Czytaj książkę: «Der Bürg mit dem Hundehalsband»

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Helmuth Santler
Der Bürg mit dem Hundehalsband

Storys, Sketches und Satirisches

Ein E-Book vom Textmaker

ISBN: 978-3-84350-09-44

Erstellt mithilfe von Sigil 0.7.1., Wien, Mai 2013

Erweiterte Neuauflage erstellt mithilfe von Sigil 0.9.7., Wien, Jänner 2017

Überarbeitete Neuauflage erstellt mithilfe von Sigil 1.8.0., Wien, Jänner 2022

Cover: E. T. A. Hoffmann – Kapellmeister Kreisler, Gestaltung: Herbert Gruber, d.sign Gruber & Partner KG

Die Printausgabe dieses Titels ist erhältlich unter ISBN 978-3-945620-79-3.

Inhalt


peachsmack CC-BY-SA 2.0; Bearbeitung Textmaker
Sketches

Ort der Handlung der hier präsentierten vier Mikro-Komödien ist Wien, wo ich seit den 1980er-Jahren wohne. Das verwendete Idiom ist den hiesigen Gepflogenheiten abgeschaut; für besondere Härtefälle sind Übersetzungen in Form von Fußnoten eingefügt.

Die Sachen sind allesamt schon einige Jahre alt. Heute würden manche Dialoge merklich anders klingen, denn in den drei Jahrzehnten, in denen Neudeutsch, Deutsch-Deutsch und Gemmabillaismus miteinander um die linguistische Vorherrschaft ringen, hat sich das Urwienerische auf eine vom Aussterben bedrohte Sprachart zurückentwickelt.

Beruhigungshinweis für alle, die mit dem Dialekt Schwierigkeiten haben: Alle übrigen Texte sind mit einer Ausnahme in ordentlichem Schriftdeutsch gehalten.

Blubbies im Establishment

Von oben ist ein ca. 25-jähriger Mann zu sehen. Er sitzt am Klo, in den Anblick nackter Mädchen in einem Pornoheft versunken, und masturbiert.

Vor der Klosetttüre tritt eine ca. 25-jährige Frau, in ein straightes Businesskostüm gekleidet, etwas verkrampft von einem Fuß auf den anderen.

Anna (genannt Ann): Mach schon, i muaß total dringend. Außerdem hab i's sowieso eilig.

Richard (genannt Ritschi), gedämpft durch die Häusltür: I ... kumm ... eh glei.

Ritschis Gesicht frontal: es macht einen äußerst angespannten Eindruck.

Anns Gesicht frontal: zeigt denselben Ausdruck wie Ritschis.

Der geteilte Bildschirm zeigt Ann und Ritschi diesseits und jenseits der Klosetttüre. Ann zischt plötzlich davon, die Kamera folgt ihr ins Bad, wo sie sich über die Duschkabine hockt und uriniert. Zeitgleich schafft es Ritschi, und beider Gesichtsausdruck wandelt sich in einen der behaglichen, entspannten Zufriedenheit.

Beide: Aaaaah...

Von oben sieht man zuerst zerknülltes Klopapier in der Muschel, das fortgespült wird, dann eine gelbe Flüssigkeit, die aus einer Duschtasse geschwemmt wird.

Die Klotüre, von außen gesehen, öffnet sich und Ritschi kommt heraus. Während des folgenden Dialogs gehen die beiden langsam in die Küche und treffen Vorbereitungen fürs Frühstück: Kaffeekochen, Essen aus dem Kühlschrank holen usw.

Ritschi (mit dem Porno unterm Arm): Schon frei, Ann.

Ann: Schon is gut. Danke, jetzt brauch i's nimmer.

Ritschi: Ist wohl in die Hose gegangen.

Ann: Nein, in die Duschkabine.

Ritschi: Ma, du bist a Schweindl. Und i wollt mi grad brausen(1) gehn.

Ann: Gute Idee, geh di brausen. Von wegen Schweindl! Glaubst i was ned, was du so lang am Klo treibst?

Ritschi: Ich meditiere gegen meine Prüfungsangst.

Ann: Tatsächlich? Du hast heit a Prüfung?

Ritschi: Nicht direkt heute. In vier Wochen. Aber rechtzeitige Vorbereitung ist das Um und Auf. Du weißt ja – Angst lähmt.

Ann: Na und? Sollst du bei der Prüfung vorturnen?

Ritschi: Nein, es geht um die Kommunikation politischer Ideologie in heimischen Printmedien von 1945 bis heute.

