Czytaj książkę: «Siska van Roosemal»
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Bürger vom alten Schlag;
Schwindler vom neuen Stil
Hinter dem Grünen Kirchhof zu Antwerpen, in einer der dortigen Straßen, bestand noch vor wenigen Jahren ein alter berühmter Gewürzladen, der, vom Vater auf den Sohn vererbt, seit mehr als dreihundert Jahren bekannt war wegen seiner guten Waren und billigen Preise. Der letzte Eigentümer des Ladens hieß Johann Roosemal, Sohn von Franz, Sohn von Karl, Sohn von Kaspar Roosemal, und war verheiratet mit Siska Pott, einer Nachkommin des berühmten Peter Pott, dessen Namen man noch in den zwei Peter-Pott-Straßen wiederfindet1.
Diese beiden Eheleute, von Kindheit an zu einem nützlichen, arbeitsamen Leben erzogen und nun mit ihrem kleinen Handel fortwährend beschäftigt, hatten keine übrige Zeit gehabt, um an den Fortschritten der heutigen Bildung teilzunehmen, mit andern Worten: sich zu verwelschen2.
Ihre Kleider, aus Starkem Zeug gemacht, waren einfach und änderten fast nie ihren Schnitt; nur unterschieden sie sie in Werktags-, Sonntags- und Osterkleider. Letztere kamen nur an den höchsten Festtagen aus dem Schranke und wenn die Roosemals zur heiligen Kommunion gingen, oder wenn Sie ein Kind über den Taufstein halten mußten oder bei der Hochzeit eines Freundes Zeuge waren. Es ist leicht begreiflich, daß diese Bürgersleute aus der alten flämischen Welt in ihrem altmodischen, wenn auch kostspieligen Anzuge sich doch ärmlich ausnahmen gegen so manchen vorbeigehenden Stutzer, der sich für einige Franken in die neumodischen papiernen Kleider hatte Stecken lassen und wohl gar mit Gering-Schätzung auf die Roosemals niedersah. Allein sie störten sich nicht daran und dachten: Jeder das, wonach er zielt, ihr den Wind und wir die Scheibe. – Sie waren ungebildet genug, nicht zu wissen, daß ein anständiger Mann nicht um zwölf Uhr zu Mittag ißt, und Sie hatten daher die gemeine Gewohnheit, sich gerade mit dem Glockenschlag zwölf zu Tisch zu setzen; ja noch mehr, Sie vergaßen nie dabei zu beten, ja wirklich zu beten, sowohl vor als nach der Mahlzeit. Auch noch andere Gebrechen konnte man ihnen zur Last legen. So verstanden Sie kein Wort Französisch und hatten nie gefühlt, daß ihnen diese Kenntnis nötig sei; – Sie waren gottesfürchtig, arbeitsam, demütig und vor allem friedfertig. Ihre größte Dummheit aber bestand darin, daß Sie in ihrer flämischen Einfalt glaubten, es sei besser, jeden Tag einen ehrlich gewonnenen Stüber beiseite zu legen, als sich durch List und Trug in zwei oder drei Jahren so reich zu zaubern, daß jedermann die Augen darüber aufsperrt und mit Verwunderung ausruft: »Aber! aber! wo hat die Ratte3 das hergeholt?« – Mit einem Worte, Sie waren flämische Bürgersleute vom alten Schlage.
Meister Jan van Roosemal hatte eine junge Tochter, Siska wie ihre Mutter genannt, von ungefähr fünfzehn Jahren, hübsch schlank aufgeschossen für ihr Alter, schön von Gestalt und Gebärde, mit blonden Haaren und blauen Augen, ein echtes, schönes Brabanter Kind. Sie hatte bisher eine gewöhnliche Städtische Mädchenschule besucht und ihre Muttersprache beinahe gründlich erlernt, daneben das Rechnen und alle Handarbeiten, welche eine gute Bürgersfrau verstehen soll, sei es auch nur, um von der Haushaltung etwas mehr zu wissen als ihre Hausmagd. Sie war wie die Eltern einfältig, gottesfürchtig, gehorsam, liebevoll, nicht ausgelassen, nicht träge, nicht eigensinnig und in der Tat ganz geeignet, mit dem Manne, den Sie heiraten würde, in Tugend und Ehren das Haus ihrer Vorfahren aufrecht zu halten und den berühmten Spezereiladen fortzuführen.
