher extrem geärgert – daher hatte sie etwas gutzumachen.“

„Wieso hatte sie dich geärgert? Nun lass dir doch nicht alles aus dem Mund ziehen, verdammt noch mal.“

„Okay, okay. Wir hatten uns gestritten. Alles war gut, bis sie diese Anrufe bekam. Allein dieser Klingelton. Mark Forsters

„194 Länder“ nervte ungemein. Zuerst sagte sie, es wäre ihre Freundin und legte einfach auf. Beim nächsten Anruf sagte sie „falsch verbunden“. Und beim dritten Mal habe ich ihr das Handy aus der Hand gerissen. Doch der Anrufer hatte bereits aufgelegt. Es war aber immer die gleiche Nummer. Nix Freundin, nix falsch verbunden. Es war mit Sicherheit ihr Liebhaber. Du verstehst?“

„Aber das muss doch nicht unbedingt ihr Liebhaber gewesen sein.“

„Als ich ihr das auf den Kopf zugesagt habe, hat sie nur gelacht. Immer nur gelacht. Die Tränen liefen ihr vor lauter Lachen die Wangen hinunter. Und ich stand da wie ein Depp.“

„Ja und dann?“

„Dann war sie ganz lieb zu mir und hat gesagt, ich wäre doch ihr einziger Liebhaber und noch viele andere schöne Sachen hat sie gesagt. So lieb wie danach, war sie lange nicht mehr. Sie hat …“

„Ja, ja, ja. Weiter will ich gar nichts hören. Ich kann es mir vorstellen. Wo ist sie jetzt?“

„Na, wo wohl? Bei mir … im Bett … nackig. Wir waren seit heute Nachmittag … im Bett … du verstehst?“

„Ja, ja, das verstehe ich.“

„Sag schon, was soll ich machen?“

„Deck’ sie zumindest zu, damit du nicht immer den Anblick deiner toten Freundin ertragen musst.“

„Ja, mach’ ich. Aber das kann doch nicht alles sein. Und was mach’ ich dann?“

„Du musst die Polizei rufen.“

„Ich glaube, jetzt spinnst du. Soll ich mich für fünf Jahre ins Gefängnis setzen? Diesen tollen Rat konnte ich mir selbst geben. Dafür habe ich dich nicht angerufen. Du sollst mir helfen und mich nicht in den Knast bringen.“

„Fünfzehn!“

„Was, fünfzehn?“

„Ich meine: Vielleicht gehst du für fünfzehn Jahre ins Gefängnis. Ich kann dir keinen anderen Rat geben. Ich bin schließlich Polizist.“

„Aber auch mein Freund. Ich muss sie entsorgen. Ich meine: Sie darf nicht bei mir gefunden werden. Was mach` ich da am besten? Du musst das doch wissen. Du hast doch Erfahrung in solchen Dingen.“

„Mit ‚solchen Dingen‘ habe ich keine Erfahrung. Bei mir lag noch keine tote Frau im Bett.“

„Ich habe einen großen Koffer, aber der ist nicht groß genug. Und sie klein machen … nein, das kann ich nicht. Ich habe auch an einen Müllsack oder so einen Jutesack gedacht. Du kennst die Säcke. Diese für den Biomüll. Nur, wohin mit dem Sack? Kannst du nicht bei mir vorbeikommen?“

„Du bist tatsächlich irre. Ich glaube, ich rufe die Kollegen an.“

„Die Kollegen, die Kollegen! Wieso kannst du denn nicht kommen?“

„Ich bin nicht zu Hause. Ich bin in Urlaub.“

„Du bist gar nicht zu Hause? In Urlaub? Wo bist du denn?“

„Auf Borkum.“

„Auf Borkum? Kenn ich. Ja, wo denn da?“

„Direkt am Deich. Eine Ferienwohnung in der Straße ‚Hinter dem Deich‘ …“

Ronni schlug sich mit der Hand auf den Mund. Das war ein Fehler. Er hätte besser Berti nicht verraten, wo er war. Aber es war zu spät.