Ann: Ist ja hochinteressant! (Mit Blick auf das Pornoheftchen) Die Stellung der Frau ist dir offenbar ein besonderes Anliegen.

Ritschi: Du kennst mich ja: Ich bin für die Gleichberechtigung. Das Problem ist nur, wenn alle dieselbe Stellung einnehmen, passiert überhaupt nichts mehr. Männer und Frauen müssen sich ergänzen, nicht kopieren.

Ann: Na, dann ergänz mal die Milch. Die im Kühlschrank ist zum Schmeißen.

Ritschi: Ich schon wieder. Eigentlich wär der Robert dran.

Ann: Der schlaft noch; is erst um vier in der Früh nach Hause gekommen.

Ritschi: Woher weißt du das denn so genau?

Ann: Jemand hat mal gesagt, Männer und Frauen müssen sich ergänzen ...

Ritschi: Ah, so ist das. Na dann werd' ich den beiden Turteltäubchen halt das Frühstück bringen. Hätten Sie's gerne ans Bett oder darf ich in der Küche servieren?

Ann: Idiot! Der Robert hat mich aufgeweckt und um ein Aspirin angebettelt. Voll im Öl, der Typ. Den Dunst, den der verbreitet hat, hätt' ma als Insektenvertilgungsmittel verwenden können. Jetzt mach schon, i muaß dann los.

Ritschi verlässt die Wohnung in Schlapfen und Jogginganzug. Eine Tür von der Küche geht auf und Robert tritt auf; er trägt eine Unterhose und Socken und sieht reichlich mitgenommen und völlig übernächtigt aus.

Robert: (mit einer Stimme, die an Tom Waits erinnert) Könnt`s ihr ned leiser sein? In mein Kopf streitens grad, obs hämmern oder bohren sollen. Hast no a Aspirin?

Ann: Na, du hast da die letzten drei schon in der Nacht verabreicht. Wie wär's mit einer eiskalten Dusche?

Robert: Wie wärs mit einer Kopfmassage, mein Liebling?

Ann: Deine Gehirnzellen haben anscheinend mehr als üblich gelitten, mein Säufling. Keine Zeit für solche Scherze.

Die Eingangstür geht auf und Ritschi kommt mit der Milch zurück.

Ritschi: Sieh mal an, Totgesagte leben länger.

Er öffnet das Milchpackerl, riecht daran und rümpft die Nase.

Ritschi: Des gibt's ned. Die is a schlecht.

Ann: Lass mich mal. (riecht auch daran, kostet einen Schluck) Die Milch is ganz in Ordnung, der komische Geruch stammt von unserem lieben Mitbewohner.

Robert: Okay, okay, schon kapiert. (verschwindet im Badezimmer)

Ann macht sich in ziemlicher Eile über ein schnelles Frühstück her; Ritschi sieht ihr, gemächlich eine Semmel mit Käse kauend und gelegentlich Kaffee schlürfend, eine Weile zu.

Ritschi: Was treibt di eigentlich so? Kriagst jetzt an Stress auf deine alten Tag?

Ann: I hab an Vorstellungstermin. Werbebranche.

Ritschi: Palmers-Model?

Ann: Wennst meine Höschen seh'n willst, brauchst nur die Wäsche waschen. Ich bewerb mich als Texterin.

Ritschi: Ein Waschdurchgang mit Höschen-rein, macht braune Flecken winzig klein.

Ann: Wer würde dieses Mittel wählen, wenn ihn so blöde Sprüche quälen. Und was hast du so vor den ganzen Tag?

Ritschi: Ich? Wieso fragst du das?

Ann: Weiß ich auch nicht, wo die Antwort doch eh immer die gleiche is. Mitleid wahrscheinlich.

Ritschi: Na danke, du bist echt aufbauend. Geh, schleich di zu dein Termin. I halt da die Daumen, dass dem Establishment verfallst. Irgendwer muaß die Miete ja zahln.

Ann: Bin schon weg.

Ann zieht sich rasch etwas über und die Schuhe an und verlässt die Wohnung. Ritschi kaut weiter an seiner Semmel und murmelt etwas wie "halt sie wohl für was bessers" in das Gebäck. Robert ist im Bad fertig und gesellt sich im Bademantel zu Ritschi. Lässt sich schwer auf einen Sessel am Frühstückstisch niederplumpsen.