Wie kommt es denn, daß der hundertjährige Laden jetzt geschlossen ist? Welches Mißgeschick hat unlängst die Fässer, Büchsen, Flaschen, Töpfe und Krüge Roosemals auf den Trödelmarkt geführt? Diesen Hergang Soll euch das Folgende erzählen.
Wisset denn vorerst, daß in der Nachbarschaft unseres Krämers ein Schustermeister wohnte, welcher der beste Freund Roosemals war, mit ihm Sonntags nach der Steinbrücke4 Spazieren ging, des Abends ein Spielchen mit ihm machte und überhaupt wie ein wahrer Bruder ohne ihn kein Vergnügen fand. Dies änderte sich jedoch plötzlich aus Sonderlicher Ursache.
Der Schuster, der bisher ein Schönes Brot hatte und schon durch Sparsamkeit ein eigenes Haus besaß, ließ eines Tages, während Roosemal am Fieber krank lag, seine zwei Fenster vorn an der Straße ausbrechen und durch einen großen vorstehenden Aushängkasten ersetzen. Auf die Glasscheiben ließ er mit glänzender Farbe allerlei – französische Anpreisungen malen. In der Mitte Stand in der Selben Sprache: Zum Stiefel ohne Naht. Magazin von Pariser Stiefeln und Schuhen; – eine Lüge, da er Vornehmens war, die Schuhe und Stiefel wie bisher alle Selbst zu machen. Etwas unterhalb prunkte in dem Glaskasten ein Bild, einen Menschen darstellend, der von dem Widerglanz der Sonne auf einem gewichsten Stiefel an beiden Augen geblendet wird, und unter diesem Meisterstück von Windmacherei las man die Worte: Echte englische Wichse! – wieder eine Lüge, denn es war immer seine alte Wichse, die er Selbst machte. Die Kunden verloren nichts dabei; der Unterschied war nur, daß er sich Seine Wichse jetzt viermal teurer bezahlen ließ. Auf den Eckscheiben stand: Kautschukschuhe, Korksohlen u.s.w.
Als Meister van Roosemal von Seiner Krankheit genesen war und zum ersten Male mit langsamen Schritten seine Straße durchwandelte, fiel sein Blick auf den neuen Fensterrahmen des Schusters. Er blieb plötzlich Stehen, rieb sich die Augen wie ein Schlafsüchtiger und betrachtete Sinnend der Reihe nach die einzelnen Häuser, wie ein Fremdling, der sich verirrt hat.
»Was ist das,« dachte er bei sich, »das ist doch nicht der Laden Meister Spinals? Sollte er ausgezogen Sein, ohne daß ich's erfahren habe? Schon wieder eine Ratte, die hier den Hansdampf aushängt, um den Leuten Sand in die Augen zu Streuen und dann um so besser Bankrott spielen zu können, wenn das Schäflein im Trocknen ist. Aber der wird mich doch nicht fangen . . . «
Während Roosemal in solchen Gedanken stand, kam ein Herr aus dem Innern des Schusterladens auf die Türschwelle heraus. Er war schön gekleidet, trug einen Paletot von gewürfeltem Zeug, ein Schokoladenfarbiges Beinkleid, eine weiße Unterweste und eine Sogenannte goldene Kette auf der Brust, woran eine Uhr oder ein Augenglas hangen mochte. Ein krauser, Schwarzglänzender Bart umfing sein ganzes Gesicht; sein Kopfhaar war künstlich aufgestrichen und glich täuschend den Wachsfiguren, die man vor den Fenstern der Perückenmacher sieht.