„Besser ist es, du stellst dich. Das wirkt sich immer positiv auf das Urteil aus. Mord im Affekt. Dann wird aus dem Mord vielleicht Totschlag und du bekommst weniger als fünfzehn Jahre.“

 

„Na, das sind ja tolle Ratschläge und Aussichten. Aber ich war es doch gar nicht.“

„Wer ist sie überhaupt?“

„Meine Freundin natürlich. Wir haben uns im vorigen Jahr in Troisdorf kennengelernt. Auf dem Weihnachtsmarkt. Sie war mit einem Freund dort. Du verstehst?“

„Einen Freund in Troisdorf. Und du hast sie ihm ausgespannt. Ja, das verstehe ich. Wie heißt sie denn?“

„Moni.“

„Ah, Moni, heißt sie. So hieß auch einmal eine frühere Freundin von mir.“

„Du hast eine Freundin – ich dachte, du wärest verheiratet? Habe ich irgendwann in der Presse gelesen.“

„War ich mal. Aber das ist schon lange her. Auch das mit Moni ist schon eine sehr lange Zeit her.“

„Und deine ehemalige Freundin hieß auch Moni? Welch ein Zufall. Du hast sie aber bestimmt nicht in Troisdorf kennengelernt?

„Doch habe ich, meine Moni.“

„Wie ist denn der Nachname deiner Moni?“

„Stark.“

„Stark? Das ist ja stark. Wie meine Moni.“

„Nein, nicht deine Moni – meine Moni.“

„Das ist ja verrückt. So ein Zufall. Meine Moni scheint auch deine Moni zu sein. Warum hattet ihr euch denn getrennt?

„Ich glaube, ich bin im falschen Film. Meine ehemalige Freundin Moni ist, beziehungsweise war, bis jetzt deine Freundin und sie liegt jetzt nackt und tot in deinem Bett?“

„Wahrscheinlich ist das so, Ronni.“

Pause. Ronni musste erneut schlucken.

„Ich werde jetzt die Kollegen anrufen. Oder ist vielleicht jemand von der Sendung ‚Verstehen Sie Spaß‘ am Apparat?“

„Quatsch, ich bin`s, Berti. Nicht das Fernsehen.“

„Du bist es tatsächlich, Berti? Keine Verarsche?“

„Nein, natürlich nicht. Nun sag schon: Warum hattet ihr euch getrennt?“

„Das ist doch jetzt nicht wichtig. Aber wenn du es unbedingt wissen willst: nach der Kur. Sie hatte während der Kur einen Kurschatten.“

„Ich bin kein Kurschatten von ihr. Ich habe sie auf anständige Art und Weise bekommen. Ist doch klar: Sie war auch deine Freundin. Du steckst mit in dieser Sache drin. Du musst mir helfen – und keine Polizei!“

„Werde ich nicht. Ich rufe die Polizei.“

Keine Antwort.

Stille, völlige Stille, das Gespräch war beendet.

Berti hatte aufgelegt.

Ronni betrachtete sein Smartphone in der Hand. Berti, sein früherer Freund, hatte einfach aufgelegt.

Er musste die Polizei in Troisdorf anrufen. Aber was sollte er seiner Kollegin oder seinem Kollegen dort sagen?

„Berti Dumm hat mich angerufen. Er sagte, in seinem Bett liegt eine Leiche. Seine Freundin, Moni Stark. Sie wurde erwürgt. Nicht von Berti. Von wem, weiß er nicht. Aber sonst gibt es niemand in der Wohnung. Er wohnt in Bergheim. Nein, eine genaue Anschrift kenne ich nicht. Ich habe Berti Dumm seit Jahren nicht mehr gesehen. Wieso er mich nach all den Jahren anruft, weiß ich auch nicht so genau. Wahrscheinlich, weil er meinen Namen in der Zeitung gelesen hat.“

„Ja, ja, und Ihr Freund heißt Dumm und seine Freundin Stark und Sie sind der Osterhase“, würde seine Kollegin oder sein Kollege antworten und schmunzeln.

Wie dumm wäre das!

Den Anruf bei der Polizei musste er sich verkneifen. Zumindest vorerst.