Robert: Biiitte, an Kaffee. I packs ned, i hab an Schädel wia a Kraterlandschaft.

Ritschi: (Schenkt ihm einen Kaffee ein) Wo warst denn leicht?

Robert: Eh nur im Stammbeisl. Um Mitternacht fallt dem Wirt'n auf amol ein, er hat Geburtstag. Mehr brauchst ned. Der Tequila ist geflossen und i bin verfolln. Frag mi ned, wia i hamkumman bin. Totalabsturz.

Ritschi: Na, is eh erst der vierte in dem Monat.

Robert: Was solln des jetzt heißen?

Ritschi: Das du am besten Weg nach Kalksburg(2) bist, wennst so weitermachst.

Robert: Oasch!(3) I hab alles unter Kontrolle.

Ritschi: Besonders die Totalabstürze, vermute ich.

Robert: Sag mal, nervt di irgendwas? Du bist voll ätzend.

Ritschi: Die Ann, wennst es wissen willst. Behandelt mich wie einen Vollidioten. Voll im Stress, das Fräulein, wichtige Termine. Sie wird nämlich Werbetexterin. Außerdem hab i heit no nix graucht.

Steht auf und verschwindet kurz in seinem Zimmer. Zurück am Frühstückstisch, breitet er alle nötigen Utensilien aus: lange Papers, Bauschale, Zigaretten, eine halb zerrissene Visitenkarte, Feuerzeug und ein Stück Dope. Beginnt einen Joint zu bauen.

Robert: Du schimpf mi no amol Alkoholiker. Mit dein Zeig bist a ned bessa. I fang wenigstens den Tag ned mit Saufn an.

Ritschi: Dafür heast mit Aspirin auf und ich mit süßen Träumen.

Schnitt. Dieselbe Einstellung, mehr als zwei Stunden später. Ritschi zieht gerade an einem Gerät (4) , ein Blick auf den Aschenbecher zeigt zwei weitere typische Stummel. Robert macht einen ersten zaghaften Schluck aus einer Bierflasche. Die Tür geht auf – Ann ist zurück.

Ann: Hey Jungs. Na, schon wieder fleißig bei der Arbeit?

Robert lässt beinahe die Bierflasche fallen, die recht wackelig am Tisch landet. Ritschi bekommt einen Hustenanfall.

Robert: Was machstn du schon wieder da? Gefeuert vor der Einstellung?

Ann: Ganz im Gegenteil – erster Auftrag auf Honorar!

Ritschi: Na, dem musst es ja ordentlich besorgt haben.

Ann: Sicher. Der Personalchef ist zuletzt am Hundehalsband vor mir herumgekrochen und hat darum gefleht, dass ich ihm meine Absätze in den Hintern schieb. Wofür hältst du mich eigentlich, Dauerbedröhnter? Ich hab Textproben hergezeigt und er war voll angetan. Hat gemeint, wir sollten es mal versuchen.

Robert: Und was wird's? Ein Sprücherl für den Blindenverband? Oder sollst die Massen ins Brigittenauer(5) Hallenbad locken?

Ann: (plötzlich etwas zögerlich) Ähh – na, ned so was.

Ritschi: Na was dann? Sag schon. Uns fallt sicher was ein.

Ann: Es geht um Spielzeug.

Robert: Und zwar? Was lasst dir denn auf amol alles so aus der Nasn ziagn?

Ann: Tiviblubbies.

Ritschi und Robert schauen sie groß an, dann einander, dann wieder sie. Gleichzeitig prusten sie los.

Robert: Die gehirnamputierten Kleinkindverblöder? Und was sollst du da machen?

Ann: Sie brauchen einen Liedtext für ein Kinderfest, bei dem es Stoffblubbies zu gewinnen gibt. Ja, lachts nur. Ist immerhin ein Anfang.

Ritschi: (singt) Stinki, Gaga, Tiviblubbie, ooh.

Ann: Frau merkt gleich, du bist Experte. Ich komm darauf zurück. Jetzt mach i mi ans Werk.

Ann geht ab in ihr Zimmer; Robert und Ritschi bleiben sichtlich amüsiert am Küchentisch sitzen.

Ritschi: Die meints richtig ernst. Die Karriere ist nicht aufzuhalten.

Robert: Ja, nach dem Start kanns ja wohl nur mehr aufwärts gehen.

Ritschi: Als Nächstes darf sie dann schon die Tischkarten für den nächsten Firmenempfang verfassen.