»Aha,« dachte Roosemal, »da ist die Ratte; es ist Sünde um solch einen Schmucken Kerl. Aber der neue Nachbar kam Schnurstracks auf ihn zu, klopfte ihm auf die Schulter und sprach:
»Ihr seid genesen, Freund van Roosemal?«
Der erstaunte Mann erkannte die Stimme Spinals, trat zwei Schritte zurück, besah Seinen Freund vom Kopf bis zu den Füßen und sagte dann einfältig:
»Wie Schön Ihr ausseht, he! Habt Ihr das große Los in der russischen Lotterie gewonnen? Oder habt Ihr vielleicht eine Erbschaft gemacht? Gesegne's Gott dann; ich wünsch' Euch Glück . . . Nun habe ich Leben lang geglaubt, daß Ihr rotes Haar hättet!«
Spinal lächelte mit einer Art von spöttischem Mitleiden und antwortete mit jener losen freien Gebärde, die man den welschen Schliff zu nennen pflegt:
»Van Roosemal, mein Freund, Ihr werdet niemals reich werden, Ihr. Die Welt ist verändert; niemand läßt sich heutigestags mehr fangen ohne Lockfinken und Vogelleim; schlechte Ware gut vorgesetzt, ist halb verkauft. Wer von den flämischen Bürgern leben muß, plagt sich bis in Seine alten Tage, bevor er Sagen kann: Ich bin geborgen! Sie sind zu knauserig, Freund, und wollen gutes Leder und gute Arbeit für geringen Preis. Da lobe ich mir die französische Jugend; da ist was zu holen; – alle Monat ein Paar Stiefel, teuer bezahlt und leicht gemacht.«
Der erstaunte van Roosemal wußte nicht, ob er wache oder Schlafe. Die Ohren summten ihm von der sonderlichen Rede, und er war versucht zu glauben, Spinal habe Seine fünf Sinne nicht mehr beisammen.
»Aber,« fiel er ihm in die Rede, »ich habe doch wohl schon sagen hören, daß die französischen Windbeutel nicht selten das Zahlen vergessen. Nehmt Euch nur in acht; bei mir Stehen noch einige von diesen Prahlhansen in der Kreide; und da möget Ihr Scheren, wo keine Wolle darauf ist. Lieber den sicheren Heller und das Gewissen rein.«
»Veraltetes Geschwätz, Freund,« antwortete der Schuster, »wir werden uns, so Gott will, nach zwei oder drei Jahren wieder sprechen, und dann wollen wir sehen, wer's am weitesten gebracht hat. Mein Sohn Jules ist nach Paris, um Sein Geschäft zu lernen; von dem erwarte ich viel.«
»Wer ist nach Paris, Sagt Ihr? Jules? Ich dachte, daß ich der Pate Eures einzigen Sohnes sei, und der heiße Johann, wie ich.«
»Nun wohl denn, Johann ist nach Paris; aber er hat seinen gemeinen Namen geändert und heißt nun Jules, das ist viel vornehmer. Und meine Tochter, die diese Woche ins Pensionat gekommen ist, nennt sich Hortense. Ich sage Euch dies nur, damit Ihr Sie nicht in Gegenwart meiner Kunden Hans und Theres nennen sollt.«
Meister van Roosemal schüttelte den Kopf, besah wechselweise die Aufschriften an dem Glaskasten und die Schillernden Kleidungsstücke seines Freundes und sprach dann in halb scherzhaftem Tone:
»Ich glaube nicht, daß Ihr das Rechte getroffen habt, Meister Spinal! Ich sah ihrer schon so viele auf dem Wege purzeln, die zuvor wohl noch auf festen Füßen Standen. Jedoch, jeder mag tun, wie er will, es sind nicht meine Sachen, und damit genug! – Aber sagt, Ihr vergeßt vielleicht, daß heute Morgen Versammlung ist von der Bruderschaft Unserer Lieben Frau. Geht Ihr nicht mit?«
»Bruderschaft Unserer Lieben Frau?« rief Spinal beinahe Spottend. »Ich bin kein Mitglied mehr, Freund. Jemand, der fürs große Theater arbeitet, wie ich, der mag nicht mehr mit einer Kerze in der Hand der Prozession nachlaufen. Auf Ehre, das stünde nicht gut.«
»Guten Tag dann!« Sagte Roosemal mit traurigem Tone und ließ den verwelschten Schuster vor seiner Türe stehen.
Einige Zeit darnach kam Spinal zu dem Krämer, und nachdem er auf den guten Fortgang seines Geschäftes viel gepocht, sprach er von einem großen Vorrat Leder, den er von einem Gerber, der in Geldverlegenheit sei, kaufen möchte. Er nannte es eine »brillante Affäre« und wußte durch seine neugelernten Künste es dahin zu bringen, daß der einfältige Mann, eingedenk ihrer alten Freundschaft, ihm fünfhundert Gulden bar vorstreckte, in drei Monaten zurückzuzahlen. Zugleich ließ sich van Roosemal ein Paar neue Schuhe anmessen.
Die Schuhe hatten schon nach acht Tagen die Sohlen verloren, und anstatt seiner fünfhundert Gulden erhielt der Krämer viele schöne Worte und endlose Versprechen.