Robert: Böse, böse. Aber i sag dir eins – a bissl a Kohle wär nicht schlecht. Mei Brieftaschen besteht nur noch aus Zwiebelleder(6). Wie geht's'n dir damit?

Ritschi: So ähnlich. Seit i nur mehr rauch und nix mehr vercheck(7), bin i chronischer Negerant(8).

Robert: Fangst halt wieder an.

Ritschi: Na, is ma zu riskant. In Zeiten wie diesen häng i mi ungern aus'n Fenster. Die blede G'schicht is nur: I kann eigentlich nix anders als verchecken.

Robert: Dann müss ma das Produkt wechseln. Du bist der Verkäufer, ich schaff die Kundschaft heran. Dope zieht immer noch am besten, nur legal muss halt sein.

Ritschi: I glaub i waß, wo des hinführt ...

Szenenwechsel: Einige Tage später befinden wir uns auf der Donauinsel (9) , wo eine Freiluftbühne aufgebaut ist; der kitschig-bunten Farbdekorierung zufolge offensichtlich für Kinder, welche sich denn auch in großer Zahl vor der Bühne versammelt haben. Dahinter stehen einige Erwachsene. Ein clownesk gekleiderter Mann hüpft auf der Bühne herum und gibt ein Lied zum Besten. Der Refrain: Tiviblubbies, gelb und rot, stehn zur Seite in der Not. Tiviblubbies, grün und blau, machen uns ganz superschlau.

Den Kindern scheint das Lied zu gefallen, denn sie krähen den Refrain begeistert mit. Der Gesichtsausdruck der Eltern weist eher ins Schmerzliche. Etwas abseits sieht man Ann, sehr sommerlich-luftig gekleidet, die die Szene mit einer Mischung aus Skepsis und Zufriedenheit betrachtet. Neben ihr steht ein etwas älterer, geschäftsmäßig gekleideter Herr, der Personalchef, der wiederum Ann mit einiger Zufriedenheit betrachtet.

Schnitt. Die Kamera zeigt Robert und Ritschi in einiger Entfernung der obigen Szenerie, die im Hintergrund zu erkennen ist. Ritschi hat einen Bauchladen umgehängt, der schier überquillt mit Süßigkeiten aller Art. Robert kämpft mit dem Gewicht von zwei schweren Kühltaschen. Die beiden nähern sich zielstrebig dem Ort der Tiviblubbie-Verherrlichung.

Dort ist das Lied in der Zwischenzeit verklungen und der Entertainer kündigt die große Verlosung der Stoffblubbies an. Mitten in seine Erkärung des Prozedere mit Freiwilligen, die sich auf der Bühne einem Tiviblubbie-Quiz stellen müssten, ertönt plötzlich eine sehr laute Stimme.

Robert: (im Stile eines Marktschreiers) Kalte Getränke, kalte Getränke. Bier, Cola, Apfelsaft, bald habt ihr wieder neue Kraft.

Ritschi: Süßigkeiten, Süßigkeiten, heute GRATIS Süßigkeiten.

Spätestens mit dem Wort "gratis" haben die beiden die Aufmerksamkeit aller auf sich gezogen. In Großaufnahme sind Anns vor Entsetzen geweitete Augen zu sehen. Kindergeschrei wird laut: "Mama, ich hab so Durst." "Ich will was schlecken(10)." "Darf ich ein Cola?"

Ein erster Erwachsener, offenbar ein Vater, wendet sich an die beiden.

Vater: Was soll das mit den gratis Süßigkeiten? A Schmäh(11), oder?

Robert: Aber nein. Beim Kauf eines Getränkes erhalten Sie eine Süßigkeit Ihrer Wahl gratis dazu.

Vater: Aha. Na gut, ich nehm ein Bier. (ruft) Lotte!

Ein kleines Mädchen eilt herbei.

Vater: Schau, da kannst dir was aussuchen zum Schlecken.

Lotte macht sich mit Begeisterung daran, aus dem süßen Sortiment das Richtige auszuwählen. In kürzester Zeit sind Robert und Ritschi umringt von Eltern und Kindern. Die Getränke gehen weg wie die warmen Semmeln, die Kinder verdrängen sich gegenseitig vom besten Platz vor Ritschis Bauchladen. Im Hintergrund sieht man den Kinder-Entertainer, der verzweifelt versucht, sein Tiviblubbie-Quiz zu veranstalten, aber niemand hört ihm mehr zu. Schwenk auf Ann und den Personalchef.

Personalchef: Eine unglaubliche Frechheit. Was fällt diesen Typen ein? Die machen alles kaputt.

Ann: (die sich ein bisschen schwer tut, das Lachen zu verbeißen) Tatsächlich unerhört. Fehlte nur noch, dass sich der Moderator auch ein Bier holt. Im Übrigen hab ich einen Mordsdurst.

Personalchef: (blickt Ann aufs höchste verwundert an) Wie darf ich das verstehen? Sie wollen doch nicht etwa ...?

Doch Ann lässt den Mann bereits stehen und strebt auf Robert und Ritschi zu. In diesem Moment schmeißt der Clown-Unterhalter auf der Bühne das Mikro hin, greift sich die Stoffblubbies und schmeißt sie wahllos in die Menge; ein Riesengerangel entsteht, das sich nach kurzer Zeit in eine Menge von vielen heulenden und einigen wenigen strahlenden Kindern auflöst. Rufe wie: "Der Bub hat mich g´haut, die Buben sind so blöd." "Mamaaaa!" "Ich hab ein grünes, ich hab ein grünes!" oder einfaches Geplärre werden laut. Einige Kinder haben tatsächlich unbedeutende Kratz- und Schürfwunden ("Blute, blute!").

Dann treffen Ann und der Unterhalter, der in der Zwischenzeit die Bühne verlassen hat, gleichzeitig bei Robert und Ritschi ein.

Ann: (fröhlich) Danke, die Herren. Das wärs dann wohl gewesen mit meinem Job.

Unterhalter: Habt's noch a Bier?

Robert: Aber immer.

Ritschi: War uns ein Vergnügen, Ann. Die Errettung der Wohnungsgenossin vor den Untiefen des Kommerz – eine wahrlich heldenhafte Tat.

Der Personalchef tritt hinzu.

Personalchef: Ann, Sie kennen diese beiden Figuren? Ich bin entsetzt. Sie können sich denken, dass das Konsequenzen haben wird. (An Robert und Rischi gewandt) Und Sie können sich auf etwas gefasst machen; Ihnen steht eine Schadenersatzklage ins Haus.

Ann: Immer mit der Ruhe. Den Tiviblubbie-Job schmeiß ich gerne hin. Und was den Schadenersatz betrifft – schauen Sie doch mal, was diese Stoffteile angerichtet haben. Die Kids sehen aus wie nach einer Schlacht; glauben Sie, das wäre eine gute Schlagzeile: Nach Kampf um Tiviblubbies mehrere Kinder in ärztlicher Behandlung?

Personalchef: (kann sich nicht entscheiden, ob er knallrot anlaufen oder erbleichen soll und ringt zur Sicherheit nach Luft) Sie ... Sie wagen es nicht ...

Ritschi: Sie haben ja gar keine Vorstellung, was unsere Ann so alles wagt, Sie Hundehalsband.

Robert: Da hams a Bier, geht aufs Haus. Und dann ab durch die Mitte. (drückt ihm eine Flasche in die Hand)

Der Personalchef nimmt die Flasche und geht ab. Die drei hocken sich auf die mittlerweile großteils verlassene Wiese, greifen sich die letzten Flaschen aus der Kühltasche, öffnen sie und prosten einander zu.

Ann: Na dann, ihr Vögel. Gemmas wieder von vorne an.

Ritschi: Dei Karriere is sowieso ned aufzuhalten.

Robert: Wir übernehmen auf alle Fälle das Catering-Service.

Ann: Bloß nicht!

Allgemeines Gelächter und Ende.

© 1995

Einige Übersetzungshilfen bzw. Erläuterungen:

(1) duschen

(2) Der Ortsteil des 23. Wiener Gemeindebezirks, in dem das Anton-Proksch-Institut zu finden ist, die größte Suchtklinik Europas.

(3) Arsch

(4) Joint

(5) Stadtteil von Wien

(6) Zum Weinen leer

(7) verkaufen

(8) pleite

(9) In den 1970ern künstlich angelegte, 20 km lange Insel in der Donau, im Grunde ein Wasserschutzprojekt, heute aber vor allem als beliebtes Naherholungsgebiet aus der urbanen Realität Wiens nicht mehr wegzudenken.