Dieser letzte Punkt bewirkte einen Stillen Bruch zwischen den zwei Nachbarn, die sich fortan gegenseitig nicht mehr grüßten. Ihre beiden Kinder jedoch teilten diese Spannung nicht und blieben im täglichen Verkehr miteinander.
2
Guter Rat, schlechter Entschluß
Seitdem Spinals Tochter aus dem Pensionat zurückgekommen war, hatte Siska van Roosemal viel von ihrer schönen Einfalt verloren. Sie hatte schon zu oft in dem Laden des Schuhmagazins gesehen, wie die verwelschten jungen Leute sich freie Scherze und Liebkosungen gegen ihre Freundin erlaubten und wie diese mit gefallsüchtigen Blicken und Gebärden darauf zu antworten wußte in der Schönen liebehauchenden französischen Sprache. Unschuldig und nicht wissend, welche unreinen Gelüste unter solchen falschen Liebesworten versteckt liegen, errötete Sie mehr als einmal vor Scham, wenn einer oder der andere von diesen jungen Laffen Sie in gebrochenem Französisch anredete und Sie nicht, wie ihre Freundin, darauf antworten konnte. Darum lag Sie ihrer Mutter täglich dringend an, daß Sie auch in jenes Pensionat geschickt werden möchte. Frau van Roosemal, die ihre Tochter mit blinder Zärtlichkeit liebte, hatte gleichfalls mit Neid wahrgenommen, daß Hortense, oder eigentlich Therese Spinal, so wenig hübsch Sie auch war, doch alle Augen auf sich zog, und daß ihre arme Siska schrecklich gemein aussah neben der aufgedonnerten Schusterstochter. In ihrem mütterlichen Hochmut däuchte es ihr, es gezieme sich nicht, ihr Kind noch länger so zurückgesetzt und verdunkelt zu sehen neben einer, die geringer sei als sie. Nachdem Sie ihrem Manne einige Monate lang mit derlei Vorstellungen in den Ohren gelegen, wurde beschlossen, daß Siska in das Pensionat gehen solle, jedoch solle der alte Pelkmann zuvor noch in dieser wichtigen Sache zu Rate gezogen werden.
Dieser Pelkmann war der Doktor oder Hausarzt der Familie, wie Sein Vater es beim vorigen van Roosemal gewesen war. Schon oft hatte er durch Seinen weisen Rat in verwickelten Sachen dem Krämer nützliche Dienste geleistet; was ihn aber den beiden Eltern vor allem so wert machte, war, daß er Siska schon zweimal in ansteckenden Krankheiten und zuletzt noch in der Cholera vom gewissen Tode gerettet hatte. In ihrer Dankbarkeit hatten Sie anerkannt, daß der Doktor hierdurch einiges Recht auf das Leben und die Zukunft ihrer Tochter erworben, und Sie beschlossen daher, nie etwas in Bezug auf sie ohne seinen Rat einzuholen. Und Sie taten wohl daran, denn der alte Pelkmann war wirklich ein weiser und gelehrter Mann, der den Lauf der Welt genau kannte und alles mit flämischer Vorsicht prüfte und ergründete.