(10) naschen

(11) Scherz, hier eher im Sinne von Täuschung

Turbo 1 an Zentrale

Zwei junge Männer, beide keine gebürtigen Wiener, laufen auf der Alten Donau eis. Ihr Wagen parkt oberhalb einer steilen Böschung, die durch eine Schneematschschicht zu einer unansehnlichen, schmutzigbraunen Rutschbahn geworden ist. Direkt am Ufer stehen zwei Paar Stiefel. Der See ist ziemlich bevölkert; es ist ein sonniger Sonntag im Wiener Winter.

Michael: (hält in der rechten Hand eine Dose Bier, die er beim Reden zur Unterstreichung seiner Worte benutzt) Die Maxi ist am Freitag in der Nacht über die Mauer vom Zentralfriedhof geklettert, weil sie "Grabstätte bei Nacht und Schneefall" fotografieren wollte. Wie sie wieder raus will, sieht sie ein Kieberer(23). Der Typ hat den Hund auf sie gehetzt, obwohl sie sich ohnehin nicht bewegt hat. Die Bisswunden hat sie mir gezeigt: am Wadl, an der Hüfte und an der linken Schulter. Wie im Wilden Westen. Was meint der Doktor jur. dazu?

Manfred: Rechtswidriger Waffengebrauch und Körperverletzung, eindeutig. Aber ohne Zeugen kannst sowieso nichts unternehmen. Da steht dann Aussage gegen Aussage. Weiß sie wenigstens die Dienstnummer von dem Supersheriff?

Michael: Für den war sie eine Schwerverbrecherin. Sie ist überhaupt nicht zu Wort gekommen. Ihre Aussichten waren auf das Mündungsrohr seiner Pistole beschränkt.

Manfred: (schüttelt den Kopf) Schreibst was d'rüber?

Michael: Klar. Eine Polizistenpistole.

Schweigend laufen die beiden weiter. Sie nähern sich einer Brücke. Knapp hintereinander tauchen sie in den Schatten ein. Plötzlich bricht das Eis, nacheinander platschen die beiden in das eiskalte Wasser. Sie kommen rasch wieder ans Trockene.

Michael: Fuck it! Nichts wie ins Auto.

Mit den tropfnassen, schweren Kleidern etwas unbeweglich, eilen sie zu ihrer Einstiegsstelle. In großer Hast zerren sie sich die Eisschuhe von den Füßen, greifen zu ihren Stiefeln. Nachdenklich blickt Michael auf die Schuhe.

Manfred: Wie mach i das jetzt? I geh glei mit die Socken. (Er stapft die Böschung hinauf; Michael folgt. Mit einigen Schwierigkeiten erreichen sie den Wagen. Manfred sperrt den Kofferraum auf. Die beiden ziehen sich bis auf die Unterhose aus, werfen das nasse Zeugs in den Kofferraum, setzen sich hinein und fahren los.)

Michael: Selbst die Alte Donau wird zum Abenteuer, wenn man sich blöd genug anstellt. Meine Hoffnungen gelten der Heizung deines Autos.

Manfred: (fährt sehr schnell) Wenigstens kann i amol so in Wien fahren, wie i's immer schon wollt. Ein echter Notfall.

Von einer Nebenstraße kommend, taucht plötzlich ein Streifenwagen auf. Mit Sirene und Blaulicht verfolgen sie die beiden ein paar hundert Meter, überholen dann und drängen Manfreds Wagen an den rechten Straßenrand.

1. Polizist: (Am Funk; seine Ottakringer(24) Herkunft ist nicht zu überhören) Turbo 1 an Zentrale. Mir ham zwa rasende Flitzer gestoppt. Werden einschreiten.

Zentrale: Zentrale an Turbo 1. Wir halten den Kanal offen; ruaft's uns sofort, wenn's a Verstärkung braucht's.

Der Beifahrer steigt aus und beginnt amtszuhandeln. Kaugummikauend deutet er Manfred, das Fenster zu öffnen.

2. Polizist: Macht Ihnen des Spaß, nackert durch Wien zu rasen? Zagn's amol die Papiere!

Manfred: Wir sind in der Alten Donau eingebrochen und haben das nasse Gewand im Kofferraum; die Papiere sind auch dabei.

2. Polizist: So, so, einbroch'n samma. Des gibt eana no lang ned des Recht auf überhöhte Geschwindigkeit im Ortsgebiet. Siech i jetz bald an Ausweis oder ham's kan?

Michael: Wollen Sie uns eine Lungenentzündung anhängen oder reicht eine Anzeige? Wir sind zu schnell gefahren, na gut. Es handelt sich schließlich um einen Notfall ...

2. Polizist: Mit eana hat ka Mensch gred'. Waun's frech a no wearn, ziag ma andere Seit'n auf. An Ausweis, aber dalli! (Der Wichtigkeit seines Amtes voll bewusst, kaut er triumphierend auf seinem Gummi. Irgendwie schafft er es, gleichzeitig hämisch zu grinsen.)

Manfred: (in dem der Zorn aufwallt) Geb's Sie amol ihr'n Kaugummi die frische Luft wieder. Laut Ministerialratsbeschluss ist das Kaugummikauen im Dienst verboten.

Mittlerweile hat sich um das Auto eine Menschenansammlung gebildet. Zwischenrufe werden laut: "De Schwuchteln wear'n immer präpotenter. Verkehr im Verkehr, ha, ha, ha." "Da Kiebara soll se schleichn, bevur sie da erste in sei Gummiwuascht (25) valiabt."

2. Polizist: (winkt seinem Kollegen, der hinzueilt) Kümmer di um de Leit, Walter. (Deutet auf das Innere des Wagens) Zwa Obaschlaue! Waßt wos der ma dazölln wü? A Ministerialratsbeschluss gegen's Kaugummikauen. Des packst ned!

1. Polizist: Pass liaba auf, wos'd sogst! Den Beschluss gibt's wirklich. (Zur Menge gewandt, die dem Dialog mit hörbarem Vergnügen gefolgt ist) Weitergehen, weitergehen. Zerstreuen Sie sich!

1. Passant: Wia soll i des mach'n? I bin eh scho so zerstreut.

1. Polizist: (laut) Wer war des?

2. Passant: A verirrter Verwirrter ...

1. Polizist: (zieht seine Pistole und hält sie dem 2. Passanten vor die Brust) Sie hab'n den Kerl also gesichtet! Wer wars? I warn Sie: Es ist strafbar, eine Amtshandlung zu behindern.

2. Passant: I hab niemanden g'sehn.

1. Polizist: Des werma no klärn. (eilt zum Wagen zrück) I hol Verstärkung. (Nimmt das Funkgerät und tut es.)

2. Polizist: (hat ebenfalls seine Waffe gezogen und zeigt mit ihr über Manfreds Wagen auf die Menge. Mit lauter Stimme) Keiner rührt sich von der Stelle! Alle die Ausweise bereithalten!

Michael: Sie verlangen Unmögliches. Noch dazu mit Kaugummi.

2. Polizist: (ins Wageninnere brüllend) WER HAT MIT IHNEN GRED'?

Michael: Na Sie. Wir sind eine Teilmenge von allen.

2. Polizist: (verschluckt den Kaugummi) Wos hom's g'sagt?

Michael: Wir sind eine Teilmenge von allen.

2. Polizist: (schreit) DES HAB I EH G'HÖRT. I WARN EANA ...

Manfred: (zu Michael) Kennst du eine "Erna"?

Michael versucht mit wenig Erfolg, einen Lachanfall zu verbeißen. In diesem Moment ertönt Sirenengeheul. In wenigen Sekunden wimmelt es von Polizisten – Streifenwagen, Alarmwagen bremsen sich quietschend ein, zig Beamte, zum Teil im Kampfanzug, schwärmen aus. Auch Hunde sind dabei und schlagen ohrenbetäubend an. Ein Offizier steht breitbeinig inmitten des Geschehens. In seiner Rechten hält er ein Megafon.

Offizier: DAS GELÄNDE IST UMSTELLT. WIDERSTAND IST ZWECKLOS. LASSEN SIE IHRE WAFFEN FALLEN UND KOMMEN SIE MIT ERHOBENEN HÄNDEN HERAUS.

Die Polizisten haben ihre Stellungen bezogen und verharren bewegungslos, die Waffen im Anschlag. Die Passanten blicken verdutzt auf den Offizier und brechen in Gelächter aus.

Offizier: (zornbebend) RÄUMEN! RÄUMEN!

Die Polizisten stürmen auf den verschreckten Haufen Menschen los. Gummiknüppel kommen zum Einsatz, Hunde verbeißen sich in Waden, Schüsse fallen. Wie Sandsäcke werden die Passanten zu den Einsatzwagen geschliffen und dort in Gewahrsam genommen. Die meisten Wagen rasen mit Blaulicht und Sirene vom Tatort. Übrig bleiben Turbo 1, der Wagen des Offiziers und Manfred und Michael, die mittlerweile vor Kälte zittern.