An einem bestimmten Tage saß der Doktor mit Vater und Mutter van Roosemal in einer Stube hinter dem Laden und das Gespräch ward durch Meister van Roosemal also begonnen:
»Doktor Pelkmann, meine Frau will durchaus, daß wir Siska in ein französisches Pensionat schicken. Was mich betrifft, ich bin lange dawider gewesen; allein die Tränen Siskas haben endlich meinen Sinn erweicht.«
»In eine französische Kostschule?« fragte der Doktor verwundert. »In ein französisches Pensionat? Es gibt ja doch gute Schulen genug in der Stadt und da kann man doch wenigstens alle Tage nachsehen, ob das Schäflein nicht irreläuft.«
»Ach, ach!« rief die Mutter lachend und mit einer Art Verachtung, »was kann man denn in den Schulen der Stadt lernen? Stricken, Nähen, Leinwand zeichnen, Hemden zuschneiden, Rechnen – und Flämisch, was ohnehin jedermann kann. Da seht Spinals Tochter an; als ein Klotz ging Sie fort, als ein Fräulein kam Sie wieder; sie spricht französisch, ist überall beliebt, wird von allen vornehmen jungen Herren aufgesucht . . . Sie darf nur wählen, mit wem Sie ihr Glück machen will.«
Der Doktor zuckte die Achseln und schüttelte bedenklich den Kopf. Er antwortete:
»Ihr betrübt mich, Frau van Roosemal. Ich weiß nicht, welch böser Geist Euch anbläst und Euer gesundes Urtheil so plötzlich verkehrt hat. Die vornehmen jungen Herren, davon Ihr redet, Spieler und dünne Schreiber, die in den Schusterladen kommen wie die Fliegen auf den Zuckerhut. Ich kenne Hortense Spinal und kann Euch sagen, daß ich mein halbes Vermögen darum gäbe, zu verhindern, daß Siska ihr jemals gleiche. Wollt Ihr dieses unschuldige, dieses schöne und reine Kind verderben, sie von Religion, von Sittsamkeit und flämischer Rechtschaffenheit abbringen lassen, um eine leichtsinnige, buhlerische Kokette daraus machen? Nehmt Euch in acht! Mein Rat wird vielleicht hier unnütz sein; aber dann werdet Ihr Euch noch hinter den Ohren kratzen, wenn wir das Glück haben, noch zu leben.«
Die beiden Eltern waren in sehr ungleicher Weise von des Doktors strengen Worten getroffen; beide lächelten: der Vater vor Freude, hoffend, daß der Doktor obsiegen werde, die Mutter aus Ärger. Sie gab sich jedoch nicht gefangen, sondern rief aus:
»Doktor, Doktor, Ihr übertreibts! Ich weiß wohl, daß ihr einen Haß habt gegen alles, was Französisch ist; aber wir sind von der alten Welt, Freund. Es geht heutzutage nicht mehr so . . . «
»Frau van Roosemal,« fiel der Doktor ein, »Ihr wollt mich nicht verstehen. Es ist nicht meine Absicht jemand zu hindern, fremde Sprachen zu erlernen: das könnt Ihr zur Genüge ja an meinem eignen Sohn Ludwig sehen, der jetzt auf der Universität ist. Versteht er nicht auch Französisch? Ich denke, ein wenig besser als die jungen Nichtswisser, die der Theres Spinal den Kopf verrücken und Euch so in die Augen Stechen, Frau van Roosemal. Seht mich nicht so unfreundlich an. Ja, es Sind Nichtswisser; denn was können sie? Etwas Gassenfranzösisch, das sie oft noch genug elend verhunzen; ihres Muttersprache kennen Sie auch nicht, und was die nützlichsten Wissenschaften betrifft, so sind ihnen Sogar die Namen unbekannt. Ihre ganze Gelehrtheit besteht in welschem Wind, in Worten und Redensarten, die sie hie und da aus Zeitungen und Romanen auffischen. Daraus spinnen sie dann ein hohles eitles Geschwätz zusammen und verkaufen es an Unkundige für französische Bildung! – Aber Ihr macht mich ärgerlich, wir kommen von unserm Gegenstande ab. Lasset uns einander besser verstehen. Ich sage Euch denn, – und merket wohl auf meine Worte: es gibt allerdings gute Erziehungsanstalten; aber es gibt unendlich mehr schlechte. Die guten sind die, wo die Vorsteherinnen, ihre heilige Aufgabe erkennend, sich ein nützlicheres Ziel setzen, als ein Mädchen mit einem glänzenden Weltfirnis zu überziehen auf Kosten ihrer Gottesfurcht und Sittsamkeit; wo die Lehrerinnen eifrig zusammenwirken und unablässig wachen, um das Gift der Verführung abzuwehren und Eitelkeit und Leichtsinn zu bekämpfen; wo man weiß, welche gute Eigenschaften in der flämischen Gesinnung ihre Wurzel haben, und wie gefährlich es ist, diesen reinen Boden fremden Einflüssen preiszugeben; mit einem Worte, wo man nicht beabsichtigt, modische Fräulein, sondern nützliche und würdige Hausmütter zu bilden. – Wollt Ihr nun Eure Siska in eine solche Erziehungsanstalt geben, so habe ich nichts dawider; weit entfernt, ich freue mich darüber. Alles hängt jedoch hier aber von der Wahl ab, die Ihr treffen werdet. Ich weiß es leider: die meisten französischen Pensionate sind Nester des Verderbens und der Entsittlichung; doch lassen sich auch die guten leicht finden, wenn man nur Suchen will. Wenn Ihr es wünscht, will ich Euch eine Solche Anstalt nennen; die von X . . . zum Beispiel.«