Offizier: (geht auf den Wagen der beiden zu und schaut hinein) Guten Tag. Die Situation ist bereinigt. Wer sind Sie? Warum tragen Sie keine Kleidung?

Manfred: Dr. Manfred Vogel. Mein Freund und ich sind beim Eislaufen auf der Alten Donau eingebrochen und haben die nassen Sachen in den Kofferraum geworfen, um eine Erkältung zu vermeiden.

Michael: Mag. Michael Sattler. Wir bräuchten wirklich dringend eine heiße Dusche und einen kräftigen Punsch. (niest)

Offizier: Natürlich, meine Herren. Die Polizei, dein Freund und Helfer. (winkt den 2. Polizisten heran, der sich eben einen neuen Kaugummi in den Mund schiebt) Sie eskortieren mir diesen Wagen bis vor die Haustür!

Manfred: Skodagasse 9. Im Achten.

Offizier: Skodagasse 9. Sie haben's gehört. Pronto, wenn ich bitten darf. Die beiden Herren holen sich den Tod, wenn sie nicht bald in eine warme Stube kommen. Und spucken's ja den Kaugummi wieder aus!

2. Polizist: (verschluckt den Kaugummi) Ääh ... aber ... die zwei Flitzer sind viel zu schnell gefahren und ...

Offizier: Das sind keine Flitzer, sondern ehrbare Bürger! Akademiker! Keine Diskussionen! Los!

2. Polizist: Zu Befehl, Herr Major! (verstört eilt er zum Streifenwagen und steigt am Beifahrersitz ein. Sein Kollege sitzt bereits am Steuer.)

Offizier: Das wär's. Gute Fahrt, meine Herren.

Beide: Danke.

Der Streifenwagen fährt an; Blaulicht und Sirene sind eingeschaltet. In halsbrecherischem Tempo biegt er um die erste Ecke. Manfred folgt dichtauf. Am Ziel angekommen, behindert der Polizeiwagen ein Auto, das eben einen günstig gelegenen Parkplatz belegen möchte, sodass Manfred und Michael fast direkt vor der Haustüre parken können. Die ältere Frau in dem anderen Wagen, die sich diese Behandlung nicht so ohne Weiteres gefallen lassen möchte, wird für die beiden verärgerten Beamten zum willkommenen Sündenbock. Während die zwei Uniformierten wieder einmal amtshandeln, hüpfen die frierenden Akademiker in größter Hektik aus und um das Auto, bepacken sich mit ihren Sachen aus dem Kofferraum und laufen so beladen, barfuß und in Unterhosen, über die Straße ins Haus. Ein Sandler, der die ganze Szene interessiert verfolgt hat, schüttelt sich ein wenig, weil ihn der Anblick der nackten Männer frieren lässt; andererseits ein willkommener Anlass, sich mit einem kräftigen Schluck aus seiner Schnapsflasche ein wenig aufzuwärmen. Das Haustor fällt hinter Manfred und Michael ins Schloss.

1. Polizist: Sie stengan mitt'n auf da Stroßn, Gnädigste. Des geht so ned.

Ältere Frau: Machen Sie sich jetzt auch noch über mich lustig? Ich stehe nur hier, weil Sie mich am Einparken gehindert haben.

2. Polizist: Also mia san schuld? Woll'n S' des damit sagn?

Ältere Frau: Ja wer denn sonst? Im Übrigen würde ich jetzt gerne wieder auf die Suche nach einem Parkplatz gehen.

1. Polizist: Immer mit da Ruhe, Gnädigste. Ausweis und Fahrzeugpapiere, wenn ich bitten darf.

In der Straße beginnt es sich zu stauen, der 2. Polizist hält den Verkehr endgültig an. Hupen ist zu hören. Während die Amtshandlung in eine hitzig geführte Diskussion auszuarten scheint, greift der 2. Polizist wieder zum Funkgerät.

2. Polizist: Turbo 1 an Zentrale. Mir ham da an Fall von schwerer Verkehrsbehinderung und Widerstand gegen die Staatsgewalt. Dringender Handlungsbedarf.

Zentrale: Verstanden, Turbo 1. Braucht's a Verstärkung?

© 1992

(23) Polizist

(24) Der 16. Wiener Gemeindebezirk

(25) Gummiwurst – der Hartgummi-Schlagstock

399 ₽
42,87 zł

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Objętość:
220 str. 18 ilustracje
ISBN:
9783843500944
Wydawca:
Właściciel praw:
Bookwire
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Tekst
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